VwGH 2009/04/0187

VwGH2009/04/018722.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Am Eisernen Tor 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 13. März 2009, Zl. KUVS-K2- 169/14/2009, betreffend Vergabenachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Landeskrankenhaus Z in Z, vertreten durch G & O Gößeringer Oman, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 12/II; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

62006CJ0450 Varec VORAB;
AVG §17 Abs3;
BVergG 2006 §125 Abs2;
BVergG 2006 §125 Abs3 Z1;
BVergG 2006 §13 Abs3;
BVergG 2006 §23;
BVergG 2006 §68 Abs1 Z2;
BVergG 2006 §70;
BVergG 2006 §74;
LVergRG Krnt 2003 §6 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2009040187.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten II. und III. (Abweisung der Anträge auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 20. Jänner 2009 und auf Ersatz der Pauschalgebühren) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen (hinsichtlich des ebenfalls angefochtenen Spruchpunktes I.) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte (im Folgenden: Auftraggeberin) schrieb im Jahr 2008 einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich ("Neubau Lymphklinik LKH Z, Gewerk: Fenster und Fenstertüren aus Holz") im offenen Verfahren nach dem Billigstbieterprinzip aus, um den sich unter anderem auch die Beschwerdeführerin bewarb.

Mit Schreiben vom 20. Jänner 2009 teilte die Auftraggeberin der Beschwerdeführerin die Zuschlagsentscheidung zugunsten einer Mitbieterin (Fa. K. H. GesmbH) mit.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung bei der belangten Behörde ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass das Angebot der Fa. K. H. GesmbH auszuscheiden gewesen wäre. Auch andere preislich vor dem Angebot der Beschwerdeführerin liegende Bieter kämen - aus näher dargestellten Gründen - für eine Zuschlagsentscheidung zu ihren Gunsten nicht in Betracht.

Bei der Fa. K. H. GesmbH sei die allgemeine berufliche Zuverlässigkeit nicht gegeben. Über das Vermögen dieses Unternehmens sei mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 9. Februar 2005 ein Ausgleichsverfahren eröffnet worden, welches mit Beschluss vom 21. Juni 2005 gemäß § 57 Abs. 1 Ausgleichsordnung (AO) aufgehoben worden sei. Die im Firmenbuch veröffentlichte Bilanz des Unternehmens weise widersprüchliches Ziffernmaterial auf und lasse die Vermutung zu, dass die Angaben zumindest fragwürdig seien. Nachdem über das Vermögen der vorgesehenen Zuschlagsempfängerin erst vor drei Jahren ein Ausgleichsverfahren abgewickelt worden sei, sei diese aus dem Verfahren auszuschließen. Außerdem liege das Angebot der Fa. K. H. GesmbH preislich "weit außer dem Rahmen". Ermittle man aus den Angebotspreisen der vier nächstgereihten Bieter einen Durchschnittspreis (von EUR 1,789.657,--) und stelle diesen dem Angebot der Fa. K. H. GesmbH von EUR 1,032.994,-- gegenüber, so zeige sich, dass der Durchschnitt der übrigen Angebote um 73,25 % über dem Angebotspreis der Billigstbieterin liege. Dass bei dieser exorbitanten Abweichung die Angemessenheit der Preise der Billigstbieterin nicht mehr plausibel sei, liege auf der Hand. Es wäre daher im Zuge einer vertieften Angebotsprüfung abzuklären gewesen, wie die Billigstbieterin zu einem derart niedrigen Preis kommen habe können.

Überdies beantragte die Beschwerdeführerin, das Angebotseröffnungsprotokoll vom 13. November 2008 dahingehend zu ergänzen, dass bei einer namentlich genannten Bieterin vermerkt werde, dass das Angebot bereits zum Zeitpunkt des Beginnes der öffentlichen Angebotseröffnung geöffnet auf dem Schreibtisch des Vorsitzenden gelegen sei, und sie erstattete dazu entsprechendes Vorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den zuletzt angeführten Antrag auf Berichtigung des Angebotseröffnungsprotokolls als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.). Die Anträge der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 20. Jänner 2009 und auf Ersatz der Pauschalgebühren wies sie jeweils ab (Spruchpunkte II. und III.). Mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde überdies den Antrag der K. H. GesmbH auf Ersatz näher bezeichneter Kosten als unzulässig zurück.

