VwGH 2011/10/0133

VwGH2011/10/01333.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Steiermärkischen Landesregierung, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 3. August 2011, Zl. UVS 41.21-2/2011- 4, betreffend Mindestsicherung, zu Recht erkannt:

Normen

MSG Stmk 2011 §10 Abs1;
MSG Stmk 2011 §10 Abs5;
MSG Stmk 2011 §10 Abs6;
MSGDV Stmk 2011 §1 Abs1;
MSGDV Stmk 2011 §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WFG Stmk 1993 §31;
MSG Stmk 2011 §10 Abs1;
MSG Stmk 2011 §10 Abs5;
MSG Stmk 2011 §10 Abs6;
MSGDV Stmk 2011 §1 Abs1;
MSGDV Stmk 2011 §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WFG Stmk 1993 §31;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 3. August 2011 wurde Anna M. zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs eine bedarfsorientierte Mindestsicherung in Form einer monatlichen Geldleistung von EUR 587,08, sohin für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis 15. Mai 2011 insgesamt EUR 880,62, sowie die Entrichtung der Beträge für die gesetzliche Krankenversicherung zuerkannt. Dies stützte die belangte Behörde auf die §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1 und Abs. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 und Abs. 5 des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. Nr. 14/2011 (StMSG), sowie auf § 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz-Durchführungsverordnung, LGBl. Nr. 19/2011 (StMSG-DVO).

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass Anna M. von der Behörde erster Instanz eine pauschalierte monatliche Geldleistung in der Höhe von EUR 642,89 zuerkannt worden sei. Dazu habe die Behörde erster Instanz vom Mindeststandard für Alleinstehende in der Höhe von EUR 752,93 die Wohnbeihilfe in der Höhe von EUR 165,85 abgezogen. Darüber hinaus habe sie die Differenz zwischen dem Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs in der Höhe von 25 % des Mindeststandards (EUR 188,23) und dem höchstzulässigen Wohnungsaufwand von EUR 244,04, somit einen monatlichen Betrag von EUR 55,81 als zusätzliche Geldleistung zur Abdeckung des Wohnbedarfs zuerkannt. Insgesamt habe die Behörde erster Instanz somit eine Mindestsicherungsleistung von EUR 642,89 je Monat gewährt.

Diese Leistung sei ab 16. Mai 2011 auf Grund der Aufnahme von

Anna M. in ein Pflegeheim eingestellt worden.

Folgender Sachverhalt stehe fest:

Im relevanten Zeitraum vom 1. April 2011 bis 15. Mai 2011 habe Anna M. für ihre Wohnung monatlich EUR 300,28 exklusive Heizkosten ausgeben müssen. Sie habe dafür eine Wohnbeihilfe in der Höhe von EUR 165,85 je Monat bezogen.

Die Wohnbeihilfe stelle ein Einkommen der Antragstellerin dar und sei daher vom für die Beschwerdeführerin maßgeblichen Mindeststandard in der Höhe von EUR 752,93 je Monat in Abzug zu bringen. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Anspruch auf eine zusätzliche Leistung zur Deckung des Wohnbedarfs gemäß § 10 Abs. 5 StMSG bestehe, sei zunächst zu berücksichtigen, dass der Mindeststandard bereits einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 % enthalte. Diese 25 % seien jedoch nicht vom Mindeststandard in der gesetzlichen Höhe von EUR 752,93 zu berechnen. Diesfalls würde nämlich die Wohnbeihilfe doppelt berücksichtigt. Der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs betrage daher 25 % des tatsächlichen Mindestsicherungsanspruches. Im konkreten Fall sei daher vom Mindeststandard in der Höhe von EUR 752,93 die Wohnbeihilfe in der Höhe von EUR 165,85 als zu berücksichtigendes Einkommen abzuziehen. Aus der Differenz (EUR 587,08) seien 25 % als Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs zu ermitteln. Dem so errechneten Betrag von EUR 146,77 sei nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 5 StMSG die Wohnbeihilfe hinzuzufügen, sodass sich eine Summe von EUR 312,62 ergebe. Da dieser Betrag den höchstzulässigen Wohnungsaufwand in der Höhe von EUR 244,04 übersteige, stehe Anna M. keine zusätzliche Leistung zur Deckung des Wohnbedarfs zu.

Die Vorgangsweise der Behörde erster Instanz, die dennoch eine solche zusätzliche Leistung zuerkannt habe, lasse sich mit § 10 Abs. 5 StMSG nicht in Einklang bringen, wonach zur Deckung des Wohnbedarfs neben dem Grundbetrag im Ausmaß von 25% des Mindeststandards auch die Wohnbeihilfe heranzuziehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. Nr. 14/2011 (StMSG), haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 3

Erfasste Bedarfsbereiche

(1) Die Mindestsicherung wird durch pauschalierte Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes, jeweils außerhalb von stationären Einrichtungen, sowie durch die bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen erbracht.

