Normen
BVergG 2002 §162 Abs2 Z2;
BVergG 2006 §312 Abs2 Z2;
BVergG 2006 §325 Abs1 Z1;
LVergRG Bgld 2006 §2 Abs3 Z2;
LVergRG Bgld 2006 §3;
LVergRG Bgld 2006 §7 Abs1 Z1;
LVergRG Bgld 2006 §7 Abs1;
LVergRG Bgld 2006 §7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung der erstmitbeteiligten Auftraggeberin zu Gunsten der zweitmitbeteiligten Partei vom 10. Februar 2012 im Vergabeverfahren "öffentliche Beleuchtung" gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 3 Z. 2, § 3 Abs. 1 und § 19 Abs. 3 Z. 1 des Burgenländischen Vergaberechtsschutzgesetzes, LGBl. Nr. 66/2006 in der Fassung LGBl. Nr. 20/2010 (Bgld. VergRSG), zurückgewiesen (Spruchpunkt 1.). Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren wurde nicht stattgegeben (Spruchpunkt 2.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Beschwerdefall handle es sich um ein nicht offenes Verfahren mit Bestbieterermittlung im beschleunigten Verfahren im Unterschwellenbereich, wobei fünf Bieter Angebote eingereicht hätten. Die Beschwerdeführerin sei mit ihrem Angebot an fünfter und damit an letzter Stelle gereiht worden.
Voraussetzung für eine wirksame Anfechtung sei aber, dass die Bewerbung eines Bieters für die Zuschlagsentscheidung geeignet gewesen wäre. Sei dieser Umstand nicht gegeben, so sei die Antragslegitimation mangels Schaden zu verneinen. Dass alle anderen vorgereihten Angebote auszuscheiden gewesen wären, habe die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Auch wenn man ihrem Vorbringen folge und ein "best-case-Szenario" annehme, so habe die Beschwerdeführerin auch mit diesem nicht Erstgereihte werden können.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe im Hinblick auf § 67d Abs. 2 Z. 3 AVG entfallen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführerin fehle es an der Möglichkeit eines Schadens und somit an der Antragslegitimation im vorliegenden Nachprüfungsverfahren, weil ihr Angebot von der erstmitbeteiligten Auftraggeberin an fünfter und damit an letzter Stelle gereiht worden sei.
Diese Auffassung besteht nicht zu Recht.
2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bgld.
VergRSG lauten:
"§ 2
Zuständigkeit
…
(3) Bis zur Zuschlagserteilung oder bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist der Unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig
…
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z 16 lit. a Bundesvergabegesetz 2006) der Auftraggeberin oder des Auftraggebers im Rahmen der von der Antragstellerin oder vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
…
§ 3
Nachprüfungsantrag
(1) Eine Unternehmerin oder ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung oder bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung der Auftraggeberin oder des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ein Interesse am Abschluss eines den bundesgesetzlichen oder gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens unterliegenden Vertrags behauptet wird und durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
§ 7
Nichtigerklärung von Entscheidungen
(1) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung einer Auftraggeberin oder eines Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn
1. diese gesondert anfechtbare Entscheidung oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung die Antragstellerin oder den Antragsteller in dem von ihr oder ihm nach § 5 Z 5 geltend gemachten Recht verletzt, und
2. diese Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist."
3. Nach der hg. Rechtsprechung zum Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG 2002) ist ein Nachprüfungsantrag eines Bieters, der auch bei Unterbleiben der von ihm behaupteten Rechtsverletzung keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte, weil diesfalls nicht der in Aussicht genommene Zuschlagsempfänger, sondern andere vor dem Antragsteller gereihte Bieter zum Zug gekommen wären, abzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 2008, Zl. 2006/04/0065, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2007, Zl. 2005/04/0214).
Diese Rechtsprechung ist auf das vorliegend anwendbare Bgld.
