VwGH 2008/02/0072

VwGH2008/02/007229.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerden des 1. H W (geboren am 14. März 1935), 2. M W (geboren am 22. Oktober 1968), und der

3. W GmbH, alle in W, alle vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 30, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1.) 23. August 2007, Zl. UVS-07/S/4/3470/2007-8, UVS- 07/SV/4/3632/2007, 2.) 4. September 2007, Zl. UVS-07/S/4/3476/2007- 8, UVS-07/SV/4/3631/2007, betreffend Übertretungen des BauKG, zu Recht erkannt:

Normen

BauKG 1999 §2 Abs4;
BauKG 1999 §2 Abs5;
BauKG 1999 §2 Abs6;
BauKG 1999 §2 Abs7;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
BauKG 1999 §2 Abs4;
BauKG 1999 §2 Abs5;
BauKG 1999 §2 Abs6;
BauKG 1999 §2 Abs7;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der. Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde den Erst- und Zweitbeschwerdeführer für schuldig erkannt, sie hätten es als handelsrechtliche Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufene der W GmbH zu verantworten, dass am 13. April 2005 der von dieser Gesellschaft als Planungskoordinator im Sinne des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG) erstellte und auf einer näher genannten Baustelle aufliegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan)

1. entgegen der Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z 3 BauKG für das Versetzen und Ausschalen der Tragwerksschalung keine Absturzsicherungsmaßnahme, die konkret anzuwenden sei, enthalte,

2. entgegen § 7 Abs. 3 Z 2 BauKG keine Auflistung aller für die einzelnen Baumaßnahmen in Aussicht genommenen Arbeiten unter Berücksichtigung ihres zeitlichen Ablaufes enthalte und

3. entgegen der Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z 7 BauKG nicht die Festlegung, wer für die Durchführung der im SiGe-Plan genannten Schutzmaßnahmen zuständig sei, enthalte.

Die Beschwerdeführer hätten jeweils die angeführte Bestimmung iVm § 4 Abs. 2 Z 2 BauKG übertreten, weshalb über sie drei von der belangten Behörde auf jeweils EUR 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafen 35 Stunden) herabgesetzte Geldstrafen verhängt wurden.

Zudem wurde gegenüber der W GmbH gemäß § 9 Abs. 7 VStG jeweils die Haftung für die verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten ausgesprochen.

In den - bis auf verfahrensspezifische Einzelheiten - gleichlautenden Begründungen der angefochtenen Bescheide gab die belangte Behörde den Gang der Verwaltungsstrafverfahrens wieder und stellte fest, dass mit Schlussbrief vom 10. bzw. 15. Dezember 1999 die W GmbH vom Bauherrn mit der Tätigkeit des Planungskoordinators gemäß BauKG hinsichtlich einer näher genannten Baustelle beauftragt worden sei. Mit Schreiben vom 17. April 2000 habe die W GmbH dem Bauherrn mitgeteilt, dass der Bestellung zum Planungskoordinator für diese Baustelle zugestimmt werde. Im Jahre 2002 sei von der W GmbH mit der Ausarbeitung des SiGe-Plans für die Baustelle begonnen worden, die Fertigstellung des Plans sei im März 2003 erfolgt. Der SiGe-Plan sei in der Fassung vom 19. März 2003 vom Bauherrn angenommen und auf der Baustelle zur Einsicht aufgelegt worden. Dieser Plan sei dem Arbeitsinspektor R bei seiner Kontrolle der Baustelle am 13. April 2005 vorgelegt worden. Zu dem von den Beschwerdeführern in der Berufung erhobenen Einwand der Verjährung führte die belangte Behörde aus, der Planungskoordinator sei für die Erstellung eines den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden SiGe-Plans verantwortlich. Der Baustellenkoordinator hingegen sei dafür zuständig, dass der bereits vom Planungskoordinator gesetzeskonform erstellte SiGe-Plan dem Baufortschritt bzw. allfälligen Änderungen entsprechend angepasst werde. Die Verantwortlichkeit des Planungskoordinators ende nur dann mit der Auftragsvergabe, wenn zu diesem Zeitpunkt vom Planungskoordinator ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechender SiGe-Plan vorgelegt worden sei. Den Baustellenkoordinator treffe bloß die Verpflichtung zur Anpassung des SiGe-Plans. Eine solche könne jedoch nur dann erfolgen, wenn bereits ein ordnungsgemäßer SiGe-Plan vorliege. Beim Planungskoordinator verbleibe dann die Verantwortlichkeit für die Ausarbeitung eines gesetzeskonformen SiGe-Plans auch nach Auftragsvergabe, wenn der SiGe-Plan zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe mangelhaft gewesen sei. Die Verjährungsfrist im Falle eines Unterlassungsdeliktes laufe ab dem Zeitpunkt, ab dem die Unterlassung beendet sei. Die Verjährung beginne daher solange nicht, als die Verpflichtung zum Handeln bestehe und die Handlung noch nachgeholt werden könne. Die Verpflichtung zur Ausarbeitung eines gesetzeskonformen SiGe-Plans sei auch nach der Auftragsvergabe beim Planungskoordinator gelegen und diese Verpflichtung habe zumindest bis zum Kontrollzeitpunkt am 13. April 2005 bestanden, weil zu diesem Zeitpunkt kein dem § 7 Abs. 3 BauKG entsprechender SiGe-Plan ausgearbeitet worden sei. Auch wenn der Tatzeitraum bereits lange davor begonnen habe, habe er zumindest bis zum 13. April 2005 gedauert, weshalb der vorgeworfene Tatzeitpunkt korrekt angelastet worden sei. Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21. Juni 2005, zugestellt am 22. Juni 2005, sei fristgerecht innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG eine Verfolgungshandlung gesetzt worden, weshalb keine Verfolgungsverjährung eingetreten sei.

