VwGH 2009/03/0040

VwGH2009/03/004019.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Beschwerdesache der S GmbH in S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen den Bescheid des Umweltsenats vom 26. Februar 2009, Zl US 6B/2006/21-150, betreffend Feststellung der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (mitbeteiligte Partei:

Landesumweltanwalt von Salzburg; weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:

Normen

12010E267 AEUV Art267;
31985L0337 UVP-RL Anh1;
31985L0337 UVP-RL Anh3;
31985L0337 UVP-RL Art1;
31985L0337 UVP-RL Art2;
31985L0337 UVP-RL Art3;
31985L0337 UVP-RL Art4;
61995CJ0072 Aannemersbedrijf Kraaijeveld / Gedeputeerde VORAB;
61997CJ0435 World Wildlife Fund VORAB;
62002CJ0201 Delena Wells VORAB;
62007CJ0002 Paul Abraham VORAB;
62007CJ0138 Cobelfret VORAB;
62009CJ0275 Brussels Hoofdstedelijk Gewest VORAB;
LuftfahrtG 1958 §68;
LuftfahrtG 1958 §73;
LuftfahrtG 1958 §78;
UVPG 2000 §1;
UVPG 2000 §3 Abs1;
UVPG 2000 §3 Abs6;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3a Abs1;
UVPG 2000 Anh1 Spalte1 Z14;
UVPG 2000 Anh2;
12010E267 AEUV Art267;
31985L0337 UVP-RL Anh1;
31985L0337 UVP-RL Anh3;
31985L0337 UVP-RL Art1;
31985L0337 UVP-RL Art2;
31985L0337 UVP-RL Art3;
31985L0337 UVP-RL Art4;
61995CJ0072 Aannemersbedrijf Kraaijeveld / Gedeputeerde VORAB;
61997CJ0435 World Wildlife Fund VORAB;
62002CJ0201 Delena Wells VORAB;
62007CJ0002 Paul Abraham VORAB;
62007CJ0138 Cobelfret VORAB;
62009CJ0275 Brussels Hoofdstedelijk Gewest VORAB;
LuftfahrtG 1958 §68;
LuftfahrtG 1958 §73;
LuftfahrtG 1958 §78;
UVPG 2000 §1;
UVPG 2000 §3 Abs1;
UVPG 2000 §3 Abs6;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3a Abs1;
UVPG 2000 Anh1 Spalte1 Z14;
UVPG 2000 Anh2;

 

Spruch:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl L 175, 40, in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997, ABl L 73, 5, geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337 ) einer nationalen Regelung entgegen, welche die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für (nicht die Piste betreffende) Infrastrukturarbeiten an einem Flughafen, nämlich die Errichtung eines Terminals und die Erweiterung des Flughafenareals zur Errichtung weiterer Anlagen (insbesondere von Hangars, Gerätehallen und Parkflächen) ausschließlich davon abhängig macht, dass dadurch eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20.000 pro Jahr zu erwarten ist?

Bei Bejahung der Frage 1:

2. Verlangt und ermöglicht es die Richtlinie 85/337 - in Ermangelung nationaler Vorschriften - im Wege ihrer unmittelbaren Anwendung (unter Berücksichtigung der damit verfolgten Ziele und der Kriterien ihres Anhangs III) die Umweltverträglichkeit eines unter Frage 1 näher ausgeführten, unter Anhang II fallenden Vorhabens zu prüfen?

Begründung

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführende Partei (im Folgenden: Beschwerdeführerin) ist die Betreiberin des Flughafens S (der über eine Start-/Landebahn mit einer Grundlänge von mehr als 2.100 m verfügt). Sie hatte am 30. Juli 2002 den Antrag auf Bewilligung der Errichtung eines weiteren Terminals ("Terminal 2/Mehrzweckhalle") gestellt, im Wesentlichen mit der Begründung, auf Grund der Notwendigkeit einer 100 %-igen Umsetzung der Großgepäckskontrolle könne das bestehende Abfertigungsgebäude die Spitzen im Passagieraufkommen nicht mehr bewältigen.

Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 2. April 2003 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 78 des Österreichischen Luftfahrtgesetzes (LFG) die Errichtungsbewilligung für den Terminal 2 erteilt. Dieser Terminal 2 wurde im Jahr 2003/2004 mit zwölf zusätzlichen Check-in-Schaltern errichtet und ist seither in Betrieb.

2. In der Folge stellte die Beschwerdeführerin im Jahr 2004 weitere (später modifizierte) Anträge betreffend die Erweiterung des Flughafens:

Diese Anträge betrafen zum einen Flächen im südwestlichen Bereich des bestehenden Flughafens im Ausmaß von ca 90 000 m2 für die Errichtung von Neben- (insbesondere Geräte)räumen, die Erweiterung von Parkflächen und Flugzeugabstellflächen. Zum anderen wurde die Einbeziehung von weiteren Flächen im nordwestlichen Bereich des Flughafens im Ausmaß von knapp 120 000 m2 im Wesentlichen zwecks Bereitstellung von Flächen für General Aviation, Errichtung von Hangars, Park- und Abstellflächen und zu Modifikationen von Rollwegen beantragt; Änderungen an der Piste selbst waren nicht Gegenstand des Antrags.

3. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde stellte diese gemäß § 3 Abs 7 UVP-G 2000 fest, dass sowohl für die bereits erfolgte Erweiterung der Flughafeninfrastruktur durch Errichtung und Inbetriebnahme des Terminals 2 als auch die weiters geplante Erweiterung der Flughafeninfrastruktur des Flughafens im Sinne der von der Beschwerdeführerin beantragten Bewilligungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren gemäß §§ 3, 3a UVP-G 2000, Anhang 1 Ziffer 14, iVm der Richtlinie 85/337 durchzuführen sei.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Sowohl mit der (schon verwirklichten) Errichtung und Inbetriebnahme des Terminals 2 als auch mit den weiter beantragten Maßnahmen würden Kapazitätsengpässe am Flughafen behoben und die Kapazität gesteigert. Die genannten Maßnahmen führten zu einer erheblichen Steigerung der Anzahl der Flugbewegungen und zu umweltrelevanten Auswirkungen (insbesondere zu einer Steigerung der Belastung durch Lärm und Luftschadstoffe).

Zwar würde das nationale Recht für die strittigen Maßnahmen keine Umweltverträglichkeitsprüfung fordern, weil der diesbezügliche Schwellenwert (Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr) nicht überschritten werde. Das nationale Recht setze jedoch die Richtlinie insofern nur unzureichend um, als der Schwellenwert zu hoch angesetzt sei und dazu führe, dass Änderungen bei mittelgroßen oder kleinen Flugplätzen praktisch nie zu Umweltverträglichkeitsprüfungen führen könnten, sofern sie nicht mit einer Neuerrichtung oder Verlängerungen von Pisten verbunden seien. Zum anderen weise die nationale Regelung betreffend Umweltverträglichkeitsprüfung für Flughäfen keine besonders schutzwürdigen Gebiete aus, obwohl die Richtlinie 85/337 in Anhang III Z 2 lit g die besondere Berücksichtigung von Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte verlange. Der Flughafen liege aber auf Grund seiner Nähe zur Stadt S in einem besonders sensiblen Gebiet.

Es sei daher die Richtlinie 85/337 unmittelbar anzuwenden, wobei zu berücksichtigen sei, dass auch Änderungen der Infrastruktur eines vorhandenen Flughafens ohne Verlängerung der Start- und Landebahn, sofern diese Arbeiten, insbesondere auf Grund ihrer Art, ihres Umfanges und ihrer Merkmale als Änderung des Flughafen selbst anzusehen sei, UVP-pflichtig seien, was insbesondere für Arbeiten gelte, die dazu bestimmt seien, die Aktivitäten des Flugplatzes und den Luftverkehr zu steigern. Diese Voraussetzungen träfen nach den Ergebnissen der im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten zu.

