VwGH 2010/11/0155

VwGH2010/11/015523.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. Juni 2010, Zl. UVS-2009/28/1907-4, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: LM in R, vertreten durch Mag. Hubertus P. Weben, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 5/2),

Normen

VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 1., 2., 4., 6., 9., 10., 11., 12., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen (Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 3., 5., 7. und 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 18. Juni 2009 wurde die mitbeteiligte Partei als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als nach § 9 VStG nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Begehung von vierzehn Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz (AZG), das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) und das Arbeitsruhegesetz (ARG) schuldig erkannt; über sie wurden Geldstrafen sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

Nachdem die mitbeteiligte Partei in der Berufungsverhandlung die Berufung auf die Strafhöhe eingeschränkt hatte, gab der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol (UVS) der Berufung mit Bescheid vom 10. Juni 2010 Folge und fasste die Strafaussprüche neu.

Im Einzelnen ergeben sich aus der Zusammenschau des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und der Berufungsentscheidung folgende Tatumschreibungen und Strafaussprüche:

1. "Frau B.S. (Sportmedizinerin) wurde

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, insoweit sie die Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 1., 2., 4., 6., 9., 10., 11., 12., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses betrifft, erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften des AZG (dieses idF. der Novelle BGBl. I Nr. 124/2008) lauten (auszugsweise):

"Höchstgrenzen der Arbeitszeit

§ 9. (1) Die Tagesarbeitszeit darf zehn Stunden und die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten, sofern die Abs. 2 bis 4 nicht anderes bestimmen. Diese Höchstgrenzen der Arbeitszeit dürfen auch beim Zusammentreffen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit mit Arbeitszeitverlängerungen nicht überschritten werden.

Ruhezeiten

§ 12. (1) Nach Beendigung der Tagesarbeitszeit ist den Arbeitnehmern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren.

(2) Der Kollektivvertrag kann die ununterbrochene Ruhezeit auf mindestens acht Stunden verkürzen. Solche Verkürzungen der Ruhezeit sind innerhalb der nächsten zehn Kalendertage durch entsprechende Verlängerung einer anderen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit auszugleichen. Eine Verkürzung auf weniger als zehn Stunden ist nur zulässig, wenn der Kollektivvertrag weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Erholung der Arbeitnehmer vorsieht.

(2a) Bei Arbeiten, die werktags und sonntags einen ununterbrochenen Fortgang mit Schichtwechsel erfordern, kann die tägliche Ruhezeit einmal im Schichtturnus bei Schichtwechsel auf eine Schichtlänge, jedoch auf nicht weniger als acht Stunden verkürzt werden. Innerhalb des Schichtturnusses ist eine andere tägliche Ruhezeit entsprechend zu verlängern.

(2b) Beträgt die tägliche Normalarbeitszeit gemäß § 5a mehr als zwölf Stunden, ist abweichend von Abs. 1 eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 23 Stunden zu gewähren.

(3) Den Arbeitnehmern gebührt wöchentlich eine ununterbrochene Wochenruhe von mindestens sechsunddreißig Stunden. Hievon kann in den Fällen der Schichtarbeit gemäß § 11 Abs. 3 nur insoweit abgewichen werden, als dies zur Ermöglichung des Schichtwechsels erforderlich ist.

(4) Wenn es aus betrieblichen Gründen notwendig ist, können durch Verordnung für bestimmte Arten oder Gruppen von Betrieben oder im Einzelfall durch Bewilligung des Arbeitsinspektorates Ausnahmen von der Bestimmung des Abs. 3 zugelassen werden.

