VwGH 2010/06/0147

VwGH2010/06/014719.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der R GmbH in S, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 18. Mai 2010, Zl. BHBR-I-3300.00-2010/0004, betreffend Versagung der Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauG Vlbg 2001 §17 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §17 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §17 Abs6;
BauG Vlbg 2001 §18 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §28 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §28 Abs3;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BauG Vlbg 2001 §17 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §17 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §17 Abs6;
BauG Vlbg 2001 §18 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §28 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §28 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 4. September 2008, eingelangt bei der Behörde am 8. September 2008, hat die Beschwerdeführerin unter Vorlage von Einreichplänen um die Erteilung einer Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Werbeanlage in Form eines Rolling Boards auf einem näher bezeichneten Grundstück im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde angesucht. In ihrem Antrag führte sie aus, dass die Baubehörde der Stadt Bregenz bereits mehrere Rolling Boards (selbstleuchtende Werbeflächen mit wechselnden Motiven) bewilligt habe. Das Amt der Vorarlberger Landesregierung habe gegen die Werbeanlagen keine Einwände erhoben. Auch von anderen behördlichen Stellen habe es keine Einwände gegeben. Bei einem Rolling Board handle es sich um eine moderne Werbeanlage, die für die Wirtschaft immer wichtiger werde und die Schritt für Schritt dazu führen werde, dass die bisher vorhandenen Plakatwände reduziert würden. Eine Rolling Board Anlage ersetze rund sechs bisherige Plakatwände. Somit brächten diese innovative Werbung und die mittelfristige Reduktion der Werbeflächen Vorteile für das Gemeinwohl.

In dem im Akt erliegenden Auszug aus der Niederschrift des Bauausschusses der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 18. September 2008 wird zu diesem Vorhaben Folgendes festgehalten:

"... Die Mitglieder des Bauausschusses können sich der Stellungnahme des RA Dr. GW nicht anschließen und verweisen darauf, dass im gesamten Ortsgebiet keine beweglichen Elemente oder bewegliche Bilder als Werbeanlagen vorhanden sind. So ist z. B. auch bei der Marktgemeinde H per Verordnung festgelegt, dass solche Sonderfigurationen als Werbeanlagen im Ortsbild nicht zulässig sind."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. Februar 2009 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 17 BauG, LGBl. Nr. 52/2001, die Bewilligung zur Anbringung einer Werbeanlage in Form einer freistehenden und aufgeständerten Werbetafel mit hinterleuchteten, nach zwei Seiten wirksamen und ständig wechselnden Werbeinhalten mit den jeweiligen Ansichtsflächen von je ca. 9 m2 versagt. Der Sachverhalt ergebe sich - so der Bürgermeister im Vorspruch des Bescheides - aus der Plan- und Beschreibungsunterlage von Mai 2008, welche einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bilde und auf welche verwiesen werde. Ergänzend werde (u.a.) festgehalten, dass sich der Aufstellungsort der Werbetafel westseitig der Bundesstraße L 190, ohne Bauabstand zur Straßengrundgrenze und rechtwinklig zu dieser unmittelbar angrenzend an den dort befindlichen Beleuchtungsmasten befinde. Die Werbeanlage habe mit Steher eine Gesamthöhe von 5,24 m, die Werbefläche selbst messe inklusive Umrandung 3,48 x 2,64 m, sei von innen beleuchtet und habe nach zwei Seiten wirksame Werbeflächen mit ständig wechselndem Werbeinhalt.

In der Begründung wurde ausgeführt, die Bewilligung sei zu versagen gewesen, weil es sich hiebei um eine besonders auffällige, große und beleuchtete Werbeanlage mit bewegten Bildern handle, welche das Ortsbild erheblich beeinträchtigen würde. Grundsätzlich sei festzustellen, dass Werbeanlagen im Erscheinungsbild von Siedlung und Landschaft eine zunehmend dominierende Rolle spielten. Dabei würden die Situierung und Gestaltung von Werbeanlagen mit ihrer optischen Auffälligkeit und besonderen Signalwirkung verstärkt Probleme im Hinblick auf die Schutzinteressen des Ort- und Landschaftsbildes aufwerfen. Da sich die Werbung in Form, Größe und farblicher Aggressivität immer weiter aufschaukle, würden diese Anlagen zu bestimmenden Elementen des Orts- und Landschaftsbildes. Qualitätsvolle bauliche Ensemble, architektonisch wertvolle Gebäude und charakteristische Außenraumgefüge würden auf diese Weise massiv entwertet und die ursprünglichen planerischen Bemühungen im Interesse eines gehobenen Orts- und Landschaftsbildes zunichte gemacht. Die mit einer Gesamthöhe von 5,24 m hinterleuchtete Werbeanlage mit zwei Ansichtsflächen von jeweils ca. 9 m2 und bewegten Bildern würde das Ortsbild negativ beeinträchtigen (gröbliche Störung im Sinne der einschlägigen VwGH-Erkenntnisse) und sei daher abzulehnen gewesen.

In ihrer Berufung machte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 28 Abs. 2 sowie § 17 Abs. 1 BauG geltend, es fehle jede Befundaufnahme, die es rechtfertigen würde, von einer Beeinträchtigung des Ortsbildes auszugehen. Aus dem erstinstanzlichen Bescheid seien keine ausreichend objektivierten Anhaltspunkte für die Ortsbildunverträglichkeit der zu errichtenden Werbeanlage zu gewinnen. Die Baubehörde habe im Übrigen übersehen, dass es sich um eine moderne Werbeanlage handle, der in der Wirtschaft immer mehr Bedeutung bekomme und die zu einer Entlastung des Ortsbildes deshalb führe, weil mittelfristig eine Rolling Board Anlage sechs bisherige Plakatwände ersetze. Bei identer Sach- und Rechtslage sei z.B. die Baubehörde in der Landeshauptstadt Bregenz zur Überzeugung gekommen, dass das Ortsbild nicht beeinträchtigt werde; mehrere Werbeanlagen seien seither bewilligt und errichtet worden und würden problemlos betrieben. Auch in Lustenau sei festgestellt worden, dass eine Werbeanlage an der H. Straße das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtige.