Gegen diese Bescheide haben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Februar 2008, B 1967, 1968/07, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des BauKG, BGBl. I Nr. 37/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 159/2001 lauten wie folgt:

"§ 2.

(4) Vorbereitungsphase ist der Zeitraum vom Beginn der Planungsarbeiten bis zur Auftragsvergabe.

(5) Ausführungsphase ist der Zeitraum von der Auftragsvergabe bis zum Abschluß der Bauarbeiten.

(6) Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Vorbereitungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes (Planungskoordinator) ist eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, die vom Bauherrn oder Projektleiter mit der Durchführung der in § 4 genannten Aufgaben für die Vorbereitungsphase des Bauwerks betraut wird.

(7) Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Ausführungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes (Baustellenkoordinator) ist eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, die vom Bauherrn oder Projektleiter mit der Durchführung der in § 5 genannten Aufgaben für die Ausführungsphase des Bauwerks betraut wird…"

"§ 4.

(2) Der Planungskoordinator hat

2. einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan gemäß § 7 auszuarbeiten oder ausarbeiten zu lassen…"

"§ 5.

(3) Der Baustellenkoordinator hat

3. den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan und die Unterlage unter Berücksichtigung des Fortschritts der Arbeiten und eingetretener Änderungen anzupassen oder anpassen zu lassen, …"

"§ 7.

(4) Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ist in der Vorbereitungsphase zu erstellen.

(5) Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ist bei Fortschritt der Arbeiten oder bei eingetretenen Änderungen unverzüglich anzupassen, falls dies zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich ist. Vor der Anpassung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes sind nach Möglichkeit die Sicherheitsvertrauenspersonen der betroffenen Arbeitgeber anzuhören. Wenn Änderungen des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes auf Grund von Entscheidungen oder Anordnungen des Bauherrn oder Projektleiters erfolgen, so ist dies im Plan festzuhalten.

(6) Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ist in der Vorbereitungs- und in der Ausführungsphase zu berücksichtigen. …"

"§ 10. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 EUR bis 7 260 EUR, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 EUR bis 14 530 EUR zu bestrafen ist, begeht, wer

3. als Planungskoordinator seine Verpflichtungen nach § 4 Abs. 2 verletzt…."

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie in der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist.

Nach § 31 Abs. 2 leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Die belangte Behörde hat den Erst- und Zweitbeschwerdeführern in ihrer Eigenschaft als Planungskoodrinator vorgeworfen, im SiGe-Plan seien bestimmte gesetzlich vorgesehene Bestandteile nicht enthalten; die Anführung dieser Punkte sei unterlassen worden. Sie lastet den Beschwerdeführern demnach Unterlassungsdelikte an.

Besteht das Tatbild in einer Unterlassung, so läuft die Verjährung ab dem Zeitpunkt, ab dem die Unterlassung beendet ist. Die Verjährung beginnt daher so lange nicht, als die Verpflichtung zum Handeln besteht und die Handlung noch nachgeholt werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2010, Zl. 2008/07/0083, mwN).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist die von ihr im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, die Verpflichtung des Planungskoordinators zur Erstellung eines - dem Gesetz entsprechenden - SiGe-Planes bestehe über die Vorbereitungsphase hinaus, den maßgeblichen Bestimmungen des BauKG nicht zu entnehmen. Nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 6 BauKG ist der Planungskoordinator ausschließlich "für die Vorbereitungsphase im Sinne dieses Bundesgesetzes", der Baustellenkoordinator gemäß Abs. 7 leg. cit. für die Ausführungsphase bestellt. Nach § 2 Abs. 4 leg. cit. ist die Vorbereitungsphase der Zeitraum von Beginn der Planungsarbeiten bis zur Auftragsvergabe. Ausführungsphase ist nach § 2 Abs. 5 leg. cit. der Zeitraum von der Auftragsvergabe bis zum Abschluss der Bauarbeiten. Eine über die Vorbereitungsphase hinausgehende Verpflichtung des Planungskoordinators ist nicht zu sehen, sodass vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage die Verjährung mit dem Ende der Vorbereitungsphase bzw. dem Beginn der Ausführungsphase beginnt. Maßgeblicher Zeitpunkt ist demnach gemäß § 2 Abs. 4 und 5 BauKG jener der Auftragsvergabe.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Aktenlage bzw. der Beschwerdeergänzung als Zeitpunkt der Auftragsvergabe der 5. November 2003. Unter dieser Annahme läge die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 21. Juni 2005, zugestellt am 22. Juni 2005, als erste Verfolgungshandlung außerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist. Allerdings hat es die belangte Behörde verabsäumt, den Zeitpunkt der Auftragsvergabe festzustellen. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, sodass es sich erübrigt, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. Juni 2011

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