VwGH 2013/03/0048

VwGH2013/03/004826.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des D B in W, vertreten durch Mag. Martin Dohnal, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24/13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 14. Februar 2013, Zl UVS-06/9/8206/2012-13, betreffend Übertretung des Telekommunikationsgesetzes 2003 (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §863;
TKG 1997 §101;
TKG 2003 §107 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2013030048.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Angefochtener Bescheid

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug erlassenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Wirtschaftsauskunftei in W - somit als deren außenvertretungsbefugtes Organ und gemäß § 9 Abs 1 VStG als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher - dafür einzustehen, dass am 3. Jänner 2012, 17.10 Uhr, vom besagten Unternehmen aus ein namentlich genannter Teilnehmer zu Werbezwecken angerufen worden sei, ohne dass dieser oder sonst eine Person, die den angerufenen Anschluss nutze, vorher eine Einwilligung zum Erhalt von Werbeanrufen des Unternehmens erteilt habe. Inhalt des Anrufes sei Werbung für die Dienstleistungen des Unternehmens gewesen. Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 107 Abs 1 des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG) iVm § 109 Abs 4 Z 8 leg cit sowie § 9 Abs 1 VStG begangen. Über ihn wurde nach § 109 Abs 4 TKG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten: Dem angefochtenen Bescheid liege eine Anzeige des Teilnehmers zugrunde, dem eine "online-Demonstration" zum "Kreditcheck" angeboten worden sei (die Wirtschaftsauskunftei biete Ähnliches wie der KSV 1970 oder der AKV an, nur "umsonst bis billiger"). Die Vertragspartner dieser Wirtschaftsauskunftei - so der Beschwerdeführer - seien größtenteils Gewerbetreibende, als potentielle Vertragspartner würden Gewerbetreibende, nicht aber Privatpersonen kontaktiert. Beim Teilnehmer handle es sich laut Gewerberegisterauszug um einen Gewerbetreibenden (Einzelunternehmen); unter der im Tatvorwurf genannten Telefonnummer und laut den "Gelben Seiten von Herold" sowie dem "Firmen A-Z" könne ausschließlich das Gewerbe des Teilnehmers als Einzelunternehmer kontaktiert werden. Die dortige Registrierung des Teilnehmers lasse nach Auffassung des Beschwerdeführers den Rückschluss darauf zu, dass der Teilnehmer unter dieser Telefonnummer als Gewerbetreibender kontaktiert werden wolle, dies nicht nur zur Auftragserteilung, sondern auch zur Auftragsannahme. Zu genau diesem Zweck sei das gegenständliche Telefonat geführt worden, ein Kontakt mit dem Teilnehmer als Privatperson sei weder zu erwarten gewesen noch erwünscht.

Nach § 107 Abs 1 TKG aber erfolge zu unzulässigen (weit zu interpretierenden) Werbezwecken ein Anruf dann, wenn das Unternehmen damit die Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder den Absatz von Produkten bezwecke; unerbetene Telefonanrufe zu Zwecken der Werbung ("cold callings") seien generell unzulässig. Normadressat des § 107 TK sei jedermann, diese Bestimmung unterscheide nicht danach, ob der geschützte angerufene Teilnehmer Konsument oder Unternehmer sei. Grundsätzlich stelle Telefonwerbung ohne vorherige Zustimmung bei Privatpersonen, aber auch bei Wirtschaftsunternehmen, einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre dar. Der Einwand des Beschwerdeführers, wonach der Teilnehmer durch Websiteauftritt (Homepage mit Bekanntgabe seiner Kontaktdaten) oder durch Eintragung in herold.at vorab die Zustimmung zur - telefonischen - Kontaktaufnahme zu Werbezwecken (etwa) durch das für seine Dienstleistung werbende Unternehmen des Beschwerdeführers erteilt hätte, sei nicht zielführend. Es spiele keine Rolle, dass der Teilnehmer Gewerbetreibender sei, der naturgemäß über seine Homepage für seine potentiellen Kunden (ua telefonisch) erreichbar bzw kontaktierbar sein wolle. Es sei verfehlt, daraus abzuleiten, dass der Teilnehmer konkludent der werbenden Kontaktaufnahme mittels Telefonanrufs durch das Unternehmen des Beschwerdeführers zugestimmt habe. Die erwähnte Angabe der Telefonnummer sei weder als ausdrückliche noch als konkludente bzw stillschweigende Zustimmung zu werten, Werbeanrufe erhalten zu wollen, auch wenn die Auslegung der Anforderung an die Zustimmung weit zu erfolgen habe. Als Zustimmung sei die gültige, insbesondere ohne Zwang abgegebene Willenserklärung des Betroffenen zu verstehen, dass er in Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall in die Verwendung seiner Daten einwillige. Ein Eintrag bei herold.at oder eine Bekanntgabe von Kontaktdaten auf einer Homepage im Internet, wodurch den Kunden der Zugang zu einem Unternehmen (Gewerbebetrieb) ermöglicht bzw erleichtert werden solle, stelle aber (wie erwähnt) keine Einwilligungserklärung iSd § 107 TKG dar.

