VwGH 2010/15/0149

VwGH2010/15/014927.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Ing. B, vertreten durch die Prodinger Hoffmann & Partner Steuerberatung GmbH & Co KG in 5020 Salzburg, Innsbrucker Bundesstraße 83a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 5. Juli 2010, RV/0056-L/03, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §308 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer betrieb ein Einzelunternehmen. Sein steuerlicher Vertreter war Werner T.

Nach einer Lohnsteuerprüfung erließ das Finanzamt am 19. September 2002 gegenüber dem Beschwerdeführer einen Bescheid betreffend Haftung für Lohnsteuer gemäß § 82 EStG. Der Bescheid wurde dem steuerlichen Vertreter Werner T. zugestellt.

Mit Eingabe vom 24. Oktober 2002 beantragte Werner T. für den Beschwerdeführer die Verlängerung der Frist für die Berufung gegen den am 25. September 2002 zugestellten Haftungsbescheid bis zum 15. November 2002, wobei er anführte, im Falle der Genehmigung der Fristverlängerung auf eine gesonderte Verständigung zu verzichten. Weiters wurde in Bezug auf die Nachforderung der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt.

Eine bescheidmäßige Erledigung des Fristverlängerungsansuchens ist nicht erfolgt. Den Aussetzungsantrag wies das Finanzamt am 31. Oktober 2002 ab.

Mit Schreiben vom 25. November 2002 teilte die H. Wirtschaftstreuhand GmbH dem Finanzamt mit, dass sie die Vertretung des Beschwerdeführers übernommen habe, und beantragte die Verlängerung der Frist für die Berufung gegen den Lohnsteuer-Haftungsbescheid bis 15. Dezember 2002.

Das Finanzamt gab diesem Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist mit Bescheid vom 3. Dezember 2002 keine Folge, weil er nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Die Rechtsmittelfrist sei mit Wirkung 15. November 2002 abgelaufen, der Lohnsteuer-Haftungsbescheid sei somit mit diesem Tag in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2002 beantragte die H. Wirtschaftstreuhand GmbH (für den Beschwerdeführer) hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO. Ein Geschäftsführer der H.

Wirtschaftstreuhand GmbH führte in dieser Eingabe aus:

"Im Oktober dieses Jahres habe ich über Empfehlung eines meiner Klienten Kontakt mit (dem Beschwerdeführer) bekommen, einige informative Gespräche geführt und haben uns darauf geeinigt, dass wir nach einer gewissen Übergangsfrist die Betreuung des Unternehmens übertragen bekommen sollten.

Bevollmächtigter Vertreter der Unternehmen Einzelfirma (des Beschwerdeführers) und der (A.) GmbH war zu diesem Zeitpunkt Herr Werner (T.)

Dieser war auch in sämtlichen Angelegenheiten betreffend die Lohnsteuerprüfung involviert und hat sämtliche Besprechungen beim Finanzamt (…) begleitet.

Aufgrund geplanter Umgründungsmaßnahmen und eines zeitlichen Engpasses bei Herrn (T.) wurde unsere Kanzlei mit Erstellung des Jahresabschlusses der Einzelfirma zum 31.12.2001 beauftragt. Bei Erstellung des Jahresabschlusses wurden gelegentlich die offenen Fragen der Lohnsteuerprüfung erörtert und übereinstimmend festgehalten, dass Herr Werner (T.) diese Angelegenheit - die auch in seine Verantwortung fällt - weiter betreut.

Die Kanzlei (T.) hat zu diesem Zeitpunkt die gesamte Lohnverrechnung der Unternehmungen betreut und hat diese auch erst Ende November- aus eigenen Stücken abgegeben.