(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.

§ 5 …

(2) Leistungen nach diesem Gesetz sind überdies nur so weit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf (§ 3) nicht durch den Einsatz der eigenen Mittel, den Einsatz der Arbeitskraft oder durch Geld oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist.

§ 6

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Bei der Bemessung von Leistungen der Mindestsicherung sind das Einkommen und das verwertbare Vermögen der Hilfe suchenden Person nach Maßgabe der folgenden Absätze zu berücksichtigen.

(2) Als Einkommen gelten alle Einkünfte, die der Hilfe suchenden Person tatsächlich zufließen, außer:

1. Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, mit Ausnahme von Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich;

  1. 2. Kinderabsetzbeträge;
  2. 3. Pflegegeld nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften und andere pflegebezogene Geldleistungen.

    § 10

    Mindeststandards

(1) Zur Deckung des Lebensunterhaltes werden folgende monatliche pauschalierte Geldleistungen (Mindeststandards) gewährt:

1. für alleinstehende Personen und Alleinerzieherinnen/ Alleinerzieher

752,93 Euro;

(5) Die Mindeststandards nach Abs. 1 beinhalten einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25 %. Soweit der Wohnbedarf damit sowie durch Leistungen der Wohnbeihilfe nicht gedeckt ist, sind zusätzliche Geldleistungen (Sachleistungen gemäß § 9 Abs. 2) zu erbringen. Diese sind nach den Erfordernissen des Einzelfalles zu bemessen und dürfen den höchstzulässigen Wohnungsaufwand gemäß Abs. 6 nicht überschreiten.

(6) Der höchstzulässige Wohnungsaufwand ist von der Landesregierung unter Bedachtnahme auf die durchschnittlichen regionalen statistischen Daten für Wohnungen durch Verordnung festzulegen.

…"

Gemäß § 1 Abs. 1 der Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz-Durchführungsverordnung, LGBl. Nr. 19/2011 (StMSG-DVO), ist Bezieherinnen/Beziehern von Mindestsicherung, die ihren tatsächlichen Wohnungsaufwand durch den gemäß § 10 StMSG gewährten Grundbetrag und durch die ihnen gewährte Wohnbeihilfe nicht decken können, eine ergänzende Hilfeleistung in Höhe der Differenz zu dem für ihren Wohnungsaufwand gemäß § 2 festgelegten Höchstbetrag zu gewähren.

Nach § 2 der zitierten Verordnung beträgt der höchstzulässige Wohnungsaufwand für einen Einpersonenhaushalt im Bezirk Knittelfeld EUR 244,04.

Von der Beschwerde werden die Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht bestritten. Uneinigkeit besteht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich über die Art der Berechnung der Anna M. zu gewährenden Mindestsicherungsleistung. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, dass vom anzuwendenden Mindeststandard für Alleinstehende (EUR 752,93) die als Einkommen zu wertende Wohnbeihilfe (EUR 165,85) in Abzug zu bringen sei. Vom danach verbleibenden Teil (EUR 587,08) dienten 25 % (EUR 146,77) zur Abdeckung des Wohnbedarfs. Samt der zur Abdeckung desselben Bedarfs dienenden Wohnbeihilfe stehe Anna M. somit insgesamt ein monatlicher Betrag von EUR 312,62 für den Wohnbedarf zur Verfügung, weshalb angesichts des höchstzulässigen Wohnungsaufwandes von EUR 244,04 kein Anspruch auf eine zusätzliche Geldleistung für den Wohnbedarf gemäß § 10 Abs. 5 StMSG bestehe. Insgesamt gebühre Anna M. daher eine monatliche Mindestsicherungsleistung von EUR 587,08.

Nach dem Beschwerdevorbringen sei hingegen folgende Berechnung anzustellen:

Der Mindeststandard (EUR 752,93) sei um den höchstzulässigen Wohnungsaufwand (EUR 244,04) zu erhöhen. Von diesem Gesamtbetrag (EUR 996,97) sei die Wohnbeihilfe (EUR 165,85) als Einkommen sowie 25 % des Mindeststandards (EUR 188,23) in Abzug zu bringen. Daraus ergebe sich die bereits von der Behörde erster Instanz festgesetzte Mindestsicherungsleistung von EUR 642,89 je Monat.