Über entsprechende Anfragen der Berufungskommission teilte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 5. Mai 2009 mit, dass sie in der mitbeteiligten Marktgemeinde selbst keine Plakatwände habe; es würden allerdings einige Flächen beim Bahnhof betreut, die jedoch nicht in ihrem Eigentum stünden. Sie werde in der mitbeteiligten Marktgemeinde selbst keine Plakatwände errichten und betreiben, wenn das Rolling Board bewilligt werde. Aus dem auszugsweise angeschlossenen Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde Lustenau sei zu ersehen, dass (hinsichtlich der dort zu beurteilenden Werbeanlage) keine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes bestehe. Die entsprechenden Bescheide und Unterlagen betreffend Rolling Boards in Bregenz stünden der Beschwerdeführerin nicht zur Verfügung. Ohne entsprechende positive Beurteilung der Ortsbildverträglichkeit hätte die Bewilligung jedoch nicht erteilt werden können. Im Wege der Amtshilfe könnten die entsprechenden Unterlagen jedoch beigeschafft werden.

In weiterer Folge richtete die Berufungskommission an den Amtssachverständigen für Raumplanung und Baugestaltung DI G am 12. Mai 2009 ein "Ansuchen um Erstellen eines Gutachtens". DI G wurde ersucht, nachstehende Fragen gutachtlich zu beantworten:

"1. Beeinträchtigt die Errichtung einer Rolling Board Anlage in Lauterach, Bundesstraße 16a - Gst 290/1 tatsächlich das Orts- und Landschaftsbild im Sinne des § 17 Baugesetzes? Wenn ja, warum?

2. Wenn Frage 1 mit 'ja' beurteilt wird: Können durch Auflagen oder Bedingungen diese Beeinträchtigungen beseitigt werden?

3. Ist die Sachlage in Lauterach tatsächlich ident mit jener in Bregenz bzw. Lustenau, wo angeblich die dortigen Baubehörden eine Nichtbeeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes durch die Errichtung einer Rolling Board Anlage festgestellt haben? Wenn nein, welche Abweichungen sind dies konkret und wie wirken sie sich auf das Ortsbild in Lauterach aus?"

Diesem Ersuchen waren u.a. "einige aktuelle Bilder" sowie eine Kopie des Bauansuchens (Lageplan, Fotomontage) angeschlossen.

Diese Fragen wurden von DI G. mit seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 8. Juli 2009 wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1

"Die gegenständliche Werbeanlage beschreibt eine hinterleuchtete, rollierende Plakatstelle mit einer Gesamtfläche von rd 9,19 m2 und wechselnden Inhalt.

Die Werbetafel in Abmessungen von 3,48m x 2,64 m ist auf einem säulenförmigen Stützenfuß aus Stahl aufgesetzt. Der Abstand zwischen Oberkante Gehsteig und Unterkante Werbefläche beträgt 2,60m. Die Anlage ist an der südlichen Ecke des Grundstückes rechtswinkelig zur Fahrbahn, unmittelbar am Gehsteig aufgestellt und aus beiden Fahrtrichtungen gut sichtbar.

Beim gegenständlichen Ortsraum handelt es sich um einen stark frequentierten Abschnitt der Ortsdurchfahrt von Lauterach. Der Bereich zwischen der Achkreuzung und der Einmündung in die Klostergasse ist beidseitig unterschiedlich dicht bebaut. Das bauliche Umfeld zeigt eine wechselnde Abfolge von Wohn- und Gewerbebauten mit unterschiedlicher Dichte und Höhenentwicklung.

An Werbeanlagen finden sich lediglich der Preisanzeiger der unmittelbar benachbarten Esso-Tankstelle und eine ca 170 m weiter nördlich aufgestellte Plakatwand.

Nach den Bestimmungen des Baugesetzes müssen Bauwerke oder sonstige Anlagen so angeordnet und hinsichtlich Größe, Form und Farbe und Baustoffe so gestaltet sein, dass sie sich in die Umgebung, in der sie optisch in Erscheinung treten, einfügen oder der Umgebung auf andere Art gerecht werden. Als eine erhaltenswerte Charakteristik des Orts- und Landschaftsbildes, dem das Bauwerk oder die Anlage zuzuordnen ist, sowie auf erhaltenswerte Sichtbeziehungen mit anderen Orts- oder Landschafsteilen ist besonders Rücksicht zu nehmen.

Das Erscheinungsbild des gegenständlichen Ortsteiles wird zwar nicht durch kultur- oder bauhistorisch wertvolle Bauten bestimmt; der betroffene Abschnitt der Bundesstraße ist jedoch auf Grund seiner historischen funktionellen Bedeutung als Nord-Süd-Verbindung durch das untere Rheintal von besonderem Interesse. Das Fehlen einer einheitlichen Bebauung ist in weiten Teilen des Gemeindegebietes - ähnlich wie in Lustenau - typisches Phänomen. Wenngleich im gegenständlichen Ortsgebiet eine heterogene Bebauungsstruktur vorherrscht, so ist auch hier ein Mindestmaß an gemeinsamer Charakteristik feststellbar, die auf ein schützenswertes Ortsbild schließen lässt.

Der eigentliche Zweck der Werbeanlage, nämlich durch ihre Situierung und Ausprägung ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erzielen, steht hier im diametralen Gegensatz zu den öffentlichen Interessen des Ortbildschutzes:

Die Anlage wird bereits aus größerer Entfernung und infolge der Beleuchtung auch bei Dunkelheit wahrgenommen. Sie wird damit zu einem bestimmenden und auffälligen Element im Straßenraum, das keine bauliche Entsprechung im näheren Umfeld findet. Die Beleuchtung und Bewegung der Bilder-Sujets verleiht der Anlage den Charakter eines Bildschirmes. Die fremdartige Wirkung im Straßenraum wird dadurch noch zusätzlich verstärkt.