Strafbestimmungen

§ 28. (1) Arbeitgeber, die

1. zusätzliche Ruhezeiten nach § 12a Abs. 4 bis 6 nicht gewähren;

2. Arbeitnehmer entgegen § 19a Abs. 7 zur Ruferreichbarkeit oder § 20a Abs. 1 zur Rufbereitschaft heranziehen oder entgegen § 19a Abs. 9 beschäftigen;

3. die Meldepflichten an das Arbeitsinspektorat gemäß § 7 Abs. 4, § 11 Abs. 8 oder 10 oder § 20 Abs. 2, die Auskunfts- und Einsichtspflichten gemäß § 26 Abs. 6, die Aufbewahrungspflichten gemäß § 18k verletzen, oder die Aufzeichnungen gemäß § 18b Abs. 2, § 18c Abs. 2 sowie § 26 Abs. 1 bis 5 mangelhaft führen;

4. die Verpflichtungen betreffend besondere Untersuchungen gemäß § 12b Abs. 1 verletzen, oder

5. Bescheide gemäß § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 3 oder § 12 Abs. 4 nicht einhalten,

6. sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 20 Euro bis 436 Euro zu bestrafen.

(2) Arbeitgeber, die

1. Arbeitnehmer über die Höchstgrenzen der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 2, § 7, § 8 Abs. 1, 2 oder 4, § 9, § 12a Abs. 5, § 18 Abs. 2 oder 3, § 19a Abs. 2 oder 6 oder § 20a Abs. 2 Z 1 hinaus einsetzen;

2. Ruhepausen oder Kurzpausen gemäß § 11 Abs. 1, 3, 4 oder 5,

§ 18 Abs. 4, § 18d, § 18h oder § 19a Abs. 4 nicht gewähren;

3. die tägliche Ruhezeit gemäß § 12 Abs. 1 bis 2b, § 18a,

§ 18b Abs. 1, § 18c Abs. 1, § 18d, § 18g, § 19a Abs. 8, § 20a

Abs. 2 Z 2 oder § 20b Abs. 4 oder Ruhezeitverlängerungen gemäß § 19a Abs. 4, 5 oder 8 oder § 20a Abs. 2 Z 1 nicht gewähren;

4. Arbeitnehmer über die Höchstgrenzen der Fahrzeit gemäß § 18i hinaus einsetzen;

  1. 5. Verordnungen gemäß § 12 Abs. 4, § 21 oder § 23 übertreten;
  2. 6. Bescheide gemäß § 11 Abs. 1, 5 und 6 nicht einhalten, oder
  3. 7. keine Aufzeichnungen gemäß § 18b Abs. 2, § 18c Abs. 2 sowie § 26 Abs. 1 bis 5 führen,

    sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1 815 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1 815 Euro zu bestrafen.

    …"

1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften des KA-AZG (dieses idF. der Novelle BGBl. I Nr. 125/2008) lauten (auszugsweise):

"Arbeitszeit

§ 3. (1) Die Tagesarbeitszeit darf 13 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird.

(2) Die Wochenarbeitszeit darf

1. innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von bis zu 17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden und

2. in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 60 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird.

Tägliche Ruhezeit

§ 7. (1) Nach Beendigung der Tagesarbeitszeit oder nach Beendigung eines verlängerten Dienstes gemäß § 4 ist den Dienstnehmer/innen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren.

(2) Beträgt die Tagesarbeitszeit zwischen acht und 13 Stunden, ist jeweils innerhalb der nächsten zehn Kalendertage eine Ruhezeit um vier Stunden zu verlängern.

(3) Bei verlängerten Diensten gemäß § 4 ist innerhalb der nächsten 17 Kalenderwochen eine Ruhezeit um jenes Ausmaß, um das der verlängerte Dienst 13 Stunden überstiegen hat, mindestens jedoch jeweils um elf Stunden zu verlängern.

Strafbestimmungen

§ 12. (1) Dienstgeber/innen, die

1. Dienstnehmer/innen über die Grenzen gemäß §§ 3 oder 4 hinaus beschäftigen,

  1. 2. Ruhepausen gemäß § 6 nicht gewähren,
  2. 3. die Ruhezeit gemäß § 7 nicht gewähren,
  3. 4. die Aufzeichnungspflicht gemäß § 11 verletzen,
  4. 5. die Verpflichtungen betreffend besondere Untersuchungen gemäß § 5b Abs. 1

    verletzt,

    sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 218 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 360 Euro bis 3 600 Euro zu bestrafen.