Begründend gab die belangte Behörde das Vorbringen der Parteien im Verfahren wieder, traf (kurz gehaltene) Feststellungen über den Gegenstand des vorliegenden Vergabeverfahrens, die Angebotsöffnung und die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung an die Beschwerdeführerin und setzte sich anschließend mit dem Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin wie folgt auseinander:

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, das Angebot der Fa. K. H. GesmbH habe keinen plausiblen Preis aufgewiesen, sei zu sagen, dass der Zeuge DI B. ausgesagt habe, es sei seine Aufgabe gewesen, die Angebote rechnerisch zu überprüfen, und er habe auch die Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bieter zu überprüfen gehabt. Die Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Fa. K. H. GesmbH sei jedenfalls zu bejahen gewesen. Hinsichtlich der Angemessenheit des Preises habe der Zeuge ausgeführt, dass er vor zwei Jahren ein ähnliches Projekt abgewickelt habe und es sei auch diesem Projekt bereits eine Kostenschätzung seinerseits zu Grunde gelegen. Auch dieses Projekt sei vom Landesrechnungshof überprüft worden und es sei daher im Ergebnis der nunmehrige Preis der Fa. K. H. GesmbH als angemessen erachtet worden.

Nach Auffassung der belangten Behörde habe die Auftraggeberin schlüssig und nachvollziehbar dartun können, dass die Angebotsbewertung in gesetzeskonformer Weise durchgeführt worden sei und dass auch die Angemessenheit der Preise geprüft worden sei, dies anhand von Erfahrungswerten, wie dies aus den Angaben des Zeugen DI B. hervorgehe, welcher auch festgehalten habe, langjährige Erfahrungen mit derartigen Aufträgen zu haben. Darüber hinaus sei auch die Kostenschätzung, auf Grund derer die Angemessenheit der Preise geprüft worden sei, vom Landesrechnungshof genehmigt worden, sodass der Behauptung der Beschwerdeführerin, das Angebot der Fa. K. H. GesmbH habe einen unplausiblen Preis aufgewiesen, nicht zu folgen gewesen sei.

Dem Vorbringen, die Fa. K. H. GesmbH verfüge nicht über die erforderliche berufliche Zuverlässigkeit, sei entgegen zu halten, dass das Ausgleichsverfahren über das Vermögen dieses Unternehmens bereits im Juni 2005 gemäß § 57 Abs. 1 AO aufgehoben worden sei und das Unternehmen sämtliche geforderten Nachweise ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit betreffend vorlegen habe können. Es habe insgesamt plausibel darzulegen vermocht, dass keinerlei Zweifel an ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestünden. Dem nicht näher konkretisierten Vorbringen der Beschwerdeführerin sei deshalb nicht zu folgen.

Zum Antrag auf Berichtigung des Angebotseröffnungsprotokolls führte die belangte Behörde - mit näherer Begründung ihrer Beweiswürdigung - aus, das Beweisverfahren habe ergeben, dass sämtliche Angebote jedenfalls erst zum Zeitpunkt der vorgesehenen Angebotseröffnung in Anwesenheit der Kommissionsmitglieder sowie der Vertreter der einzelnen Bieter geöffnet worden seien. Ungeachtet dessen komme der belangten Behörde keine Kompetenz zu, eine Berichtigung des Angebotseröffnungsprotokolls vorzunehmen. Sollten Unzulänglichkeiten im Rahmen der Angebotseröffnung festgestellt werden, so könne dieser Umstand nur auf den Hauptantrag - gegenständlich auf den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung - Einfluss haben, sofern ein Fehler bei der Angebotseröffnung für den Ausgang des Vergabeverfahrens von Relevanz sei (was vorliegend nicht der Fall gewesen sei).

