Normen
AsylG 1997 §25 Abs1;
AsylG 1997 §25 Abs2;
AsylG 2005 §23 Abs6;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2011:2008231027.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine georgische Staatsangehörige, reiste am 23. März 2002 in Österreich ein und beantragte am 27. März 2002 unter Angabe des Namens "C C" und des Geburtsdatums "16. April 1986" die Gewährung von Asyl. Ihren Asylantrag begründete sie damit, dass ihr Vater, ein KGB-Mitarbeiter, verfolgt werde und sie gemeinsam mit ihrem Bruder auf sein Geheiß Georgien verlassen habe.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Mai 2002 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Dieser Bescheid wurde der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als örtlich zuständigem Jugendwohlfahrtsträger zugestellt.
Der Jugendwohlfahrtsträger erhob dagegen namens der Beschwerdeführerin Berufung.
Mit Schriftsatz vom 9. August 2007 stellte die Beschwerdeführerin unter Vorlage ihres Personalausweises und Studentenausweises ihren Namen (C C) und ihr Geburtsdatum (16. April 1980) richtig; ferner erstattete sie ein geändertes Fluchtvorbringen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung die Berufung gemäß "§§ 7, 8 Abs. 1 AsylG" ab. Begründend führte sie - soweit hier relevant - aus, die Beschwerdeführerin trage den Namen C C und sei am 16. April 1980 geboren. Die Feststellungen zu ihrer Identität und ihrem Geburtsdatum ergäben sich aus den von ihr vorgelegten Originaldokumenten. Dem Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin wurde aus näher dargestellten Gründen kein Glauben geschenkt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung kann sich eine Berufung nur gegen einen Bescheid richten. Ist der erstinstanzliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, hat dies den Mangel der Zuständigkeit der Behörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel des Berufungswerbers zur Folge. Die Zuständigkeit der Berufungsbehörde reicht in derartigen Fällen nur soweit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (siehe die Nachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 13, 18 zu § 63 AVG).
Gemäß § 25 Abs. 1 AsylG sind volljährige Fremde in Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig. Gemäß § 25 Abs. 2 AsylG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) sind mündige Minderjährige, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, berechtigt, Anträge zu stellen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung des Verfahrens der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger.
Nach der insoweit unstrittigen Aktenlage war die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Asylantragstellung bereits volljährig. Auch die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von dieser Sachlage aus. Demnoch hätte die volljährige Beschwerdeführerin als Empfängerin bezeichnet und der Bescheid an sie persönlich zugestellt werden müssen, zumal § 23 Abs. 6 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (wonach eine Zustellung, die aufgrund der Angaben des Asylwerbers zu seinem Alter an einen Rechtsberater oder den Jugendwohlfahrtsträger ergeht, auch wirksam ist, wenn der Asylwerber zum Zeitpunkt der Zustellung volljährig ist) auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden war.
Der Jugendwohlfahrtsträger ist nach der Aktenlage, ohne zur Vertretung der volljährigen Beschwerdeführerin berufen gewesen zu sein, für sie als Vertreter eingeschritten. Die Berufung ist daher dem Jugendwohlfahrtsträger zuzurechnen und als von ihm im eigenen Namen eingebracht zu behandeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 2009, Zl. 2008/23/0764).
Aus dem Gesagten ergibt sich einerseits, dass der erstinstanzliche Bescheid bis dato nicht rechtswirksam erlassen wurde und somit kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für die mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesene Berufung vorlag, andererseits, dass der Jugendwohlfahrtsträger im vorliegenden Verfahren mangels Parteistellung keine Rechtsmittellegitimation hatte. Die Berufung wäre daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 27. April 2011
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