VwGH 2013/03/0001

VwGH2013/03/000127.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des P L in N, vertreten durch Dr. Karl Claus & Mag. Dieter Berthold, Rechtsanwälte in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 23. November 2012, Zl E1/11703/2012, betreffend Erlassung eines Waffenverbots, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
WaffG 1996 §12 Abs1;
AVG §52;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

A. Angefochtener Bescheid

1. Mit dem bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12 (WaffG) der Besitz von Waffen und Munition verboten.

2. Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (BH) habe gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 WaffG ein Waffenverbot erlassen. Der Beschwerdeführer habe seit Jänner 2007 unbefugt einen genehmigungspflichtigen Revolver der Marke Smith & Wesson besessen, welcher bei einer Hausdurchsuchung wegen des Tatverdachts nach den §§ 27 und 30 Suchtmittelgesetz am 29. Dezember 2011 sichergestellt worden sei. Wegen des Tatverdachts nach dem Suchtmittelgesetz sei von der BH ein Gutachten eingeholt worden, um feststellen zu können, ob der Beschwerdeführer in Zukunft für den Besitz von Waffen geeignet sei. In diesem Gutachten vom 31. Jänner 2012 sei ausgeführt worden, dass der Beschwerdeführer "an Benzodiazepinabhängigkeit seit 17 Jahren, Z.n. wahnhafter Störung 1/2012, Z.n. Tympanoplastik und chron. Otitis li., Tinnitus, St.p. Ruptur der Supra- und Infraspinatussehne re Schulter, Diskusprolaps C4/5 und L5/S1, und an chron. Schmerzen" leide. Weiters habe der Beschwerdeführer ca 2 bis 3 Jahre lang zum Nachteil der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse große Mengen Schmerzmittel bezogen, welche unter die Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes fielen. Er hätte regelmäßig von verschiedenen Ärzten aus dem Bezirk Baden ausgestellte Rezepte gefälscht und mehrfach in fast allen Apotheken im Bezirk Mistelbach eingelöst. Zu den Rezeptfälschungen und zum Besitz der illegalen Faustfeuerwaffe sei der Beschwerdeführer geständig gewesen.

Auf Grund dieses Sachverhaltes sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 1. Februar 2012 gemäß den § 12 Abs 1 WaffG und § 57 Abs 1 AVG der Besitz von Waffen und Munition mit sofortiger Wirkung verboten worden (Waffenverbot). Dagegen habe der Beschwerdeführer eine Vorstellung erhoben. In einer dann aufgetragenen schriftlichen Stellungnahme habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass er aus seiner Sicht nicht krank sei und bis jetzt auch keine missbräuchliche Verwendung von Waffen stattgefunden habe. In der Folge habe die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach mit Bescheid vom 29. Mai 2012 den im Mandatsverfahren ergangenen Waffenverbotsbescheid vom 1. Februar 2012 bestätigt.

Aus dem amtsärztlichen Zeugnis vom 31. Jänner 2012 gehe Nachstehendes hervor:

"(Der Beschwerdeführer) … leidet an einer Benzodiazepinabhängigkeit seit 17 Jahren, im letzten Halbjahr 2011 steigerte er eigenständig seine Dosis auf Grund der Suchterkrankung und versuchte sich die Medikamente mittels Rezeptbetrugs zu erschleichen.

Es folgten 2 stationäre Aufenthalte an einer psychiatrischen Fachabteilung. Im Jänner 2012 kam es zu einer wahnhaften Episode. Im Rahmen dieses zweiten stationären Aufenthaltes wird er auf ein Neuroleptikum eingestellt, dadurch konnte die wahnhafte Interpretation seines Tinnitus gebessert werden, die Benzodiazepindosis konnte reduziert werden, der Schlaf war gut. Die Schmerzen wurden mit einer relativ hohen Dosis Tramadol eingestellt.

