Normen
WaffG 1996 §10;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
WaffG 1996 §10;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die (im Wege der Devolution zuständig gewordene) belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei genehmigungspflichtige Schusswaffen gemäß § 21 Abs 2 iVm § 22 Abs 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) ab.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe angegeben, als Arzt im Krankenhaus O zu arbeiten und zu bestimmten Zeitpunkten der einzig zuständige Notarzt im gesamten Bezirk O zu sein. Alarmierungen könnten zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgen, wobei die Notfallorte unterschiedlich seien. Neben ihm befänden sich noch ein hauptberuflicher Sanitäter und ein Zivildiener im Notarztwagen. Die Akutsituationen brächten es oftmals mit sich, dass der Beschwerdeführer bis zum Patienten in eine fremde Umgebung vorstoßen müsse. Es sehe es als problematisch an, dass er wiederholt Fälle mit äußerst aggressiven Patienten zu meistern habe, die offensichtlich unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmitteln stünden, und die kaum zu Dritt gebändigt werden könnten. In solchen Situationen könne mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eine Notwehrsituation bestehen. In Notfällen könne er auf das Eintreffen der Polizei nicht warten. Selbst wenn Polizei bei einem solchen Einsatz anwesend sei, erfolge der Transport des Patienten immer ohne polizeiliche Begleitung. Der Beschwerdeführer erwähne auch das Erlebnis einer Kollegin, die einen randalierenden Patienten im Krankenhaus gehabt habe. Insgesamt vier Personen seien notwendig gewesen, um den Patienten "nieder zu halten". Natürlich würde der Beschwerdeführer bei einem Tobenden zuerst versuchen, die Flucht zu ergreifen; wenn der Tobende aber den Fluchtweg abschneide, so habe der Beschwerdeführer (ohne Waffe) keine Möglichkeit zur Verteidigung.
Im Notarztwagen und in den Taschen des Beschwerdeführers befänden sich verschiedene Suchtmittel und Narkotika. Der Beschwerdeführer hege die Befürchtung, dass ein Raubüberfall zwecks Erlangung dieser Präparate leicht möglich sein könne. Er gebe an, dass es einen Vorfall gegeben habe, bei dem ihm ein fremder Mann gegenüber gestanden sei, als er zum Notarztwagen zurückgekehrt sei. Er vermute, dass sich dieser "im Notarztwagen zu schaffen machen wollte". Jedoch sei es dem Beschwerdeführer gelungen, diesen Mann aus dem Notarztwagen "hinauszuschaffen". Er meine, es sei jedoch jederzeit möglich, dass er durch einen Notruf gezielt zu einem Ort gelockt werden könne, um dann in eventu überfallen zu werden. Der Beschwerdeführer habe auch ein Notfallprotokoll (vom 27. August 2011) vorgelegt, laut dem sich trotz Anwesenheit von vielen Feuerwehrleuten und der Polizei eine unbefugte fremde Person im Notarztwagen aufgehalten haben soll. Weiters gebe er an, dass es bei seiner Arbeit zu Vorfällen mit aggressiven Hunden komme. Eine Polizeianzeige bezüglich aggressiver Hunde sei jedoch nie erfolgt, da er keine mangelhafte Verwahrung (durch die Hundebesitzer) gesehen habe.
Im Übrigen könne nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers auch von illegalen Grenzgängern eine Gefahr für ihn ausgehen.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis Zl 98/20/0563 festgestellt, dass bei einer Ärztin (ohne Begleitung), die für Hausbesuche suchtgifthaltige Medikamente mit sich führe, keine besondere Gefahrenlage zu erkennen sei, die einen Waffenpass rechtfertige. Der Beschwerdeführer befinde sich im Vergleich dazu in Begleitung von zwei Mitarbeitern. Er habe auch keine konkreten Vorfälle ins Treffen geführt, bei denen Ärzte, die sich im Besitz von suchtgiftähnlichen Medikamenten befunden hätten, in Ausübung des Dienstes im Burgenland von Personen überfallen worden wären. Vom Beschwerdeführer sei daher zu keinem Zeitpunkt ein für ihn durch seine Berufsausübung erhöhtes Gefahrenpotenzial dargelegt worden. Auch der Behörde sei kein Fall bekannt, bei dem ein Notarzt während seiner Dienstausübung überfallen worden wäre. Laut Kriminalstatistik sei im Bezirk O auch kein erhöhtes Risiko für Notärzte ersichtlich.
