Normen
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litf;
62002CJ0453 Linneweber und Akritidis VORAB;
62006CJ0445 Danske Slagterier VORAB;
62009CJ0058 Leo Libera VORAB;
UStG 1994 §28 Abs27 idF 2005/I/105;
UStG 1994 §6 Abs1 Z9 litd sublitdd idF 2005/I/105;
VwRallg;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litf;
62002CJ0453 Linneweber und Akritidis VORAB;
62006CJ0445 Danske Slagterier VORAB;
62009CJ0058 Leo Libera VORAB;
UStG 1994 §28 Abs27 idF 2005/I/105;
UStG 1994 §6 Abs1 Z9 litd sublitdd idF 2005/I/105;
VwRallg;
Spruch:
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird, soweit sie Einkommensteuer betrifft, zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Im Übrigen, betreffend Umsatzsteuer, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzielte in den Streitjahren Einnahmen u. a. aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten.
Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2005 stellte der Beschwerdeführer beim Finanzamt einen Antrag gemäß § 299 BAO zwecks Aufhebung der (rechtskräftigen) Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2003. Der EuGH habe nämlich im Urteil vom 17. Februar 2005, C- 453/02 und C-462/02 , zu Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EG-RL entschieden, dass die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten außerhalb zugelassener öffentlicher Spielbanken nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden dürfe, falls diese Tätigkeiten in solchen Spielbanken steuerfrei seien. Der EuGH habe die zeitliche Wirkung des Urteils nicht beschränkt und festgestellt, dass es nationalen Rechtsvorschriften entgegen stehe, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei seien, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer nicht gelte, die nicht Spielbankbetreiber seien.
Aus einer dem Antrag angeschlossenen Beilage geht hervor, dass sich bei einer antragsgemäßen Stattgabe des Aufhebungsantrages jeweils Umsatzsteuergutschriften (Differenz zwischen neu berechneter Mehrwertsteuer abzüglich Vorsteuer) für die Jahre 1998 bis 2003 ergeben hätten. Ertragsteuerlich hätten die dargestellten Erlösdifferenzen eine Erhöhung der jeweiligen Gewinne bzw. Verminderung der Verluste der Jahre 1998 bis 2003 bewirkt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Aufhebungsantrag im Instanzenzug keine Folge.
Zum Aufhebungsantrag für das Jahr 1998 wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Frist zur Einbringung des Antrages gemäß § 302 Abs. 2 lit. c BAO mit dem Ablauf der Verjährungsfrist geendet habe. Die Verjährungsfrist habe gemäß § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre betragen und nach § 208 Abs. 1 BAO mit Ablauf des Jahres begonnen, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei. Nach § 209 Abs. 1 BAO (idF des AbgÄG 2004) habe sich die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert, wenn innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Abgabenbehörde unternommen worden seien. Die Verjährungsfrist habe sich nach dieser Bestimmung um ein weiteres Jahr verlängert, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen worden seien, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert gewesen sei. Der Abgabenanspruch betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1998 sei mit Ablauf des Jahres 1998 entstanden. Die Erlassung der Veranlagungsbescheide im Jahr 1999 (24. September 1999) sei eine nach außen wirksame Amtshandlung gewesen, sodass die Verjährung Ende 2004 eingetreten sei. Eine Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens und eine neue Sachentscheidung seien am 7. Juni 2000 erfolgt. Da diese Amtshandlungen nicht in jenem Jahr erfolgt seien, in dem die Verjährungsfrist geendet habe (2004), sei die Verjährungsfrist nicht um ein weiteres Jahr verlängert worden. Der Aufhebungsantrag vom 8. Juli 2005 sei daher für das Jahr 1998 verspätet gewesen.
Zur Erledigung der Aufhebungsanträge betreffend die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2003 führte die belangte Behörde aus, dass Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten wegen der mit dem Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 105/2005, rückwirkend ab 1. Jänner 1999 geänderten Fassung des § 6 Abs. 1 Z 9 lit. d sublit. dd UStG 1994 auch dann steuerpflichtig seien, wenn sie von konzessionierten Spielbanken betrieben würden. Damit habe das UStG 1994 dem vom EuGH im Urteil vom 17. Februar 2005, C-453/02 und C-462/02 , geforderten Grundsatz der steuerlichen Neutralität Rechnung getragen. Die in Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EG-RL grundsätzlich vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung gelte nur unter den Bedingungen und Beschränkungen, welche die Mitgliedstaaten festlegten. Dies bedeute, dass auch Ausnahmen von der Steuerbefreiung für Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele zulässig seien. Die Besteuerung der Umsätze von Glücksspielautomaten sei daher zulässig und in Hinblick auf die verwirklichte Gleichbehandlung sämtlicher Geldspielautomatenumsätze auch gemeinschaftsrechtskonform. Aus der nunmehr rechtmäßigen Besteuerung der Geldspielautomatenumsätze folge keine höhere Steuerbelastung der privaten Automatenaufsteller.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom 25. Juni 2008, B 1027/08, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Begründung des Ablehnungsbeschluss wies der Verfassungsgerichtshof u.a. darauf hin, dass der Beschwerdeführer auch nicht dadurch in seinem Vertrauen auf die bestehende gemeinschaftsrechtliche Rechtslage verletzt sein könne, dass der Gesetzgeber Glücksspielautomaten generell in die Umsatzsteuerpflicht einbezogen habe.
