VwGH 2007/15/0155

VwGH2007/15/01557.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des A S in K, vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Prechtlgasse 9/14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 26. April 2007, Zl. RV/0063-K/07, betreffend Einkommensteuer für 1997 bis 1999, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §295a;
BAO §299 Abs1;
BAO §303 Abs4;
BudgetbegleitG 2009;
EStG §18 Abs1 Z2;
EStG §18;
EStG §19;
EStG §25 Abs1 Z3 lite;
BAO §295a;
BAO §299 Abs1;
BAO §303 Abs4;
BudgetbegleitG 2009;
EStG §18 Abs1 Z2;
EStG §18;
EStG §19;
EStG §25 Abs1 Z3 lite;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer entrichtete in den Jahren 1997 bis 1999 Beiträge für den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten gemäß § 227 Abs. 3 und 4 ASVG, die vom Finanzamt im Rahmen von Arbeitnehmerveranlagungen als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 erklärungskonform berücksichtigt wurden (Einkommensteuerbescheid 1997 vom 6. Juli 1998, Einkommensteuerbescheid 1998 vom 18. August 1999 und Einkommensteuerbescheid 1999 vom 24. Oktober 2000).

Im Jahr 2005 wurden die entrichteten Beiträge dem Beschwerdeführer teilweise rückerstattet, weil in Folge der Pensionsreform 2002/03 die angestrebte Leistungswirksamkeit der Ersatzzeiten nicht eingetreten war (§ 70b ASVG). Mit Schreiben vom 7. November 2005 brachte die Pensionsversicherungsanstalt dem Finanzamt den Umstand der Beitragserstattung zur Kenntnis.

Das Finanzamt erließ am 6. November 2006 gemäß § 295a BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 bis 1999, in welchen es nur mehr jene Beträge zum Abzug als Sonderausgaben zuließ, die vom Beschwerdeführer in den jeweiligen Jahren entrichtet und ihm nicht im Jahr 2005 wieder erstattet worden waren.

In seiner dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er die Beiträge in den Jahren 1997 bis 1999 tatsächlich iSd § 19 Abs. 1 EStG entrichtet habe, sodass Sonderausgaben insoweit zu Recht anerkannt worden seien. Die Beiträge seien erst im Jahr 2005 rückgezahlt worden und könnten daher auch erst in diesem Jahr - und zwar gemäß § 18 Abs. 5 EStG mit dem besonderen Steuersatz von 30% - nachversteuert werden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde setzte sich zunächst mit der Bestimmung des § 18 EStG 1988 auseinander und vertrat dazu unter Hinweis auf Literatur (insbesondere Taucher, Das Zufluss-Abfluss-Prinzip, S. 59) die Ansicht, dass der private Charakter derartiger Ausgaben es gebiete, nur jene Beträge zum Abzug zuzulassen, die den Steuerpflichtigen tatsächlich wirtschaftlich belasteten. Stünden den verausgabten Beträgen iSd § 18 EStG 1988 Rückerstattungen gegenüber, könne von einer wirtschaftlichen Belastung nicht mehr gesprochen werden. Mit der teilweisen Rückerstattung entrichteter Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung sei ein Tatbestandsmerkmal für den Sonderausgabenabzug mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen, weshalb die Voraussetzungen für eine Änderung der vom Sonderausgabenabzug betroffenen Bescheide gemäß § 295a BAO gegeben seien. Mit der Abänderung der Erstbescheide gemäß § 295a BAO werde den tatsächlich eingetretenen Umständen (Rückerstattung) für die entsprechenden Jahre Rechnung getragen und dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit gegeben. Dem stünde auch nicht die Bestimmung des § 18 Abs. 4 EStG 1988 entgegen, weil die Rückerstattung von Beiträgen anlässlich des Nachkaufs von Schul- und Studienzeiten unter keinen der dort genannten Nachversteuerungstatbestände fiele.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht verletzt erachtet, dass die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1997 bis 1999 nicht gemäß § 295a BAO abgeändert werden. Die rückerstatteten Beträge hätten nicht mit dem 50%-igen Steuersatz, sondern mit dem Steuersatz des § 18 Abs. 5 EStG von 30% versteuert werden dürfen.

Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 295a BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78 BAO) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder den Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, 2006/15/0085).

§ 295a BAO erfasst somit abgabenrelevante Sachverhalte, die nach Entstehung der Steuerschuld eintreten, jedoch Bestand und Umfang der Abgabenschuld an der Wurzel ihrer Entstehung berühren. Der abgabenrelevante Sachverhalt muss sich in die Vergangenheit in der Weise auswirken, dass anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes nunmehr ein veränderter Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde zu legen ist (vgl. mit weiteren Hinweisen nochmals das angeführte Erkenntnis vom 25. Juni 2008).

Die zeitliche Zuordnung von Sonderausgaben richtet sich grundsätzlich nach § 19 EStG 1988. Danach sind Sonderausgaben in dem Jahr abzuziehen, in dem sie gezahlt worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2000, 2000/13/0148). Für den Fall der Rückzahlung von Versicherungsprämien sieht § 18 Abs. 1 Z 2 letzter Satz EStG 1988 eine Sonderregelung dergestalt vor, dass die rückvergüteten Beträge die aus diesem Vertrag als Sonderausgaben absetzbaren Versicherungsprämien beginnend ab dem Jahr der Rückvergütung mindern.