Die angeführten Aspekte lassen gutachterlicherseits keine ortsbildlich verträgliche Einbindung im gegenständlichen Bereich erwarten. Die Anlage wird in der Umgebung, in der sie in Erscheinung tritt, auch auf andere Art nicht gerecht. Ein Dialog mit ihr wie z.B. durch eine innovative Lösung oder durch eine künstlerische Überhöhung wird nicht erkannt."

Zu Frage 2:

"Allfällige Auflagen wären im erheblichen Maße Projekts ändernd und in rechtlicher Hinsicht wohl kaum zulässig. Der Verzicht auf eine Hinterleuchtung würde die Auffälligkeit lediglich bei Dunkelheit, jedoch nicht grundsätzlich entschärfen."

Zu Frage 3:

"Die Rolling Board-Anlage ist hinsichtlich der Abmessungen und der Höhe über Gehsteig mit jener in Lustenau ident. Die ortsräumliche Situation, nämlich das Vorherrschen einer heterogenen Bebauung mit wechselnder Dichte und Höhenentwicklung verhält sich ähnlich. Im Gegensatz zu Lauterach sind entlang der Hohenemserstraße in Lustenau noch drei freistehende Plakatwände, eine Plakatwand an einem Stallgebäude und eine Billatasche vorhanden.

Die Rolling Board-Anlage am Ortseingang nach Bregenz unmittelbar nach der Achbrücke (Höhe Joka-Hochhaus) stellt ebenfalls ein Fremdelement dar, das mit der ortsbildlichen Situation meines Erachtens nicht vereinbar ist. Zudem wird der Blick auf das Kolumban-Denkmal verstellt.

Weniger störend erscheint das Rolling Board an der Seestraße in Bregenz am Rande des großen Parkplatzes. In dichtem Gemenge der baulichen und verkehrstechnischen Infrastruktur erscheint das Board hier ortsbildlich weniger präsent als andernorts.

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass Werbeanlagen stets einzelfallbezogen dh in Abhängigkeit der jeweiligen örtlichen Situation und konkreten Form und Größe der Anlage zu beurteilen sind. Ähnlichkeiten oder sogar weitgehende Übereinstimmungen in der ortsräumlichen Ausgangslage und idente Ausführungsarten sind jedoch nicht auszuschließen.

Hinsichtlich der Rollingboard-Anlage in Lustenau hat sich die Berufungskommission letztlich an das Gutachten der TU Wien angeschlossen. Die Kommission hat es jedoch unterlassen, die maßgeblichen Argumente, welche die Schlüssigkeit des Gutachtens hinlänglich bestätigen, dezidiert anzuführen.

Meines Erachtens sind die Ausführungen im genannten Gutachten nicht wirklich nachvollziehbar:

Die Gleichsetzung des Straßenraumes als 'bewegungsabhängiges Raumkontinuum', mit dem die Werbeanlage in einer Wechselbeziehung steht, lässt noch keine Einfügung in die Umgebung erkennen, zumal nach wie vor eine deutliche formale Disharmonie gegenüber der baulichen Umgebung vorliegt.

Ferner ist das Argument, dass die 'Kontinuität des Raumes' unterhalb der Werbefläche erkennbar bleibt, nicht überzeugend, da damit auch noch höher angeordnete Werbeflächen zugelassen würden. Geht man von einem 'suburbanen Milieu' aus, so bedeutet dies keineswegs, dass im Gegensatz zu einer Angleichung an das vorhandene Erscheinungsbild, dieses durch eine weitere Steigerung der Heterogenität bereichert oder aufgewertet wird. Autonome Gestaltungselemente sind nur insofern vertretbar, wenn sie der Umgebung auf andere Art - gleichsam in einem Dialog mit ihr - ausreichend Rechnung tragen (§ 17 BauG). Diese Voraussetzung ist im Rollingboard nicht gegeben!

Die Existenz eines heterogenen Ortsbildes mit unterschiedlicher Bebauung, indem auch mehrere Werbeträger (Plakatwände) und Hinweisschilder unterschiedlicher Größe und Anordnung bereits vorhanden sind, lässt nicht automatisch den Schluss zu, dass dann von keinem schützenswerten Ortsbild mehr ausgegangen werden kann. Daraus kann auch nicht abgeleitet werden, dass ein weiterer Eingriff in das Ortsbild als nicht mehr störend angesehen werden kann. Die nicht völlige Einheitlichkeit eines Ortsbildes verwehrt der Behörde nicht die Möglichkeit, einer mit einer weiteren Störung des Ortsbildes verbundenen Bauführung entgegenzutreten.

In diesem Zusammenhang würde eine Gesetzesanwendung im Zweifel zugunsten der Baufreiheit im Ergebnis bedeuten, dass im Bereich von Grenzfällen stets eine weitere Verschlechterung eines gegebenen Ortsbildes zugelassen werden müsste, was zweifelsfrei den Zielsetzungen eines der Behörde anvertrauten Ortsbildschutzes widerspricht."

Dieser gutachterlichen Stellungnahme war ein Luftbild von Orthophotos © Land Vorarlberg der in Rede stehenden Ortsdurchfahrt, Ausgabe 08-07-2009, sowie eine Lichtbildserie angeschlossen.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2009 wurde diese gutachterliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1991 zur Stellungnahme übermittelt.

Die Beschwerdeführerin legte daraufhin mit Eingabe vom 21. September 2009 ein "Stadtgestalterisches Gutachten" der Sachverständigen Prof. Arch. Dipl. Ing. Dr. T und Univ. Prof. Arch. Dipl. Ing. Dr. R, beide Technische Universität Wien, Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen, Fachbereich Städtebau, vor. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass dieses Gutachten zum Schluss komme, die Werbeanlage sei sehr wohl orts- bzw. landschaftsverträglich. Es werde auf die detaillierte Befundaufnahme und die im Einzelnen dargelegten Überlegungen verwiesen.

Aus diesem Gutachten ist Folgendes hervorzuheben

(Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"…

Ziel des Gutachtens

Ziel des Gutachtens ist es, auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu bewerten, ob das oben bezeichnete Rolling Board eine Störung des ortsspezifischen Stadtbildes darstellt.

