VwGH 2010/04/0086

VwGH2010/04/008618.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der Marktgemeinde M, vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Mag. Stefan Geisler und Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in 6280 Zell/Ziller, Talstraße 4a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 16. Juni 2010, Zl. IIa-90003-09/7, betreffend Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes (mitbeteiligte Partei: X GmbH & Co Nfg KG in Y, vertreten durch Dr. Hanspeter Feix, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 17/III), zu Recht erkannt:

Normen

Alpenkonvention Prot1 Tourismus 2002 Art6 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
MinroG 1999 §116;
MinroG 1999 §82 Abs1 Z1;
MinroG 1999 §82 Abs1 Z2;
MinroG 1999 §82 Abs1 Z3;
MinroG 1999 §82 Abs1 Z4;
MinroG 1999 §82;
MinroG 1999 §83 Abs1 Z1;
MinroG 1999 §83 Abs2;
NatSchG Tir 2005;
ROG Tir 2006 §37 Abs1;
ROG Tir 2006 §37 Abs3;
ROG Tir 2006 §42;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 116 Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 115/2009 (MinroG), die Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes für eine Blocksteinentnahme bei der "Schliffsteinaste" inklusive Errichtung einer Aufschließungsstraße in der Gemeinde M, Ortschaft G, auf den Grundstücken 1805, 1806/1 sowie 1838/6, alle KG M, in einer Größe von 3,2 ha und mit einem geplanten Abbau von rund 15.000 m3 Material über 10 Jahre hinweg, befristet bis zum 31. Dezember 2017, erteilt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der raumordnungsfachliche Amtssachverständige habe in seiner Stellungnahme vom 6. Juli 2009 zusammenfassend ausgeführt, dass ein öffentliches Interesse am gegenständlichen Abbau auf Grund der Mineralrohstoffversorgung für die Gewinnung von Wasserbau- und Werksteinen festgestellt werden könne. Die Sicherung des Lebensraumes vor Naturgefahren wie auch die Erhaltung und Weiterentwicklung der Siedlungsgebiete seien Ziele der überörtlichen Raumordnung. Dazu würden die Wildbach- und Lawinenverbauung und der ländliche Güterwegebau einen wesentlichen Beitrag leisten. Hinsichtlich der Bedarfsdeckung mit Wasserbau- und Werksteinen sei anzumerken, dass ein relativ kleines Abbauvolumen gegeben sei, das zur Bedarfsdeckung im Zillertal einige Jahre beitragen könne. Dem stehe gegenüber, dass die diesbezügliche Versorgungssituation des Zillertals als sehr ungünstig einzuschätzen sei. Konkret stünden dem von den Hauptverbrauchern genannten Bedarf, abgesehen von Kleinentnahmen, keine Gewinnungsmöglichkeiten gegenüber. Eine alternative Versorgung mit silikatischem Gesteinsmaterial sei nur mit vergleichsweise größeren Umweltbelastungen möglich.