4. Die Beschwerde macht dagegen ua geltend, dass eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie 85/337 schon deshalb nicht in Betracht komme, weil es sich im vorliegenden Fall um ein Projekt nach Anhang II der Richtlinie 85/337 handle, wobei die Mitgliedstaaten vorbehaltlich Art 2 Abs 3 der Richtlinie 85/337 entscheiden könnten, ob anhand einer Einzelfalluntersuchung oder festgelegter Schwellenwerte eine Prüfung durchzuführen sei. Für Tatbestände nach Anhang II der Richtlinie 85/337 gelte daher keine unbedingte UVP-Pflicht, sodass es an der Voraussetzung für eine unmittelbare Anwendung einer Richtlinie fehle, wonach die Regelung unbedingt und hinreichend genau sein müsse. Zudem könne die für die Erweiterungsmaßnahmen angestrebte Bewilligung nach § 68 LFG nicht als eine Genehmigung angesehen werden, die - vor ihrer Erteilung - einer Prüfung der Umweltauswirkungen benötige.

5. Bei der Entscheidung über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof zum einen die Reichweite der Bestimmungen der Richtlinie 85/337 über die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei Maßnahmen im Sinne des Anhang II Z 13 der Richtlinie 85/337 zu beurteilen und zum anderen zu klären, ob für den Fall des Bestehens einer UVP-Pflicht nach Unionsrecht eine Umweltverträglichkeitsprüfung auch dann durchzuführen ist, wenn das nationale Recht dies nicht vorsieht. In jedem Fall ist die beantragte Auslegung von Unionsrecht erforderlich.

II. Die maßgebenden Bestimmungen des nationalen Rechts:

1. Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl 697/1993 idF BGBl I Nr 89/2000 (UVP-G 2000):

"Aufgabe von Umweltverträglichkeitsprüfung und Bürgerbeteiligung

§ 1. (1) Aufgabe der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist es, unter Beteiligung der Öffentlichkeit auf fachlicher Grundlage

1. die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen festzustellen, zu beschreiben und zu bewerten, die ein Vorhaben

  1. a) auf Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume,
  2. b) auf Boden, Wasser, Luft und Klima,
  3. c) auf die Landschaft und
  4. d) auf Sach- und Kulturgüter

    hat oder haben kann, wobei Wechselwirkungen mehrerer Auswirkungen untereinander miteinzubeziehen sind,

    2. Maßnahmen zu prüfen, durch die schädliche, belästigende oder belastende Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt verhindert oder verringert oder günstige Auswirkungen des Vorhabens vergrößert werden,

    3. die Vor- und Nachteile der vom Projektwerber/von der Projektwerberin geprüften Alternativen sowie die umweltrelevanten Vor- und Nachteile des Unterbleibens des Vorhabens darzulegen und

    4. bei Vorhaben, für die gesetzlich die Möglichkeit einer Enteignung oder eines Eingriffs in private Rechte vorgesehen ist, die umweltrelevanten Vor- und Nachteile der vom Projektwerber/von der Projektwerberin geprüften Standort- oder Trassenvarianten darzulegen.

(2) Durch dieses Bundesgesetz wird die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. Nr. L 175/40 vom 5. Juli 1985 in der Fassung der Änderungsrichtlinie Nr. 97/11/EG vom 3. März 1997, ABl. Nr. L 073/5 vom 14. März 1997, umgesetzt.

§ 3. (1) Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. …

(6) Vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Einzelfallprüfung dürfen für Vorhaben, die einer Prüfung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 unterliegen, Genehmigungen nicht erteilt werden und kommt nach Verwaltungsvorschriften getroffenen Anzeigen vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung keine rechtliche Wirkung zu. Entgegen dieser Bestimmung erteilte Genehmigungen können von der gemäß § 40 Abs. 3 zuständigen Behörde innerhalb einer Frist von drei Jahren als nichtig erklärt werden.

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Die Entscheidung ist in erster und zweiter Instanz jeweils innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung haben der Projektwerber/die Projektwerberin, die mitwirkenden Behörden, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung ist das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Der wesentliche Inhalt der Entscheidungen einschließlich der wesentlichen Entscheidungsgründe sind von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen oder zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen.

§ 3a. (1) Änderungen von Vorhaben, für die in Anhang 1 ein Änderungstatbestand festgelegt ist, sind einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, wenn dieser Tatbestand erfüllt ist und die Behörde im Einzelfall feststellt, dass durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne des § 1 Z 1 zu rechnen ist.