In einer persönlichen Besprechung in der Kanzlei von Herrn WT (T.) vom 31.10.2002 wurden (der Beschwerdeführer) und ich über die Tragweite der Steuerbescheide informiert. Herr (T.) hat erst am Tag zuvor die Steuerbescheide per Fax an das Unternehmen (des Beschwerdeführers) weitergeleitet. Zweck der Besprechung (…) war die weitere Betreuung dieser Lohnsteuerprüfung. Herr (T.) teilte mir mündlich mit, dass er einen Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist gestellt hätte. Zum Abschluss des Gespräches bat Herr (T.) um Bedenkzeit, ob er die Berufung weiter betreuen wolle oder nicht.

Ich selbst habe Herrn (T.) am 5.11.2002 einen Brief geschrieben und ihn nochmals persönlich ersucht, das Rechtsmittel weiter zu betreuen und die Angelegenheit der Lohnsteuerprüfung selbst zu Ende zu bringen.

Herr (T.) teilte mir bei einem folgenden Telefongespräch mit, dass er ein Schreiben des Finanzamtes erhalten hätte und die Frist für eine allfällige Berufung bis zum 9.12.2002 verlängert wäre. Ich habe diesen Termin in Vormerk genommen.

Aus Sicherheitsgründen wurde meinerseits am 25.11.2002 ein Fristverlängerungsansuchen eingebracht, weil mir klar war, dass aufgrund tiefgehender Recherchen im Unternehmen eine Einhaltung der Frist bis 9.12.2002 relativ schwierig sein könnte. (…)

Zusätzlich musste ich noch feststellen, dass sich Herr Kollege (T.) aufgrund einer persönlichen Enttäuschung über die Beendigung der Zusammenarbeit (…) wenig kooperativ zeigte und mir weder Unterlagen über Besprechungen, schriftliche Stellungnahmen oder Aktenvermerke über die Verhandlungen beim Finanzamt zur Verfügung stellte.

Weiters besteht zwischen dem Unternehmen meines Klienten und Herrn (T.) noch Uneinigkeit über eine 'finale' Honorarnote, deren Höhe etwas überraschend für meinen Klienten war.

Erst durch die Zurückweisung eines Antrages auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist vom 3.12.2002 wurde ich auf den Terminverlust aufmerksam gemacht. Insgesamt also ein für mich völlig unvorhersehbares Ereignis, da ich mich in der teilweisen Übernahme der steuerlichen Vertretung befand, den Termin in unserem System vorgemerkt hatte und noch nicht informiert war, dass Herr (T.) die Vertretung zurückgelegt hatte.

Unabhängig von dieser Zurücklegung der Vertretung wurde die laufende Lohnverrechnung weiter von Herrn (T.) durchgeführt. Trotz der unklaren Situation zum Zeitpunkt der Übergabe waren wir vollkommen davon überzeugt, alle nötigen Schritte rechtzeitig getroffen zu haben.

Insgesamt und zusammenfassend muss man zugeben, dass im Zuge des Wechsels des Vollmachtverhältnisses und der mehr als rudimentären Übergabe der Unterlagen ein Versehen passiert ist, das sicherlich eine leichte Fahrlässigkeit darstellt. Wir haben einen uns mitgeteilten Termin vorgemerkt, durch einen bedauerlichen Irrtum in der mündlichen Mitteilung war es jedoch der Zahlungstermin und nicht der Termin des Endes der Rechtsmittelfrist.

Gleichzeitig hat sich (der Beschwerdeführer) zu diesem Zeitraum auf einer Geschäftsreise in Japan befunden und wäre auch aus diesem Grund nicht als Ansprechpartner zur Verfügung gestanden.

Als Parteienvertreter sind wir uns selbstverständlich der Verpflichtung bewusst, für eine ordnungsgemäße Vormerkung von Terminen zu sorgen.

Es werden daher sämtliche berufungsrelevante Termine zentral und elektronisch verwaltet, weshalb es zu keinerlei Terminversäumnissen mehr kommen kann. Auch durch die Tatsache, dass wir mehrere vertretungsbefugte Steuerberater in unserer Kanzlei haben, fallen Probleme wie Krankheit, Urlaub oder sonstige im Wesentlichen unvorhergesehene Ereignisse von vornherein weg.