Unstrittig sei, dass sowohl jene Grundstücke, auf denen der geplante Abbau stattfinden solle, als auch das Grundstück 1796/1 im derzeit gültigen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde M als Freiland gemäß § 41 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, LGBl. Nr. 27 (TROG 2006), gewidmet seien. Bereits aus den eindeutigen gesetzlichen Festlegungen des MinroG und des TROG 2006 sei ersichtlich, dass im Falle einer Widmung als Freiland bzw. Grünland der 300 m-Abstandbereich (gemäß § 82 Abs. 1 MinroG) nicht zum Tragen komme. Das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin (diese hatte im Wesentlichen vorgebracht, auf dem Grundstück Nr. 1796/1 befinde sich ein im Freiland zulässiger Gebäudebestand, nämlich ein Wohngebäude und ein landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude, welcher weniger als 300 m von der Abbaugrenze entfernt sei, sodass von einem erweiterten Wohngebiet im Sinne des MinroG auszugehen sei und der Abbauverbotsbereich nicht eingehalten worden sei) widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes, da § 82 Abs. 1 MinroG auf die Widmung als Bauland abstelle. Als Freiland würden jedoch gemäß § 41 TROG 2006 alle Grundflächen gelten, die nicht als Bauland gewidmet seien. Auch wenn gemäß § 42 TROG 2006 Um- und Zubauten und Wiederaufbauten von Gebäuden im Freiland unter gewissen Voraussetzungen zulässig seien, ändere dies nichts daran, dass grundsätzlich die Errichtung von Wohnbauten im Freiland ausgeschlossen sei. In diesem Zusammenhang erübrige sich auch ein weiteres Eingehen auf den Abstand des Grundstückes Nr. 1803 zum Abbaugebiet. Soweit die beschwerdeführende Marktgemeinde eine erforderliche Zustimmungserklärung ihrerseits fordere, übersehe sie, dass § 82 Abs. 2 MinroG auf Gebiete nach § 82 Abs. 1 Z. 1 bis 3 leg. cit. verweise, bei denen es sich somit um im Flächenwidmungsplan entsprechend gewidmete Grundstücke handeln müsse. Dass dies der Fall sei, habe die beschwerdeführende Marktgemeinde nicht einmal behauptet, sodass eine Zustimmungserklärung nicht erforderlich sei.

Auch das Berufungsvorbringen der beschwerdeführenden Marktgemeinde in Bezug auf das Tourismusprotokoll der Alpenkonvention BGBl. III Nr. 230/2003 vermöge nicht zu überzeugen. So sei einerseits Art. 6 Abs. 3 des Tourismusprotokolls nicht unmittelbar anwendbar (Verweis auf "die Vertragsparteien achten darauf") andererseits beziehe sich dieser Artikel auf das ausgewogene Verhältnis zwischen intensiven und extensiven Tourismusformen. Das vorliegende Projekt diene aber nicht touristischen Zwecken, weshalb eine Abwägung einer Tourismusform schon begrifflich nicht vorgenommen werden könne.

Soweit die beschwerdeführende Marktgemeinde auf den Raumordnungsplan "Zukunftsraum Tirol" nach § 17 TROG 2006 verweise, sei eine unmittelbare Anwendbarkeit dieses Raumordnungsplanes in einem konkreten Anlagengenehmigungsverfahren nicht vorgesehen.

Zum Vorliegen des öffentlichen Interesses sei auf das umfangreiche, schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des raumordnungsfachlichen Amtssachverständigen zu verweisen. Darin werde nach Ansicht der belangten Behörde das Vorliegen des öffentlichen Interesses an der Gewinnung von Wasserbau- und Werksteinen ausreichend dokumentiert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des MinroG lauten wie folgt:

"Parteistellung

§ 81. Parteien im Verfahren zur Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes für die obertägige Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe sind neben den im § 116 Abs. 3 genannten Parteien:

2. die Gemeinde (Standortgemeinde), auf deren Gebiet der Aufschluß und/oder Abbau beabsichtigt ist, und die unmittelbar angrenzenden Gemeinden zum Schutz der in § 116 Abs. 1 Z 4 bis 9 sowie §§ 82 und 83 genannten Interessen. Die Gemeinde ist berechtigt, den Schutz der genannten Interessen als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Davon wird eine allfällige Parteistellung der Gemeinde als Trägerin von Privatrechten nicht beeinträchtigt.