Anhang 1

Der Anhang enthält die gemäß § 3 UVP-pflichtigen Vorhaben.

In Spalte 1 und 2 finden sich jene Vorhaben, die jedenfalls UVP-pflichtig sind und einem UVP-Verfahren (Spalte 1) oder einem vereinfachten Verfahren (Spalte 2) zu unterziehen sind. Bei in Anhang 1 angeführten Änderungstatbeständen ist ab dem angeführten Schwellenwert eine Einzelfallprüfung durchzuführen; sonst gilt § 3a Abs. 2 und 3, außer es wird ausdrücklich nur die 'Neuerrichtung', der 'Neubau' oder die 'Neuerschließung' erfasst.

In Spalte 3 sind jene Vorhaben angeführt, die nur bei Zutreffen besonderer Voraussetzungen der UVP-Pflicht unterliegen. Für diese Vorhaben hat ab den angegebenen Mindestschwellen eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Ergibt diese Einzelfallprüfung eine UVP-Pflicht, so ist nach dem vereinfachten Verfahren vorzugehen.

Die in der Spalte 3 genannten Kategorien schutzwürdiger Gebiete werden in Anhang 2 definiert. Gebiete der Kategorien A, C und D sind für die UVP-Pflicht eines Vorhabens jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Antragstellung ausgewiesen sind.

 

UVP

Spalte 1

UVP im

Spalte 2

vereinfachten

Verfahren

Spalte3

Z 14

a) Neubau von Flugplätzen, ausgenommen Segelflugfelder und Flugplätze für Hubschrauber, die überwiegend Rettungseinsätzen, Einsätzen der Sicherheitsverwaltung, der Erfüllung von Aufgaben der Landesverteidigung oder der Verkehrsüberwachung mit Hubschraubern dienen;

b) Neuerrichtung von Pisten mit einer Grundlänge von mindestens 2 100 m;

c) Änderungen von Flugplätzen durch Neuerrichtung oder Verlängerung von Pisten, wenn durch die Neuerrichtung oder Verlängerung die Gesamtpistenlänge um mindestens 25% erweitert wird;

d) Änderungen von Flugplätzen, wenn dadurch eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen (mit Motorflugzeugen, Motorseglern im Motorflug oder Hubschraubern) um mindestens 20 000 pro Jahr oder mehr zu erwarten ist.

Von lit. b, c und d ausgenommen ist die Errichtung von Pisten für Zwecke der Militärluftfahrt aus Anlass eines Einsatzes des Bundesheeres gemäß § 2 Abs. 1 des Wehrgesetzes 1990 (WG), BGBl. Nr. 305.

Von lit. c ausgenommen sind weiters Vorhaben, die ausschließlich der Erhöhung der Flugsicherheit dienen.

  

Anhang 2

Einteilung der schutzwürdigen Gebiete in folgende Kategorien:

Kategorie

schutzwürdiges Gebiet

Anwendungsbereich

A

besonderes Schutzgebiet

nach der RL 79/409/EWG des Rates über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie), ABl. Nr. L 103/1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/24/EG des Rates vom 8. Juni 1994, ABl. Nr. L 164/9, sowie nach der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (Flora‑Fauna‑Habitat‑Richtlinie), ABl. Nr. L 206/7, in der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Artikel 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannte Schutzgebiete; Bannwälder gemäß § 27 ForstG; bestimmte nach landesrechtlichen Vorschriften als Nationalpark *1) oder durch Verwaltungsakt ausgewiesene, genau abgegrenzte Gebiete im Bereich des Naturschutzes oder durch Verordnung ausgewiesene, gleichartige kleinräumige Schutzgebiete oder ausgewiesene einzigartige Naturgebilde

B

Alpinregion

Untergrenze der Alpinregion ist die Grenze des geschlossenen Baumbewuchses, dh. der Beginn der Kampfzone des Waldes (siehe § 2 ForstG 1975)

C

Wasserschutz- und Schongebiet

Wasserschutz- und Schongebiete gemäß §§ 34, 35 und 37 WRG 1959

D

belastetes Gebiet (Luft)

gemäß § 3 Abs. 8 festgelegte Gebiete

*1) Gebiete, die wegen ihrer charakteristischen Geländeformen oder ihrer Tier- und Pflanzenwelt überregionale Bedeutung haben."