Gleichzeitig sind wir davon ausgegangen, dass Herr (T.) diese Angelegenheit weiter betreuen wird und es auch in seinem Interesse sein würde, die Richtigkeit der von ihm durchgeführten Lohnverrechnungstätigkeit bestätigt zu bekommen. Es ist auch mir unverständlich, wie ein am 25.9.2002 an den bevollmächtigten Vertreter zugestellter Haftungs- und Abgabenbescheid gänzlich ignoriert und nicht an den Klienten weitergeleitet werden konnte. Diese Vorgangsweise lässt lediglich darauf schließen, dass Herr (T.) die Höhe der Nachforderung selbst überrascht und betroffen hat. Auch lässt sich - wie in solchen Verfahren üblich - ein Verschulden des Abgabenvertreters in dieser Angelegenheit nicht gänzlich ausschließen. Selbst zum Zeitpunkt der Antragstellung der Rechtsmittelverlängerung war mein Klient noch nicht über das Vorliegen eines Bescheides informiert.

Es haben somit zahlreiche unglückliche und menschlich bedauerliche Umstände zusammengespielt, die zu dieser Fristversäumnis geführt haben. Keineswegs liegt jedoch ein grobes Verschulden, eine Sorglosigkeit oder ein grober Mangel in unserer Kanzleiorganisation vor. Würde jedoch aufgrund dieses vergleichsweise geringen Versäumnisses ein wesentlicher Rechtsnachteil für meinen Klienten entstehen, so kann dies keineswegs im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Wahrung der Rechte von Abgabepflichtigen liegen, weshalb ich nochmals eindringlich um eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersuche.

Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass wir eine uns mitgeteilte Frist ordnungsgemäß eingetragen und verwaltet haben. Rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist haben wir einen Antrag auf Rechtsmittelverlängerung gestellt - weil wir der Ansicht waren, dass wir noch einige Tage länger für die Erstellung der Gutachten hinsichtlich der Berufung brauchen würden. Dieses Gutachten wurde am 4.12.2002 fertig gestellt und liegt der Berufung bei. Die Fristversäumnis wegen des Vormerkes einer Zahlungsfrist anstelle einer Rechtsmittelfrist betrug nur wenige Tage und hat einen enormen Rechtsnachteil für unseren Klienten. Das Ereignis war somit aus unserer Sicht völlig unvorhersehbar.

Die obigen Angaben erkläre ich an Eidesstatt."

Diesem Schreiben war ein Auszug aus dem "Outlook" Terminkalender der steuerlichen Vertreterin vom Dezember 2002 beigelegt, in dem für den 9. Dezember 2002 das Ende der Rechtsmittelfrist eingetragen ist.

Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde die Berufung nachgeholt.

Mit Bescheid vom 16. Jänner 2003 wies das Finanzamt das Ansuchen um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Das Übersehen einer Frist sei nicht als unabwendbares Ereignis anzusehen.

Mit weiterem Bescheid vom 16. Jänner 2003 wurde die Berufung gegen den Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer als verspätet zurückgewiesen.

Gegen den Bescheid betreffend die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wurde Berufung erhoben. Die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers führte darin durch einen ihrer Geschäftsführer aus:

"Da das Finanzamt sich offensichtlich mit dieser Angelegenheit nicht auseinandersetzen wollte, nochmals die Chronologie der Ereignisse:

17.07.2002:

Erster telefonischer Kontakt und kurzer persönlicher Besuch (des Beschwerdeführers) in unserer Kanzlei. Hauptgesprächsthema war eine geplante Umgründungsmaßnahme (Einbringung der Einzelfirma in eine GmbH).

27.08.2002:

(Der Beschwerdeführer) erteilt uns die Vollmacht zu seiner steuerlichen Vertretung (…). In der Folge werden die Arbeiten am Jahresabschluss 2001 begonnen.