GewinnungsbetriebsplaN - Raumordnung

§ 82. (1) Die Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes für die obertägige Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe ist von der Behörde zu versagen, wenn im Zeitpunkt des Ansuchens nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde (Standortgemeinde), in deren Gebiet die bekanntgegebenen Grundstücke nach § 80 Abs. 2 Z 2 liegen, diese Grundstücke als

  1. 1. Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen,
  2. 2. erweitertes Wohngebiet: das sind Bauhoffnungsgebiete und Flächen, die für die künftige Errichtung von Wohnhäusern, Appartementhäusern, Ferienhäusern, Wochendhäusern und Wochenendsiedlungen, Garten- und Kleingartensiedlungen,

    3. Gebiete, die für Kinderbetreuungseinrichtungen, Kinderspielplätze, Schulen oder ähnliche Einrichtungen, Krankenhäuser, Kuranstalten, Seniorenheime, Friedhöfe, Kirchen und gleichwertige Einrichtungen anerkannter Religionsgemeinschaften, Parkanlagen, Campingplätze und Freibeckenbäder oder

    4. Naturschutz- und Nationalparkgebiete, Naturparks, Ruhegebiete sowie als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel in Wien

    festgelegt oder ausgewiesen sind (Abbauverbotsbereich). Dies gilt auch für Grundstücke in einer Entfernung bis zu 300 m von den in Z 1 bis 3 genannten Gebieten, unabhängig davon, ob diese Grundstücke in der Standortgemeinde oder in einer unmittelbar angrenzenden Gemeinde liegen.

(2) Ein Gewinnungsbetriebsplan, der sich auf Grundstücke bezieht, die in einer Entfernung bis zu 300 m von den in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Gebieten liegen, ist abweichend von Abs. 1 zu genehmigen, wenn

2. diese Grundstücke im Flächenwidmungsplan der Standortgemeinde als Grünland gewidmet sind und die Standortgemeinde dem Abbau zustimmt; das Vorliegen der Zustimmung ist nachzuweisen, oder

Gewinnungsbetriebsplan für grundeigene mineralische Rohstoffe - zusätzliche Genehmigungsvoraussetzungen

§ 83. (1) Neben den in § 116 Abs. 1 und 2 angeführten Genehmigungsvoraussetzungen ist ein Gewinnungsbetriebsplan erforderlichenfalls unter Festsetzung von Bedingungen und Auflagen, wenn nötig auch nur befristet, zu genehmigen, wenn

1. das öffentliche Interesse an der Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes auf den bekanntgegebenen Grundstücken andere öffentliche Interessen im Hinblick auf die Versagung des Gewinnungsbetriebsplanes überwiegt,

(2) Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 1 Z 1 sind in der Mineralrohstoffsicherung und in der Mineralrohstoffversorgung, in der im Zeitpunkt des Ansuchens um Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes gegebenen Raumordnung und örtlichen Raumplanung, in der Wasserwirtschaft, im Schutz der Umwelt, im Schutz der Bevölkerung vor unzumutbaren Belästigungen durch den Abbau, den ihm dienenden Bergbauanlagen und den durch ihn erregten Verkehr sowie in der Landesverteidigung begründet. Bei der Abwägung der öffentlichen Interessen hat die Behörde insbesondere auf die Standortgebundenheit von Vorkommen grundeigener mineralischer Rohstoffe, auf die Verfügbarkeit grundeigener mineralischer Rohstoffe sowie auf die Minimierung der Umweltauswirkungen durch möglichst kurze Transportwege Bedacht zu nehmen.

Genehmigung von Gewinnungsbetriebsplänen

§ 116. (1) Gewinnungsbetriebspläne sind, erforderlichenfalls unter Festsetzung von Bedingungen und Auflagen, wenn nötig auch nur befristet, zu genehmigen, wenn

1. die im Betriebsplan angeführten Arbeiten, sofern sich diese nicht auf grundeigene mineralische Rohstoffe beziehen, durch Gewinnungsberechtigungen gedeckt sind,

2. sofern sich der Gewinnungsbetriebsplan auf das Gewinnen grundeigener mineralischer Rohstoffe bezieht, der (die) Grundeigentümer dem Ansuchenden das Gewinnen auf den nicht dem Ansuchenden gehörenden Grundstücken einschließlich des Rechtes zur Aneignung dieser mineralischen Rohstoffe überlassen hat (haben).