Durch spätere Gesetzesnovellen erfolgten (auf den Beschwerdefall noch nicht anzuwendende) Änderungen insbesondere betreffend den Prognosezeitraum, der bei einer Erhöhung der Anzahl von Flugbewegungen relevant ist, sowie eine besondere Berücksichtigung von Änderungen in schutzwürdigen Gebieten.

Mit der Novelle BGBl I Nr 87/2009 schließlich erfolgte eine Umstellung der Regelungen über die Änderung von Flughäfen dahin, dass - bei Prüfung der UVP-Pflicht - nicht mehr auf die Erhöhung der Anzahl von Flugbewegungen abgestellt wird, sondern auf einzelne konkrete Maßnahmen auf Flugplätzen (Erhöhung der Anzahl der Flugsteige sowie des Ausmaßes der Abstellflächen).

Auf Grund anzuwendender Übergangsvorschriften ist nach der nationalen Regelung des UVP-G 2000 für die in Rede stehenden beschwerdegegenständlichen Projekte (Terminal 2 und sonstige Erweiterungsvorhaben) eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich.

2. Luftfahrtgesetz, BGBl Nr 253/1957 idF BGBl I Nr 83/2008

(LFG):

"Zivilflugplatz-Bewilligung

§ 68. (1) Zum Betrieb von Zivilflugplätzen ist eine Bewilligung erforderlich (Zivilflugplatz-Bewilligung). Das gleiche gilt für jede Änderung des bescheidmäßig festgelegten Betriebsumfanges eines Zivilflugplatzes.

Betriebsaufnahmebewilligung

§ 73. (1) Der Betrieb eines Zivilflugplatzes darf erst aufgenommen werden, wenn die zur Erteilung der Zivilflugplatz-Bewilligung zuständige Behörde (§ 68) dies bewilligt hat (Betriebsaufnahmebewilligung). Der Bescheid über diese Bewilligung ist schriftlich zu erteilen, andernfalls leidet er an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.

Bewilligung von zivilen Bodeneinrichtungen

§ 78. (1) Für die Errichtung, die Benützung sowie jede wesentliche Änderung einer Bodeneinrichtung auf einem Zivilflugplatz (zivile Bodeneinrichtung) ist eine Bewilligung erforderlich.

…"

Für den Betrieb eines Flugplatzes wie auch für jede Änderung des bescheidmäßig festgelegten Betriebsumfangs ist also nicht nur eine "Zivilflugplatz-Bewilligung" nach § 68 LFG, sondern auch die "Betriebsaufnahmebewilligung" nach § 73 LFG erforderlich. Zudem verlangt die Errichtung, Benützung sowie wesentliche Änderung von zivilen Bodeneinrichtungen eine Bewilligung nach § 78 Abs 1 LFG.

III. Die maßgebenden Bestimmungen des Unionsrechts:

Im Beschwerdefall ist die Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl L 175, 40) in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl L 73, 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337 ) maßgebend; die späteren Änderungen durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl L 156, 17), die Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl L 140, 114) sowie die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl L 26, 1) sind im Beschwerdefall nicht von Bedeutung.

Die maßgebenden Bestimmungen der Richtlinie 85/337 haben

folgenden Wortlaut:

"Artikel 1

(1) Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(2) Im Sinne dieser Richtlinie sind:

Projekt:

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.

Artikel 3

Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:

(1) Projekte des Anhangs I werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2) Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 anhand

a) einer Einzelfalluntersuchung

oder

b) der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien,

ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muß.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a) und b) genannten Verfahren anzuwenden.

(3) Bei der Einzelfalluntersuchung oder der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien im Sinne des Absatzes 2 sind die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen.

…"

Anhang I (Projekte nach Art 4 Abs 1) Nr 7 lit a betrifft den "Bau von … Flugplätzen mit einer Start und Landebahngrundlänge von 2 100 m und mehr".

