VwGH 2013/08/0152

VwGH2013/08/015213.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des K T in Wien, vertreten durch Dr. Witt & Partner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Argentinierstraße 20A/2A, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. September 2012, Zl. 2011-0566-9- 004771, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §36 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Zuerkennung der Notstandshilfe an den Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Jänner 2010 bis zum 30. Juli 2011 sowie vom 6. August bis zum 7. August 2011 gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG widerrufen und das unberechtigt Empfangene in Höhe von EUR 15.056,90 gemäß § 25 Abs. 1 AlVG rückgefordert.

Der Beschwerdeführer beziehe seit dem 27. Juli 1999 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. In allen diesbezüglichen Anträgen habe er die Frage nach in seinem Haushalt lebenden Angehörigen immer mit "alleinstehend, ohne Sorgepflicht" beantwortet.

Der ordentliche Wohnsitz des Beschwerdeführers sei vom 30. März 2001 bis zum 14. Jänner 2005 die B.-Gasse in 1220 Wien und seit dem 14. Jänner 2005 die Z.-Gasse, 1220 Wien, gewesen. A. S. habe ihren ordentlichen Wohnsitz vom 30. März 2001 bis zum 15. April 2005 ebenfalls in der B.-Gasse in 1220 Wien und seit 15. April 2005 ebenfalls in der Z.-Gasse in 1220 Wien gehabt.

Der Beschwerdeführer sei Hauptmieter der ca. 78 m2 großen, aus Wohn- und Schlafzimmer, Küche, Bad, WC und Loggia bestehenden Gemeindewohnung in der Z.-Gasse. Die monatliche Miete betrage EUR 360,-- inklusive Betriebskosten, weiters seien monatlich EUR 150,-- für Strom und Gas sowie EUR 100,-- für Fernwärme aufzuwenden. Der Beschwerdeführer und A. S. hätten zusammen alle Ausgaben für Miete, Gas und "alle wirtschaftlichen Angelegenheiten" bestritten. Der Beschwerdeführer habe das Geld von A. S. und seinen Leistungsbezug (nach dem AlVG) zusammengelegt und die Wohnkosten beglichen. Mit dem Rest hätten beide gelebt. Lebensmittel habe der Beschwerdeführer gekauft, er habe auch gekocht und sauber gemacht. A. S. habe untertags gearbeitet. Das Abendessen sei gemeinsam eingenommen worden, die Freizeit sei nicht gemeinsam verbracht worden. Nach dem Essen hätten sie gemeinsam ferngesehen, dann sei jeder schlafen gegangen. A. S. habe meistens auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen.

Aus einer Abfrage vom 11. September 2012 beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger ergebe sich, dass A. S. vom 11. November 2005 bis zum 13. August 2012 als Angestellte bei K. beschäftigt gewesen sei. K. habe am 1. Dezember 2011 Lohnbescheinigungen betreffend A. S. u.a. mit dem Inhalt übermittelt, dass sie seit dem 11. November 2005 als Angestellte tätig sei und die Entlohnung gleichbleibend erfolge. Diesen Lohnbescheinigungen zufolge habe A. S. ab 1. Jänner 2010 ein gleichbleibendes Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.424,77 und ab 1. Jänner 2011 ein gleichbleibendes Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.445,06 erzielt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, ein gemeinsamer Haushalt liege vor, wenn nicht nur dieselbe Wohnung bewohnt, sondern auch eine gemeinsame Wirtschaft geführt werde. Da die Wohngemeinschaft unbestritten und die Wirtschaftsgemeinschaft entsprechend der Angaben des Beschwerdeführers und der A. S. eindeutig nachgewiesen sei, liege eine Lebensgemeinschaft vor, wobei eine allfällige Geschlechtsgemeinschaft durchaus weniger ausgeprägt sein oder auch ganz fehlen könne.

Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld habe bei der Notstandshilfe das Einkommen des Partners Einfluss auf die Höhe des Notstandshilfeanspruches des Arbeitslosen. Das Einkommen des Partners sei in einem bestimmten Ausmaß auf den theoretischen Notstandshilfeanspruch anzurechnen, sodass lediglich der verbleibende Differenzbetrag zur Auszahlung kommen könne. Vom Nettoeinkommen des Partners würden die pauschalierten Werbungskosten sowie die jeweilige Freigrenze, die dem Partner zur freien Verfügung verbleiben müsse, abgezogen. Diese Freigrenzen würden auf Grund außergewöhnlicher finanzieller Belastung infolge von Krankheit, Schwangerschaft, eines Todesfalles sowie Rückzahlungsverpflichtungen infolge einer Hausstandsgründung um bis zu maximal 50 % erhöht werden können, wobei Kreditraten zu höchstens 50 % der Ratenhöhe anerkannt würden. Die Anrechnung habe immer auf den Leistungsanspruch des Folgemonats zu erfolgen. Die Freigrenze werde auf Grund der Erkrankung des Beschwerdeführers an Diabetes Mellitus seit 2007 ab 1. Jänner 2007 um EUR 73,-- erhöht.