3. gewährleistet ist, daß im Hinblick auf die Ausdehnung der Lagerstätte ein den bergtechnischen, bergwirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Erfordernissen entsprechender Abbau dieser Lagerstätte erfolgt,

4. ein sparsamer und schonender Umgang mit der Oberfläche gegeben ist und die zum Schutz der Oberfläche vorgesehenen Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind,

5. im konkreten Fall nach dem besten Stand der Technik vermeidbare Emissionen unterbleiben,

6. nach dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit und keine unzumutbare Belästigung von Personen zu erwarten ist,

7. keine Gefährdung von dem Genehmigungswerber nicht zur Benützung überlassenen Sachen und keine über das zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Umwelt und von Gewässern (§ 119 Abs. 5) zu erwarten ist,

8. die vorgesehenen Maßnahmen zur Sicherung der Oberflächennutzung nach Beendigung des Abbaus als ausreichend anzusehen sind und

9. beim Aufschluß und/oder Abbau keine Abfälle entstehen werden, die nach dem besten Stand der Technik vermeidbar oder nicht verwertbar sind. Soweit eine Vermeidung oder Verwertung der Abfälle wirtschaftlich nicht zu vertreten ist, muß gewährleistet sein, daß die entstehenden Abfälle ordnungsgemäß entsorgt werden.

(3) Parteien im Genehmigungsverfahren sind:

4. Die Gemeinde (Standortgemeinde), auf deren Gebiet der Aufschluß und/oder Abbau beabsichtigt ist, zum Schutz der in Abs. 1 Z 4 bis 9 genannten Interessen. Die Gemeinde ist berechtigt, die genannten Interessen als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Davon wird eine allfällige Parteistellung der Gemeinde als Trägerin von Privatrechten nicht beeinträchtigt.

(8) Vor Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes darf nicht mit dem Gewinnen der mineralischen Rohstoffe oder dem Speichern begonnen werden.

…"

2. Bewohnte Objekte und Abbauverbotsbereich (§ 82 Abs. 1 Z. 1, 2 und 4 MinroG):

Die Beschwerde bezieht sich zunächst auf den in § 82 Abs. 1 Z. 1 bis 4 MinroG geregelten Abbauverbotsbereich und bringt fallbezogen vor, auf dem Grundstück 1796/1 der Liegenschaft "Talaste" befinde sich seit jeher ein im Freiland zulässiger Gebäudebestand, der sowohl ein Wohngebäude als auch ein landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude umfasse. Der Abstand der Grundgrenze dieses Grundstückes zur Grenze des Abbaugebietes betrage knapp unter 200 m. Weiters bestehe auf dem Grundstück 1803, der "Schliffsteinaste", ein kombiniertes Wohn- und Wirtschaftsgebäude, welches (laut Plan) nur 212 m sowie (in der Natur) wesentlich weniger weit weg von der Abbaugrenze liege. Diese Wohn- und Wirtschaftsgebäude seien gemäß den Bestimmungen des TROG 2006 errichtet worden, selbst wenn sie im Freiland stünden und nicht auf Flächen, welche als Bauland gewidmet worden seien. Wenn gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 MinroG sogar Bauhoffnungsgebiete und Flächen für die künftige Errichtung von bewohnten Objekten schutzwürdig seien, so gelte dies umso mehr für bestehende Wohn- und Wirtschaftsgebäude, in denen nach dem TROG 2006 der Aufenthalt zu Wohnzwecken zulässig sei. Alleine - wie die belangte Behörde - auf die Widmung als "Bauland" abzustellen, sei nicht richtig, zumal der Gesetzgeber nach Ausweis der Regierungsvorlage in erster Linie die sich zu Wohnzwecken zulässig in Gebäuden aufhaltenden Personen schützen wollte.

