Normen
32005L0036 Anerkennungs-RL Berufsqualifikationen Art11;
32005L0036 Anerkennungs-RL Berufsqualifikationen Art13;
32005L0036 Anerkennungs-RL Berufsqualifikationen Art17;
32005L0036 Anerkennungs-RL Berufsqualifikationen Art3 Abs1 lita;
32005L0036 Anerkennungs-RL Berufsqualifikationen Art4 Abs1;
AusbildungsO Fleischverarbeitung 2000;
BAG 1969 §27a Abs2;
BAG 1969 §27a idF 1993/023;
EURallg;
GewO 1994 §94 Z19;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 24. November 2009 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen "Gleichhaltungsantrag: Lehrabschlussprüfung". Darin ersuchte der Beschwerdeführer zunächst um Gleichhaltung seiner in Tschechien abgelegten Abschlussprüfung bzw. absolvierten Ausbildung mit der österreichischen Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf "Fleischer u. Fleischerverarbeitung" gemäß § 27a Abs. 2 des Berufsausbildungsgesetzes (BAG); falls die von ihm vorgelegten Unterlagen nicht zum Nachweis der Gleichwertigkeit seiner Ausbildung ausreichen sollten, ersuchte der Beschwerdeführer um Zulassung zur Lehrabschlussprüfung gemäß § 27a Abs. 4 BAG.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens - dem Antrag auf Gleichhaltung der vom Beschwerdeführer in Tschechien abgelegten Abschlussprüfung mit der Lehrabschlussprüfung im österreichischen Lehrberuf Fleischverarbeiter gemäß § 27a Abs. 2 BAG nicht statt; allerdings gab die belangte Behörde dem (Eventual‑)Antrag des Beschwerdeführers mit der Maßgabe Folge, dass dieser gemäß § 27a Abs. 4 BAG zur Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Fleischverarbeiter (gemäß der Fleischverarbeitung-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 188/2000) im Umfang der Gegenstände "Prüfarbeit" und "Fachgespräch" zugelassen wurde.
Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, es lägen nunmehr folgende Unterlagen vor:
"1. Abschlussprüfungszeugnis vom 13.12.1988 über die
an der Lebensmittelberufsschule in (T.) im Studienfach Metzger und
Selcher bestandene Abschlussprüfung,
2. Zeugnis über die an der Fachberufsschule für
Nahrungsmittel in (T.) im Lehrfach Fleischer und Selcher im
Schuljahr 1987/1988 vermittelten Unterrichtsgegenstände der
dritten Klasse,
3. zwei Zeugnisse für die Schuljahre 1985/1986 und
1986/1987, nicht übersetzt,
4. Arbeitsbescheinigung, Dienstvertrag, An- und
Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse über die Tätigkeit als
Fleischer bei der (K.) OEG in (H.) in der Zeit vom 3.3.2003 bis
2.11.2003,
5. Arbeitsbescheinigung über die Tätigkeit als Metzger
in der Zeit vom 1.12.2003 bis 23.9.2004, bestätigt durch die (I.)
GmbH in Wels,
6. Arbeitsbescheinigung, Lohnzettel und
Kündigungsschreiben über die Tätigkeit als Metzger bei der
(P.) GmbH in (K.) in der Zeit vom 1.12.2005 bis 12.5.2006,
7. Versicherungsdatenauszug über alle
Beschäftigungszeiten in den Jahren 1993 bis 2006,
8. Lebenslauf,
9. tschechischer Reisepass."
Begründend führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 27a Abs. 2 bis 4 BAG - im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe in Tschechien eine dreijährige Lebensmittelberufsschule mit einschlägigen Unterrichtsgegenständen besucht und mit einer Abschlussprüfung abgeschlossen. Ein Nachweis über das Ausmaß der praktischen Ausbildung sei jedoch trotz Aufforderung nicht beigebracht worden. Die vom Beschwerdeführer absolvierten Ausbildungsinhalte hätten zwar facheinschlägige Kenntnisse vermitteln können, eine Gleichwertigkeit "mit der österreichischen dualen Ausbildung" im Lehrberuf Fleischverarbeiter sei allerdings, insbesondere wegen der überwiegend schulisch orientierten Ausbildung, nicht gegeben.
Aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung und des negativen Ergebnisses einer (im Zuge eines Verfahrens auf Zuerkennung einer Invaliditätspension in Österreich durchgeführten) Berufs- und Qualifikationsprüfung komme eine völlige Gleichhaltung gemäß § 27a Abs. 2 BAG mangels erworbener und nachgewiesener Fertigkeiten und Kenntnisse, wie sie "in Österreich bei Absolvierung der Lehre im Lehrberuf Fleischverarbeiter üblicherweise erlangt" würden, nicht in Betracht. Die vorgelegten Unterlagen reichten aber für die Annahme aus, dass der Beschwerdeführer nach entsprechender Vorbereitung und erfolgreicher Absolvierung der vorgeschriebenen Prüfungsteile der Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Fleischverarbeiter über die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse im Sinn des § 21 Abs. 1 BAG verfüge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die von der belangten Behörde zugrunde gelegten Bestimmungen des BAG (in der Fassung des BGBl. I Nr. 82/2008) lauten wie folgt:
"Lehrabschlußprüfung
§ 21. (1) Zweck der Lehrabschlußprüfung ist es festzustellen, ob sich der Lehrling die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse angeeignet hat und in der Lage ist, die dem erlernten Lehrberuf eigentümlichen Tätigkeiten selbst fachgerecht auszuführen. Die Lehrabschlußprüfung gliedert sich in eine praktische und eine theoretische Prüfung und besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil.
(…)
Gleichhaltung von ausländischen Prüfungszeugnissen
§ 27a. (1) Ausländische Prüfungszeugnisse sind den entsprechenden österreichischen Prüfungszeugnissen, die von diesem Bundesgesetz erfaßt sind, gleichgehalten, wenn dies in Staatsverträgen oder durch Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Gleichwertigkeit im Sinne des Abs. 2 festgestellt wurde, festgelegt worden ist. Hierüber ist über Antrag eine Bestätigung durch die Lehrlingsstelle auszustellen.
(2) Eine im Ausland erfolgreich abgelegte Prüfung, die durch
Abs. 1 nicht erfaßt ist, ist auf Antrag desjenigen, der diese
Prüfung abgelegt hat, vom Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten der entsprechenden Prüfung, die von diesem
Bundesgesetz erfaßt ist, gleichzuhalten, wenn nachgewiesen wird,
a) daß die Berufsausbildung und die in der Prüfung
nachgewiesenen Fertigkeiten und Kenntnisse in Zusammenhalt mit
allenfalls bereits zurückgelegten facheinschlägigen Tätigkeiten in
der Hinsicht gleichwertig sind, daß der Antragsteller in der Lage
ist, die dem entsprechenden Lehrberuf eigentümlichen Tätigkeiten
selbst fachgerecht auszuführen (Gleichwertigkeit) und
b) daß der betreffende ausländische Staat die
österreichische Prüfung ebenfalls anerkennt (Gegenseitigkeit).
(3) Das Erfordernis der Gegenseitigkeit entfällt, wenn die
Prüfung im Ausland abgelegt wurde
a) von einem österreichischen Staatsbürger oder
b) von einer auf Grund von Staatsverträgen
gleichgestellten Person oder
c) von einer Person, der die Erbringung dieses
Nachweises unzumutbar ist und deren berufliches Fortkommen ohne Gleichhaltung wesentlich beeinträchtigt wäre.
(4) Wenn die Gleichwertigkeit nicht nachgewiesen werden kann, jedoch glaubhaft gemacht wird, daß die im Ausland zurückgelegte Berufsausbildung in weiten Bereichen einer Ausbildung in einem Lehrverhältnis und die bei der Prüfung im Ausland nachgewiesenen Fertigkeiten und Kenntnisse in weiten Bereichen dem im § 21 Abs. 1 festgelegten Zweck einer Lehrabschlußprüfung nahekommen, ist vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten statt der Gleichhaltung die Zulassung zur Lehrabschlußprüfung auszusprechen und unter Bedachtnahme auf die berufspraktischen Erfordernisse gleichzeitig festzulegen, welche Gegenstände des praktischen Teils der Lehrabschlußprüfung abzulegen sind."
2. Die im Beschwerdefall maßgebliche Fassung des § 27a BAG geht auf die Novelle des BAG durch BGBl. Nr. 23/1993, ausgegeben am 14. Jänner 1993, zurück und ist am 1. Juli 1993 in Kraft getreten.
Nach diesem Zeitpunkt wurde die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom 30. September 2005, 22 (Berufsqualifikationsrichtlinie; im Folgenden: BQ-RL), erlassen, welche nach ihrem Art. 63 von den Mitgliedstaaten bis spätestens 20. Oktober 2007 umzusetzen war.
Unter den für den Anwendungsbereich dieser Richtlinie zentralen Begriff des "reglementierten Berufes" fallen alle beruflichen Tätigkeiten, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten der Ausübung direkt oder indirekt durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist (Art. 3 Abs. 1 lit. a BQ-RL); dazu gehören sowohl Ausbildungsnachweise für Abschlüsse, die von einer Behörde ausgestellt werden, als auch Befähigungsnachweise im Sinne von anderweitigen Prüfungszeugnissen oder Berufserfahrung (vgl. Kluth/Rieger, EuZW 2005, 487).