Soweit der Beschwerdeführer seine Gefährdung aus dem Kontakt mit alkoholisierten oder anders berauschten Personen ableite, er auf mögliche Überfälle verweise und einen Vorfall nenne, bei dem sich jemand im Notarztwagen zu schaffen machen habe wollen, sei ihm zu replizieren, dass bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung nicht zur Dartuung einer Gefährdung ausreichten, solange sich die Verdachtsgründe nicht derartig verdichtet hätten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergebe. Überdies sei aus dem Vorbringen nicht ersichtlich, warum andere Mittel außer Waffen zur Gefahrenabwehr ungeeignet wären. Wie der Beschwerdeführer selbst angebe, sei es ihm beim geschilderten Vorfall auch ohne Verwendung einer Schusswaffe gelungen, die unbekannte Person zu vertreiben. Er sei weder verletzt noch gefährlich bedroht worden. Es sei übrigens der einzige konkrete Sachverhalt mit Beweisanbot gewesen; Beweise von aggressiven Personen, Überfällen oder aggressiven Hunden, denen der Beschwerdeführer bei seiner Tätigkeit ausgesetzt gewesen sei, habe er zu keinem Zeitpunkt vorlegen können.
Der Beschwerdeführer führe auch an, dass es zu Vorfällen mit aggressiven Hunden gekommen sei. Er gebe aber selbst an, dass er es bisher immer geschafft habe, aggressive Hunde abzuwehren. Der Behörde sei keine einzige Causa bekannt, bei der ein Notarzt von einem Hund angegriffen worden wäre und sich mit einer Waffe verteidigen hätte müssen. Es sei auch schwer nachvollziehbar, dass der Notarzt einen Hund, der einen Patienten bewache, erschieße.
Weiters gebe der Beschwerdeführer an, bei Notfällen mit Personen, die unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmitteln stünden, ohne unnötigen Aufschub helfen zu müssen und auf das Eintreffen der Polizei nicht warten zu können. Er habe der Behörde aber nicht klar darlegen können, wie eine Schusswaffe ihm in diesen Fällen geholfen hätte.
Zur Gefährdung durch illegale Grenzgänger hielt die belangte Behörde fest, diese würden von der Polizei angehalten und befänden sich in Polizeigewahrsame, wenn der Beschwerdeführer sie ärztlich untersuche. Die Polizei sei daher in seiner Nähe und könne ihn schützen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Waffengesetzes 1996 (WaffG), BGBl I Nr 12/1997 idF vor der hier noch nicht einschlägigen Novelle BGBl I Nr 43/2010, lauten:
"Ermessen
§ 10. Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.
...
Ausstellung von Waffenbesitzkarte und Waffenpaß
§ 21. ...
(2) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schußwaffen nachweisen, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.
...
Rechtfertigung und Bedarf
§ 22. ...
(2) Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs 2 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, daß er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann."
§ 6 der zweiten Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Durchführung des Waffengesetzes (2. WaffV), BGBl II Nr 313/1998, lautet:
"Ermessen bei der Ausstellung von Waffenpässen
§ 6. Das der Behörde in § 21 Abs 2 Waffengesetz eingeräumte Ermessen darf nur im Rahmen privater Interessen geübt werden, die einem Bedarf (§ 22 Abs 2 WaffG) nahe kommen."
2. Ausgehend von dieser Rechtslage ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl aus der ständigen hg Rechtsprechung etwa aus jüngster Zeit das hg Erkenntnis vom 20. Juni 2012, Zl 2012/03/0037, mit weiteren Nachweisen).
3. In dem von der belangten Behörde zitierten hg Erkenntnis vom 18. Juli 2002, Zl 98/20/0563, vermochte der Verwaltungsgerichtshof eine wegen des Mitführens der für Hausbesuche erforderlichen Menge suchtgifthaltiger Medikamente bestehende besondere Gefahrenlage bei der dortigen Beschwerdeführerin als Ärztin nicht zu erkennen. Die Beschwerdeführerin habe - so die weitere Begründung des Erkenntnisses - weder im Verwaltungsverfahren noch in ihrer Beschwerde konkrete Vorfälle ins Treffen geführt, bei denen Ärzte auf Hausbesuchen von Personen überfallen worden wären, die sich in den Besitz mitgeführter Medikamente hätten setzen wollen. Auch der Umstand, dass die dortige Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen mehrmals monatlich in einer entlegenen Gegend - aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen als Distriktsärztin gezwungenermaßen - unterwegs sei, könnte nur dann den vom Gesetz geforderten qualifizierten Bedarf begründen, wenn es sich bei dieser Gegend um eine solche handeln würde, bei welcher die Sicherheitsverhältnisse bedenklich wären. Dass das im zu beurteilenden Fall zutreffe, habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen können, zumal auch zu berücksichtigen sei, dass ihre Tätigkeit nur zu einem Teil aus Hausbesuchen in der betreffenden Grenzregion bestehe und insbesondere die nächtlichen Hausbesuche der Beschwerdeführerin wohl nicht in zeitlich regelmäßiger Abfolge durchgeführt würden.