VergRSG zu übertragen:
So führte der Verwaltungsgerichtshof im obzitierten Erkenntnis vom 23. Mai 2007, Zl. 2005/04/0214, aus, "Sache" des Vergabenachprüfungsverfahrens sei immer die Frage, ob der Antragsteller durch eine bestimmte Entscheidung in Rechten verletzt worden ist, was der Gerichtshof unter anderem aus § 162 Abs. 2 Z. 2 BVergG 2002 ableitete, wonach die Vergabekontrollbehörde den Antrag auf Nichtigerklärung nur im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zu prüfen hatte.
Gleiches ist in § 2 Abs. 3 Z. 2 und insbesondere § 7 Abs. 1 Z. 1 Blgd. VergRSG (wie auch gleichlautend in § 312 Abs. 2 Z. 2 und § 325 Abs. 1 Z. 1 BVergG 2006) ausdrücklich normiert. In diesen Bestimmungen wird die Nichtigerklärung von gesondert anfechtbaren Entscheidungen nur im Rahmen der vom Antragsteller im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Beschwerdepunkte bzw. nur dann vorgesehen, wenn die angefochtene Entscheidung den Antragsteller in dem von ihm geltend gemachten Recht (eben dem Beschwerdepunkt im Nachprüfungsverfahren) verletzt. Damit wird klargestellt, dass das Vergabekontrollverfahren nicht der objektiven Rechtskontrolle dient, sondern der Prüfung, ob der Antragsteller in den geltend gemachten subjektiven Rechten verletzt worden ist.
Einem Nachprüfungsantrag kann daher nicht stattgegeben werden, wenn sich ergibt, dass der Antragsteller auf Grund der Reihung seines Angebotes auch bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen nicht in dem von ihm als Beschwerdepunkt im Nachprüfungsantrag geltend gemachten Recht verletzt wird (was dann der Fall sein wird, wenn sich der Antragsteller alleine im Recht auf Zuschlagserteilung bzw. Zuschlagsentscheidung zu seinen Gunsten verletzt erachtet hat).
Die Lösung dieser Frage erfordert aber ein Eingehen der Vergabekontrollbehörde auf das Antragsvorbringen (vgl. idS bereits das obzitierte Erkenntnis vom 23. Mai 2007, Zl. 2005/04/0214). Daher ist diese Frage keine Frage der Antragslegitimation (und somit des Zugangs zum Nachprüfungsverfahren), sondern Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens selbst (vgl. das obzitierte Erkenntnis vom 23. Mai 2007, Zl. 2005/04/0214).
4. Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass die belangte Behörde unter der Annahme der Richtigkeit ihrer Rechtsansicht, dass bei Unterbleiben der geltend gemachten Rechtswidrigkeit nicht die Beschwerdeführerin, sondern andere vor ihr gereihte Bieter zum Zug gekommen wären, den Nachprüfungsantrag hätte abweisen müssen.
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass die spruchgemäße Zurückweisung des Nachprüfungsantrages (anders als im Fall, der dem von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 2008, Zl. 2005/04/0233, zugrunde lag) nicht nur ein bloßes Vergreifen im Ausdruck darstellt, sondern die Beschwerdeführerin in dem in der Beschwerde geltend gemachten Recht auf Sachentscheidung verletzte.
Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Nachprüfungsantrag (mit näherer Konkretisierung) vorgebracht hat, bei korrekter Punktevergabe hätte der Zuschlag an das Angebot der Beschwerdeführerin erfolgen müssen und daher drohe ihr bei Entgang des Auftrags ein Schaden in der Höhe des Erfüllungsinteresses. Schon damit hat die Antragstellerin eine plausible Behauptung aufgestellt und dem Erfordernis, einen drohenden oder eingetretenen Schaden darzutun, entsprochen (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zl. 2009/04/0128, mwN).
Ob die Beschwerdeführerin bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen keine echte Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte, ist - wie ausgeführt - Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens selbst und wäre nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren meritorisch zu prüfen.
5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 16. Oktober 2013
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