Parallel dazu wird die Lohnverrechnung jedoch weiter vom

Steuerberatungsbüro (T. …) durchgeführt.

31.10.2002:

Gespräch mit StB (T. …).

Gesprächsthema ist die weitere Betreuung der Lohnsteuerprüfung und des Berufungsverfahrens durch die Kanzlei (T.). Herr (T.) wird dringlich ersucht, die Berufung beim Finanzamt (…) weiter zu betreuen und auch die Lohnverrechnung weiterhin durchzuführen.

5.11.2002:

Von unserer Kanzlei wird ein Schreiben an Herrn Kollegen (T.) versendet, in dem nochmals auf die Sinnhaftigkeit der Fortführung der Tätigkeit des Herrn (T.) in der Angelegenheit der von ihm zu vertretenden Lohnsteuerprüfung und dem diesbezüglichen Berufungsverfahren hingewiesen wird.

7.11.2002:

Schreiben von StB Werner (T.) an das Finanzamt (…)-

Zurücklegung der Steuervollmacht.

8.11.2002:

Telefonat mit StB Werner (T.) in dem er mich informiert, dass er die Angelegenheit der Lohnsteuerprüfung nicht weiter betreuen will, gleichzeitig jedoch die Lohnverrechnung bis zum Ende des Jahres 2002 weiterhin durchführt, um die Probleme bei einem unterjährigen Wechsel zu vermeiden. Er macht dies jedoch von der Bezahlung einer Honorarnote abhängig, deren Inhalt und Höhe noch zwischen (dem Beschwerdeführer) und ihm abzuklären sind. Weiters teilte er mir mit, dass er eine Rechtsmittelfristverlängerung eingebracht hatte.

Da mich das Telefonat außerhalb meiner Kanzlei - während einer Schlussbesprechung im Finanzamt (…) erreicht - ersuchte ich Herrn (T.), den Termin telefonisch an meine Kanzlei weiterzuleiten. Der Termin wird in unserem elektronischen Terminkalender eingetragen.

In der Folge werden im Unternehmen (des Beschwerdeführers) die Gutachten hinsichtlich der Ansprüche der Dienstnehmer für Diensterfindungen erstellt. Es handelt sich dabei um eine relativ komplizierte Rechtsmaterie, die nicht von unserer Kanzlei, sondern vom Unternehmen selbst bearbeitet wird.

Auf mein Befragen an den Sachbearbeiter im Unternehmen, Herrn Dr. (W.), ob der Termin 09.12.2002 eingehalten werden kann, wird mit bekanntgegeben, dass dieser Termin nur schwer einzuhalten sein wird.

27.11.2002:

Antrag auf Rechtsmittelverlängerung von unserer Kanzlei an das Finanzamt (…). Um etwaige Probleme bei der Fertigstellung der Gutachten von vornherein auszuschließen, wird - aus unserer Sicht rechtzeitig - ein Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist an das Finanzamt (…) gestellt.

3.12.2002:

Zurückweisung meines Antrages auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist wegen Terminverlustes.

Bei den folgenden Recherchen hat sich herausgestellt, dass der mir genannte Termin 9.12.2002 der Termin für die Bezahlung der Lohnabgaben aus der Betriebsprüfung war.

Der § 308ff BAO räumt unter gewissen Umständen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. (…)

Im speziellen Fall wurde der Termin von einer unserer Kanzleimitarbeiterinnen, Frau (Alexandra S.), in den Terminkalender eingetragen. Nicht nur, dass Frau (S.) als äußerst gewissenhaft und zuverlässig gilt, verfügt sie auch über entsprechende Kenntnisse und eine berufsbegleitende Ausbildung, in der sie unter anderem am 05.04.2001 ihr Diplom als WT-Kanzleiassistentin erworben hat. Zum Lehrprogramm gehörte u. a. auch die Kanzleiorganisation sowie das Sekretariatsmanagement und die Kommunikation mit Finanzamt und Behörden. Das Verwalten von Fristen und deren Bedeutung zählt somit zum Kenntnisbereich unserer Mitarbeiterin.