Die Wohnbeihilfe gemäß § 31 des Steiermärkischen Wohnbauförderungsgesetzes 1993, LGBl. Nr. 25 (Stmk WFG 1993), wird als Transferleistung zur Minderung der Belastung durch den Aufwand für eine zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses dienende Wohnung gewährt. Dabei handelt es sich mangels Normierung einer Ausnahme vom Grundsatz des § 6 Abs. 2 StMSG, wonach alle tatsächlich zufließenden Einkünfte zu berücksichtigen sind, um ein Einkommen im Sinn des StMSG. Aus § 10 Abs. 5 StMSG ergibt sich, dass dieses Einkommen primär zur Abdeckung des Wohnbedarfs dient und somit einen allfälligen Anspruch auf zusätzliche Leistungen für diesen Bedarf schmälert bzw. ausschließt. Dazu sei festgehalten, dass der Wohnbedarf nach § 3 StMSG (arg. "angemessene Wohnsituation") sowie § 10 Abs. 5 und Abs. 6 leg. cit. iVm § 1 StMSG-DVO (wonach mehr als der höchstzulässige Wohnungsaufwand auch durch eine Zusatzleistung nicht abgegolten werden kann) nur soweit zu berücksichtigen ist, als er den höchstzulässigen Wohnungsaufwand (hier: EUR 244,04) nicht übersteigt.

Die Wohnbeihilfe schmälert den Mindestsicherungsanspruch daher nur insoweit, als sie die Differenz zwischen dem gemäß § 10 Abs. 5 StMSG als Grundbetrag für den Wohnbedarf dienenden 25 %igen Anteil des Mindeststandards und dem tatsächlichen Wohnbedarf (bis zur Grenze des höchstzulässigen Wohnungsaufwandes) übersteigt.

Daraus ergibt sich folgende Berechnung:

Der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 % des Mindeststandards beträgt EUR 188,23. Durch diesen Betrag wird der hier maßgebliche höchstzulässige Wohnungsaufwand von EUR 244,04 nur zum Teil abgedeckt. Der verbleibende Teil des höchstzulässigen Wohnungsaufwandes in der Höhe von EUR 55,81 ist aus der Wohnbeihilfe zu decken. Die restliche Wohnbeihilfe in der Höhe von EUR 110,04 (EUR 165,85 minus EUR 55,81) ist als Einkommen von Anna M. auf den Mindeststandard anzurechnen. Anna M. gebührt daher eine Mindestsicherungsleistung von monatlich EUR 642,89 (EUR 752,93 minus EUR 110,04).

Diese Berechnungsweise entspricht nach ihrem Ergebnis sowohl der Berechnung der Behörde erster Instanz als auch der nach dem Beschwerdevorbringen anzuwendenden Methode. Sie zeigt jedoch auf, dass dieses Ergebnis mit § 10 Abs. 5 StMSG, wonach die Wohnbeihilfe primär zur Deckung des Wohnbedarfs heranzuziehen ist, im Einklang steht und dass es für dieses Ergebnis nicht geboten ist, Anna M. eine - auf Grund der Höhe des Grundbetrages zur Deckung des Wohnbedarfs und der Wohnbeihilfe von § 10 Abs. 5 leg. cit. nicht gedeckte - zusätzliche Leistung für den Wohnbedarf zuzuerkennen.

Die Vorgangsweise der belangten Behörde, den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 % nicht auf Basis des Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1 StMSG zu berechnen, sondern auf Basis der nach Abzug des Einkommens (der Wohnbeihilfe) errechneten Mindestsicherungsleistung, widerspricht einerseits dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 5 leg. cit., wonach der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes 25 % des "Mindeststandards nach Abs. 1" ausmacht, und führt andererseits zu einem unbilligen Ergebnis. Letzteres sei anhand des fiktiven Falles einer Antragstellerin in der Situation von Anna M., die bei sonst gleichen Voraussetzungen keinen Anspruch auf Wohnbeihilfe hat, dargestellt:

Vom Mindeststandard in der Höhe von EUR 752,93 wäre mangels Einkommen kein Abzug vorzunehmen. Da der höchstzulässige Wohnungsaufwand (EUR 244,04) den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs (EUR 188,23) überstiege, stünde der Antragstellerin eine zusätzliche Leistung zur Deckung des Wohnbedarfs gemäß § 10 Abs. 5 StMSG iVm § 1 Abs. 1 StMSG-DVO in der Höhe der Differenz von EUR 55,81 zu. Diese Antragstellerin hätte somit einen Mindestsicherungsanspruch in der Höhe von EUR 808,74. (Dies entspricht nach der obigen Berechnung des Verwaltungsgerichtshofes der Summe des Mindestsicherungsanspruches und der Wohnbeihilfe von Anna M.)

Hingegen hat die belangte Behörde Anna M. lediglich eine Mindestsicherungsleistung von monatlich EUR 587,08 zuerkannt. Inklusive Wohnbeihilfe kommt sie damit nur auf einen monatlichen Betrag von EUR 752,93. Bei der Berechnungsweise der belangten Behörde führte somit der Umstand, dass Wohnbeihilfe bezogen wird, zu einer Verkürzung des tatsächlich monatlich zukommenden Betrages. Dieses Ergebnis gewollt zu haben, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 3. Juli 2012

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