VwGH 2011/15/0073

VwGH2011/15/007328.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in 4014 Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 25. Februar 2011, Zl. RV/0505- W/05, betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum u.a. der Jahre 1989 und 1990, zu Recht erkannt:

Normen

AbgÄG 2004;
BAO §209 Abs3;
BAO §209a Abs1;
BAO §209a;
BAO §323 Abs18;
SteuerreformG 2005;
AbgÄG 2004;
BAO §209 Abs3;
BAO §209a Abs1;
BAO §209a;
BAO §323 Abs18;
SteuerreformG 2005;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung tätig. Im Jahr 1993 begann in seinem Betrieb eine Prüfung der Lohnabgaben, die im Jahr 1996 ihren Abschluss fand. Mit Haftungs- und Abgabenbescheid vom 19. November 1996 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer unter Hinweis auf den Prüfungsbericht vom 29. August 1996 zur Haftung für Lohnsteuer der Jahre 1989 und 1990 heran. Weiters wurde der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die genannten - gegenständlich ausschließlich strittigen - Jahre festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Berufung des Beschwerdeführers vom 16. Dezember 1996.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung im Umfang der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 25. Jänner 2005 teilweise statt.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Nichterlassung eines Haftungs- und Abgabenbescheides nach Eintritt der Festsetzungsverjährung verletzt.

Zur Begründung wird in der Beschwerde u.a. Folgendes ausgeführt:

"5.3 Die Verjährungsfrist für die hier gegenständlichen Abgaben für das Jahr 1989 begann somit spätestens mit 01.01.1990 und endete grundsätzlich am 01.01.1995. Durch die Lohnabgabenprüfung am 13.01.1993 verlängerte sich die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abgaben gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr, sodass schlussendlich die Festsetzungsverjährung für den Zeitraum 1989 am 01.01.1996 endete.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 323 Abs. 18 BAO § 209 Abs. 1 BAO idF AbgÄG 2004 ab 1. Jänner 2005 auch auf zu diesem Zeitpunkt 'offene' Verfahren - wie in diesem Fall - anzuwenden ist. Deshalb führte die Lohnabgabenprüfung vom 13.01.1993 lediglich zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist von einem Jahr. Abgabenrechtliche Verjährungsbestimmungen sind Normen des Verfahrensrechtes, bei denen es nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs, sondern auf die im Zeitpunkt von dessen Durchsetzung gegebenen Verhältnisse ankommt. Daher ist das neue Verjährungsrecht auch auf solche Rechtsvorgänge anzuwenden, die sich vor seinem Inkrafttreten ereignet haben (Ritz BAO3, § 209 Rz 42).

5.4 Der Haftungs- und Abgabenbescheid des Finanzamtes Melk für das Jahr 1989 wurde jedoch erst am 19.11.1996 und damit nach Eintritt der Festsetzungsverjährung (01.01.1996) erlassen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 224 BAO idF BGBl Nr. 151/1980 lautet auszugsweise:

"(1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. ...

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig."

§ 207 BAO lautet auszugsweise:

"(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt ... bei allen übrigen

Abgaben fünf Jahre. ..."

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO in der Stammfassung wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen, wobei mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt.

§ 209 Abs. 1 idF AbgÄG 2004, BGBl I Nr. 180/2004, lautet:

"Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist."

Gemäß § 323 Abs. 16 BAO ist die neue Fassung des § 209 Abs. 1 BAO mit 1. Jänner 2005 in Kraft getreten.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, wurde der Abs. 18 des § 323 BAO geschaffen, welcher im vorletzten Satz normiert:

"§ 209a Abs. 1 und 2 gilt für den Fall der Verkürzung von Verjährungsfristen durch die Neufassungen des … § 209 Abs. 1 durch BGBl. I  Nr. 180/2004, … sinngemäß."

§ 209a Abs. 1 BAO regelt, dass einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht.

Wie sich aus den ErlRV zu § 323 Abs. 18 (Abgabenänderungsgesetz 2004), 686 BlgNR XXII. GP, 37, ergibt, sollte mit dieser Bestimmung normiert werden, dass die Verkürzung von Verjährungsfristen durch das Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, und das AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, keine Auswirkungen (insbesondere) auf offene Berufungsverfahren hat (vgl. Ritz, BAO3, § 209a, Tz. 17).

Da bei Inkrafttreten des § 209 Abs. 1 BAO in der Fassung des AbgÄG 2004 mit 1. Jänner 2005 der Bescheid vom 19. November 1996 dem Rechtsbestand angehört hat und dieser Bescheid mittels Berufung angefochten war, bewirkt § 323 Abs. 18 vorletzter Satz BAO, dass die Verjährung nicht nach § 209 Abs. 1 BAO in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage bemessen wird, sondern - in sinngemäßer Anwendung des § 209a Abs. 1 BAO - noch die bei Erlassung des erstinstanzliches Haftungs- und Festsetzungsbescheides geltende Rechtslage zur Anwendung kommt.

Nach der alten Rechtslage wurde die Verjährung durch die im Jahr 1993 gesetzte Prüfungshandlung unterbrochen. Die Verjährungsfrist begann mit Ablauf des Jahres 1993 neu zu laufen und endete demnach erst mit Ablauf des Jahres 1998. Der erstinstanzliche Bescheid vom 19. November 1996 ist daher jedenfalls noch vor Ablauf der Verjährungsfrist ergangen, sodass es auf die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die belangte Behörde vom Vorliegen hinterzogener Abgaben ausgehen konnte, nicht ankommt. Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren über die Verjährung hinaus stehen gemäß § 209a Abs. 1 BAO einer Berufungsentscheidung nicht im Wege. Dies gilt auch für die absolute Verjährung (vgl. mit weiteren Nachweisen das hg. Erkenntnis vom 22. März 2010, 2010/15/0033).

Der in der Beschwerde angesprochene Art. 6 EMRK betrifft neben strafrechtlichen Anklagen "civil rights" und erstreckt sich daher nicht auf an den Staat zu entrichtende Abgaben. Schon deshalb liegt im Beschwerdefall - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - keine Verletzung des Art. 6 EMRK vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2008, 2006/15/0158).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. April 2011

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