    …"

1.3. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften des ARG (dieses idF. der Novelle BGBl. I Nr. 124/2008) lauten (auszugsweise):

"Wochenendruhe

§ 3. (1) Der Arbeitnehmer hat in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies auf Grund der §§ 2 Abs. 2, 10 bis 18 zulässig ist.

(2) Die Wochenendruhe hat für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15 Uhr zu beginnen.

(2a) Bei nicht durchlaufender mehrschichtiger Arbeitsweise hat die Wochenendruhe spätestens Samstag um 24 Uhr zu beginnen.

(3) In Betrieben mit einer werktags durchlaufenden mehrschichtigen Arbeitsweise hat die Wochenendruhe spätestens mit Ende der Nachtschicht zum Sonntag zu beginnen und darf frühestens mit Beginn der Nachtschicht zum Montag enden.

(4) Wird in Verbindung mit Feiertagen eingearbeitet und die ausfallende Arbeitszeit auf die Werktage der die Ausfallstage einschließenden Wochen verteilt (§ 4 Abs. 2 und 3 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969), so kann der Beginn der Wochenendruhe im Einarbeitungszeitraum bis spätestens Samstag 18 Uhr aufgeschoben werden.

Wochenruhe

§ 4. Der Arbeitnehmer, der nach der für ihn geltenden Arbeitszeiteinteilung während der Zeit der Wochenendruhe beschäftigt wird, hat in jeder Kalenderwoche an Stelle der Wochenendruhe Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden (Wochenruhe). Die Wochenruhe hat einen ganzen Wochentag einzuschließen.

Strafbestimmungen

§ 27. (1) Arbeitgeber, die den §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und 2, §§ 6, 6a, 7, 8 und 9 Abs. 1 bis 3 und 5 oder den §§ 10 bis 22b, 22c zweiter Satz, 22f sowie 24 bis 25a zuwiderhandeln, sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 2 180 Euro zu bestrafen.

…"

1.3. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften des VStG 1991 lauten (auszugsweise):

"Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Absehen von der Strafe

§ 21. (1) Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

(1a) Die Behörde kann von der Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens absehen, wenn die Verfolgung aussichtslos erscheint oder der hiefür erforderliche Aufwand in einem Missverhältnis zum Grad und zur Bedeutung der in der Verwaltungsübertretung liegenden Verletzung öffentlicher Interessen steht.

(1b) Unter den in Abs. 1 genannten Voraussetzungen können die Verwaltungsbehörden von der Erstattung einer Anzeige absehen.

(2) Unter den in Abs. 1 angeführten Voraussetzungen können die Organe der öffentlichen Aufsicht von der Verhängung einer Organstrafverfügung oder von der Erstattung einer Anzeige absehen; sie können den Täter in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1.1. Die belangte Behörde begründet die Herabsetzung der Strafen auf die Mindeststrafe hinsichtlich der Spruchpunkte 4., 6., 9. und 10. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses primär damit, dass die bisherige Unbescholtenheit der mitbeteiligten Partei sowie die Tatsache, dass "seit den Vorfällen im Jahre 2008 weitere Übertretungen der gleichen Art nicht erfolgten" als mildernd zu werten sind.

2.1.2. Die beschwerdeführende Partei rügt, dass entgegen der Annahme der belangten Behörde von einem längeren Wohlverhalten nach Begehung der Verwaltungsübertretungen nicht gesprochen werden könne. Auch die Voraussetzungen für die Verhängung bloß der Mindeststrafe lägen nicht vor.

