VwGH 2010/06/0207

VwGH2010/06/020731.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde 1. des a - Verein und 2. des J K, beide in W, beide vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 13/1/15, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Wiener Schlichtungsstelle) vom 6. September 2010, Zl. MA 50-Schli-II/420/2010, betreffend Nichtzulassung eines Vertreters gemäß § 10 Abs. 3 AVG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs3;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
EGVG 2008 Art3 Abs1 Z1;
GewO 1973 §1 Abs2;
GewO 1973 §1 Abs5;
GewO 1994 §1 Abs2;
GewO 1994 §1 Abs5;
GewO 1994 §1 Abs6;
GewO 1994 §1;
MRG §37 Abs1;
MRG §37 Abs3 Z9;
MRG §39 Abs1;
MRG §39 Abs3;
MRG §39;
MRG §40 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2010060207.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Zweitbeschwerdeführer beantragte bei der belangten Behörde am 28. Jänner 2010 per Telefax, die Hauseigentümer des näher angeführten Hauses im 14. Wiener Gemeindebezirk gemäß § 6 MRG zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten an den Fenstern der von ihm als Hauptmieter angemieteten Wohnung Top Nr. 19, zum Tausch der in der Wohnung befindlichen Therme sowie zum Ersatz der Kosten für den Kaminbefund und zur sachgerechten Sanierung des Wohnzimmerfußbodens zu verpflichten.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 bzw. 19. März 2010 wurde der Zweitbeschwerdeführer zu Präzisierungen des Antrages aufgefordert, insbesondere wurde die eigenhändige Unterschrift am Antrag verlangt.

Mit Fax vom 31. März 2010 wurde durch den Verein H, mit Sitz in W, vertreten durch dessen damaligen Vizepräsidenten für Behördenbeziehungen, DDr. G. G., der belangten Behörde die Vertretung des Zweitbeschwerdeführers in diesem mietrechtlichen Verfahren bekanntgegeben und die Einleitung des Verfahrens auf Durchführung der Erhaltungsarbeiten, wie im Schreiben vom 28. Jänner 2010 angeführt, beantragt. Dieser Eingabe war die vom Zweitbeschwerdeführer an den genannten Verein erteilte Vollmacht angeschlossen.

In der Folge wurde dem Zweitbeschwerdeführer am 21. Juli 2010 mitgeteilt, dass der angeführte Verein nicht als Vertreter im gegenständlichen Verfahren zugelassen werden könne und die Möglichkeit eingeräumt werde, die erteilte Vollmacht zu widerrufen und einen eigenhändig unterschriebenen Antrag einzubringen, um eine rasche Fortführung des Verfahrens zu erwirken.

Mit Telefax vom 22. Juli 2010 teilte DDr. G. G. der belangten Behörde mit, dass die Vollmacht des Zweitbeschwerdeführers an den Verein H erloschen sei, dass aber nunmehr der Verein a mit dessen Vertretung beauftragt sei. Die Vollmacht des Zweitbeschwerdeführers an diesen Verein wurde am 27. Juli 2010 an die belangte Behörde übermittelt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der erstbeschwerdeführende Verein im gegenständlichen Mietrechtsverfahren als Bevollmächtigter des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 3 AVG nicht zugelassen.

Dies wurde insbesondere damit begründet, es sei schon auf Grund des Umstandes, dass eine der statutarischen Tätigkeiten des (zunächst tätig gewordenen) Vereins H in der unentgeltlichen Vertretung vor Behörden bestehe und diese Tätigkeit nicht von berufsmäßig dazu berechtigten Personen ausgeübt werde, eine unbefugte Vertretung im Sinne des Art. III Abs. 1 Z. 1 EGVG indiziert. Dies deshalb, da die Vertretungstätigkeit als eine der Haupttätigkeiten dieses Vereines nach den Statuten für einen uneingeschränkten Personenkreis regelmäßig angeboten und jedenfalls durch Spendengelder finanziert werde. Unabhängig davon, ob der im Einzelfall Vertretene noch ein gesondertes Entgelt für die Vertretung zu bezahlen habe oder nicht, stehe fest, dass für die Aufrechterhaltung dieser Vereinstätigkeit Gelder entgegengenommen würden und dadurch ein wirtschaftlicher Vorteil, sei es für Mitglieder, die sich Rechtsanwaltskosten ersparten, oder für Organe des Vereins, die ohne berufsmäßige Parteienvertreter zu sein, für ihre Vertretungstätigkeit bezahlt würden, erzielt werde. Es lägen somit schon auf Grund dieser Sachverhaltsfeststellung die für eine Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. Nr. 194 i. d.F. BGBl. I Nr. 66/2010 erforderliche Regelmäßigkeit als auch eine Ertragsabsicht bzw. Absicht, einen sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, vor.

