VwGH 2012/22/0117

VwGH2012/22/011719.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des J, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 14. Mai 2012, Zl. 160.848/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §43 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2012220117.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, ihm aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 25. September 2007 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag habe er einen Asylantrag eingebracht. Seinem Asylbegehren sei letztlich keine Folge gegeben worden; er sei auch (letztlich) mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23. Dezember 2009 ausgewiesen worden. Die Behandlung einer gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes eingebrachten Beschwerde habe der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Februar 2010 abgelehnt.

Zum damaligen Zeitpunkt (gemeint: jenem der Entscheidung des Asylgerichtshofes) sei eine umfassende Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK durchgeführt worden. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei als zulässig erachtet worden.

Den nunmehr gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer am 3. Jänner 2011 gestellt. Er habe diesen Antrag damit begründet, sich seit 2007 in Österreich aufzuhalten. Sein Asylbegehren wäre erst nach fünf Jahren abgewiesen worden. Er hätte sich während des Asylverfahrens nicht nur rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, sondern sich auch "schnell vollkommen integriert" und um sein berufliches Fortkommen bemüht. Den Kontakt zu den Angehörigen in Indien hätte er abgebrochen. Seit Oktober 2007 wäre er als Zeitungsausträger beschäftigt und er könnte sich deshalb selbst ausreichend versorgen.

Zum Nachweis der Deutschkenntnisse - so die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter - habe der Beschwerdeführer eine Bestätigung vom 27. April 2011 vorgelegt, der entnommen werden könne, dass er einen "Deutschkurs Modul A2" besucht habe. Es sei dieser Bestätigung aber nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer diesen Kurs auch positiv abgeschlossen habe. Familiäre Bindungen in Österreich habe der Beschwerdeführer nicht. Zwar sei der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge bemüht gewesen, eine "Beschäftigungszusage zu erwirken", dies sei allerdings erfolglos geblieben.

Es sei auch die örtlich zuständige Sicherheitsdirektion mit dem Fall des Beschwerdeführers befasst worden. Diese habe in ihrer Stellungnahme vom 30. September 2011 die Ansicht geäußert, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung höher zu bewerten sei als das private Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich.

In ihrer rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde davon aus, dass zwar eine Neubeurteilung des Falles des Beschwerdeführers notwendig sei. Dies bedeute aber nicht zwangsläufig, dass allein schon deshalb ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei.

Die neuerliche Prüfung im Sinn des Art. 8 EMRK ergebe, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen - nach wie vor - mehr Gewicht beizumessen sei als dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Aufenthalt in Österreich. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2007 unrechtmäßig eingereist und habe sich lediglich infolge eines Asylantrages, dem keine Berechtigung zugekommen sei, vorübergehend rechtmäßig in Österreich aufhalten dürfen. Seit der Rechtskraft der Abweisung des Asylbegehrens durch den Asylgerichtshof sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers unrechtmäßig. Darüber hinaus habe der Asylgerichtshof gegen ihn eine Ausweisung ausgesprochen. Familienangehörige des Beschwerdeführers hielten sich nicht in Österreich auf. Zwar sei "ein gewisser Grad der Integration" erkennbar, indem der Beschwerdeführer "mehrfach Deutschkurse" besucht habe. Er habe aber bislang kein "Sprachdiplom" vorlegen können. Erkennbar maß die belangte Behörde dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in Österreich eine neue Heimat gefunden, bewohne ein Zimmer in einer Wohnung in G und habe "einen weitreichenden Freundeskreis aufgebaut", kein entscheidungswesentliches Gewicht bei.

Sohin gelangte die belangte Behörde letztlich zum Ergebnis, es sei nach Art. 8 EMRK nicht geboten, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel zu erteilen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass sich im vorliegenden Fall das NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 als maßgeblich darstellt.

Gemäß § 43 Abs. 3 NAG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen (§ 44a NAG) oder auf begründeten Antrag (§ 44b NAG), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine "Niederlassungsbewilligung" zu erteilen, wenn 1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt, und 2. dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist.

§ 11 Abs. 3 NAG lautet:

"§ 11. …

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

    9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

    …"

    Die Beschwerde bestreitet die Richtigkeit der Beurteilung der belangten Behörde und verweist dazu auf die Dauer des Asylverfahrens von insgesamt zweieinhalb Jahren sowie auf jene Umstände, die der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat.

    Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist nicht zu erkennen, dass der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet wäre.

    Mit der belangten Behörde ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer einen unberechtigten Asylantrag gestellt hat und durch seinen Verbleib in Österreich den geltenden Einwanderungsbestimmungen zuwidergehandelt hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt sein Verhalten somit eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Es trifft zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt.

    Das sich nach dem Gesagten ergebende öffentliche Interesse hatte die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles gegen die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers - familiäre Interessen an einem Verbleib in Österreich wurden nicht geltend gemacht - abzuwägen. Die in diesen Sinn von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Sämtliche vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände wurden von der belangten Behörde bei ihrer Beurteilung berücksichtigt. Diese sind aber insgesamt nicht von einem solchen Gewicht, dass dem Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel hätte erteilt und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen.

    Bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde im Sinn des § 11 Abs. 3 Z 8 NAG - im Ergebnis - auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können. Dass die Dauer des Asylverfahrens dem Beschwerdeführer nicht habe angelastet werden können, ändert daran nichts.

    Zusammenfassend ist es somit insgesamt fallbezogen nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde davon ausgeht, es sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht geboten, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel erteilen zu müssen.

    Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 19. September 2012

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