Grundlagen des Gutachtens

Aktuelle Stadt-, Flächenwidmungs- und Einreichpläne, Fachliteratur, Räumliches Entwicklungskonzept Lauterach Stellungnahme der Landesregierung Vlbg vom 08.07.2009,

Dipl. Ing. G

Lokalaugenschein im August 2009

Befund

Der Befund bezieht sich auf jenen räumlichen Bereich (Umgebung), zu dem die zu bewertende Werbeanlage in einem gestalterischen Kontext steht. Die Werbeanlage ist in jeder Hinsicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Straßenraum zu sehen, der primär als Bewegungsraum zu definieren ist. Das heisst, dass der zu untersuchende Raum nicht als statisch abgrenzbarer Raum, sondern als bewegungsabhängiges Raumkontinuum zu verstehen ist, dessen Abgrenzbarkeit von den ortsspezifischen Abläufen des Verkehrs in seinen unterschiedlichen Arten bestimmt wird.

Eine harmonische Einfügung der Werbeanlage in die Umgebung ist daher dann gegeben, wenn sie mit dem Charakter des Bewegungsraums in eine angemessene (harmonische) Wechselbeziehung tritt. Dabei ist eine zeitgemäße Interpretation des ausgewogenen Verhältnisses zwischen der räumlichen Struktur des Bewegungsraumes und seiner charakteristischen gestalterischen Merkmale einerseits und der Gestaltung und Positionierung der Werbeanlage andererseits erforderlich.

Die zu begutachtende Werbeeinrichtung steht vom Rand der Bundesstraße (L 190) abgerückt, ca 300 meter südlich der Kreuzung mit der Harder Straße (L3) in einer gewerblich genutzten Fläche (Autohaus), in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Tankstelle. Sie steht im rechten Winkel zur Straßenachse und wird von einer Stütze etwa 2,60 Meter über Niveau aufgeständert. Die nach Süden und Norden orientierten Werbeflächen sind ca. 2,60 Meter hoch und 3,50 Meter breit. Daraus ergibt sich eine Gesamthöhe des Objektes von etwa 5,25 m.

Die Bundesstraße ist eine radiale Haupteinfahrtsstraße von Norden ins Ortszentrum von Lauterach. Die Charakteristik der Bundesstraße verändert sich in ihrem Verlauf im Kreuzungsbereich mit der Harder Straße in Richtung Ortszentrum. Im Kreuzungsbereich mit der L 3 und im Bereich der Kloster- und Pariserstraße ändert sich die Charakteristik von einem suburbanen Straßenraum hin zu einer Dorfstraße. Diese Bereiche sind auch im REK unter 'Lebendige Zentren' als Abschnitte zu entwickelnder öffentlicher Straßenräume definiert. Der Stellenwert der Bundesstraße im Straßensystem ist wesentlich durch den Anschluss an das Gemeindegebiet von Bregenz über die Bregenzer Ach Brücke sowie durch die Verknüpfung mit der Harderstraße bestimmt und als Ortsdurchfahrt im REK Lauterach festgehalten. Der Standort des Werbeträgers befindet sich ca. 200 Meter nach dem Kreuzungsbereich der L3 in Fahrtrichtung Ortskern auf der rechten Fahrbahnseite. Die stadträumliche Gesamtsituation ist hier in einem hohen Ausmaß für das suburbane Milieu vieler Ortsbilder im Rheintal charakteristisch. Sie zeichnet sich auch hier durch ein lockeres und scheinbar zufälliges Gemenge unterschiedlichster Elemente aus, die entweder dem Kontext der Kulturlandschaft, dem Kontext der Ortsstruktur oder dem Kontext des Verkehrssystems zugeordnet werden können. Zwischen den heterogen versammelten Objekten bestehen vereinzelt noch Ausblicke in die Grünräume, die teilweise noch agrarisch genutzt sind. Im unmittelbaren Umfeld befinden sich verschiedene Gewerbebauten, Einfamilienhäuser, eine Tankstelle, diverse Nebengebäude, landwirtschaftlich oder ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude, Autoabstellflächen, Werbeträger und Hinweisschilder unterschiedlicher Größe und Aufstellung (Montage an Gebäuden, an eigenen Tragkonstruktionen etc.).

Der Feststellung eines schützenswerten Ortsbildes für einen in der Stellungnahme ebenfalls festgestellten 'stark frequentierten Abschnitt der Ortsdurchfahrt von Lauterach' mit uneinheitlicher Bebauung kann nicht nachvollzogen werden. Zumal auch das REK Lauterach von 07.11.2001 diesen Bereich als Ortsdurchfahrt mit einer Durchmischung von Gewerbe, Wohnen und Dienstleistungen entlang der Hauptverkehrslinien bezeichnet und für klar abgegrenzte Bereiche im Verlauf der L190 besondere Maßnahmen und Ziele festlegt (diese sind im Abschnitt 'Lebendige Zentren' eindeutig definiert) für diesen Abschnitt jedoch von besonderen Regelungen und Gestaltungsabsichten Abstand nimmt.

Auch das Schreiben der Landesregierung verweist deutlich auf die uneinheitliche Bebauung und das Fehlen einer kulturhistorisch oder architektonisch wertvollen Bausubstanz. Diese Heterogenität des Straßenraumes ist jedoch ein charakteristisches Kennzeichen der Siedlungsentwicklung von Lauterach und großer Bereiche des gesamten Siedlungsgebietes im Rheintal.