Erkennbar nur gegen die - die Beschwerdeführerin betreffenden - Spruchpunkte (I. bis III.) des angefochtenen Bescheides wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den Bescheid insofern "wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes" aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Auch die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der sie auch unbestritten vorbrachte, der Zuschlag sei der Fa. K. H. GesmbH (im Folgenden daher: Zuschlagsempfängerin) mittlerweile erteilt worden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Beschwerdelegitimation:

Die Mitbeteiligte (Auftraggeberin) bestreitet in ihrer Gegenschrift die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin und bringt vor, sie hätte unabhängig davon, ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beschwerdegründe vorliegen, der Beschwerdeführerin den Zuschlag nicht erteilen dürfen. Das Angebot der Beschwerdeführerin sei bei weitem überhöht gewesen, es hätte das Budget der Auftraggeberin gesprengt und die Auftraggeberin hätte in diesem Fall das Vergabeverfahren widerrufen müssen.

Dem ist entgegen zu halten, dass aufgrund des bloß hypothetischen Vorbringens der Mitbeteiligten nicht angenommen werden kann, dass eine Verletzung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht möglich ist. Nur in diesem Fall ließe sich aber die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin verneinen. Dem diesbezüglichen Einwand der Mitbeteiligten kommt schon deshalb keine Berechtigung zu.

2. Zur Zurückweisung des Antrags auf Berichtigung der Niederschrift über die Öffnung der Angebote:

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Berichtigung des Angebotseröffnungsprotokolls und argumentiert, die belangte Behörde sei gemäß § 6 Kärntner Vergaberechtsschutzgesetz (K-VergRG) bis zur Zuschlagserteilung für die Beseitigung von Verstößen gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig. Unter diesem Gesichtspunkt sei sie sehr wohl berechtigt und verpflichtet gewesen, das Angebotseröffnungsprotokoll zu kontrollieren und zu berichtigen.

Dem ist zu erwidern, dass § 6 Abs. 2 K-VergRG, LGBl. 17/2003 idF LGBl. 74/2006, die belangte Behörde bis zur Zuschlagserteilung (bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens) zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht nur dafür zuständig macht, einstweilige Verfügungen zu erlassen (lit. a) und gesondert anfechtbare Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte für nichtig zu erklären (lit. b). Eine Kompetenz zur Berichtigung des Angebotseröffnungsprotokolls lässt sich daraus nicht ableiten. Zutreffend hat die belangte Behörde daher ihre Zuständigkeit in diesem Zusammenhang verneint und den Bezug habenden Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Ungeachtet dessen ist anzumerken, dass die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin, eines der Angebote sei schon vorzeitig geöffnet worden, für unzutreffend erachtete. Die Beschwerde wendet sich nicht substantiiert gegen diese behördlichen Feststellungen, weshalb sich eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex (auch im Rahmen der folgenden Erörterungen zum Nachprüfungsantrag) erübrigt.

3. Zur behaupteten mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Zuschlagsempfängerin bzw. dem Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 68 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006:

Wie schon im Verfahren vor der belangten Behörde macht die Beschwerdeführerin geltend, das Angebot der Zuschlagsempfängerin wäre auszuscheiden gewesen, "weil die allgemeine berufliche Zuverlässigkeit wegen eines im Jahre 2005 - und somit knapp drei Jahre vor dem gegenständlichen Vergabeverfahren - abgewickelten Ausgleichsverfahrens nicht gegeben" sei. Darüber hinaus bestünden "erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der im Firmenbuch veröffentlichten Bilanz und somit an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" dieses Unternehmens.

Die Beschwerde legt mit diesem Vorbringen nicht dar, welche "Zweifel an der Richtigkeit der im Firmenbuch veröffentlichten Bilanz und somit an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" der Zuschlagsempfängerin gegeben sein hätten müssen, und ist daher insoweit nicht konkret genug, um die gegenteilige Einschätzung der belangten Behörde, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zuschlagsempfängerin sei nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens (insbesondere unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen DI B.) gegeben gewesen, nachvollziehbar zu entkräften.

