VwGH 2008/18/0202

VwGH2008/18/020219.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der E O in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Juni 2007, Zl. E1/237.594/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

21970A1123(01) ZusProt AssAbk Türkei Art41 Abs1;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
ARB1/80 Art7 Abs2;
AufG 1992;
EURallg;
FremdenG 1993;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
21970A1123(01) ZusProt AssAbk Türkei Art41 Abs1;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
ARB1/80 Art7 Abs2;
AufG 1992;
EURallg;
FremdenG 1993;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z2;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei im Oktober 2002 mit einem von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten Visum D nach Österreich eingereist und habe in weiterer Folge bis 31. Oktober 2006 Aufenthaltserlaubnisse zum Zweck des Studiums erhalten. Nach rechtskräftiger Abweisung eines Erstantrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck "Angehörige" aus dem Grund unzureichender Unterhaltsmittel habe die Beschwerdeführerin am 14. März 2006 die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels beantragt und als Zweck ihres Aufenthalts sowohl "Student" als auch "Angehöriger" angegeben. Im Zuge einer Vorsprache "bei der Magistratsabteilung 35" am 13. April 2006 habe die Beschwerdeführerin zu verstehen gegeben, dass sie ihr Studium nicht mehr weiter betreiben möchte, sondern einer Erwerbstätigkeit nachgehen wolle. Auf Grund der Belehrung, dass ein Aufenthaltstitel "Angehöriger" grundsätzlich möglich wäre, weil ihr Vater mittlerweile österreichischer Staatsbürger wäre, sie jedoch damit keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hätte, habe die Beschwerdeführerin am 23. Juni 2006 bekannt gegeben, dass sie einen Aufenthaltstitel "Angehöriger" anstrebe und schließlich am 30. Oktober 2006 neuerlich einen derartigen Antrag eingebracht.

Wegen unzureichenden Einkommens des Vaters der Beschwerdeführerin habe die Niederlassungsbehörde ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung im Sinn des § 25 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG eingeleitet.

In weiterer Folge legte die belangte Behörde dar, weshalb ihrer Ansicht nach das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin nicht ausreichend sei, um für sich selbst, für den Bruder der Beschwerdeführerin, zu dessen Gunsten der Vater der Beschwerdeführerin eine Verpflichtungserklärung abgegeben habe, und auch für die Beschwerdeführerin die notwendigen Unterhaltsmittel im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG aufzubringen. Damit stünde der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführerin ein Versagungsgrund entgegen, sodass die Voraussetzungen für eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG erfüllt seien.

In weiterer Folge legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach die Erlassung einer Ausweisung unter Berücksichtigung des rund viereinhalbjährigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich zum Zweck des Studiums und der bestehenden engen familiären Bindungen zu ihrem Vater und Bruder nach § 66 FPG zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2008, B 1373/07-7, ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Mit dem von der Beschwerdeführerin unter Berufung auf ihre türkische Staatsangehörigkeit und auf Grund "der einschlägigen Bestimmungen der anzuwendenden EU-Richtlinie über den Mindeststandard an Rechtsschutz" erhobenen Einwand der Unzuständigkeit der belangten Behörde zielt sie auf die Anwendbarkeit des Assoziationsrechts EWG-Türkei. Mit der unstrittig wiederholt erteilten Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums erhielt die Beschwerdeführerin aber noch keine behördliche Genehmigung im Sinn des Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80, zu ihrem Vater, der damals noch türkischer Staatsangehöriger war, nach Österreich zu ziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2007, Zl. 2004/18/0143). Da sie sich auch nicht auf eine in Österreich abgeschlossene Berufsausbildung oder ihre Zugehörigkeit zum österreichischen Arbeitsmarkt stützt, zählt sie nicht zu dem von Art. 6 oder 7 ARB 1/80 erfassten Personenkreis, sodass für die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenats kein Raum bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2006/21/0373).

Der Beschwerdefall gleicht allerdings vor dem Hintergrund der Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Urteil vom 15. November 2011, C 256/11 , darin, dass die belangte Behörde nicht darauf einging, dass die türkische Beschwerdeführerin, welche Angehörige eines Österreichers im Sinn des § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG ist, einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachgehen möchte und daher die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung anhand der für die Beschwerdeführerin günstigeren Bestimmungen des FrG zu messen gehabt hätte, jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2007/18/0430, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 19. April 2012

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