Die Argumentation von Dipl. Ing. G (Schreiben vom 08.07.09), daß eine Beurteilung der räumlichen Situation jeweils als Einzelfall zu beurteilen ist und die Feststellung, dass auch bei vorliegen eines heterogenen Ortsbildes weiterhin von einem schützenswerten Ortsbild ausgegangen werden kann sind vollinhaltlich richtig und jedenfalls zu unterstützen. Der daraus abgeleitete Schluß hingegen, dass im gegenständlichen Bereich ein Werbeträger wie das 'Rolling Board' nicht ortsbildgerecht sei, kann hingegen nicht nachvollzogen werden (einerseits werden 'künstlerische Überhöhung' oder 'innovative Konzepte' gefordert, andererseits wird bemängelt, daß das 'Rolling Board' keine bauliche Entsprechung im nahen Umfeld findet). Gerade in suburbanen Bereichen mit heterogener Struktur stellt jedoch die Qualität des Einzelobjektes einen wesentlichen Beurteilungsfaktor dar. Die 'Rolling Boards' zeichnen sich durch hohe Fertigungs- und Gestaltungsqualität aus und sind im Vergleich zu anderen Werbeträgern in hohem Maße alterungsbeständig. Die Bestimmungen des §17 werden durch das geplante Bauvorhaben nicht beeinträchtigt … und auf die in § 17Abs. 4 bestehende Möglichkeit … wurde für diesen Ortsbereich nicht zurückgegriffen. Aus dem REK der Gemeinde Lauterach lässt sich auch keine besondere Gestaltungs- und Entwicklungsabsicht für diesen Ortsbereich ableiten. Die ausgeführte Argumentation des im Schreiben von Dipl. Ing. G erwähnten Gutachtens der TU Wien für den Standort Lustenau kann hier auf Grund der ähnlichen regionaltypischen Situation ihre Gültigkeit beanspruchen. Die Ansammlung unterschiedlichster Elemente der Bebauungsstrukturen entspricht hier zwar in geringerem Ausmaß als am Standort Lustenau der Mischung der unterschiedlichen Botschaften. Aufschriften an Gebäuden, verschiedenste Zeichensetzungen (Logos, Aufschriften, Fahnen, etc.), Hinweisschilder, Verkehrszeichen finden sich jedoch an diesem Standort in einer für die erwähnten suburbanen Verkehrsachsen typischen Dichte. Auch die baulichen Objekte, die sich in der straßenbegleitenden Raumzone befinden, sind gestalterisch durch große Aufschriften geprägt (Tankstelle). Die meisten der hier positionierten Zeichen tragen durch ihre Größe und ihre Aufstellung dem Umstand Rechnung, dass auch die L190 in diesem Abschnitt wenig von Fußgängern frequentiert wird und daher die Botschaft vor allem aus den Kraftfahrzeugen, teilweise auch von Fahrrädern aus wahrgenommen werden. Dadurch ergeben sich charakteristische Blickwinkel. Eine Rhythmisierung des Raumes ergibt sich durch die kurzen Zeitspannen, in denen die Zeichen am Straßenrand wahrgenommen werden können. Die Besetzung der straßenbegleitenden Raumzonen durch quer zum Verlauf der Straße stehende großformatige Informationsflächen ist eine schlüssige Konsequenz daraus und in diesem Straßenabschnitt auch bereits vorhanden.

Bewertung

Die für die stadtgestalterische Bewertung maßgebliche Umgebung ist für das suburbane Milieu des Rheintals typisch. Dieses Milieu unterscheidet sich in funktioneller, räumlicher und gestalterischer Hinsicht grundsätzlich von kompakten Siedlungsstrukturen und ist daher auch nicht nach denselben Kriterien zu beurteilen. Die aktuelle stadt- und raumplanerische Diskussion ist geprägt von einer Neubewertung solcher Milieus und von Analysen ihrer visuellen Lesbarkeit (Stichworte: urban sprawl, Zwischenstadt, citta diffusa, Peripherisierung etc.). Die in den Bauordnungen häufig formulierte 'harmonische Einfügung' in die Siedlungsstruktur kann in heterogenen Strukturen nur in der Auseinandersetzung mit dieser Heterogenität erfolgen. Diese Auseinandersetzung wiederum, muß über die Objekt- und nicht über die Strukturdiskussion erfolgen. Der Mangel an raumgreifenden gestalterischen Zusammenhängen und an durchgängigen kompositorischen Regeln ist nicht als Defizit, sondern als konstituierender Faktor solcher Raumsysteme zu interpretieren. In diesem Sinn ist auch die bestehende Tankstelle, trotz der vielmehr wegen ihrer nächtlichen Lichtimmission nicht als Störung des Umfeldes, sondern als konstituierendes Element der Charakteristik des Straßenraumes und seiner medialen und gestalterischen Ausstattung zu interpretieren. Insbesondere durch die Gestaltqualität des geplanten Werbeträgers und seiner diffusen Lichtwirkung in der Nacht wird dieser spezifischen räumlichen Situation Rechnung getragen und den Forderungen von Dipl. Ing. G betreffend die Aufstellung 'autonomer Gestaltungselemente' entsprochen. Diese sind in einem suburbanen Milieu grundsätzlich nicht störend sondern milieutypisch.

Zusammenfassung

Der projektierte Werbeträger ist als typologisch konsistenter Bestandteil der medialen Inszenierung der Lauteracher Bundesstraße zu sehen. Er wird Teil eines heterogenen suburbanen Milieus, das als Gemenge unterschiedlichster, gestalterisch nicht aufeinander bezogener Einzelelemente in Erscheinung tritt. Der Aspekt der 'ausgleichenden Harmonisierung' ist solchen Milieus grundsätzlich wesensfremd. Harmonisierung kann in diesem stadtgestalterischen Zusammenhang nur bedeuten, dass das suburbane Raumsystem und seine Erscheinungsbilder als Phänomen ernst genommen und systemimmanent interpretiert werden. Eine Störung des Ortsbildes ist in diesen Milieus jederzeit möglich und passiert häufig durch mangelhafte Gestaltungs- und Ausführungsqualitäten. Eine Aufwertung des Ortsbildes kann hier nur durch eine bewusste Anreicherung des Gemenges durch qualitativ hochwertige Gestaltungselemente erfolgen. Aus diesem Grund kann der projektierte Werbeträger weder auf Grund seiner Gestaltung, noch auf Grund seiner Positionierung, noch auf Grund seiner Beziehung zu den anderen baulichen Elementen des Umfeldes in Frage gestellt werden. Eine Verbesserung der Gesamtqualität des Straßenraumes kann nicht durch wechselseitige gestalterische Abstimmung der stadtbildrelevanten Elemente untereinander erreicht werden, sondern nur durch eine Erhöhung der gestalterischen Qualität der Elemente selbst."