Ferner sei es auf dem Boden des § 5 Abs 1 VStG dem Beschwerdeführer mit seiner Verantwortung nicht gelungen, mangelndes Verschulden glaubhaft darzutun, zudem habe dieser gar nicht erst behauptet, vorab entsprechende Erkundigungen bei der zuständigen Behörde eingeholt zu haben, weshalb eine Unkenntnis der verletzten Bestimmung (die noch dazu im Wortlaut eindeutig sei) verschuldet sei. Der Beschwerdeführer habe die ihm angelastete Übertretung somit schuldhaft in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen.

Der Gesetzgeber habe durch die mit einer Übertretung des § 107 Abs 1 TKG verbundene Höhe der Strafdrohung (nach § 109 Abs 4 TKG idF BGBl I Nr 102/2011: Geldstrafe bis zu EUR 58.000,--) zum Ausdruck gebracht, dass er derartigen Gesetzesverletzungen einen besonders hohen Unrechtsgehalt beimesse (in diesem Sinn sei der gesetzliche Strafsatz von EUR 37.000,-- durch BGBl I Nr 23/2011 auf EUR 58.000,-- erhöht worden, in Kraft getreten am 29. April 2011). Durch die Tat sei das durch die verletzte Rechtsnorm geschützte Interesse an der Hintanhaltung unerwünschter Werbeanrufe nicht unerheblich geschädigt worden, der Unrechtsgehalt der Tat - selbst bei Annahme des Fehlens sonstiger nachteiliger Folgen - sei keinesfalls bloß gering. Auch das Verschulden des Beschwerdeführers sei nicht als lediglich geringfügig zu erachten, zumal nicht hervorgekommen sei, dass die Einhaltung der vorliegend verletzten Bestimmung eine besondere Aufmerksamkeit abverlangt hätte oder dass die Verwirklichung des Tatbestands aus besonderen Gründen nur schwer zu verhindern gewesen wäre. Bei der Strafbemessung sei mildernd die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, erschwerend hingegen kein Umstand zu werten. Ein Absehen von der Strafe sei somit nicht in Betracht gekommen (§ 21 Abs 1 VStG). Selbst bei Annahme bloß unterdurchschnittlicher bis durchschnittlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers, der Angestellter sei und zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine Angaben getätigt habe, sei die verhängte Strafe als sehr mild und keinesfalls überhöht zu bewerten. Die verhängte Geldstrafe schöpfe den gesetzlichen Strafrahmen ohnedies nur zu einem geringen Bruchteil aus, auch die Ersatzfreiheitsstrafe sei verhältnismäßig und angemessen. B. Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

C. Erwägungen

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des TKG 2003 (idF BGBl I Nr 102/2011) lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Unerbetene Nachrichten

§ 107. (1) Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien -

zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers sind unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss.

Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 109. …

(4) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 58 000 Euro zu bestrafen, wer

8. entgegen § 107 Abs. 1 Anrufe zu Werbezwecken tätigt. …"

2. Ziel des Gesetzgebers ist es, durch die Bestimmung des § 107 Abs 1 TKG jedem Teilnehmer Schutz vor unerbetenen Anrufen zu gewähren (vgl VwGH vom 25. Februar 2004, 2003/03/0284, VwSlg 16.297 A, zur Vorläuferbestimmung des § 101 des TKG aus dem Jahr 2007, wobei die Gesetzesmaterialien zu § 107 TKG aus dem Jahr 2003 nicht erkennen lassen, dass diesbezüglich eine Änderung eingetreten wäre, vgl RV 128 BlgNR 22. GP , S 20 f; vgl auch VwGH vom 24. März 2010, 2007/03/0143).