Kaum zu Hause setzte er das Neuroleptikum ab, eine psychiatrische Nachbetreuung nahm er nicht in Anspruch. Bei der amtsärztlichen Untersuchung ist (der Beschwerdeführer) … in der Konzentration vermindert, es besteht Vorbeireden, der Duktus ist weitschweifig, teilweise sprunghaft, nicht immer zielführend, Inhalt: eingeengt, die Stimmung ist subdepressiv. Abschließend wird in diesem Gutachten angemerkt, dass über eine gesundheitliche Eignung zum Waffengebrauch frühestens nach 2 Jahren engmaschiger psychiatrischer Behandlung einschließlich einer Entzugsbehandlung mit einem abschließenden psychiatrischen Gutachten und einem waffenpsychologischen Test ein weiteres amtsärztliches Gutachten erstellt werden kann."

Im ärztlichen Befundbericht vom 20. Februar 2012 komme eine (namentlich genannte) Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Anamnese aus neurologisch-psychiatrischer Sicht zur Zeit nicht geeignet erscheine, eine Waffe zu führen.

Für die belangte Behörde stehe auf Grund der ärztlichen Gutachten und den Angaben des Beschwerdeführers außer Zweifel, dass dieser seit Jahren an einer Benzodiazepin-Abhängigkeit leide. Auf Grund dieser Krankheit sei nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer in Hinkunft Waffen missbräuchlich verwenden und dadurch eine Gefahr für die in § 12 WaffG angeführten Rechtsgüter darstellen könnte. Benzodiazepine seien eine Medikament-Wirkstoffgruppe zur kurzzeitigen Behandlung von Schlafstörungen, sowohl Einschlaf- wie auch Dauerschlaf-Störungen, die durch Angst, Erregung oder innere Unruhe hervorgerufen würden und die im zunehmenden Maß als Sucht- und Ausweichdroge missbraucht würden. Ihre Anwendung erfolge auch als Muskelrelaxans, sie machten müde und verringerten die Aufmerksamkeit und Konzentration. Ebenso würden, besonders zu Beginn der Einnahme oder bei Dosissteigerungen, Einschränkungen der geistigen und intellektuellen Leistungsfähigkeit angegeben. Gelegentlich könnten auch Gelenksbeschwerden, Muskelschwäche, Störung des Gleichgewichtssinns oder der Muskelsteuerung auftreten und damit die Gefahr von Stürzen oder Unfällen erhöht werden. Weiters sehe es die belangte Behörde als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer seit Jänner 2007 unbefugt den besagten genehmigungspflichtigen Revolver besessen habe. Diesen Revolver habe er laut seinen eigenen Angaben einem slowakischen Staatsbürger bei einem Bundesheergrenzeinsatz abgenommen und lediglich vergessen, diesen abzugeben. Damit habe der Beschwerdeführer gegen das WaffG verstoßen, zumindest habe er auf Grund des Vergessens (unter Umständen auf Grund des Medikamentenmissbrauches) einen sorglosen Umgang mit Waffen an den Tag gelegt. Auf Grund seiner langjährigen Benzodiazepin-Abhängigkeit und seines sorglosen Umganges mit Waffen gehe die belangte Behörde von der begründeten Besorgnis aus, dass der Beschwerdeführer durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, weshalb die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs 1 WaffG zulässig sei. B. Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, diesen aufzuheben.

C. Erwägungen

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdung der in § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art; dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl dazu und zum Folgenden VwGH vom 27. November 2012, 2012/03/0134, mwH). § 12 Abs 1 WaffG verlangt für die Verhängung eines Waffenverbotes somit nicht, dass bislang schon eine missbräuchliche Verwendung von Waffen mit einer Gefährdung von Personen oder Sachen erfolgt sein muss, weshalb die Verhängung eines Waffenverbots auch nicht voraussetzt, dass die betroffene Person in Besitz von Waffen steht.

Ohne einen "waffenrechtlichen Bezug" des bisherigen Verhaltens kommt eine Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG 1996 bei psychischen Beeinträchtigungen dann in Betracht, wenn deren konkrete Auswirkungen und Symptome in der im jeweiligen Einzelfall vorliegenden Ausprägung für sich genommen eine Gefährdung im erwähnten Sinn befürchten lassen. Derartige Feststellungen können aber grundsätzlich nur auf der Basis eines schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens getroffen werden.

