VwGH 2010/04/0141

VwGH2010/04/014122.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 2. November 2010, Zl. 205-G1/1794/2-2010, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
VwRallg;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer im Instanzenzug die Gewerbeberechtigung lautend auf "Handelsgewerbe" an einem näher bezeichneten Standort in Y gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 iVm § 13 Abs. 1 GewO 1994 entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Strafregister scheine folgende Verurteilung des Beschwerdeführers auf:

"LG SALZBURG 37 HV 23/2006V VOM 04.04.2006 RK 16.08.2006 PAR 83/1 84 ABS 1 U 2/2 STGB

FREIHEITSSTRAFE 9 MONATE, DAVON FREIHEITSSTRAFE 7 MONATE, BEDINGT, PROBEZEIT 3 JAHRE"

Diese Verurteilung stelle einen Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 dar.

Dass der Vorfall, der zur vorliegenden Verurteilung geführt habe, fünf Jahre zurückliege, sei gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 lit. b GewO 1994 nicht erheblich, solange die Verurteilung nicht gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 getilgt sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Die analoge Anwendung einer Dreijahresfrist zu einer anderen Bestimmung der GewO 1994 entbehre jeglicher gesetzlicher Grundlage.

Die gegenständliche Verurteilung und eine Vorstrafe bezögen sich beide auf schwere Körperverletzungen und ließen einen Rückschluss auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers zu. Im Beschwerdefall sei gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 nach der Eigenart der strafbaren Handlungen und der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes tatsächlich zu befürchten, da beim Handelsgewerbe, z.B. im Rahmen von Preisverhandlungen, im Umgang mit unliebsamen Kunden oder Mitarbeitern immer wieder Situationen entstehen könnten, in der Streit bis zur Körperverletzung eskaliere.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 lit. b und Z. 2 GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen von einem Gericht verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

2. Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer unstrittig wegen einer "sonstigen strafbaren Handlung" (schwere Körperverletzung nach § 84 StGB) zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Verurteilung nicht getilgt ist. Somit liegt der Ausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 lit. b und Z. 2 GewO 1994 vor.

3. Die Beschwerde bestreitet diesen Ausschlussgrund auch nicht, sondern wendet sich erkennbar alleine gegen die Prognose der belangten Behörde gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, es sei nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten. Sie bringt dabei unter anderem vor, der urteilsgegenständliche Vorfall liege bereits fünf Jahre und die Verurteilung selbst vier Jahre zurück, was zu berücksichtigen wäre. Die belangte Behörde habe die notwendige Wertung hinsichtlich der Persönlichkeit des Beschwerdeführers nicht vorgenommen, und alleine der Umstand, dass zwei Verurteilungen wegen Körperverletzungen vorlägen, lasse keinen Rückschluss auf die Eigenart und Persönlichkeit des Verurteilten zu.

4. Damit zeigt die Beschwerde eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Für den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist es erforderlich, dass die Gewerbebehörde auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit eine begründete und nachvollziehbare Prognose über das zukünftige Verhalten einer Person anzustellen hat (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung - Kommentar2 (2003), 744, Rz. 9 zu § 87). Die Prognose nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 (ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist) setzt daher die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der (den Ausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden) Verurteilung konkret zu Grunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. September 2008, Zl. 2008/04/0121).

Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde lediglich auf den wiedergegebenen Auszug aus dem Strafregister gestützt und keine Feststellungen zu den der herangezogenen Verurteilung konkret zu Grunde liegenden Tathandlungen einschließlich des Tatzeitpunktes (von dem bei der Beurteilung eines nachfolgenden Zeitraumes des Wohlverhaltens auszugehen ist) und der konkreten Tatumstände getroffen. Auf Grund des Fehlens dieser Feststellungen liegt eine begründete und nachvollziehbare Prognose nicht vor.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese vom pauschalierten Schriftsatzaufwand nach der angeführten Verordnung bereits umfasst ist.

Wien, am 22. Juni 2011

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