Der Zweck dieses Schutzes der Privatsphäre (vgl dazu Oberster Gerichtshof vom 18. Mai 1999, 4 Ob 113/99t, OGH vom 29. April 2003, 4 Ob 24/03p, und OGH vom 2. August 2005, 1 Ob 104/05h, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2002, G 267/01 ua, VfSlg 16.688) ist bei der Auslegung des Begriffs "zu Werbezwecken" zu berücksichtigen, sodass entgegen der Beschwerde der Begriff "zu Werbezwecken" in § 107 Abs 1 TKG jedenfalls auch die Anbahnung des Abschlusses eines Vertrags mit dem Unternehmen des Beschwerdeführers im Rahmen der Anpreisung eines Produkts bzw eines Verkaufsgesprächs erfasst (vgl in diesem Sinn nochmals VwSlg 16.297 A).

3. Da das Verbot unerbetener Anrufe nach § 107 Abs 1 TKG bezüglich der geschützten Teilnehmer keine Unterscheidung bezüglich Konsumenten, Unternehmer oder Gewerbetreibende enthält, schützt diese Regelung auch Teilnehmer, wenn sie - wie vorliegend - offensichtlich Gewerbetreibende sind. Eine solche Differenzierung ist in § 107 Abs 1 TKG nicht vorgesehen, vielmehr lässt sich diese Bestimmung davon leiten, dass der jeweilige Teilnehmer Schutz vor unerbetenen Anrufen schlechthin benötigt (vgl VfSlg 16.688/2002).

Die von der Beschwerde für ihren gegenteiligen Standpunkt herangezogenen Gesetzesmaterialien (mit dem Hinweis auf "eine Unterscheidung von elektronischer Post zwischen business to business und business to consumer", vgl RV 128 BlgNR 22. GP , S 20) beziehen sich nicht auf § 107 Abs 1 TKG, sondern auf die Regelungen für "elektronische Post" in anderen Absätzen des § 107 leg cit. Die Bestimmung des § 107 Abs 1 TKG wurde im Übrigen - anders als offenbar die Beschwerde mit dem Hinweis auf die diesbezüglichen Gesetzesmaterialien meint - mit der Novelle BGBl I Nr 133/2005 nicht geändert.

4. Weiters versagt das Vorbringen, der Teilnehmer habe sich mittels seines Auftritts im Internet - wo er "sämtliche seiner Daten, insbesondere Kontaktdaten und Unternehmensgegenstand, veröffentlicht" habe - soweit exponiert, dass er damit rechnen habe müssen, auch durch potentielle Lieferanten dementsprechend kontaktiert zu werden.

Bei der nach § 107 Abs 1 TKG erforderlichen vorherigen Einwilligung handelt es sich um eine zustimmende Willenserklärung des (zukünftigen) Anrufempfängers, wobei für diese Zustimmung ein gesetzliches Formerfordernis nicht besteht, sodass auch eine konkludente Zustimmung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl in dieser Richtung VwGH vom 26. April 2007, 2005/03/0143, und VwGH vom 24. März 2010, 2007/03/0177). Eine konkludente Erklärung kann nur dann angenommen werden, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in eine Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewillen in einer bestimmten Richtung vorliegt; dass also - bezogen auf den Beschwerdefall - ein bestimmtes Verhalten nur als Einwilligung zum Erhalt eines Anrufs zu Werbezwecken verstanden werden kann (vgl VwGH vom 24. März 2010, 2007/03/0177, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs).

Dass der gegenständliche Teilnehmer im Internet (oder in einem Telefon-Teilnehmerverzeichnis) insbesondere seine Kontaktdaten und seinen Unternehmensgegenstand veröffentlicht, ist entgegen der Beschwerde nicht zwingend so zu verstehen, dass damit die vorherige Zustimmung zum Erhalt von Anrufen zu Werbezwecken erteilt worden wäre. Selbst wenn nämlich angesichts der Gestaltung dieser Hinweise des Teilnehmers kein Zweifel daran bestünde, dass der Teilnehmer werbend auf seine gewerbliche Tätigkeit hinweist, rechtfertigt das nicht die Annahme, dass damit schlechthin die Zustimmung zum Erhalt von Anrufen zu Werbezwecken gegeben werde (vgl dazu VwGH vom 26. April 2007, 2005/03/0143).

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 26. Juni 2013

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