2. Der Beschwerdeführer stellt den Inhalt der im angefochtenen Bescheid angeführten ärztlichen Aussagen nicht in Abrede und räumt insbesondere ein, dass bei ihm eine Medikamentenabhängigkeit der besagten Art vorliege. Tatsächlich habe er die von ihm immer zugegebenen Rezeptkopien ausschließlich als Folge dieser Abhängigkeit hergestellt und für sich verwendet, er habe sich damit nur Arztbesuche ersparen wollen, bei denen ihm diese Medikamente so wie durch 17 Jahre hindurch zuerkannt worden wären. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Vorbringen, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, in welcher Weise der Beschwerdeführer medikamentenabhängig sei, wie sich die Abhängigkeit artikuliere bzw über welchen Zeitraum die Medikamentenabhängigkeit gegeben sei, und welche gesundheitlichen Folgen die Einnahme dieses Medikaments habe, als nicht zielführend.

Ferner bringt der Beschwerdeführer vor, dass weder der Verstoß gegen das WaffG durch die irrtümliche Nichtmeldung der pflichtmäßig durchgeführten Beschlagnahme einer Faustfeuerwaffe während des Grenzeinsatzes beim Bundesheer noch die Herstellung von insgesamt 20 Kopien von Rezepten, die ihm wegen seiner Medikamentenabhängigkeit ausgestellt worden seien, eine Unzuverlässigkeit nach den Bestimmungen des WaffG begründen könnten; beide Verstöße seien strafgesetzlich richtig festgestellt und geahndet worden, das erlassene Waffenverbot erweise sich als Zusatzstrafe, welche von einem langjährigen Sportschützen als unnötig und übertrieben empfunden werden müsse. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit der Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens auseinanderzusetzen und keine ausreichenden Feststellungen getroffen, welche ein Waffenverbot rechtfertigen würden.

Auf dem Boden der diesbezüglich dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrolle (vgl das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl 85/02/0053) kann aber angesichts des wiedergegebenen amtsärztlichen Zeugnisses, in dem die psychische Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachvollziehbar dargestellt wird, nicht gesagt werden, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung auf ein unschlüssiges Sachverständigengutachten gestützt hätte. Aus dem amtsärztlichen Zeugnis geht auch hervor, dass der Beschwerdeführer (von diesem nicht in Abrede gestellt) nach einer Besserung seiner Situation auf Grund des zweiten stationären Aufenthalts in einer psychiatrischen Fachabteilung nach seiner Rückkehr zu Hause eine psychiatrische Nachbetreuung nicht in Anspruch nahm, ein Medikament absetzte und bei der darauffolgenden amtsärztlichen Untersuchung insbesondere (neuerlich) die im Zeugnis genannten Krankheitsphänomene aufwies. Dazu kommt, dass sich der Beschwerdeführer - nach dem Beschwerdevorbringen wurde dieses Verhalten strafgerichtlich geahndet - im Umgang mit Waffen insofern als sorglos erwiesen hat, als er den in Rede stehenden, einem Fremden bei einem Bundesheereinsatz abgenommenen Revolver für sich behalten und nicht ordnungsgemäß nach der Abnahme weitergegeben hat.

Vor diesem Hintergrund erscheint die behördliche Beurteilung, dass beim Beschwerdeführer eine Waffenmissbrauchsgefahr iSd § 12 Abs 1 WaffG gegeben ist, nicht als rechtswidrig, wobei die belangte Behörde auf Grund der aktenkundigen Anhaltspunkte auch davon ausgehen durfte, dass beim Beschwerdeführer psychische Beeinträchtigungen so ausgeprägt sind, dass diese eine Gefährdung im erwähnten Sinn befürchten lassen. Dass der Beschwerdeführer - wie er vorbringt - bisher langjähriger Sportschütze sei, vermag daran nichts zu ändern.

Entgegen der Beschwerde handelt es sich bei dem erlassenen Waffenverbot nicht um eine Zusatzstrafe zu der angesprochenen strafgerichtlichen Ahndung, sondern um eine dem Schutz der öffentlichen Ordnung dienende administrativrechtliche Maßnahme zur Verhütung von Gefahren durch Waffenmissbrauch (vgl VwGH vom 21. Oktober 2011, 2010/03/0165, und VwGH vom 22. Oktober 2012, 2012/03/0063, beide mwH).

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Februar 2013

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