Anhang II (Projekte nach Art 4 Abs 2) Nr 10 lit d erfasst den "Bau von Flugplätzen (nicht durch Anhang I erfasste Projekte)", Nr 13 die "Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder II, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können".

Anhang III (Auswahlkriterien im Sinne von Art 4 Abs 3) lautet:

"1. Merkmale der Projekte

Die Merkmale der Projekte sind insbesondere hinsichtlich folgender Punkte zu beurteilen:

4.1. Mit Blick auf die Ausführungen des EuGH in den Urteilen C-275/09 und C-2/07 und in früheren Entscheidungen, etwa im Urteil vom 7. Jänner 2004, C-201/02 , Delana Wells, Slg 2004, I-723, zu den Voraussetzungen und Anforderungen an eine UVP-Prüfung in einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst keinen Zweifel daran, dass auch von einem Verfahren nach § 68 LFG erfasste Vorhaben - wie im Beschwerdefall die von der Beschwerdeführerin geplanten Erweiterungsmaßnahmen am Flughafen - UVP-pflichtig sein können, stellt doch das Verfahren betreffend die Zivilflugplatz-Bewilligung nach § 68 LFG eine Stufe im gesamten, für den Betrieb des Flughafens im erweiterten Umfang erforderlichen Genehmigungsverfahren dar.

4.2. Die nach den nationalen Vorschriften erforderliche Genehmigung des "Terminal 2" wurde bereits erteilt und kann nicht mehr aufgehoben werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Genehmigungsantrag für dieses Vorhaben aus unsachlichen Erwägungen, etwa mit dem Ziel einer Vermeidung einer sonst nötigen Umweltverträglichkeitsprüfung, vorgezogen wurde, sind nicht ersichtlich.

Der EuGH hat wiederholt festgestellt, dass das Ziel der Unionsregelung nicht durch eine Aufsplitterung von Projekten umgangen werden darf und dass die Nichtberücksichtigung der kumulativen Wirkung von Projekten nicht zur Folge haben darf, dass die Projekte insgesamt der Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung entzogen werden, obwohl sie zusammengenommen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne von Art 2 Abs 1 der Richtlinie 85/337 haben können (vgl etwa die Urteile C-275/09 , Rn 36, und C-2/07 , Rn 27).

Dabei hat der EuGH auch hervorgehoben, dass dem Umstand Bedeutung zukommt, ob seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 85/337 Arbeiten oder materielle Eingriffe, die als Projekt im Sinn der Richtlinie 85/337 anzusehen sind, auf dem Flughafen durchgeführt wurden, ohne dass deren Umweltverträglichkeit auf einer früheren Stufe des Genehmigungsverfahrens geprüft wurde (vgl das Urteil C- 275/09 , Rn 37).

Vor diesem Hintergrund der Judikatur des EuGH zum Erfordernis der Berücksichtigung kumulativer Wirkungen von in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehenden Projekten geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass bei der Prüfung der Umweltverträglichkeit des späteren Vorhabens (Erweiterung des Flughafenareals zur Errichtung weiterer Anlagen) auch die umweltrelevanten Auswirkungen des früheren Vorhabens (Errichtung des "Terminal 2") zu berücksichtigen sind.

5. Zweifelhaft erscheint aber, ob der Umstand relevant ist, dass das gesamte beschwerdegegenständliche Vorhaben nach den Bestimmungen der Richtlinie 85/337 UVP-pflichtig zu sein scheint, während das anzuwendende nationale Recht eine UVP-Pflicht nicht vorsieht:

6. Bei der (bloßen) Änderung eines Flughafens handelt es sich um ein Projekt im Sinn des Anhangs II der Richtlinie 85/337 .

Der EuGH hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der Richtlinie 85/337 den Mitgliedstaaten zwar einen Wertungsspielraum einräumt, in dessen Rahmen sie bestimmte Arten von Projekten, die einer Prüfung zu unterziehen sind, bestimmen oder einschlägige Kriterien und/oder Schwellenwerte aufstellen können, dass dieser Spielraum jedoch durch die in Art 2 Abs 1 der Richtlinie 85/337 festgelegte Pflicht begrenzt wird, die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen zu unterziehen (vgl das Urteil C-2/07 , Rn 37 sowie das Urteil vom 24. Oktober 1996, C-72/95 , Kraaijeveld ua, Slg 1996, I-5403).