Diesem Gutachten waren unter anderem sieben Lichtbilder angeschlossen, darunter drei von Dipl. Ing. Dr. T, bei den übrigen heißt es "Visualisierungen Gewista".

Mit Bescheid vom 3. März 2010 wies die Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen, der gutachtlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen Dipl. Ing. G und des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachtens des Prof. Arch. Dipl. Ing. Dr. T und des Univ. Prof. Arch. Dipl. Ing. Dr. R führte die Berufungsbehörde aus, sie halte die Ausführungen Letzterer für nicht geeignet, die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Amtssachverständigen zu widerlegen. Vielmehr folge sie dessen Kritik, die er schon zum weitgehend gleichlautenden Gutachten der TU Wien zum Standort Lustenau geäußert habe. Sie halte es insbesondere nicht für richtungsweisend, die weitere Entwicklung vom "konstituierenden Element" der Tankstelle abhängig zu machen. Es scheine auch nicht unschlüssig, wenn der Amtssachverständige von der "Gestaltqualität des geplanten Werbeträgers" nicht beeindruckt sei. Tatsächlich handle es sich um ein locker bebautes vorstädtisches Gebiet, in das die strittige Werbeanlage ein neues Element einbringen würde, das im Widerspruch zum bestehenden Ortsbild stünde. In ein eher ländlich/vorstädtisches Erscheinungsbild würde eine derartige technische Anlage eingepflanzt, die in dieser Form bisher noch nicht bestehe. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ähnle jenem, den der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Mai 2008, Zl. 2004/06/0039, zu beurteilen gehabt habe. Es sei dabei um Photovoltaikelemente gegangen, die im ländlichen Gebiet aufgestellt hätten werden sollen. Diese Photovoltaikelemente wären stationär gewesen und hätten sich nur insoweit bewegt, als sie der Sonne nachgeführt hätten werden sollen. Ihr Aufmerksamkeitswert wäre demnach geringer gewesen als bei den hier strittigen Rolling Boards, deren Aufgabenstellung gerade darin bestünde, maximale Aufmerksamkeit und damit Werbewirksamkeit zu erzielen (es folgt die Wiedergabe eines Teiles der Erwägungen dieses Erkenntnisses). Aus der Stellungnahme des Amtssachverständigen ergebe sich, dass die Rolling Board-Werbeanlage eine ihrer Art nach ohne Entsprechung im bestehenden Ortsbild auffällige Sonderform mit Signalcharakter darstellen würde, die damit das Ortsbild auffällig stören würde. Die gutachterliche Stellungnahme des Amtssachverständigen sei für die Berufungsbehörde schlüssig und überzeugend. Auch die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bestätige die Aussage des Amtssachverständigen, weshalb ihm zu folgen gewesen sei.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, diese innovative Werbung (gemeint: eine Rolling Board Anlage) und die mittelfristige Reduktion der Werbeflächen bringe Vorteile für das Gemeinwohl, führte die Berufungsbehörde aus, für die Beurteilung der Frage bezüglich des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes sei nicht relevant, ob es sich "bei dieser Anlage um eine moderne Werbeanlage handle, die für die Wirtschaft immer wichtiger werde."

Es sei auch nicht erkennbar und ableitbar, dass "bisher vorhandene Plakatwände reduziert werden." Vielmehr habe die Beschwerdeführerin nicht die Möglichkeit und das Recht, vorhandene Plakatwände - auch wenn einige von ihr betreut würden - zu reduzieren bzw. abzubauen. Die Berufungsbehörde vertrete die Auffassung, dass mit dem beschriebenen Vorbringen keine rechtserheblichen Argumente dargetan worden seien. Auch könne die Berufungsbehörde nicht erkennen, welche Vorteile "diese innovative Werbung" für das Gemeinwohl bringe (Hervorhebungen jeweils im Original).

In ihrer Vorstellung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die Berufungsbehörde es unterlassen habe, sich mit der Befundaufnahme der beiden Privatsachverständigen im Detail fachlich auseinanderzusetzen und insbesondere auch die im Gutachten dargestellten Grundlagen zu erörtern und darzulegen, warum die Argumente der beiden renommierten Privatgutachter nicht richtig sein sollten. Die Beweiswürdigung der zweiten Instanz sei daher grob mangelhaft. Die Baubehörde zweiter Instanz sei auch ihrer Begründungspflicht grob rechtswidrig nicht entsprechend nachgekommen. Hätte sie dies getan, hätte sie zur Auffassung kommen können und müssen, dass die Werbeanlage so angeordnet und gestaltet sei, dass sie sich in die Umgebung, in der sie optisch naturgemäß in Erscheinung trete, einfüge und auch sonst der sehr heterogenen Umgebung gerecht werde. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin stünden die Interessen des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes dem Bauvorhaben nicht entgegen. Selbst dann, wenn wider Erwarten davon ausgegangen werden sollte, dass Interessen des Ortsbildes entgegenstünden, verlange der Gesetzgeber eine Interessenabwägung, die nach Auffassung der Beschwerdeführerin von der Berufungsbehörde nicht dem Gesetz entsprechend vorgenommen worden sei (wird näher ausgeführt).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge gegeben. Zur Begründung führte sie nach Darstellung der Rechtslage und Wiedergabe der gutachterlichen Stellungnahme des Dipl. Ing. G aus, dass diese Stellungnahme Befund und Gutachten enthalte. Allein das Fehlen einer förmlichen Gliederung in Befund und Gutachten (im engeren Sinn) bedeute noch nicht, dass eine derartige Äußerung eines Sachverständigen schon allein deshalb nicht als taugliches Beweismittel in Betracht komme und daher einer Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden dürfe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nehme weder das Fehlen einer Gliederung in Befund und Gutachten noch das Fehlen von Hinweisen auf die Grundlagen der vertretenen Fachmeinungen oder auf Literaturhinweise einem Gutachten, das inhaltlich den fachlichen Anforderungen in einem Gutachten entspreche, seinen Aussagewert. Dem Befund zugrunde liege offenkundig jedenfalls ein Augenschein. Ohne einen Augenschein wäre der Sachverständige gar nicht in der Lage gewesen, solch eine Befundaufnahme zu erstatten. Die Aussagen von Sachverständigen hätten grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert, und es bestehe demnach zwischen dem Gutachten eines Amtssachverständigen und dem eines Privatsachverständigen kein verfahrensrechtlicher Wertunterschied. Bei einander widersprechenden Gutachten habe die Behörde die Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlasst hätten, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen (Hinweis auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 52 AVG, E 228, sowie auf das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0016).