Dass sie nunmehr die ihr genannte Frist zwar richtig in den Terminvormerk genommen hat, dies jedoch die Zahlungsfrist und nicht die Rechtsmittelfrist war, dürfte sicherlich ein Verschulden sein, das äußerstenfalls einen minderen Grad des Versehens darstellt. Dies insofern, als üblicherweise auch die Zahlungsfristen identisch mit den Rechtsmittelfristen sind. (…)

Zusammenfassend wird festgehalten, dass es sich beim gegenständlichen Fall einerseits um eine unglückliche Verkettung von Umständen handelt und andererseits von einer bekannt zuverlässigen Mitarbeiterin ein Termin falsch in Vormerk genommen wurde und daher eine rechtzeitige Verlängerung der Rechtsmittelfrist verabsäumt wurde.

Als weiterer atypischer Sachverhalt kam die Tatsache dazu, dass die Basis des Rechtsmittels zur Gänze im Unternehmen selbst bearbeitet wurde. In unserer Kanzlei war daher niemand mit dem Fall befasst, sodass keine Unterlagen angefordert und eingesehen wurden. Es war mit dem Sachbearbeiter unseres Klienten vereinbart, dass erst nach Fertigstellung der notwendigen Gutachten über die gesetzlichen Ansprüche für Diensterfindungen von unserer Kanzlei ein Rechtsmittel - gleichsam als Mantel zum Gutachten - erstellt wird.

Ich stelle daher nochmals den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil einerseits nur ein minderer Grad des Versehens vorliegt, andererseits jedoch daraus ein wesentlicher Rechtsnachteil für unseren Klienten entstehen könne. (…)"

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Die Hemmung des Laufes der Berufungsfrist beginne mit dem Tag der Einbringung des Antrages und ende mit dem Tag, an dem die Entscheidung über den Antrag dem Antragsteller zugestellt werde. In den Fällen des § 245 Abs. 3 BAO könne jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt worden sei, ablaufe (§ 245 Abs. 4 BAO).

Eine bescheidmäßige Erledigung des vom seinerzeitigen steuerlichen Vertreter Werner T. eingebrachten Fristverlängerungsansuchens vom 24. Oktober 2002 sei nicht erfolgt. Nach der Bestimmung des § 245 Abs. 4 BAO könne die mit diesem Antrag verbundene Hemmung der Berufungsfrist jedoch nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem ihre Verlängerung beantragt worden sei, ablaufe.

Werde daher - wie im gegenständlichen Fall - innerhalb offener Berufungsfrist eine Fristverlängerung bis 15. November 2002 beantragt, über diesen Antrag jedoch nicht entschieden, so laufe die Berufungsfrist, wenn kein weiteres Fristverlängerungsansuchen mehr gestellt werde, dennoch spätestens am 15. November 2002 ab.

Das Verschulden des Vertreters sei dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten. Hingegen sei ein Verschulden von Kanzleiangestellten berufsmäßiger Parteienvertreter nicht schädlich. Maßgebend sei diesfalls, ob den Parteienvertreter ein (den minderen Grad des Versehens übersteigendes) Verschulden treffe.

Für die richtige Beachtung einer Rechtsmittel- oder Beschwerdefrist sei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich immer der Parteienvertreter selbst verantwortlich, der die Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Angestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen habe. Werde in einer Kanzlei eines Parteienvertreters die sofortige Überprüfung von Fristen und Terminen eingelangter Schriftstücke von einer - wenn auch verlässlichen und umsichtigen -

Kanzleiangestellten vorgenommen, dann entspreche dies nicht der in der Judikatur geforderten Vorgangsweise eines Parteienvertreters und erlaube es nicht mehr, auf Seiten des Parteienvertreters nur einen minderen Grad des Versehens anzunehmen. Ein Parteienvertreter, der sich aus welchen Gründen immer völlig auf die Richtigkeit der Fristvormerkungen von Angestellten verlasse, tue dies auf die Gefahr, dass das als ein die Wiedereinsetzung ausschließendes und der von ihm vertretenen Partei zuzurechnendes Verschulden qualifiziert werde. Wenn der Parteienvertreter die Beschwerdefrist damit nicht selbst kalendermäßig konkret bestimme, sondern diese Bestimmung seiner Kanzleiangestellten überlasse, so obliege es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren.