Zu diesem Vorbringen ist Folgendes festzuhalten:

Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, wollte der Bundesgesetzgeber nach Ausweis der Materialien (vgl. die im hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, Zl. 2004/04/0069, wiedergegebene Regierungsvorlage RV 1428 BlgNR XX. GP, S. 93), dass in Hinkunft die Flächenwidmung einer Gemeinde im Verfahren zur Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes verstärkt Berücksichtigung finden solle. Zum Schutze der in einer örtlichen Gemeinschaft sich aufhaltenden Personen soll nach den Materialien ein Ansuchen um Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes dann bescheidmäßig abzuweisen sein, wenn die begehrten Abbaugrundstücke in einem Abstand von weniger als 300 m zu bewohnten Objekten oder von besonders schützenswerten Einrichtungen (§ 82 Abs. 1 Z. 1 bis 3 MinroG) liegen würden. Die taxative Aufzählung der in § 82 Abs. 1 MinroG angeführten Gebiete und schützenswerten Einrichtungen diene der Rechtssicherheit. Festgehalten wird (in den Materialien), dass es sich jeweils um gewidmete und im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Gebiete handeln müsse.

Ziel dieser Regelung ist daher der Schutz von Personen in bewohnten Objekten oder besonders schützenswerten Einrichtungen. Umgesetzt wurde dieses Ziel legistisch dadurch, dass - wie auch in den Materialien betont - auf jeweils gewidmete und (unabhängig von der möglichen unterschiedlichen Bezeichnung der Gebiete in den einzelnen Raumordnungsgesetzen der Länder) im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Gebiete abgestellt wurde. Auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) führte im Erkenntnis vom 10. März 2001, B 1651/99 = VfSlg. 16.125, aus, dass § 82 MinroG an die raumordnungsrechtlichen Vorschriften der Länder anknüpfe, indem er für Abbaustandorte bestimmte Mindestentfernungen zu solchen Gebieten normiere, die näher genannten raumordnungsrechtlichen Widmungskategorien angehörten. Diese Widmungskategorien sind (wiederum unabhängig von der möglichen unterschiedlichen Bezeichnung in den einzelnen Raumordnungsgesetzen der Länder) in § 82 Abs. 1 Z. 1 bis 4 MinroG - wie sich auch aus den Materialien ergibt - abschließend aufgezählt.

Diese legistische Anknüpfung an im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Widmungskategorien bringt - wie der vorliegende Beschwerdefall zeigt - mit sich, dass einzelne Personen in bestehenden Wohngebäuden außerhalb der aufgezählten Widmungskategorien nicht erfasst werden. Dennoch ist diese Regelung nicht als unsachlich zu erkennen: So hat der VfGH zu den in § 82 MinroG festgelegten Grenzen für die Abbauverbotsbereiche im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 7 B-VG auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen könne. Dass dabei allenfalls Härtefälle entstünden, mache das Gesetz nicht gleichheitswidrig; ebenso wenig könnten daher Einzelfälle einer Begünstigung die am Durchschnitt orientierte Regelung unsachlich machen (vgl. das obzitierte Erkenntnis VfSlg. 16.125 und die dort zitierte Rechtsprechung des VfGH). In jüngerer Zeit hat der VfGH festgehalten, dass ein Gesetz nicht schon dann gleichheitswidrig ist, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede Härte im Einzelfall, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. zu allem das Erkenntnis vom 16. März 2012, G 97/11, mit Verweis auf weitere Rechtsprechung des VfGH). Gerade diese Möglichkeit einer einfachen und leicht handhabbaren Regelung hat der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an landesrechtliche Widmungskategorien im Falle des § 82 MinroG vorgenommen.

Gemäß § 37 Abs. 1 TROG 2006 dürfen als Bauland nur Grundflächen gewidmet werden, die sich im Hinblick auf die Nutzungssicherheit sowie in gesundheitlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht für eine der jeweiligen Widmung (Abs. 3) entsprechende Bebauung eignen.