Nach Wiedergabe der entsprechenden Ausführungen im Berufungsbescheid führte die belangte Behörde aus, dass sich die Berufungsbehörde jedenfalls inhaltlich mit den beiden Gutachten auseinandergesetzt sowie schlüssig dargelegt und argumentiert habe, wieso sie dem Amtssachverständigengutachten folge (wiedergegeben werden entsprechende Passagen im Berufungsbescheid).

Auch auf die von der Beschwerdeführerin behaupteten "Vorteile für das Gemeinwohl" gemäß § 17 Abs. 6 Vorarlberger Baugesetz sei die Berufungsbehörde eingegangen. Für die Berufungsbehörde sei das Argument, durch die Rolling Board Anlage würden bisher vorhandene Plakatwände reduziert werden (eine Rolling Board Anlage ersetze rund sechs bisherige Plakatwände), nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin habe bekanntgegeben, selbst keine Plakatwände in der mitbeteiligten Gemeinde zu betreiben. Die Berufungsbehörde habe ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe nicht die Möglichkeit und das Recht, vorhandene Plakatwände - auch wenn einige von ihr betreut würden - zu reduzieren bzw. abzubauen. Somit laufe diese Argumentation ins Leere. Die Berufungsbehörde habe sich somit auch im Hinblick auf § 17 Abs. 6 Baugesetz jedenfalls eingehend mit den vorgebrachten Vorteilen für das Gemeinwohl auseinandergesetzt und schließlich dargelegt, wieso keine Vorteile für das Gemeinwohl zu erkennen seien. Die Berufungsbehörde habe weiters betont, selbst keine weiteren Vorteile zu erkennen.

Die belangte Behörde sehe keine Gründe, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nötig gemacht hätten (wird näher ausgeführt).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die mitbeteiligte Gemeinde schloss sich in ihrer Äußerung der Gegenschrift der belangten Behörde vollinhaltlich an.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Vbg. Baugesetz (BauG), LGBl. Nr. 52/2001 idF LGBl. Nr. 32/2009 zur Anwendung.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. g BauG ist als "bebauter Bereich" jener Bereich zu verstehen, der entweder in einem Flächenwidmungsplan als Baufläche bezeichnet ist oder durch mindestens fünf Wohngebäude oder nicht land- oder forstwirtschaftliche Betriebsgebäude zusammenhängend bebaut ist; bei einem Abstand von höchstens 50 m zwischen zwei Gebäuden gilt der Zusammenhang noch nicht als unterbrochen.

Gemäß § 18 Abs. 2 BauG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung von Ankündigungen und Werbeanlagen innerhalb bebauter Bereiche einer Bewilligung.

Gemäß § 28 Abs. 2 BauG ist die Baubewilligung zu erteilen, wenn das Bauvorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften entspricht und auch sonst öffentliche Interessen, besonders solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Denkmalschutzes, der Energieeinsparung und des haushälterischen Umganges mit Grund und Boden (§ 2 Abs. 3 lit. a RaumplanungsG), nicht entgegenstehen.

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung ist die Baubewilligung zu versagen, wenn die in Abs. 2 für eine Bewilligung genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind und auch durch Befristungen, Auflagen oder Bedingungen gemäß § 29 nicht erfüllt werden können.

§ 17 Abs. 1 und 2 und Abs. 6 BauG ordnen betreffend den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes Folgendes an:

"(1) Bauwerke und sonstige Anlagen müssen so angeordnet und hinsichtlich Größe, Form, Farbe und Baustoffen so gestaltet sein, dass sie sich in die Umgebung, in der sie optisch in Erscheinung treten, einfügen oder auf andere Art der Umgebung gerecht werden.

(2) Auf eine erhaltenswerte Charakteristik des Orts- oder Landschaftsteiles, dem das Bauwerk oder die sonstige Anlage zuzuordnen ist, sowie auf erhaltenswerte Sichtbeziehungen mit anderen Orts- oder Landschaftsteilen ist besonders Rücksicht zu nehmen. Die Charakteristik eines Ortsteiles ist jedenfalls dann erhaltenswert, wenn der Ortsteil durch kulturhistorisch oder architektonisch wertvolle Bauwerke geprägt ist.

(6) Ein Bauvorhaben, dem Interessen des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nach den Abs. 1 bis 3 entgegenstehen, ist nur zulässig, wenn eine Gegenüberstellung der sich aus der Durchführung des Bauvorhabens ergebenden Vorteile für das Gemeinwohl mit den entstehenden Nachteilen für das Orts- und Landschaftsbild ergibt, dass die Vorteile für das Gemeinwohl offenkundig überwiegen. Die Nachteile für das Orts- und Landschaftsbild sind jedenfalls soweit zu vermeiden, als dadurch die Erreichung der Vorteile für das Gemeinwohl nicht vereitelt wird."

Im vorliegenden Fall stellte sich insbesondere die Frage, ob sich die beantragte Werbeanlage im Sinne des § 17 Abs. 1 BauG in die Umgebung, in der sie optisch in Erscheinung tritt, einfügt oder auf andere Art der Umgebung gerecht wird.