Im gegenständlichen Fall habe ein Wechsel des steuerlichen Vertreters stattgefunden, bei dem die neue Vertreterin die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid vom 19. September 2002 übernommen habe. In einem solchen Fall gingen die oben dargestellten Sorgfaltsanforderungen, die für die Sicherstellung einer zeitgerechten Einbringung eines Rechtsmittels unabdingbar seien, auf die neue Vertreterin über. Diese habe daher zuerst selbst und eigenverantwortlich den Beginn und das Ende der Berufungsfrist zu ermitteln. Dazu müsse sich die neue Vertreterin nicht nur die Steuerbescheide vom vormaligen Vertreter bzw. der Partei beschaffen, sondern auch den Zeitpunkt der Zustellung derselben feststellen, um das Ende der Rechtsmittelfrist ermitteln zu können. Wenn der zuvor beauftragt gewesene Vertreter bereits einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt habe, sei auch in diesen Einsicht zu nehmen bzw. dessen Übergabe zu verlangen oder zumindest eine Kopie desselben anzufertigen, um sicher feststellen zu können, bis zu welchem Termin tatsächlich um Fristerstreckung ersucht worden sei. Ferner sei festzustellen, ob und in welcher Weise dieses Ansuchen vom Finanzamt bereits erledigt worden sei, weil sich danach der Lauf und das Ende der Berufungsfrist bestimmten bzw. nur so eruiert werden könne, bis zu welchem Zeitpunkt ein allenfalls erforderlich werdendes weiteres Fristverlängerungsansuchen spätestens gestellt werden müsse.

All diese im Behördenverkehr und für die Einhaltung einer Rechtsmittelfrist erforderlichen und einem rechtskundigen Parteienvertreter zumutbaren Sorgfaltsanforderungen seien im gegenständlichen Fall außer Acht gelassen worden. Am 8. November 2002 habe der damalige steuerliche Vertreter die nunmehrige Vertreterin telefonisch informiert, dass er die Angelegenheit der Lohnsteuerprüfung nicht weiter betreuen wolle. Weiters habe er mitgeteilt, dass er ein Rechtsmittelfristverlängerungsansuchen eingebracht habe. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die nunmehrige Vertreterin selbst die erwähnten Maßnahmen zur Bestimmung der Rechtsmittelfrist setzen müssen. Der Umstand, dass sie sich insofern ohne jede nähere Überprüfung allein auf eine telefonische Mitteilung des vormaligen Steuerberaters verlassen habe, stelle ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar.

In diesem Zusammenhang sei auch aus dem Hinweis auf die nur "rudimentäre Übergabe der Unterlagen" durch den vormaligen Vertreter nichts zu gewinnen. In diesem Fall wäre die nunmehrige Vertreterin zu einer Akteneinsicht beim Finanzamt verhalten gewesen, zu der sie als steuerliche Vertreterin des Berufungswerbers bereits seit 27. August 2002 bevollmächtigt gewesen sei, um den Zeitpunkt der Zustellung des Haftungsbescheides, den Inhalt des von ihrem Vorgänger eingebrachten Fristverlängerungsansuchens sowie dessen Erledigung und damit das Ende der Berufungsfrist feststellen zu können.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 BAO) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