3. Mit dem gegenständlichen (Haupt‑)Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Gleichhaltung seiner in Tschechien abgelegten Abschlussprüfung mit der Lehrabschlussprüfung im österreichischen Lehrberuf Fleischverarbeiter. Schon mit Blick auf die Bestimmungen der Fleischverarbeitung-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 188/2000, handelt es sich bei diesem Lehrberuf ohne Zweifel um einen reglementierten Beruf im Sinn des Art. 3 Abs. 1 lit. a BQ-RL (vgl. auch § 94 Z. 19 GewO 1994).
Art. 17 BQ-RL (unter Kapitel II des Teiles III) sieht für die im Anhang IV Verzeichnis I der Verordnung genannten Tätigkeiten (darunter "Schlachterei und Herstellung von Fleischwaren und - konserven") grundsätzlich eine Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat erworbener Berufserfahrung als Nachweis für die Kenntnisse und Fertigkeiten zur Ausübung dieser Tätigkeiten vor.
Wird eine Berufsqualifikation allerdings den (u.a.) in Kapitel II aufgestellten Anforderungen nicht gerecht, so findet als allgemeine Auffangregelung Kapitel I des Titels III der BQ-RL Anwendung (vgl. Kluth/Rieger, EuZW 2005, 488). Nach diesen Bestimmungen haben die Mitgliedstaaten in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Befähigungs- oder Ausbildungsnachweise, welche dort zur Aufnahme und Ausübung eines Berufs erforderlich sind, anzuerkennen (Art. 13 BQ-RL). Art. 11 BQ-RL unterscheidet in diesem Zusammenhang fünf verschiedene Qualifikationsniveaus von Befähigungs- und Ausbildungsnachweisen.
Im Kern wird durch die Berufsqualifikationsrichtlinie somit im Wege der gegenseitigen Anerkennung der Berufsqualifikationen Personen der Zugang zum Markt des Aufnahmemitgliedstaates ermöglicht, indem ihnen gestattet wird, im Aufnahmemitgliedstaat denselben Beruf wie den, für den sie in ihrem Herkunftsmitgliedstaat qualifiziert sind, aufzunehmen und unter denselben Voraussetzungen wie Inländer auszuüben (Art. 4 Abs. 1 BQ-RL; vgl. Hauser, zfhr 2008, 6 ff).
4. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bestimmungen des § 27a BAG (in der Fassung des BGBl. Nr. 23/1993) wurden allerdings vom Gesetzgeber nicht an das Anerkennungsregime der BQ-RL angepasst.
§ 27a Abs. 2 BAG, der von der belangten Behörde zur Abweisung des (Haupt‑)Antrages des Beschwerdeführers herangezogen wurde, stellt im Kern auf die Gleichwertigkeit der "im Ausland erfolgreich abgelegten Prüfung" und auf die Gegenseitigkeit der Prüfungsanerkennung ab. Mit Blick auf die dargestellten Bestimmungen der am 20. Oktober 2005 in Kraft getretenen (und bis 20. Oktober 2007 umzusetzenden) BQ-RL ist diese Bestimmung unionsrechts-, also richtlinienkonform auszulegen (vgl. zur richtlinienkonformen Interpretation die hg. Erkenntnisse vom 27. November 2012, Zl. 2010/03/0107, und vom 24. April 2013, Zl. 2011/03/0143, sowie - unter Bezugnahme gerade auf § 27a Abs. 2 BAG - das Urteil des OGH vom 10. September 2012, Zl. 10 ObS 90/12a = DRdA 2013, 172).
Die belangte Behörde hätte somit die Frage der Anerkennung der Berufsqualifikation des Beschwerdeführers (und damit der Gleichhaltung im Sinn des § 27a Abs. 2 BAG) anhand der in der BQ-RL normierten Voraussetzungen prüfen müssen. Zunächst wäre demnach zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsmitgliedstaat eine der in Art. 17 BQ-RL beschriebenen Tätigkeiten ausgeübt hat. Falls dies nicht der Fall sein sollte, wäre zu prüfen, ob der vom Beschwerdeführer durch die in Tschechien abgelegte Abschlussprüfung allenfalls erlangte Ausbildungsnachweis nach den Bestimmungen des Kapitels I des Titels III der BQ-RL (insbesondere deren Art. 11, 13) anzuerkennen ist.
5. Da die belangte Behörde eine Prüfung nach § 27a Abs. 2 BAG in der dargelegten richtlinienkonformen Weise nicht vorgenommen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 11. September 2013
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