Gemäß § 37 Abs. 3 TROG 2006 sind die Grundflächen im Bauland als Wohngebiet, Gewerbe- und Industriegebiet oder Mischgebiet zu widmen.

Gemäß § 41 Abs. 1 TROG 2006 gelten als Freiland alle Grundflächen des Gemeindegebietes, die nicht als Bauland, Sonderflächen oder Vorbehaltsflächen gewidmet sind und die nicht Verkehrsflächen (nach § 53 Abs. 3 erster Satz dieses Gesetzes) sind.

Gemäß § 42 Abs. 1 TROG 2006 sind im Freiland Umbauten von Hofstellen und von sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Gebäuden sowie Änderungen von land- und forstwirtschaftlichen Anlagen mit Ausnahme von wesentlichen Erweiterungen zulässig. Zubauten zu Hofstellen und die Verwendung von bisher zu betrieblichen Zwecken genützten Räumen von Hofstellen zu Wohnzwecken sind nur unter den Voraussetzungen nach § 44 Abs. 3 dieses Gesetzes zulässig.

Gemäß § 42 Abs. 3 TROG 2006 sind im Freiland Umbauten anderer als land- und forstwirtschaftlicher Gebäude sowie Zubauten zu solchen Gebäuden zulässig, wenn die Baumasse gegenüber dem ursprünglichen Gebäude um insgesamt nicht mehr als 25 vH vergrößert wird, wobei eine Vergrößerung der Baumasse um höchstens 300 m3 jedenfalls zulässig ist. Die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen ist mit Ausnahme von wesentlichen Erweiterungen zulässig.

Fallbezogen ist unstrittig, dass die von der Beschwerde angeführten Wohngebäude auf Grundstücken liegen, die nach dem TROG 2006 als Freiland gewidmet sind, und weiters, dass sich darauf (nach § 42 TROG 2006 im Freiland zulässige) Wohn- und Wirtschaftsgebäude befinden.

Ausgehend davon ist die belangte Behörde im Recht, wenn sie das Vorliegen der Widmungskategorie nach § 82 Abs. 1 Z. 1 MinroG verneint hat:

Diese Bestimmung stellt nämlich auf "Bauland, in dem Wohnbauten errichtet werden dürfen", ab und versteht darunter - wie der Verwaltungsgerichtshof im obzitierten Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, Zl. 2004/04/0069, ausgeführt hat - jede Baulandkategorie, bei der die Errichtung von Bauten zu Wohnzwecken - ungeachtet der unterschiedlichen Bezeichnungen in den Raumordnungsgesetzen - zulässig ist. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass es sich um eine "Baulandkategorie" handeln muss, also eine Unterart des "Baulandes", wie dies etwa die in § 37 Abs. 3 TROG 2006 genannten Baulandkategorien "Wohngebiet, Gewerbe- und Industriegebiet oder Mischgebiet" sind. Entscheidend ist dabei, dass es sich um Gebiete handelt, die sich - unabhängig von der möglichen unterschiedlichen Bezeichnung der Gebiete in den einzelnen Raumordnungsgesetzen der Länder - zur Bebauung eignen und sohin zu diesem Zweck ausgewiesen werden wie dies auch § 37 Abs. 1 TROG 2006 normiert.

Was § 82 Abs. 1 Z. 2 MinroG anlangt, bringt die beschwerdeführende Standortgemeinde selbst vor, dass die von ihr angeführten Grundstücke im Freiland nicht als "erweitertes Wohngebiet" angesehen werden können, und bestehen dafür auch keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Der von der Beschwerde aus § 82 Abs. 1 Z. 2 MinroG gezogene Größenschluss verbietet sich angesichts des Wortlautes dieser Bestimmung und der darin enthaltenen Anknüpfung an ausgewiesene Widmungskategorien. Diese Anknüpfung kann, wie oben dargelegt, auch nicht als unsachlich erkannt werden (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 2012, G 97/11, mwN, wonach es dem Gesetzgeber gestattet sein muss, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen).

