VwGH 2010/03/0036

VwGH2010/03/003627.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des L R in G, vertreten durch Mag. Martin Dohnal, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24/13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 16. Februar 2010, Zl. Senat-MI-09-0004, betreffend Übertretungen nach dem Luftfahrtgesetz (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

LuftfahrtG 1958 §102;
LuftfahrtG 1958 §169 Abs1 Z1;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31;
VStG §32 Abs2;
VStG §45 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs3a;
LuftfahrtG 1958 §102;
LuftfahrtG 1958 §169 Abs1 Z1;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31;
VStG §32 Abs2;
VStG §45 Abs1 Z3;
VwGG §42 Abs3a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird dahin abgeändert, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verfolgungsverjährung eingestellt wird.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 102 iVm 169 Abs 1 Z 1 Luftfahrtgesetz (LFG) schuldig erkannt und es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: acht Tage) verhängt.

Ihm wurde zur Last gelegt, am 17. Mai 2008 in D ein näher bezeichnetes Luftverkehrsunternehmen betrieben zu haben, obwohl er die dafür gemäß § 102 Abs 1 LFG erforderliche Beförderungsbewilligung gemäß § 106 LFG sowie die Betriebsaufnahmebewilligung gemäß § 108 LFG nicht besessen habe. Der Betrieb des genannten Luftverkehrsunternehmens sei durch gewerbliche Rundflüge, die durch ein Werbeinserat vom 7. Mai 2008 auf der Homepage eines Supermarktes zum Preis von EUR 199,-- für zwei Personen angeboten worden seien, erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde macht (ua) geltend, die belangte Behörde habe ihre Entscheidung erst nach dem Außerkrafttreten des Straferkenntnisses gemäß § 51 Abs 7 VStG getroffen.

Dem ist zu erwidern, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung nach der Aktenlage noch innerhalb der 15-Monatsfrist des § 51 Abs 7 VStG (gerechnet ab dem Einlangen der Berufung bei der Erstbehörde am 18. November 2008), nämlich am 17. Februar 2010 zumindest an die Erstbehörde zugestellt hat, wodurch die Frist nach der zitierten Vorschrift gewahrt worden ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl 2001/04/0184).

2. Berechtigung kommt der Beschwerde allerdings schon deshalb zu, weil die belangte Behörde die von Amts wegen wahrzunehmende Verjährung der gegenständlichen Delikte nach § 31 VStG nicht berücksichtigt hat:

2.1. Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist (nach § 31 Abs 2 VStG beträgt diese sechs Monate) von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 und 3 VStG) vorgenommen worden ist.

Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dergleichen), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat (§ 32 Abs 2 VStG).

Der Verfolgungshandlung muss entnommen werden können, wegen welcher Tat sich die Verfolgung der Behörde gegen die beschuldigte Person richtet. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl 85/02/0053, VwSlg 11.894/A, wurde in Ansehung der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit a (nunmehr § 44a Z 1) VStG ausgeführt, dass dieser Bestimmung dann entsprochen werde, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes, sein. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG vorliegt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl 2010/08/0198, mwN).

Bei der Umschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien in § 32 Abs 2 VStG wird daher auf eine bestimmte Person abgestellt, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird, sodass sich die Verfolgungshandlung auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigter, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften beziehen muss. Der Verfolgungshandlung muss entnommen werden können, gegen welche Tat sich die Verfolgung der Behörde richtet. Das bedeutet, dass eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, E 7 und E 86 zu § 32 VStG, mwN).

2.2. Zu Recht rügt die Beschwerde, dass gegenüber dem Beschwerdeführer innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist keine tauglichen Verfolgungshandlungen im zuvor dargestellten Sinn gesetzt worden sind, die eine Verjährung nach § 32 Abs 2 VStG unterbrochen hätten.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22. Juli 2008 durch die Bezirkshauptmannschaft M (BH) lediglich bekannt gegeben, es werde ihm zur Last gelegt, am 10., 11., 12., 17. und 18. Mai 2008 in D, als vertretungsbefugtes Organ einer näher bezeichneten GmbH gewerbliche Rundflüge ohne die erforderlichen Genehmigungen nach dem LFG "in zumindest 5 Fällen" veranstaltet zu haben. Im darauffolgenden erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 5. November 2008 wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 10., 11., 12., 17. und 18. Mai 2008 in D ein näher bezeichnetes Unternehmen gemäß § 101 Z 1 LFG betrieben, obwohl er die dafür gemäß § 102 Abs 1 LFG erforderliche Beförderungsbewilligung gemäß § 106 LFG sowie die Betriebsaufnahmebewilligung gemäß § 108 LFG nicht besessen habe. Der Betrieb des genannten Luftverkehrsunternehmens sei durch zumindest 28 gewerbliche Rundflüge, die durch ein Werbeinserat vom 7. Mai 2008 auf der Homepage eines Supermarktes zum Preis von EUR 199,-- für zwei Personen angeboten worden seien, erfolgt. Dadurch habe er die §§ 102 iVm 169 Abs 1 Z 4 LFG "in zumindest 5 Fällen" übertreten und es wurde über ihn für die - nicht näher angeführten fünf Fälle - "1) - 5) je EUR 3.000,--" Geldstrafe verhängt.

Andere nach außen hin innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG in Erscheinung getretene Verfolgungshandlungen sind den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen und werden von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift auch nicht dargetan.

Ausgehend davon ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass die zuvor geschilderten Verfolgungshandlungen der BH nicht ausreichend erkennen ließen, wegen welcher konkreten Taten der Beschwerdeführer verfolgt worden ist. Dem Beschwerdeführer wurde zwar bekannt gegeben, an welchen Tagen er das Luftverkehrsunternehmen durch gewerbliche Rundflüge betrieben haben soll (unter anderem wurde auch der für das Beschwerdeverfahren noch relevante 17. Mai 2008 genannt). Eine nähere Präzisierung, insbesondere an welchem Ort und mit welchem Luftfahrzeug diese Rundflüge stattgefunden haben sollen, erfolgte jedoch nicht. Schon aus diesem Grund wurde die dem Beschwerdeführer angelastete Tat nicht ausreichend konkret umschrieben, um ihn vor allem dagegen zu schützen, wegen derselben Vorwürfe noch einmal verfolgt zu werden.

Ausgehend davon waren die behördlichen Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer nicht geeignet, die Verjährungsfrist zu unterbrechen und es war die dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfene Verwaltungsübertretung schon verjährt.

Gemäß § 42 Abs 3a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer war daher gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 27. Februar 2013

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