VwGH 2010/07/0204

VwGH2010/07/020425.7.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der W GmbH in L, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer, Mag. Franz Hintringer, Mag. Rupert Primetshofer und Mag. Dr. Karin Lidauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. Juli 2010, Zl. Wa-2010-701343/1-Lab/Kl, betreffend Einwendungen gegen einen Rückstandsausweis nach § 35 EO (mitbeteiligte Partei: Wassergenossenschaft O in O, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art131 Abs1 Z1;
EO §35;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §117;
WRG 1959 §78;
WRG 1959 §80 Abs1;
WRG 1959 §84;
WRG 1959 §85 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei ist Mitglied der Wassergenossenschaft O. (mitbeteiligte Partei).

Die beschwerdeführende Partei wurde auf Grund der Errichtung eines Zubaus und eines Umbaus des bestehenden Betriebsobjektes von der mitbeteiligten Partei zur Entrichtung der Wasseranschlussgebühr (Ergänzungsgebühr) aufgefordert. Am 14. September 2009 wurde von der mitbeteiligten Partei gegen die beschwerdeführende Partei ein Rückstandsausweis über den Betrag in Höhe von EUR 29.391,31 samt Zinsen ausgestellt und der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Durchführung der Fahrnisexekution vom 28. September 2009 zu 23 E 6665/09s vom Bezirksgericht L bewilligt. Die beschwerdeführende Partei brachte gegen diese Exekutionsbewilligung Einspruch ein und stellte den Antrag auf Aufschiebung der Exekution gemäß § 42 EO.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 erhob die beschwerdeführende Partei bei der mitbeteiligten Partei Einwendungen gegen diesen Rückstandsausweis gemäß § 35 EO. Die mitbeteiligte Partei legte dieses Schreiben der Bezirkshauptmannschaft U (BH) vor und beantragte die Abweisung der Einwendungen in Bescheidform.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2009 teilte die BH der mitbeteiligten Partei mit, dass vor Antragstellung an die Wasserrechtsbehörde zur Klärung eines Streitfalles gemäß der Satzung der mitbeteiligten Partei das Schiedsgericht befasst werden müsse. Erst wenn sich ein Streitteil dem Ausspruch des Schiedsgerichtes nicht unterwerfe oder bei erfolglosem Schlichtungsversuch, stehe es jedem der Streitteile frei, die Angelegenheit der Wasserrechtsbehörde zur Entscheidung vorzulegen. Weiters wurde die mitbeteiligte Partei aufgefordert zu prüfen, ob und inwieweit für die beschwerdeführende Partei eine Ausnahme von der Anschlusspflicht für die neue Produktionsstätte möglich wäre.

Mit an die BH gerichteter Stellungnahme vom 25. Jänner 2009 wiederholte die mitbeteiligte Partei ihren Antrag.

Mit Bescheid vom 22. März 2010 gab die BH den Einwendungen der beschwerdeführenden Partei gegen den Rückstandsausweis gemäß § 35 EO vom 14. September 2009 teilweise Folge und setzte die im Rückstandsausweis vorgeschriebene Ergänzungsgebühr mit EUR 26.961,15 samt 10 % Verzugszinsen ab 10. Mai 2009 fest.

Werde von einer Wassergenossenschaft - so führte die BH in ihrem Bescheid unter anderem begründend aus - ein Rückstandsausweis gegenüber jemandem erlassen, dessen Mitgliedschaft bzw. deren Ausmaß bei der Genossenschaft selbst strittig sei, und werde dieser Rückstandsausweis beeinsprucht, so liege eine Streitigkeit aus dem Genossenschaftsverhältnis vor. Da innerhalb der in § 23 Abs. 2 der Satzung der mitbeteiligten Partei geregelten Monatsfrist kein Schiedsgericht namhaft gemacht worden sei, liege ein erfolgloser Schlichtungsversuch vor. Aus diesem Grund sei der vorliegende Streit von der BH zu entscheiden.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei zurückgewiesen.

Nach Zitierung der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, dass im gegenständlichen Fall eine Berufung gegen den Bescheid der BH unzulässig sei. Es handle sich hier im Grunde um einen zivilrechtlichen Anspruch, womit eine sukzessive Zuständigkeit der Gerichte vorliege. Gemäß § 117 Abs. 4 WRG 1959 trete nämlich die Entscheidung der Behörde außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 6. Oktober 2010, Zl. B 1200/10-6, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzte die beschwerdeführende Partei das Beschwerdevorbringen und machte Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, mit welcher sie ebenfalls die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde begehrte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 85 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 obliegt die Aufsicht über die Wassergenossenschaften der zuständigen Wasserrechtsbehörde, die auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den wasserrechtlichen Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle zu entscheiden hat, die nicht im Sinne des § 77 Abs. 3 lit. i leg. cit. beigelegt werden.

Nach § 117 Abs. 1 WRG 1959 entscheidet über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde. In der Entscheidung ist auszusprechen, ob, in welcher Form (Sach- oder Geldleistung), auf welche Art, in welcher Höhe und innerhalb welcher Frist die Leistung zu erbringen ist. Gebotenenfalls können auch wiederkehrende Leistungen und die Sicherstellung künftiger Leistungen vorgesehen sowie die Nachprüfung und anderweitige Festlegung nach bestimmten Zeiträumen vorbehalten werden.

Gemäß § 117 Abs. 4 erster Satz WRG 1959 ist eine Berufung gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 nicht zulässig. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung tritt die Entscheidung außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird.

Die mitbeteiligte Partei bediente sich bei der Vorschreibung der Wassergebühr an die beschwerdeführende Partei des Mittels des Rückstandsausweises (§ 84 WRG 1959). Rückstandsausweise dienen der Eintreibung ausständiger Genossenschaftsbeiträge, somit von Beiträgen, die ihre Grundlage im Genossenschaftsverhältnis selbst haben. Daraus folgt, dass Streitigkeiten über den Inhalt eines Rückstandsausweises Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. März 2002, Zl. 2000/07/0262, und vom 30. Juni 2011, Zl. 2007/07/0168).

In ihrer Gegenschrift verweist die belangte Behörde auf die Entscheidung des OGH vom 27. Juli 1995, 1 Ob 1/95, SZ 68/132. Auch bei den Streitfällen, bei denen § 85 Abs. 1 WRG 1959 die ausschließliche Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde vorsehe, komme nach der in dieser Entscheidung vertretenen Ansicht des OGH, soweit es sich um Leistungspflichten aus dem Verbandsverhältnis handle, die sukzessive Gerichtszuständigkeit zum Tragen.

§ 117 WRG 1959 hat indessen nur Leistungen zum Gegenstand, die unmittelbar im WRG 1959 oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften verankert sind. Dazu gehören Leistungen aus dem Verbandsverhältnis (so etwa Beiträge der Genossenschaftsmitglieder an die Wassergenossenschaft) jedoch nicht. Streitigkeiten über solche Leistungen sind daher, wenn das genossenschaftliche Streitschlichtungsverfahren zu keinem Ergebnis führt, entgegen der Auffassung des OGH ausschließlich im Administrativverfahren auszutragen (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG Wasserrechtsgesetz2, 2013, Anmerkung bei E 26 zu § 85; vgl. in diesem Sinn auch die hg. Beschlüsse vom 16. Februar 1982, Zl. 82/07/0003, und vom 12. Oktober 1993, Zl. 93/07/0116).

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. Juli 2013

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