Ein Mitgliedstaat, der Kriterien und/oder Schwellenwerte so festlegte, dass nur die Größe, nicht aber Art und Standort der Projekte berücksichtigt würde, würde dadurch den ihm eingeräumten Wertungsspielraum ebenso überschreiten (vgl das Urteil C-2/07 , Rn 38) wie einer, der diese Festlegung so vornehmen würde, dass in der Praxis eine gesamte Klasse von Projekten von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen wäre (vgl das Urteil C-72/95 , Rn 53, sowie das Urteil vom 16. September 1999, C-435/97 , WWF ua (Flughafen Bozen), Rn 38, Slg 1999, I-5613).

7. Was die Überprüfung dieses Spielraums und die Konsequenzen seiner Überschreitung anlangt, hat der EuGH im Urteil C-72/95 Folgendes ausgesprochen:

"59 Die Tatsache, daß die Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall nach den Artikeln 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie über einen Ermessensspielraum verfügen, schließt es dagegen nicht aus, daß gerichtlich überprüft werden kann, ob die nationalen Behörden diesen Spielraum überschritten haben (vgl. insbesondere Urteil Verbond van Nederlandse Ondernemingen, a. a. O., Randnrn. 27 bis 29).

60 Ist also ein Gericht nach dem nationalen Recht verpflichtet oder berechtigt, von Amts wegen die sich aus einer zwingenden innerstaatlichen Vorschrift ergebenden rechtlichen Gesichtspunkte aufzugreifen, die die Parteien nicht geltend gemacht haben, so hat es im Rahmen seiner Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, ob die Gesetzgebungs- oder Verwaltungsorgane des Mitgliedstaats innerhalb des in den Artikeln 2 Absatz 1 und 4 Absatz 2 der Richtlinie festgelegten Ermessensspielraums geblieben sind, und dies im Rahmen der Prüfung der Nichtigkeitsklage zu berücksichtigen.

61 Ist dieser Ermessensspielraum überschritten und haben daher die nationalen Bestimmungen insoweit außer Betracht zu bleiben, so ist es Sache der Träger öffentlicher Gewalt des Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf geprüft werden, ob bei ihnen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, und, wenn dies der Fall ist, einer Untersuchung ihrer Auswirkungen unterzogen werden."

Ähnlich heißt es im Urteil C-435/97 :

"Haben der Gesetzgeber oder die Verwaltung eines Mitgliedstaats das ihnen durch Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337 eingeräumte Ermessen überschritten, so kann sich der einzelne vor einem Gericht eines Mitgliedstaats gegenüber den nationalen Stellen auf diese Bestimmungen berufen und dadurch erreichen, daß diese nationale Vorschriften oder Maßnahmen außer Betracht lassen, die mit diesen Bestimmungen unvereinbar sind. In einem solchen Fall ist es Sache der Träger öffentlicher Gewalt eines Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, um die Projekte im Hinblick darauf zu überprüfen, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind, und sie bejahendenfalls einer Untersuchung ihrer Auswirkungen zu unterziehen."

Im - ebenfalls ein Projekt nach Anhang II der Richtlinie 85/337 betreffenden - Urteil vom C-201/02 hat der EuGH diesbezüglich Folgendes ausgeführt:

"64 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Mitgliedstaaten nach dem in Artikel 10 EG vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben (vgl. u. a. Urteile vom 16. Dezember 1960 in der Rechtssache 6/60, Humblet, Slg. 1960, 1163, 1185, und vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 , Francovich u. a., Slg. 1991, I- 5357, Randnr. 36). Eine solche Verpflichtung obliegt jeder Behörde des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 1990 in der Rechtssache C-8/88 , Deutschland/Kommission, Slg. 1990, I-2321, Randnr. 13).