Des Weiteren führte die belangte Behörde aus:

"Es ergibt sich daher nachstehende Berechnung für Ihren

Anspruch vom 01.01.2010 - 31.01.2010

 

Durchschnittseinkommen Ihrer Partnerin netto ab 10/2009

EUR 1.409,69

Werbekostenpauschale

-EUR 11,00

Erhöhte Freigrenze wg. Krankheit

-EUR 73,00

Freigrenze für Ihren Partner

-EUR 495,00

 

 

anrechenbares Einkommen (gerundet)

EUR 831,00 x 12 / 365 Tage

ergibt einen Anrechnungsbetrag von

EUR 27,32

  

 

Ihr täglicher Notstandshilfeanspruch betrug in diesem Zeitraum EUR 26,05, das anrechenbare Einkommen Ihrer Lebensgefährtin übersteigt daher die Ihnen an sich gebührende Notstandshilfe.

Es ergibt sich daher nachstehende Berechnung für Ihren

Anspruch vom 01.02.2010 - 31.12.2010

 

Durchschnittseinkommen Ihrer Partnerin netto ab 01/2010

EUR 1.424,77

Werbekostenpauschale

-EUR 11,00

Erhöhte Freigrenze wg. Krankheit

-EUR 73,00

Freigrenze für Ihren Partner

-EUR 495,00

 

 

anrechenbares Einkommen (gerundet)

EUR 846,00 x 12 / 365 Tage

ergibt einen Anrechnungsbetrag von

EUR 27,81

  

 

Ihr täglicher Notstandshilfeanspruch betrug in diesem Zeitraum EUR 26,05, das anrechenbare Einkommen Ihrer Lebensgefährtin übersteigt daher die ihnen an sich gebührende Notstandshilfe.

Es ergibt sich daher nachstehende Berechnung für ihren

Anspruch vom 01.01.2011 - 31.01.2011

 

Durchschnittseinkommen Ihrer Partnerin netto ab 01/2010

EUR 1.424,77

Werbekostenpauschale

-EUR 11,00

Erhöhte Freigrenze wg. Krankheit

-EUR 73,00

Freigrenze für Ihren Partner

-EUR 501,00

 

 

anrechenbares Einkommen (gerundet)

EUR 843,00 x 12 / 365 Tage

ergibt einen Anrechnungsbetrag von

EUR 27,71

  

 

Ihr täglicher Notstandshilfeanspruch betrug in diesem Zeitraum EUR 26,05, das anrechenbare Einkommen Ihrer Lehensgefährtin übersteigt daher die Ihnen an sich gebührende Notstandshilfe.

Es ergibt sich daher nachstehende Berechnung für Ihren

Anspruch vom 01.02.2011 - 7.08.2011

 

Durchschnittseinkommen Ihrer Partnerin netto ab 01/2011

EUR 1.445,06

Werbekostenpauschale

-EUR 11,00

Erhöhte Freigrenze wg. Krankheit

-EUR 73,00

Freigrenze für Ihren Partner

-EUR 501,00

 

 

anrechenbares Einkommen (gerundet)

EUR 860,00 x 12 / 365 Tage

ergibt einen Anrechnungsbetrag von

EUR 28,27

  

 

Ihr täglicher Notstandshilfeanspruch betrug in diesem Zeitraum EUR 26,05, das anrechenbare Einkommen Ihrer Lebensgefährtin übersteigt daher die Ihnen an sich gebührende Notstandshilfe.

Infolge der seit 1.9.2010 geltenden gesetzlichen Bestimmung betreffend die Bedarfsorientierte Mindestsicherung, beinhaltet seit 1.9.2010 einerseits der Notstandshilfe-Tagsatz einen Ergänzungsbetrag. Der Notstandshilfeanspruch beträgt ab 1.9.2010 für den Fall, dass die Notstandshilfe den Ausgleichzulagenrichtsatz nach § 293 Abs. 1 lit a sublit bb ASVG nicht erreicht 95 % des Grundbetrages zuzüglich 95 % des Ergänzungsbetrages des jeweils gebührenden Arbeitslosengeldtagsatzes. In allen anderen Fällen beträgt der Notstandshilfetagsatz 92 % des Arbeitslosengeldanspruches, wobei 95 % eines Dreißigstel des Ausgleichszulagenrichtsatzes nicht unterschritten werden dürfen. Die Beträge sind allesamt kaufmännisch auf 1 Cent zu runden.

Der sog. Mindeststandard 2010 für Paare beträgt EUR 1.116,02, für 2011 für Paare EUR 1.129,42.

In Fällen, in denen das Haushaltseinkommen den Mindeststandard nicht erreicht hat eine Einkommensanrechnung insoweit zu unterbleiben, bis dieses erreicht wird. Liegt das Haushaltseinkommen über dem Mindeststandard so führt dies zu keiner Änderung der Parteieneinkommensanrechnung.

Da in Ihrem Fall das Haushaltseinkommen bereits durch das Einkommen Ihres Partners den Mindeststandardbetrag teilweise erreicht wurde, das Einkommen Ihres Partners auf Ihren Notstandshilfebezug entsprechend anzurechnen."

