VwGH 2009/15/0164

VwGH2009/15/016425.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Bregenz in 6900 Bregenz, Brielgasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 21. April 2009, Zl. RV/0070-F/08, betreffend Umsatzsteuer für 2007 (mitbeteiligte Partei: C B in S, vertreten durch Mag. Susanne Penz, Steuerberaterin in 6900 Bregenz, Kirchstraße 11), zu Recht erkannt:

Normen

62009CJ0103 Weald Leasing VORAB;
BAO §22;
BAO §274;
UStG 1994 §2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist Arzthelferin in der Ordination ihres Ehemannes und erwarb am 10. August 2006 eine Eigentumswohnung. Die Immobilie wurde von der Mitbeteiligten durch die Aufnahme zweier Kredite in Höhe von jeweils 180.000 EUR finanziert. Als Sicherheiten wurden jeweils vereinbart: Zession einer Lebensversicherung, Pfandrecht 900.000 EUR auf der privaten Liegenschaft (Einfamilienhaus), die je zur Hälfte im Miteigentum der Mitbeteiligten und ihres Ehemannes steht, ein Pfandrecht von 450.000 EUR auf der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft, eine Bürgschaft und ein Deckungswechsel des Ehemannes.

Die Mitbeteiligte und ihr Ehemann schlossen einen Mietvertrag über die beschwerdegegenständliche Immobilie beginnend mit 1. Juli 2007 ab, wobei der Ehemann in die Immobilie ca. 39.000 EUR investierte, um sie für die Erfordernisse einer Arztpraxis zu adaptieren und insbesondere behindertengerecht zu gestalten, was eine Voraussetzung für den Abschluss von Kassenverträgen ist.

Im Mietvertrag über die beschwerdegegenständliche Immobilie wurde unter anderem vereinbart:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Mitbeteiligte auf Grund der Vermietung der in Rede stehenden Wohnung Unternehmerin iSd § 2 UStG 1994 geworden ist und damit die Mehrwertsteuer, die ihr in Zusammenhang mit der Vermietung in Rechnung gestellt worden ist, als Vorsteuer abziehen kann.

Es steht fest, dass die Mitbeteiligte die Wohnung an ihren Ehemann vermietet hat. Das beschwerdeführende Finanzamt erachtet diese Vermietung allerdings als missbräuchliche Gestaltung iSd § 22 BAO. Aus diesem Grund seien die Vermietung und die daraus abgeleitete Unternehmereigenschaft der Mitbeteiligten nicht anzuerkennen.

Wie der EuGH u.a. im Urteil vom 22. Dezember 2010, C-103/09 , Weald Leasing zum Ausdruck gebracht hat, setzt die Annahme einer missbräuchlichen Praxis auf dem Gebiet der Umsatzsteuer voraus, dass die fraglichen Umsätze einen Steuervorteil zum Ergebnis haben, dessen Gewährung dem mit den MwSt-Richtlinien verfolgten Ziel zuwiderläuft (Rn 29). Der Vorteil aus einer Gestaltung wie jener, die auch dem Beschwerdefall zugrunde liegt, besteht dabei darin, die Entrichtung der auf einen Erwerb eines Gegenstandes (im gegenständlichen Fall den Erwerb der Wohnung) entfallenden Mehrwertsteuer "zu staffeln" und somit "aufzuschieben" (Rn 31). Eine solche Gestaltung steht aber nicht von vornherein in Widerspruch zu den mit den MwSt-Richtlinien verfolgten Zielen (Rn 32ff).

In diesem Zusammenhang führt der EuGH in Rn 38 aus, die von ihm beurteilte Gestaltung führe "in Bezug auf einen Gegenstand nicht an sich dazu, dass der auf diesen Umsatz entfallende Mehrwertsteuerbetrag geringer wäre als der, der im Fall des Erwerbs dieses Gegenstands entrichtet worden wäre". Daraus ergibt sich für den Beschwerdefall Folgendes:

Im Beschwerdefall besteht der Steuervorteil im sofortigen Vorsteuerabzug für die Wohnung. Dem steht die laufende Entrichtung der Mehrwertsteuer aus der Vermietung gegenüber. Die Beschwerde des Finanzamtes zeigt allerdings nicht auf, die gewählte Gestaltung wäre darauf angelegt, dass - im Sinne von Rn 38 des Urteils des EuGH - der zu entrichtende Mehrwertsteuerbetrag in einer Gesamtbetrachtung geringer ist.

Was weiters die von der Amtsbeschwerde ins Treffen geführte Bestimmung des § 274 BAO und die Rüge einer fehlenden Erledigung der Berufung gegen die (Nicht‑)Festsetzung der Umsatzsteuer für 1/2007 bis 3/2007 anbelangt, so ist die Amtsbeschwerde auch damit nicht im Recht.

§ 274 BAO lautet:

"Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Berufung angefochtenen Bescheides, so gilt die Berufung als auch gegen den späteren Bescheid gerichtet. Soweit der spätere Bescheid dem Berufungsbegehren Rechnung trägt, ist die Berufung als gegenstandslos zu erklären."

Wenn die Amtsbeschwerde nun offenbar meint, aus der Verwendung des Wortes "auch" schließen zu können, dass sowohl über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1/2007 bis 3/2007 als auch über die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer abzusprechen gewesen wäre, so verkennt sie die Rechtslage. § 274 BAO selbst spricht ja davon, dass ein Bescheid "an die Stelle eines mit Berufung angefochtenen Bescheides" tritt. Dies ist auch im Beschwerdefall gegeben, weil durch den Jahresbescheid die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide ohnedies bereits aus dem Rechtsbestand ausscheiden. In diesem Fall gilt die (sonst nunmehr hinfällige) Berufung als "auch" gegen den Ersatzbescheid gerichtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2004/13/0124), wodurch die Berufung aufrecht bleibt. Eine behördliche Erledigung hat jedoch nur mehr im Verfahren über den an die Stelle des bisherigen Bescheides getretenen Bescheid zu erfolgen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, seit diese Bestimmungen eine darüber hinaus gehende Ersatzpflicht nicht vorsehen.

Wien, am 25. April 2013

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