VwGH 2011/03/0231

VwGH2011/03/023118.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der E V in G, vertreten durch Dr. Robert Steiner, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Ortenburgerstraße 4, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 17. Oktober 2011, Zl BMVIT-630.331/0008- III/PT2/20 11, betreffend Parteistellung in einem Verfahren nach dem TKG 2003, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §66 Abs4 impl;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §68 Abs7;
AVG §8;
FTEG 2002 §11 Abs2;
TKG 2003 §45 Abs3;
TKG 2003 §73;
TKG 2003 §74;
TKG 2003 §81 Abs1;
TKG 2003 §81 Abs6;
TKG 2003 §81;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2011030231.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Mit einem an das Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten gerichteten Schreiben vom 18. August 2011 beantragte die beschwerdeführende Partei die Zustellung des fernmeldebehördlichen Bewilligungsbescheides und die nachträgliche Zuerkennung der Parteistellung im fernmeldebehördlichen Bewilligungsverfahren auf Grundlage der §§ 74, 81 TKG 2003 betreffend eine am Standort Parz Nr 1846/3 KG G Nr 75102 errichtete und in Betrieb genommene Mobilfunksendeanlage; ihr rechtliches Interesse bestehe vor allem betreffend den Schutz ihrer Gesundheit, der Gesundheit ihrer Familienangehörigen sowie ihres Eigentums. Nach § 81 Abs 6 des Telekommunikationsgesetzes 2003, BGBl I Nr 70/2003 (TKG 2003) könnten Bewilligungsbescheide gemäß §§ 75, 76 und 77 Nebenbestimmungen enthalten; mit Bedingungen und Auflagen könnten Verpflichtungen auferlegt werden, deren Einhaltung insbesondere nach den Umständen des Falles für den Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen und zur Vermeidung von Sachschäden geboten erschienen.

Diese Anträge wurden vom Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 29. August 2011 auf dem Boden der §§ 74 ff, 81 ff TKG 2003 zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Berufung wurde von der belangten Bundesministerin nach §§ 73 und 81 ff TKG 2003 iVm §§ 8 und 66 Abs 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Ferner wurde der in der Berufung gestellte Antrag auf Nichtigerklärung des Erstbescheides gemäß § 66 Abs 4 AVG zurückgewiesen.

 

B. Über die dagegen gerichtete, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde in einen nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht sowohl hinsichtlich des maßgebenden Sachverhalts als auch bezüglich der relevanten Rechtslage jenem Fall, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. November 2012, 2011/03/0226, zugrunde liegt. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen.

Dort wurde insbesondere festgehalten, dass im Verfahren zur Bewilligung der Errichtung und des Betriebs einer Funkanlage nach § 74 TKG 2003 zu prüfen ist, ob dem Antrag eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit (von wem immer) oder die Gefahr von Sachschäden entgegensteht. Besteht eine derartige Gefährdung und kann ihr auch nicht durch Vorschreibung von Auflagen begegnet werden, ist der Antrag abzuweisen, ansonsten ist ihm stattzugeben. Bei dieser der Behörde übertragenen Hintanhaltung von Gefährdungen handelt es sich aber (entgegen der Beschwerde) um die Wahrnehmung öffentlicher Interessen, die von der zur Bewilligung zuständigen Behörde von Amts wegen zu prüfen sind. Ein subjektives Recht von Dritten im räumlichen Nahebereich der Anlage, dass die Behörde die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben im Rahmen des Verfahrens nach § 74 TKG 2003 wahrnimmt, besteht nicht. Damit kam der beschwerdeführenden Partei im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung für Errichtung und Betrieb der gegenständlichen Funkanlage keine Parteistellung zu.

2. Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs 7 AVG - sowie auch auf Grund des Wortes "können" in § 68 Abs 4 AVG - ergibt, steht auf die Ausübung des der Behörde nach § 68 Abs 2 bis 4 AVG eingeräumten Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zu (vgl aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH vom 29. Jänner 2013, 2012/02/0291, VwGH vom 25. Jänner 2013, 2012/09/0093, VwGH vom 28. Februar 2012, 2012/05/0017, VwGH vom 25. Juni 2003, 2001/03/0379, VwGH vom 28. März 1996, 96/07/0038, alle mwH). Dass die Wahrnehmung dieser Aufsichts-Befugnisse nicht im "Belieben" der Behörde steht, sondern ihr dabei Ermessen zukommt (wobei insbesondere zwischen der Schwere des Fehlers bzw der Auswirkung des Bescheides einerseits, und dem Prinzip der Rechtssicherheit andererseits, abzuwägen ist, vgl VwGH vom 28. Februar 2012, 2012/05/0017, mwH), vermag daran nichts zu ändern. Soweit die belangte Behörde den in der Berufung gestellten Antrag nach § 68 AVG auf Behebung des Erstbescheides (weil der Erstbescheid von der unzuständigen Behörde erlassen worden sei) gemäß § 68 Abs 4 AVG zurückwies, dringt die Beschwerde ebenfalls nicht durch.

3. Dennoch ist der Beschwerde - die ua rügt, dass die belangte Behörde die geltend gemachte Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht aufgegriffen habe - im Ergebnis zielführend. Auch die belangte Behörde stellt nicht in Frage, dass die in Rede stehende, von der beschwerdeführenden Partei in ihrem Antrag vom August 2011 genannte Funkanlage im örtlichen Wirkungsbereich des Fernmeldebüros für Steiermark und Kärnten betrieben wird. Aus dem zitierten Erkenntnis 2011/03/0226 ergibt sich, dass der beabsichtigte Betriebsstandort einer Funkanlage grundsätzlich die örtliche Zuständigkeit für das Bewilligungsverfahren nach § 81 Abs 1 iVm § 74 TKG 2003 betreffend Errichtung und Betrieb bestimmt. Für das Bewilligungsverfahren, in dem die beschwerdeführende Partei mit ihrem Antrag Parteistellung zuerkannt haben wollte, war also das von ihr angerufene Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten zuständig.

4. In dem die belangte Behörde die derart gegebene Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht aufgegriffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 18. September 2013

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