Es habe sich herausgestellt, dass im gegenständlichen Zeitraum eine Lebensgemeinschaft bestanden habe. Eine rechtzeitige Meldung dieses Umstandes sei nicht erfolgt und vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet worden.

Dem Beschwerdeführer sei vom 1. Jänner 2010 bis zum 30. Juli 2011 ein Tagsatz von EUR 26,-- an 576 Tagen sowie vom 6. August bis zum 7. August 2011 ein Tagsatz von EUR 26,05 an 2 Tagen ausbezahlt worden. Der Rückforderungsbetrag errechne sich daher insgesamt mit EUR 15.056,90.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bringt vor, weder die Aussagen des Beschwerdeführers und der A. S., die gar nicht in der Lage gewesen seien, den Begriff einer Lebensgemeinschaft zu definieren, noch die dazu getroffenen Feststellungen würden ausreichen, das Zusammenwohnen rechtlich als Lebensgemeinschaft zu qualifizieren. Es würden Feststellungen fehlen,

"ob überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang Beiträge der A. S. zum gemeinsamen Leben erfolgten und ob diese höher waren als die durch sie verursachten Mehrkosten der Haushaltsführung".

Dem ist zu entgegnen, dass das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand besteht, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber - wie auch bei einer Ehe - das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar. Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung des Partnereinkommens liegt offenkundig die Annahme zu Grunde, dass der Partner wegen der Lebens-(Wohn‑)Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften zumindest zum Teil (etwa durch Mitfinanzierung der gemeinsamen Wohnkosten oder Ernährung) beiträgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2012, Zl. 2010/08/0118).

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde hat die belangte Behörde - nicht zuletzt auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers - festgestellt, dass das Geld der A. S. mit dem Leistungsbezug des Beschwerdeführers zusammengelegt und damit die Wohnkosten beglichen wurden. Von dem Rest haben beide gelebt.

Nach der dargestellten Rechtsprechung genügt für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft die Mitfinanzierung der Miete für eine zur Gänze gemeinsam bewohnte Wohnung. In der Beteiligung an den Wohnkosten durch denjenigen Partner, der nicht die Notstandshilfe beansprucht, liegt genau jene finanzielle Unterstützung des Notstandshilfebeziehers, welche eine Lebensgemeinschaft kennzeichnet und die Anrechnung des Partnereinkommens sachlich rechtfertigt (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2010/08/0118). Schon das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers rechtfertigt daher die Annahme einer Lebensgemeinschaft, ohne dass es auf weitere Merkmale wie etwa das Vorliegen einer Geschlechtsgemeinschaft entscheidend ankäme.

Die Beschwerde bringt des Weiteren vor, aus den Auskünften des K. (des Dienstgebers der A. S.) würde sich lediglich ergeben, dass in einem Zeitraum von 132 Monaten nur 27 Monate ausgeübte Berufstätigkeit fallen würden, wovon nur 2 Monate auf die im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Betrachtungszeiträume entfielen. Über die Beschäftigungszeiten der A. S. seien keine Feststellungen getroffen worden.

Dem ist zu erwidern, dass die vom Beschwerdeführer vermissten Feststellungen getroffen wurden, und zwar dahin, dass A. S. vom 11. November 2005 bis zum 13. August 2012 als Angestellte des Unternehmens K. beschäftigt gewesen ist. Diese Feststellung hat der Beschwerdeführer nicht bestritten. Im Zusammenhalt mit den Lohnbescheinigungen des Unternehmens K., in denen auf eine gleichbleibende Entlohnung verwiesen wird, ergibt sich, dass das für den Monat Jänner 2010 angegebene Entgelt bis auf weiteres und das für den Monat Jänner 2011 angegebene Entgelt für die Dauer der weiteren Beschäftigung bis zu deren Ende am 13. August 2012 gegolten hat. Die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet keinen vom Verwaltungsgerichtshof anzugreifenden Bedenken und auch die Beschwerde vermag keine Umstände aufzuzeigen, die diese Feststellungen zweifelhaft erscheinen lassen könnten.

Die Beschwerde bringt schließlich vor, dass die belangte Behörde über die Höhe des rückgeforderten Betrages eine nachvollziehbare Aufstellung vermissen lasse. Der "Gesamtbezug in dem rückforderungsrelevanten Zeitraum kann unmöglich den rückgeforderten Betrag erreicht haben".

Dem steht gegenüber, dass die belangte Behörde für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum das anzurechnende Partnereinkommen nachvollziehbar dargelegt hat. Der Anrechnungsbetrag hat im gesamten gegenständlichen Zeitraum die Höhe des dem Beschwerdeführer tatsächlich ausbezahlten Tagsatzes überschritten. Der Beschwerdeführer hat die Höhe des ausbezahlten Tagsatzes ebenso wenig bestritten wie die im angefochtenen Bescheid festgestellten Tage der Auszahlung, woraus sich die im Bescheid rechnerisch dargelegte Höhe des Rückforderungsbetrages von EUR 15.056,90 ergibt.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rückforderung hat die Beschwerde ebenfalls nicht bestritten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 13. November 2013

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