2.1.3. Die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensentscheidung dar. Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessensrechts Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Es obliegt der Behörde, in Befolgung der Anordnung des § 60 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfung des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2002, Zl. 2000/03/0346).

Die beschwerdeführende Partei ist mit ihrem Vorbringen im Recht, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Wohlverhalten seit Begehung einer Übertretung längere Zeit angedauert haben muss, um einen Milderungsgrund darzustellen, wobei ein Zeitraum von ungefähr zwei Jahren nicht genügt (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 1991, Zl. 90/02/0204, vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0344, vom 7. April 1995, Zl. 95/02/0072, und vom 25. Mai 2007, Zl. 2006/02/0322). Da im Beschwerdefall die Begehung der Übertretungen noch nicht einmal zwei Jahre zurücklag, liegt ein hier zu berücksichtigendes Wohlverhalten nach der Tat, wie es die belangte Behörde zugunsten der mitbeteiligten Partei ins Treffen führt, nicht vor.

Ferner kommt eine Verhängung der Mindeststrafe nur dann in Betracht, wenn entweder die mit der Tat verbundene Schädigung oder Gefährdung der Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sehr gering war, die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwiegen, das Verschulden entsprechend gering ist oder die in § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG angeführten persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten die Verhängung der Mindeststrafe rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1990, Zl. 88/08/0155).

Durch den langen Tatzeitraum und die Vielzahl der gesetzten Einzelhandlungen wurde das Interesse, dessen Schutz die Strafdrohung dient, nämlich der Schutz vor Überbeanspruchung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer, erheblich gefährdet. Zudem ist zu bedenken, dass der größte Teil der Übertretungen Ärzte und weitere Personen in Gesundheitsberufen (diplomierte Krankenschwestern, Anästhesiepfleger usw.) betrifft. Die übertretenen Rechtsvorschriften dienen nicht zuletzt auch dem Schutz der Gesundheit der Patienten, zu deren Betreuung die Arbeitnehmer herangezogen wurden.

Die Feststellungen der belangten Behörde lassen demnach nicht erkennen, dass die Voraussetzungen für eine Verhängung bloß der Mindeststrafe vorlägen.

Die belangte Behörde hat demnach ihre Strafbemessung im Ergebnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

2.2.1. Auch das Absehen von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 Abs. 1 VStG (Spruchpunkte 1., 2., 11., 12., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) wird von der belangten Behörde nur auf den Milderungsgrund der Unbescholtenheit der mitbeteiligten Partei gestützt.

2.2.2. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 Abs. 1 VStG sind ein nur geringfügiges Verschulden und, dass die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Dass diese Voraussetzungen im Beschwerdefall gegeben sind, vermag der Verwaltungsgerichtshof auf der Basis der Bescheidfeststellungen vor dem Hintergrund der rechtlichen Überlegungen unter Pkt. 2.1. nicht zu erkennen.

2.3. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Strafaussprüche zu den Spruchpunkten 1., 2., 4., 6., 9., 10., 11., 12., 13. und 14. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

II.

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines Unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 750,-- verhängt wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde die mitbeteiligte Partei zu den Spruchpunkten 3., 5., 7. und 8. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses Verwaltungsübertretungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 12 Abs. 1 Z. 1 KA-AZG schuldig erkannt und über sie Geldstrafen (zu Spruchpunkt 3. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses von EUR 270,--, zu Spruchpunkt 5. von EUR 250,--, zu Spruchpunkt 7. von EUR 300,-- und zu Spruchpunkt 8. von EUR 350,--) verhängt. Das Beschwerdevorbringen zeigt nicht auf, dass die Entscheidung über die Beschwerde von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 33a VwGG abhängt. Der Beschwerdefall wirft im Übrigen auch sonst keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Somit konnte in dem im Spruch genannten Umfang von der Ermächtigung gemäß § 33a VwGG Gebrauch gemacht werden und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt werden.

Wien, am 23. Mai 2012

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