In der - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten - Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf "Umsatzsteuerfreistellung des Betriebes von Glücksspielgeräten im Rahmen der Festsetzung der Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 1998 bis 2003 verletzt".
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Aus dem oben wiedergegebenen Antrag auf Bescheidbehebung vom 8. Juli 2005 geht hervor, dass die begehrten Änderungen bei der Umsatzsteuer zu einer Erhöhung der Einkünfte bei der Einkommensteuer geführt hätten. Durch die Verweigerung einer damit zu Lasten des Beschwerdeführers gehenden Bescheidbehebung hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide konnte dieser daher nicht beschwert sein. Die Beschwerde war daher, soweit sie auch die versagte Behebung der Einkommensteuerbescheide betrifft, mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Zur Ablehnung der Aufhebung für das Jahr 1998 übersieht der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdevorbringen offensichtlich, dass das von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angegebene Jahr der Verjährung mit "Ende 2004" bereits das Verlängerungsjahr nach § 209 Abs. 1 erster Satz BAO (idF AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004) beinhaltet. Ausgehend vom Beginn der Verjährung für die Umsatzsteuer 1998 gemäß § 208 Abs. 1 BAO mit dem Ablauf des Jahres 1998 endete die für die Antragstellung nach § 299 BAO nach § 30 Abs. 2 lit. c BAO (idF vor dem AbgVRefG, BGBl. I Nr. 20/2009) maßgebende fünfjährige Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO mit Ablauf des Jahres 2003. Die in der Beschwerde allein angesprochene Verlängerungshandlung der Wiederaufnahme des Verfahrens im Jahr 2000 konnte die Verjährungsfrist im Sinne des ersten Satzes des § 209 Abs. 1 BAO nicht über das Jahr 2004 hinaus verlängern. Die belangte Behörde ist somit zu Recht von einer nicht fristgerechten Einbringung des Aufhebungsantrages vom 8. Juli 2005 betreffend das Jahr 1998 ausgegangen.
Zur Steuerbefreiung betreffend die Umsätze mittels Geldspielautomaten (Glücksspielautomaten) weist der Beschwerdeführer zwar zutreffend darauf hin, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt sei, "die Veranstaltung eines Glücksspiels außerhalb einer zugelassenen öffentlichen Spielbank der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn die Veranstaltung des gleichen Glücksspiels durch eine solche Einrichtung steuerfrei" sei (vgl. z.B. das Urteil des EuGH vom 17. Februar 2005, C-453/02 , C- 462/02 , Linneweber und Akritidis, sowie Ruppe, UStG4, § 6 Tz 282).
Um eine solche Gleichstellung zu erreichen, wurde mit dem Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz (ABÄG), BGBl. I Nr. 105/2005, durch eine Neufassung des § 6 Abs. 1 Z 9 lit. d sublit. dd UStG 1994 eine Gleichstellung zwischen der Besteuerung der Umsätze von Geldspielautomaten außerhalb einer konzessionierten Spielbank und in einer konzessionierten Spielbank dahingehend hergestellt, dass die Steuerpflicht sämtlicher Umsätze normiert wurde (vgl. dazu den Initiativantrag zum ABÄG, IA 652/A BlgNR 23.GP).
Die nach § 28 Abs. 27 UStG 1994 idF ABÄG normierte Rückwirkung dieser Steuerpflicht mit 1. Jänner 1999 lässt sich damit rechtfertigen, dass eine Besteuerung grundsätzlich zulässig ist (Art. 13 Teil B Buchstabe f der im Beschwerdefall noch anzuwendenden 6. EG-RL, 77/388/EWG, verpflichtete nicht zur Befreiung sämtlicher Glückspiele, sondern ließ auch eine selektive Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen zu, vgl. das Urteil des EuGH vom 10. Juni 2010, C-58/09 , Leo-Libera GmbH, sowie z. B. Haunold/Tumpel/Widhalm, SWI 2010, 445ff), durch die Regelung ein Verstoß gegen das Gebot der Neutralität rückwirkend geheilt wurde und kein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand vorliegt, da aus der rechtmäßigen (rückwirkend nicht verschlechternden) Besteuerung keine höhere Steuerbelastung für den Beschwerdeführer resultierte (vgl. nochmals den oben zitierten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Juni 2008, ebenso den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 2008, B 159/08, sowie weiters Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zum UStG 1994, § 6 Abs. 1 Z 9 lit d Anm. 40, mit Hinweis u.a. auf Birk/Jahndorf, UR 2005, 200f). Abgesehen davon erfordert das Unionsrecht die Durchbrechung der Bestandskraft rechtskräftiger Bescheide bei nachträglich erkanntem Verstoß gegen das Unionsrecht grundsätzlich nicht (vgl. das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom 16. September 2010, V R 57/09, BStBl II 2011, 151, zur Änderung bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheide auf Grund des oben zitierten Urteils des EuGH vom 17. Februar 2005, C-453/02 , C-462/02 , Linneweber und Akritidis, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH u.a. auf das Urteil vom 24. März 2009, C-445/06 , Danske Slagterier).
Die Beschwerde war daher betreffend Umsatzsteuer gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 30. Mai 2012
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