Soweit sich die Beschwerde auf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Zuschlagsempfängerin im Jahr 2005 bezieht, ist unstrittig, dass dieses Ausgleichsverfahren schon im Juni 2005 gemäß § 57 Abs. 1 AO aufgehoben und damit beendet worden ist.

Gemäß § 68 Abs. 1 Z. 2 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) hat der Auftraggeber (unbeschadet der hier nicht in Betracht kommenden Abs. 2 und 3 dieser Bestimmung) Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn gegen sie ein Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren, ein gerichtliches Ausgleichsverfahren, ein Vergleichsverfahren oder ein Zwangsausgleich eingeleitet oder die Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde.

Schon der Wortlaut dieser Bestimmung (arg. "eingeleitet") legt nahe, den oben angeführten Ausschlussgrund dahingehend auszulegen, dass ein Ausgleichsverfahren nicht bereits abgeschlossen, sondern noch anhängig sein muss, um den davon betroffenen Bieter unter Bezugnahme auf diesen Tatbestand vom Verfahren auszuschließen (vgl. in diesem Sinn auch C. Mayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2006-Kommentar (2009), Rz 61 zu § 68, insbesondere Fn 102, mwN). Auch die Gesetzesmaterialien (vgl. zu BVergG 2006: RV 1171 BlgNR 22. GP , S. 59f; zur Vorgängerbestimmung des § 51 Z. 1 BVergG 2002: RV 1087 BlgNR 21. GP , S. 32 und AB 1118 BlgNR 21. GP , S. 40f) stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Für eine solche (einschränkende) Interpretation spricht aber auch der Umstand, dass an den Ausschlussgrund die unwiderlegbare Vermutung der mangelnden Eignung des Bieters geknüpft ist. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Aufhebung des Ausgleiches wäre diese strenge Rechtsfolge nicht mehr als verhältnismäßig zu rechtfertigen, weil allfälligen Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ohnedies durch die in den §§ 70, 74 BVergG 2006 vorgesehene Prüfung ausreichend Rechnung getragen werden kann.

Ausgehend davon kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie in Bezug auf die Zuschlagsempfängerin weder den Ausschlussgrund des § 68 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006 als gegeben ansah, noch ein Ausscheiden dieses Angebots wegen mangelnder finanzieller bzw. wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (gemäß § 129 Abs. 1 Z. 2 BVergG 2006) in Erwägung zog.

4. Zum behaupteten unplausiblen Gesamtpreis der Zuschlagsempfängerin:

4.1. Berechtigung kommt jedoch - im Ergebnis - der Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Preisangemessenheit des Angebots der Zuschlagsempfängerin zu:

4.2. Gemäß § 129 Abs. 1 Z. 3 BVergG 2006 hat der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung aufgrund der Ergebnisse seiner Prüfung Angebote auszuscheiden, die eine - durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (z.B. spekulative Preisgestaltung) aufweisen. Nach § 125 BVergG 2006 ist es Aufgabe des Auftraggebers, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen. Diese Prüfung ist gemäß § 125 Abs. 1 BVergG 2006 - in einem Fall wie dem vorliegenden - in Bezug auf die ausgeschriebene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, durchzuführen. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise ist gemäß § 125 Abs. 2 BVergG 2006 von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen. Gemäß § 125 Abs. 3 BVergG 2006 muss der Auftraggeber Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 4 und 5 vertieft prüfen, wenn Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen (Z. 1), Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 80 Abs. 4 aufweisen (Z. 2), oder nach Prüfung gemäß Abs. 2 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen (Z. 3). § 125 Abs. 4 und 5 BVergG 2006 enthält nähere Vorschriften darüber, wie die vertiefte Angebotsprüfung im Einzelnen zu erfolgen hat.