Die Beschwerde wendet ein, der vorliegende Fall unterscheide sich von jenem, der dem zitierten Erkenntnis zugrunde lag, dadurch, dass der Beschwerdeführer einen konkreten Vorfall (Notfallprotokoll vom 27. August 2011) angeführt habe, bei dem es nur dem Zufall zu verdanken gewesen sei, dass der Beschwerdeführer den Eindringling in den Notarztwagen noch vor einem Diebstahl von Suchtmitteln stellen habe können. Anders als die Hausärztin im oben angesprochenen Erkenntnis sei der Beschwerdeführer auch häufiger in den Nachtstunden unterwegs.
Dem ist entgegen zu halten, dass schon die Annahme des Beschwerdeführers, der Eindringling in den Notarztwagen habe den Diebstahl von Suchtmitteln beabsichtigt, auf bloßen Vermutungen beruht. In jedem Fall hat der Beschwerdeführer mit diesem geschilderten Vorfall aber keine Bedrohung seiner Person dargetan, der er (nur) mit Waffengewalt begegnen hätte können. Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass eine Bedrohung des Beschwerdeführers durch den Eindringling nicht einmal behauptet wird und es dem Beschwerdeführer offensichtlich ohne Gefährdung seiner Person gelungen ist, die fremde Person dazu zu bringen, den Notarztwagen zu verlassen.
Selbst wenn dem Beschwerdeführer im Übrigen zugestanden würde, seinen Dienst außer Haus häufig in den Nachtstunden durchführen zu müssen, lässt sich allein daraus eine besondere Gefahrenlage nicht ableiten, weil eine bedenkliche Sicherheitslage für die Gegend seines beruflichen Einsatzbereichs nicht belegt wird.
Weder der Kontakt mit alkoholisierten oder durch andere Rauschmittel beeinflussten Personen noch mit (allenfalls auch aggressiven) Hunden, die sich im Wohnbereich von aufgesuchten Patienten befinden, können begründen, warum der Beschwerdeführer sich dadurch in einer besonderen Gefahrenlage sieht, bei der ein Waffeneinsatz geradezu erforderlich ist. Selbst wenn die dienstliche Tätigkeit des Beschwerdeführers (als Notarzt) ihn in Situationen bringt, in denen Patienten (unter Alkohol- oder Drogeneinfluss) toben und zu Gewalt neigen, ist nicht ersichtlich, warum es zweckmäßig sein sollte, derartigen - beruflich immanenten Problemstellungen - durch Einsatz einer Schusswaffe zu begegnen bzw in Extremfällen mit der Unterstützung durch die Polizei nicht das Auslangen zu finden ist. In allen (auch in der Beschwerde) von ihm geschilderten Fällen, in denen sich Patienten aggressiv verhalten haben, ist es - mangels gegenteiligen Vorbringens - offenkundig auch ohne Waffengewalt gelungen, die Situation zu bereinigen.
Soweit die Beschwerde einen Verfahrensmangel darin erblickt, dass die belangte Behörde weder den Beschwerdeführer noch eine namentlich angeführte Kollegin, die nach seinem Vorbringen bereits "zweimal Opfer von aggressiven Hunden" geworden sei, einvernommen habe, unterlässt der Beschwerdeführer näher darzulegen, bei welchen konkreten Vorfällen die Zeugin in welcher Art und Weise tatsächlich in eine besondere Gefahrenlage geraten ist, der sie mit Waffengewalt begegnen hätte müssen. In Bezug auf seine eigene Person hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde einen konkreten Vorfall geltend gemacht, der durch seine Parteieneinvernahme belegt werden hätte sollen. Schon deshalb gelingt es der Beschwerde nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, dessen Vermeidung zu einem anderen Verfahrensergebnis führen hätte können.
Zusammenfassend kann der belangten Behörde somit nicht entgegen getreten werden, wenn sie einen Bedarf des Beschwerdeführers iSd § 21 Abs 2 erster Satz WaffG verneint und vom Ermessen iSd § 21 Abs 2 zweiter Satz WaffG nicht zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am 22. Oktober 2012
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