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die von der Baubehörde eingeholte Stellungnahme des Amtssachverständigen Dipl. Ing G stelle kein Sachverständigengutachten dar, weil die Grundlagen sowie die Befundaufnahme fehlten und die Schlussfolgerungen als nicht schlüssig sowie als nicht fall- und ortsbezogen zu qualifizieren seien. Entgegen der Annahme der belangten Behörde seien die "Bemerkungen" des Amtssachverständigen auch ohne konkrete Befundaufnahme an Ort und Stelle möglich gewesen. In Ortsbildfragen sei eine Befundaufnahme an Ort und Stelle zwingend. Die Beschwerdeführerin sei durch Vorlage eines Gutachtens der TU Wien dem Gutachten des Amtssachverständigen Dipl. Ing. G zumindest auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Der Amtssachverständige habe sich mit diesem Gutachten nicht auseinandergesetzt, weil es die Baubehörde verabsäumt habe, diesen aufzufordern, sich in einer Ergänzung zu seinen bisherigen Äußerungen mit den Aussagen zweier renommierter Sachverständigen im Detail auseinanderzusetzen. Die belangte Behörde sowie die Baubehörde wären verpflichtet gewesen, Gutachten und Gegengutachten gegeneinander abzuwägen, eine solche Abwägung sei allerdings unterlassen worden. Die Beschwerdeführerin habe durch das von ihr vorgelegte Gegengutachten fachlich dargelegt, dass Interessen des Orts- und Landschaftsbildes dem Bauvorhaben nicht entgegenstünden. Anders lautenden Ausführungen des Amtssachverständigen seien die beiden Sachverständigen der TU Wien schlüssig und nachvollziehbar entgegengetreten.

Sollte wider Erwarten davon ausgegangen werden, dass Interessen des Ortsbildes der beantragten Werbeanlage entgegenstünden, so fordere der Gesetzgeber nach § 17 Abs. 6 BauG eine Interessenabwägung, die nach Auffassung der Beschwerdeführerin nicht entsprechend vorgenommen worden sei (wird näher ausgeführt).

Die Auffassung der belangten Behörde, die Stellungnahme des Amtssachverständigen Dipl. Ing. G sei - ungeachtet des Fehlens einer Gliederung in Befund und Gutachten (im engeren Sinn) - ein taugliches Beweismittel und dürfe der Entscheidung zugrunde gelegt werden, ist zunächst aus den von ihr angeführten Gründen nicht als unzutreffend zu erkennen. Ob dieser Stellungnahme ein Augenschein vorangegangen ist, was die belangte Behörde als "offenkundig" annimmt, die Beschwerdeführerin hingegen in Frage stellt, kann aus den nachstehenden Erwägungen dahinstehen.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde bei Vorliegen einander widersprechender Gutachten auf Grund eigener Überlegungen mit entsprechender Begründung einem Gutachten wegen dessen größerer Glaubwürdigkeit bzw. Schlüssigkeit den Vorzug geben. Ist sie dazu nicht in der Lage, so kann sie den von ihr bestellten Sachverständigen auffordern, sich mit den Aussagen des (anderen, insbesondere des Privat‑)Sachverständigen - gegebenenfalls unter neuerlicher Gewährung von Parteiengehör - im Detail auseinanderzusetzen. Diesfalls kann die Sache nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (beispielsweise) erst dann im Sinne des § 56 AVG spruchreif sein, wenn die Behörde den beigezogenen Amtssachverständigen dazu veranlasst hat, die gegen sein Gutachten vorgetragene Kritik in jedem einzelnen Punkt in einer auch dem nicht fachkundigen Rechtsanwender einleuchtenden Weise zu widerlegen (oder sein Gutachten dementsprechend zu adaptieren) und den Bescheidverfasser damit in die Lage zu versetzen, die Einsichtigkeit der von der Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen in ebenso einleuchtender Weise detailliert darzustellen (siehe dazu die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 45, Rz 13 wiedergegebene hg. Judikatur).

Nach Ansicht der belangten Behörde hat sich die Berufungsbehörde inhaltlich mit den beiden Gutachten auseinandergesetzt sowie schlüssig dargelegt und argumentiert, wieso sie dem Gutachten des Amtssachverständigen Dipl. Ing. G folge.

Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen, erschöpfen sich doch die Ausführungen der Berufungsbehörde darin, sie folge der Kritik des Amtssachverständigen, die er schon zum weitgehend gleichlautenden Gutachten der TU Wien zum Standort Lustenau geäußert habe. Wenn die Berufungsbehörde weiters argumentiert, im Beschwerdefall liege ein locker bebautes vorstädtisches Gebiet vor, in das die strittige Werbeanlage ein neues Element einbringen würde, das im Widerspruch zum bestehenden Ortsbild stünde und es würde in ein eher ländlich/vorstädtisches Erscheinungsbild eine technische Anlage eingepflanzt, die in dieser Form bisher noch nicht bestehe, kann damit keine größere Glaubwürdigkeit bzw. Schlüssigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen Dipl. Ing. G. nachvollziehbar begründet werden. Dies gilt in gleicher Weise für das Argument, die Rolling Board Anlage stelle eine Sonderform mit Signalcharakter ohne Entsprechung im Ortsbild dar und würde damit das Ortsbild auffällig stören.

Es kommt bei der Frage der Störung des Ortsbildes nicht darauf an, ob die in Rede stehende Werbeanlage ein neues Element darstellt bzw. in dieser Form noch nicht besteht. Zu beurteilen ist ausschließlich die von der konkreten Werbetafel ausgehende Störung im Verhältnis zum Gesamteindruck des Orts- und Landschaftsbildes (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 2012, Zl. 2011/06/0134, ergangen zum Burgenländischen Baugesetz).

Das Gutachten des Amtssachverständigen Dipl. Ing. G erscheint daher aus den oben genannten Gesichtspunkten ergänzungsbedürftig. Im fortgesetzten Verfahren wird sich der Amtssachverständige auch konkret mit den Argumenten des Privatgutachtens auseinander zu setzen haben.

Da die belangte Behörde die Mängel des der Entscheidung der Baubehörde zugrunde gelegten Gutachtens verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mi Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. Dezember 2012

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