Aus diesen Gründen sei der Verein H als Parteienvertreter für den Antragsteller nicht zuzulassen gewesen. Nach der Auflösung des genannten Vereines sei offensichtlich der erstbeschwerdeführende Verein gegründet worden, in welchem DDr. G. G. nunmehr die gleiche Funktion wie vormals im Verein H ausübe.

Die statutarische Umschreibung der Tätigkeit des erstbeschwerdeführenden Vereines sei insoweit von den Statuten des davor genannten Vereines abweichend, als nicht mehr ausdrücklich die Vertretung vor Behörden und Ämtern als Vereinstätigkeit angeführt sei. Die weitergefasste Umschreibung der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers, nämlich "Hilfestellung für jedermann in umfassender Art mit allen Mitteln, die die Rechtsordnung zur Verfügung stellt" sowie die in § 3 der Statuten angeführte "rechtliche Unterstützung" umfasse aber ebenso Vertretungstätigkeiten vor Behörden und Ämtern als ein von der Rechtsordnung zur Verfügung stehendes Mittel rechtlicher Unterstützung.

Die belangte Behörde könne daher im Hinblick auf die statutenmäßige Tätigkeitsumschreibung keinen entscheidenden Unterschied zwischen dem Verein H und dem erstbeschwerdeführenden Verein erkennen. Daher würden die rechtlichen Ausführungen zu dem erstgenannten Verein in gleicher Weise auf den nunmehr mit der Vertretung beauftragten erstbeschwerdeführenden Verein Anwendung finden.

Dass im Übrigen entgegen den Statuten beider Vereine, wonach erforderlichenfalls die "Befassung" bzw. "Einschaltung" berufsmäßiger Parteienvertreter vorgesehen sei, ohne Beiziehung ebensolcher Personen agiert werde, ergebe sich daraus, dass DDr. G. G. als Vertreter des Vereines H und nunmehr auch als Vertreter des erstbeschwerdeführenden Vereines in der gleichen Funktion weiter als Vertreter im Verwaltungsverfahren agiere, obwohl er nicht berufsmäßiger Parteienvertreter sei.

Dies lasse zwingend den Schluss zu, dass DDr. G. G. als nicht berufsmäßiger Parteienvertreter über seine Vereinstätigkeit, die nachweislich regelmäßig auch (versuchte) Vertretungstätigkeiten im Verwaltungsverfahren umfasse, sein Einkommen bestreite und der erstbeschwerdeführende Verein nur deshalb gegründet worden sei, um ihm diesen Erwerbszweck weiter zu ermöglichen.

Aus den dargelegten Gründen sei gemäß § 10 Abs. 3 AVG weder der erstbeschwerdeführende Verein noch dessen Vizepräsident (DDr. G. G.) als Vertreter für Behördenbeziehungen als Bevollmächtigter im Verfahren gemäß §§ 37 und 39 MRG vor der belangten Behörde zuzulassen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs. 1 MRG entscheidet über Anträge in den im Folgenden genannten Angelegenheiten das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist:

"2. Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten (§§ 3, 4 und 6)".

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung gelten für das Verfahren über die in Abs. 1 genannten Angelegenheiten die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (AußStrG) mit den im Folgenden angeführten Besonderheiten. Gemäß Z. 9 erster Satz können die Parteien in erster und zweiter Instanz selbst vor Gericht handeln und sich durch jede eigenberechtige Person vertreten lassen.