65 Daher ist es Sache der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf überprüft werden, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind, und damit sie bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-72/95 , Kraaijeveld u. a., Slg. 1996, I-5403, Randnr. 61, und WWF u. a., Randnr. 70). Begrenzt durch den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, sind derartige Maßnahmen beispielsweise die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung zu dem Zweck, eine Umweltverträglichkeitsprüfung des in Rede stehenden Projekts im Sinne der Richtlinie 85/337 durchzuführen.

66 Ebenso ist der Mitgliedstaat verpflichtet, alle durch das Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entstandenen Schäden zu ersetzen.

67 Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie sind die Einzelheiten des Verfahrens Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-312/93 , Peterbroeck, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 12, und vom 16. Mai 2000 in der Rechtssache C-78/98 , Preston u. a., Slg. 2000, I-3201, Randnr. 31)."

8. Der EuGH geht regelmäßig davon aus, dass sich der Einzelne in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (vgl etwa das Urteil vom 12. Februar 2009, C-138/07 , Cobelfret, Rn 58, Slg 2009, I-731).

9. Ausgehend von der dargestellten Begrenzung des Spielraums der Mitgliedstaaten bei der Handhabung des ihnen durch die Richtlinie eingeräumten Ermessens könnte die Auffassung vertreten werden, dass die diesbezüglichen Bestimmungen "inhaltlich unbedingt" sind. Offen bleibt dennoch, ob sie auch "hinreichend genau" in dem Sinn sind, dass sie unmittelbar angewendet werden könnten.

Nach Art 4 Abs 3 der Richtlinie 85/337 sind die den Mitgliedstaaten insoweit vorgegebenen Grenzen jedenfalls dadurch abgesteckt, dass bei der Einzelfalluntersuchung und der Festlegung von Schwellenwerten bzw Kriterien im Sinn des Abs 2 die Auswahlkriterien des Anhang III zu berücksichtigen sind.

10.1. Anhang III Nr 2 der Richtlinie 85/337 verlangt bei der notwendigen Bezugnahme auf den Standort der Projekte auch die Berücksichtigung der besonderen ökologischen Empfindlichkeit von Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte (lit g). Diesem Umstand ist durch das österreichische UVP-G 2000 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung noch nicht Rechnung getragen worden, ihm kommt aber im Beschwerdefall - wegen der Nähe des Projekts zur Stadt S - möglicherweise Bedeutung zu.

10.2. Hinzu tritt, dass durch die Festlegung eines Schwellenwerts für die UVP-Pflicht von (nicht pistenbezogenen) Änderungen eines Flugplatzes wie durch die nationale Vorschrift des Anhang 1 Z 14 lit d UVP-G 2000 idF BGBl I Nr 89/2000, nämlich dem Erfordernis, dass dadurch eine Erhöhung der Anzahl von Flugbewegungen um mindestens 20.000 pro Jahr zu erwarten ist, eine darauf gestützte Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für kleinere und mittelgroße Flughäfen (die diese Schwelle unterschreiten oder gerade erreichen) praktisch nie in Betracht kommt.

10.3. Es könnte daher die Auffassung vertreten werden, dass die Richtlinie 85/337 nicht nur insoweit unzureichend umgesetzt wurde, sondern auch, dass dies offenkundig ist, weil die Richtlinie 85/337 klar ("hinreichend genau") Kriterien festlegt (in Anhang III), die von den Mitgliedstaaten jedenfalls zu erfüllen sind, und dass sie deshalb - wie von der belangten Behörde angenommen - unmittelbar anzuwenden ist, um eine Umweltverträglichkeitsprüfung der in Rede stehenden Vorhaben zu erreichen.

10.4. Zu bemerken ist allerdings auch, dass der nationale Gesetzgeber durch spätere Novellen das UVP-G 2000 der Richtlinie 85/337 angepasst hat, und dass die Beschwerdeführerin sich hinsichtlich der Auffassung, es bestehe keine UVP-pflicht, allenfalls im guten Glauben auf die anzuwendende nationale Rechtslage stützen konnte.

11. Da also die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bliebe, werden gemäß Art 267 AEUV die eingangs formulierten Fragen mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.

Wien, am 19. April 2012

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