4.3. Im Beschwerdefall brachte die Beschwerdeführerin schon im Verfahren vor der belangten Behörde vor, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin einen ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweise und aus diesem Grund eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen gewesen wäre.

4.4. Die belangte Behörde verneinte eine Verpflichtung der Auftraggeberin zur vertieften Angebotsprüfung und führte aus, die Auftraggeberin habe schlüssig und nachvollziehbar dargetan, dass die Angebotsbewertung in gesetzeskonformer Weise durchgeführt und die Angemessenheit der Preise (anhand von Erfahrungswerten) geprüft worden seien. Die Kostenschätzung, auf Grund derer die Angemessenheit der Preise geprüft worden sei, sei auch vom Landesrechnungshof genehmigt worden.

4.5. Nach § 125 Abs. 3 Z. 1 BVergG 2006 hat eine vertiefte Angebotsprüfung stattzufinden, wenn Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen. Ob ein derartig ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vorliegen kann, ergibt sich aus dem Vergleich mit der Kostenermittlung der Auftraggeberin sowie aus dem Vergleich der Gesamtpreise aller Angebote (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zl. 2011/04/0011).

Ausgehend davon kommt es - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin - nicht allein darauf an, ob der Angebotspreis der Zuschlagsempfängerin weit unter dem aus den Angeboten anderer Bieter errechneten Durchschnittspreis gelegen ist. Es ist der Beschwerdeführerin aber zuzugestehen, dass der Vergleich der Gesamtpreise der einzelnen Angebote Rückschlüsse auf die Wettbewerbssituation und damit auf die jeweils relevanten Marktverhältnisse geben kann (vgl. § 125 Abs. 2 BVergG 2006; in diesem Sinn auch A. Kropik in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, a.a.O., Rz. 13 zu § 125).

Daneben ist bei der gebotenen Überprüfung des Gesamtpreises auch die Kostenermittlung durch die Auftraggeberin (vgl. § 13 Abs. 3 BVergG 2006) in Betracht zu ziehen. Insofern kommt den Erwägungen der belangten Behörde, die Kostenermittlung sei anhand von Erfahrungswerten vorgenommen und vom Landesrechnungshof überprüft und genehmigt worden, wesentliche Bedeutung zu.

4.6. Allerdings entzieht sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Frage, ob die genannten Voraussetzungen für eine vertiefte Angebotsprüfung vorlagen, einer nachprüfenden Kontrolle. Trotz des substantiiert bestreitenden Vorbringens der Beschwerdeführerin (unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass die Gesamtpreise der meisten übrigen Angebote deutlich über jenem der Zuschlagsempfängerin gelegen seien sowie, dass die Erfahrungswerte der Auftraggeberin von einem mehrere Jahre zurückliegenden Projekt resultierten und zwischenzeitliche Preissteigerungen nicht berücksichtigten) enthält der angefochtene Bescheid weder Feststellungen zu den Angebotspreisen der Mitbewerber noch zu den (der Ausschreibung zugrunde liegenden) Kostenermittlungen der Auftraggeberin und zu den darauf Bezug nehmenden Prüfergebnissen des Landesrechnungshofes. Er enthält - aufbauend auf derartigen Feststellungen - auch keine überprüfbare Auseinandersetzung mit den in Punkt 4.5. dargestellten entscheidungsrelevanten Fragen zur Beurteilung, ob der Angebotspreis der Zuschlagsemfängerin ungewöhnlich niedrig war. Die Preisangemessenheit des Angebots der Zuschlagsempfängerin wurde von der belangten Behörde lediglich unter Verweis auf die diesbezügliche Aussage des Zeugen DI B. angenommen, ohne dass die belangte Behörde näher begründet hätte, welche Erwägungen im Einzelnen dessen Darlegungen für sie "schlüssig und nachvollziehbar" gemacht haben. Demnach lässt sich anhand der Begründung des angefochtenen Bescheides auch nicht abschließend beurteilen, ob das Angebot der Zuschlagsempfängerin einen ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufwies und daher einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen werden hätte müssen.

5. Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf Akteneinsicht:

5.1. Wesentliche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang auch das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe ihr Verfahren auch deshalb mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet, weil sie der Beschwerdeführerin die Akteneinsicht insbesondere in die von der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren vorgelegte eigene Kostenermittlung und den Prüfbericht des Kärntner Landesrechnungshofes verweigert habe.

5.2. Die Auftraggeberin hatte diese Unterlagen mit dem bloßen Hinweis, es handle sich um nicht öffentliche Urkunden, in das Nachprüfungsverfahren eingebracht. Unstrittig ist, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Einsicht in diese Aktenbestandteile (Beilagen ./A und ./B) im Folgenden verwehrte, wobei sie sich (erst in der Gegenschrift) dazu begründend auf § 23 BVergG 2006 stützte.

5.3. § 23 BVergG 2006 legt (u.a.) die Vertraulichkeit von Unterlagen betreffend ein Vergabeverfahren fest und sieht in Abs. 1 vor, dass Auftraggeber, Bewerber und Bieter den vertraulichen Charakter aller den Auftraggeber als auch die Bewerber und Bieter und deren Unterlagen betreffenden Angaben zu wahren haben (die weiteren Absätze dieser Bestimmung sind fallbezogen nicht relevant). Nach den Gesetzesmaterialien statuiert diese Norm eine gegenseitige Schutzpflicht betreffend vertrauliche Unterlagen hinsichtlich aller am Vergabeverfahren beteiligten Personen. Auch die Bewerber und Bieter haben daher schutzwürdige Angaben des Auftraggebers zu wahren, und zwar zeitlich über den Abschluss des Vergabeverfahrens hinaus (RV 1171 BlgNR 22. GP , S. 43).

Diese Vorschrift verpflichtet somit sämtliche Verfahrensbeteiligte (somit auch die Beschwerdeführerin) zur Geheimhaltung schutzwürdiger Angaben. Sie kann aber keine Grundlage dafür bieten, der Beschwerdeführerin die Einsicht in verfahrensgegenständliche Urkunden, auf die sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung tragend stützen möchte, generell zu verweigern.

Maßstab für die Ausnahme von der Akteneinsicht ist vielmehr § 17 Abs. 3 AVG, wonach Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen sind, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde (vgl. dazu die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 14. Februar 2008, Rs C-450/06 , Varec SA, aufgestellten Grundsätze, nach denen diese Frage im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zu beurteilen ist). Im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 3 AVG ist somit im Einzelfall zu beurteilen, inwieweit ein überwiegendes Interesse besteht, einem Bieter bestimmte Informationen vorzuenthalten, wobei gleichzeitig die effektive Rechtsverfolgung sichergestellt werden muss.

Dass diese Abwägung fallbezogen zu Lasten der Beschwerdeführerin ausfallen hätte müssen, wurde im Verwaltungsverfahren nicht dargetan. Insoweit geht auch der Hinweis der Auftraggeberin in ihrer Gegenschrift im hg. Beschwerdeverfahren auf eine auch von G. Zellhofer/G. Stickler in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, a.a.O., Rz. 7 zu § 23, zitierte Entscheidung des Bundesvergabeamtes (die unter bestimmten Konstellationen die Nicht-Vorlage einer detaillierten Kostenschätzung als berechtigt ansah) ins Leere.

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin bei Kenntnis der genauen Kostenermittlung durch die Auftraggeberin und des Bezug habenden Prüfergebnisses des Landesrechnungshofes ihre nur grundsätzlich erhobenen Einwände näher konkretisieren hätte können und dadurch ein anderes Verfahrensergebnis zu erzielen gewesen wäre.

6. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, hinsichtlich des Spruchpunktes I. war die Beschwerde aber gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer findet in diesen Bestimmungen keine Deckung, weshalb das diesbezügliche Mehrbegehren der Beschwerdeführerin abzuweisen war.

Wien, am 22. Mai 2012

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