Gemäß § 39 Abs. 1 MRG kann, wenn eine Gemeinde über einen in Mietangelegenheiten fachlich geschulten Beamten oder Angestellten verfügt und die Anzahl der dort nach § 37 Abs. 1 MRG anfallenden Verfahren die Betrauung der Gemeinde zum Zwecke der Entlastung des Gerichtes rechtfertigt, ein Verfahren nach § 37 Abs. 1 MRG bei Gericht hinsichtlich der in der Gemeinde gelegenen Mietgegenstände nur eingeleitet werden, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung stellt der Bundesminister für Justiz gemeinsam mit dem Bundesminister für Inneres durch Kundmachung fest, auf welche Gemeinden die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen zutreffen.

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Gemeinde nach Vornahme der erforderlichen Ermittlungen, wenn der Versuch einer gütlichen Beilegung des Streites erfolglos geblieben ist, über den Antrag nach § 37 Abs. 1 zu entscheiden. Auf das Verfahren sind näher angeführte Bestimmungen des AußerstreitG und § 37 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 Z 1 bis 12, 18 und Abs. 4 MRG entsprechend anzuwenden, im Übrigen gilt für das Verfahren des AVG.

Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung kann die Entscheidung der Gemeinde durch kein Rechtsmittel angefochten werden. Sie bildet, wenn die Frist zur Anrufung des Gerichtes nach § 40 Abs. 1 MRG abgelaufen ist, einen Exekutionstitel im Sinn des § 1 EO.

Gemäß § 40 Abs. 1 MRG kann die Partei, die sich mit der Entscheidung der Gemeinde über den Antrag nach § 37 Abs. 1 MRG nicht zufrieden gibt, die Sache innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der Entscheidung bei Gericht anhängig machen. Durch die Anrufung des Gerichtes tritt die Entscheidung der Gemeinde außer Kraft. Sie tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Antrag auf Entscheidung des Gerichtes zurückgezogen wird.

Gemäß § 50 MRG sind die Gemeinden, auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 MRG zutreffen, durch die Kundmachung der Bundesminister für Justiz und für Inneres, BGBl. Nr. 299/1979, bestimmt (danach u. a. Wien).

Gemäß § 10 Abs. 1 AVG (i.d.F. BGBl. I Nr. 135/2009) können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen, Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung sind als Bevollmächtigte solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung kann die Behörde von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

Gemäß Art. III Abs. 1 Z 1 EGVG (BGBl. I Nr. 87/2008) begeht eine Verwaltungsübertretung wer

"1. in Angelegenheiten, in denen er nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt ist, gewerbsmäßig für den Gebrauch vor inländischen oder ausländischen Gerichten oder Verwaltungsbehörden schriftliche Anbringen oder Urkunden verfasst, einschlägige Auskünfte erteilt, vor inländischen Gerichten oder Verwaltungsbehörden Parteien vertritt oder sich zu einer dieser Tätigkeiten in schriftlichen oder mündlichen Kundgebungen anbietet (Winkelschreiberei)".

§ 1 Abs. 2 bis 6 GewO 1994, BGBl. Nr. 194, sieht in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Stammfassung betreffend die gewerbsmäßige Ausübung einer Tätigkeit Folgendes vor:

"(2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.

(3) Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.

(4) Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert. Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten.

(5) Die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, liegt auch dann vor, wenn der Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil den Mitgliedern einer Personenvereinigung zufließen soll.

(6) Bei Vereinen gemäß dem Vereinsgesetz 1951 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Übt ein Verein gemäß dem Vereinsgesetz 1951 eine Tätigkeit, die bei Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fiele, öfter als einmal in der Woche aus, so wird vermutet, daß die Absicht vorliegt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen."

Die Statuten des erstbeschwerdeführenden Vereines sehen in den §§ 2 und 3 Folgendes vor:

"§ 2

Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt die unentgeltliche Hilfestellung für jedermann auf verschiedenste, aber umfassende Art, mit allen Mitteln, die die Rechtsordnung zur Verfügung stellt; sowie die Unterstützung derartiger Bemühungen durch Gleichgesinnte.

§ 3

Als ideelle Mittel zum Erreichen des Vereinszieles dienen:

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