Letztlich bleibt für jene Gebiete, die dem Freiland nach TROG 2006 entsprechen, § 82 Abs. 1 Z. 4 MinroG. In dieser Regelung werden "Naturschutz- und Nationalparkgebiete, Naturparks, Ruhegebiete sowie als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel in Wien" als relevante Gebiete erfasst. Dass die angeführten Grundstücke derartige Gebiete nach § 82 Abs. 1 Z. 4 MinroG wären, behauptet die Beschwerde aber nicht.

Daher ist die Auffassung der belangten Behörde, die angeführten Grundstücke seien keine Grundstücke nach § 82 Abs. 1 MinroG, welche für die Feststellung des Abbauverbotsbereiches in Frage kämen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

3. Klettergebiet als Fläche nach § 82 Abs. 1 Z. 3 MinroG?

Die beschwerdeführende Marktgemeinde bringt zudem vor, in unmittelbarer Nähe zum geplanten Projekt befinde sich ein Klettergebiet, welches großen Zuspruch fände. Dieses sei nach § 82 Abs. 1 Z. 3 MinroG für die Feststellung des Abbauverbotsbereiches zu berücksichtigen.

Zu diesem Vorbringen genügt es festzuhalten, dass das von der beschwerdeführenden Marktgemeinde nunmehr angeführte Klettergebiet nicht unter die in § 82 Abs. 1 Z. 3 MinroG taxativ angeführten Einrichtungen fällt.

4. Widerspruch zu bestimmten Raumplanungen:

Die Beschwerde bringt weiters vor, die mit dem angefochtenen Bescheid erteilte Genehmigung widerspreche Art. 6 Abs. 3 des Tourismusprotokolls der Alpenkonvention, da dem vorliegenden Projekt die intensive touristische Nutzung im Zillertal der Naturparkregion gegenüberstehe und durch die gegenständliche Gewinnung die Substanz für den naturnahen Tourismus im Vorfeld des Hochgebirgsnaturparks entwertet würde.

Zu diesem Vorbringen kann dahingestellt bleiben, ob Art. 6 Abs. 3 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Tourismus (Protokoll "Tourismus"), BGBl. III Nr. 230/2002, überhaupt unmittelbar anwendbar und im Genehmigungsverfahren nach dem MinroG zu berücksichtigen ist (vgl. zu dieser Frage im Hinblick auf die Protokolle "Bodenschutz" und "Tourismus" der Alpenkonvention das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2005, Zl. 2004/03/0116, mwN). Denn die belangte Behörde hat zu Recht auch darauf hingewiesen, dass die in Art. 6 Abs. 3 des Protokolls "Tourismus" angeführte Abwägung zwischen intensiven und extensiven Tourismusformen im vorliegenden Genehmigungsverfahren überhaupt nicht zur Anwendung kommen kann. Gemäß Art. 6 Abs. 3 des Protokolls "Tourismus" achten die Vertragsparteien darauf, dass in den Gebieten mit starker touristischer Nutzung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen intensiven und extensiven Tourismusformen angestrebt wird. Die vorliegende Genehmigung betrifft aber keine derartige Tourismusform, sodass auch das angesprochene Verhältnis zwischen intensiven und extensiven Tourismusformen nicht zu prüfen ist.

Weiters bringt die Beschwerde vor, die vorliegende Genehmigung widerspreche dem von der Tiroler Landesregierung beschlossenen Raumordnungsplan "Zukunftstraum Tirol - Strategien zur Landesentwicklung", da in diesem Raumordnungsplan eine Vorrangzone Alpintourismus forciert werden solle, vorliegend aber ein Gesteinsabbau in der Form des gegenständlichen raumgreifenden Projektes bewilligt werde.