In der Beschwerde wird das Verwaltungsverfahren ausführlich dargestellt und vorgebracht, erst am 8. November 2002 habe Steuerberater Werner T. in einem Telefonat mitgeteilt, dass er die Angelegenheit Lohnsteuerprüfung nicht mehr weiter betreuen wolle und dass er die Verlängerung der Berufungsfrist bis 9. Dezember 2002 beantragt habe. Für die neue Vertreterin des Beschwerdeführers habe zu diesem Zeitpunkt kein Grund bestanden, daran zu zweifeln, dass dieser Termin nicht der tatsächlich von Steuerberater Werner T. beantragte gewesen sei. Dieses Telefonat mit Werner T. habe der Geschäftsführer der neuen steuerlichen Vertreterin nicht in der Kanzlei geführt, weshalb Werner T. ersucht worden sei, den Termin telefonisch in die Kanzlei weiterzuleiten. Der Termin sei entsprechend im elektronischen Terminkalender der neuen Vertreterin eingetragen worden. Da der von Steuerberater Werner T. telefonisch mitgeteilte mit dem im Terminkalender eingetragenen übereingestimmt habe, sei der Geschäftsführer der neuen steuerlichen Vertreterin davon ausgegangen, dass es sich um den richtigen, von Steuerberater Werner T. mitgeteilten Termin gehandelt habe. Da kein Grund bestanden habe, an der von Werner T. mitgeteilten Frist zu zweifeln, habe es auch keinen Grund gegeben, diese Frist weiter zu überprüfen. Es liege somit keine auffallende Sorglosigkeit vor, sondern bloß leichte Fahrlässigkeit, sodass die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gegeben gewesen seien.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan.

Handlungen und insbesondere ein Verschulden des Vertreters sind dem Vertretenen zuzurechnen (vgl. etwa die bei Ritz, BAO3, § 308 Tz 17, zitierte hg. Rechtsprechung).

Im gegenständlichen Fall ist die Versäumung der Berufungsfrist zunächst darauf zurückzuführen, dass es der erste Vertreter des Beschwerdeführers, Werner T., bei Zurücklegung der Vollmacht mit 7. November 2002 unterlassen hat, dem Beschwerdeführer (bzw. dessen neuer Vertreterin) mitzuteilen, bis zu welchem Zeitpunkt er im Namen des Beschwerdeführers die Verlängerung der Berufungsfrist beantragt hat, und dass er - so das Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers - anlässlich des Telefongesprächs am 8. November 2002 mit einem Geschäftsführer der neuen Vertreterin und anlässlich des anschließenden Telefongespräches mit der Kanzlei der neuen Vertreterin ein unrichtiges Datum (nämlich den 9. Dezember 2002) als jenes genannt hat, bis zu welchem die Verlängerung der Berufungsfrist beantragt worden sei. Eine solche Vorgangsweise des Vertreters des Beschwerdeführers schafft eine Gefahrenlage für die Versäumung der Berufungsfrist und ist (aus der Sicht des Vertreters) daher nicht unvorhersehbar iSd § 308 Abs. 1 BAO. Sie ist auch nicht unabwendbar.

Die Versäumung der Frist ist weiters darauf zurückzuführen, dass sich die neue Vertreterin des Beschwerdeführers mit einer telefonischen Information über den Zeitpunkt, bis zu welchem die Verlängerung der Berufungsfrist beantragt wurde, begnügte. Die Informationsübermittlung durch Telefongespräche ist gekennzeichnet durch die offenkundige Gefahr des Auftretens von Hörfehlern und Missverständnissen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, 99/03/0029) sowie durch einen Mangel an Nachweisbarkeit. Zu Recht ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass ein berufsmäßiger Parteienvertreter, der sich mit der telefonischen Information von Seiten des vormaligen Parteienvertreters über den Lauf einer Berufungsfrist begnügt, die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999). Die Beschwerde zeigt sohin nicht auf, dass die belangte Behörde zu Unrecht vom Vorliegen eines über einen minderen Grad des Versehens hinausgehenden Verschuldens ausgegangen ist und die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 308 BAO als nicht gegeben angesehen hat.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 2011

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