Zu diesem Widerspruch zu raumordnungsrechtlichen Regelungen des Landes Tirol ist im Hinblick auf das vorliegende Verfahren nach MinroG darauf hinzuweisen, dass seitens des Gesetzgebers des MinroG eine Berücksichtigung der raumordnungsrechtlichen Vorschriften der Länder durch § 82 MinroG erfolgte (vgl. auch hiezu das zitierte Erkenntnis des VfGH VfSlg. 16.125). Weiters ist auf die in § 83 Abs. 1 Z. 1 MinroG vorgeschriebene Interessenabwägung bei der Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes hinzuweisen (vgl. zu dieser das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 2012, Zlen. 2009/04/0235 und 0236). Eine solche Interessenabwägung hat die belangte Behörde im Hinblick auf die in § 83 Abs. 2 MinroG genannte Raumordnung und örtliche Raumplanung fallbezogen auf Grundlage eines raumordnungsfachlichen Gutachtens nachvollziehbar vorgenommen.

An der Nachvollziehbarkeit dieser Interessenabwägung nach MinroG ändert auch nichts, dass die Tiroler Landesregierung als Naturschutzbehörde nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (TNSchG) zu einer gegenteiligen Abwägung der Naturschutzinteressen mit gegenläufigen öffentlichen Interessen gelangt ist und den Antrag der Mitbeteiligten auf naturschutzrechtliche Bewilligung abgewiesen hat, weil - wie der Verwaltungsgerichtshof in dem dieses Verfahren betreffenden hg. Erkenntnis vom 14. Juli 2011, Zl. 2010/10/0183, ausgeführt hat - auf die im naturschutzrechtlichen Verfahren relevanten Schutzgüter Landschaftsbild und Erholungswert bei der Genehmigung nach § 116 MinroG nicht Bedacht zu nehmen ist.

Auch mit diesem Vorbringen kann daher eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt werden.

5. Im Hinblick auf den von der Beschwerde behaupteten Verfahrensfehler, im angefochtenen Bescheid seien die Sachverständigengutachten lediglich auszugsweise wörtlich wiedergegeben, wird eine ausreichende Relevanz nicht aufgezeigt.

6. Soweit die Beschwerde zuletzt vorbringt, die im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Auflagen und Nebenbestimmungen seien zu unkonkret, lässt sie selbst ausreichend konkretes Vorbringen vermissen.

Zu Auflage Nr. 8 des angefochtenen Bescheides behauptet die Beschwerde lediglich, dass diese "jedenfalls nicht den Kriterien der Bestimmtheit" entspreche, weil in dieser Auflage lediglich vorgeschrieben wurde, es sei durch die geologische Aufsicht "in ausreichender Weise" zu kontrollieren, dass der Abbau projekts- und bescheidmäßig umgesetzt werde.

Die in dieser Auflage vorgeschriebene Kontrolle durch die geologische Bauaufsicht ist in Zusammenschau mit den übrigen Auflagen des angefochtenen Bescheides über die Vorschreibung einer derartigen geologischen Bauaufsicht zu sehen (vgl. zur Namhaftmachung der geologischen Bauaufsicht Auflage 1, zur Aufgabenerfüllung durch die geologische Bauaufsicht Auflage 2, zur Folgeleistung der geologischen Bauaufsicht Auflage 6 sowie zu den vorzunehmenden Dokumentationen durch die geologische Bauaufsicht Auflage 7). Diese weiteren Auflagen lassen auch erkennen, dass es der geologischen Bauaufsicht obliegt, das erforderliche Maß der Kontrolle zu bestimmen. Inwieweit daher die von der Beschwerde angeführte Auflage 8 in Zusammenhalt mit diesen weiteren Auflagen zu unbestimmt sein sollte, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

7. Da sich die Beschwerde aus diesen Erwägungen insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. Oktober 2012

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