Diese Bestimmung ist ebenso wie der besondere Nachversteuerungstatbestand des § 18 Abs. 4 EStG 1988 - anders als der Beschwerdeführer meint - schon deswegen nicht anzuwenden, weil gegenständlich kein Versicherungsvertrag vorliegt, welcher eine nachträgliche Änderung erfahren hätte.

"Negative Sonderausgaben" in Form einer einnahmenseitigen Erfassung von Rückerstattungen geleisteter Sonderausgaben im Jahr der Erstattung waren dem EStG bis zum Budgetbegleitgesetz 2009 fremd.

Erst mit dem Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I Nr. 52/2009, wurde ein eigener Einkunftstatbestand für Rückzahlungen von Beiträgen für freiwillige Weiterversicherungen einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung für den Fall geschaffen, dass diese Beiträge als Sonderausgaben gemäß § 18 EStG 1988 das Einkommen gemindert haben (vgl. § 25 Abs. 1 Z 3 lit. e, der mit Wirkung vom 18. Juni 2009 in das EStG 1988 eingefügt wurde und somit für den Beschwerdefall noch nicht anwendbar war).

Erhält der Steuerpflichtige die Sonderausgaben in einem späteren Veranlagungsjahr zurück, weil die Zahlung irrtümlich (ohne Rechtsgrund) erfolgt ist, dann hat bereits die Zahlung nicht die Voraussetzung der entsprechenden Sonderausgabe erfüllt; die Sonderausgabe wurde zu Unrecht geltend gemacht. Im Falle rechtskräftiger Veranlagung wird eine Änderung des insoweit unrichtigen Abgabenbescheides in der Regel nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 299 Abs. 1 oder § 303 Abs. 4 BAO erfolgen können.

Eine Bescheidänderung gemäß § 295a BAO wird im Falle einer irrtümlichen Leistung hingegen in der Regel nicht in Betracht kommen, weil die Abgabenbehörde bei Prüfung der Angaben des Steuerpflichtigen bereits bei der erstmaligen Abgabenfestsetzung eine entsprechende Richtigstellung hätte vornehmen können. Sind die Zahlungen aber bereits seinerzeit zu Unrecht als Sonderausgaben abgezogen worden, hätten sie also bei richtiger rechtlicher Beurteilung niemals als Sonderausgaben Berücksichtigung finden dürfen, so ist es ausgeschlossen, dass die Unmöglichkeit einer Absetzung dieser Zahlungen als Sonderausgabe erst die Folge der nach Ablauf der Veranlagungsjahre erfolgten Rückzahlungen ist. Die Rückzahlung der Beträge kann in einem solchen Fall nicht als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO qualifiziert werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 2008, 2006/15/0219, zur Sachverhaltskonstellation der irrtümlichen Leistung von Beiträgen zur freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten trotz Vorliegens eines Pflichtversicherungstatbestandes nach dem GSVG).

Ein derartiger Fall liegt gegenständlich jedoch nicht vor.

Der Beschwerdeführer streicht in seiner Beschwerde hervor, dass die seinerzeitige Geltendmachung der Beiträge als Sonderausgaben zu Recht erfolgt sei. Dass die in den Jahren 1997 bis 1999 getätigten Zahlungen tatsächlich "wirtschaftlich sinnlos" wurden, habe sich - so die Beschwerde - erst als Folge der Pensionsreform 2002/03 ergeben.

Gemäß § 70b ASVG idF BGBl. I Nr. 145/2003 sind Beiträge, die nach § 227 Abs. 3 und 4 leg.cit. entrichtet wurden, damit Ersatzzeiten für den Besuch von Schulen oder Hochschulen oder für eine vorgeschriebene Ausbildung nach dem Hochschulstudium anspruchs- oder leistungswirksam werden, dem Versicherten in dem Umfang zu erstatten, als die Anspruchs- oder Leistungswirksamkeit dieser Ersatzzeiten nicht eintritt. Die Erstattung hat von Amts wegen innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Zuerkennung der Leistung zu erfolgen.

§ 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 begünstigt (u.a.) den Nachkauf von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung. Darunter sind Beträge zu verstehen, die notwendig sind, um den angestrebten Zweck des Erwerbs von Pensionsansprüchen (dem Grunde oder der Höhe nach) zu erlangen. Beträge, die diesem Zweck nicht dienen, die also, um in den Worten des Beschwerdeführers zu sprechen, "wirtschaftlich sinnlos" sind, erfüllen den gesetzlichen Sonderausgabentatbestand nicht.

Im Beschwerdefall steht außer Streit, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug (Erwerb von Ersatzzeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung) im Zeitpunkt der jeweiligen Veranlagungen für die Streitjahre erfüllt waren. Dies wird auch durch die Aktenlage bestätigt. Danach lagen dem Finanzamt bei Erlassung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 Bestätigungen der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten über die "leistungswirksame Beitragsentrichtung für Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten" vor. Die Sonderausgaben wurden seinerzeit somit zu Recht als Sonderausgaben berücksichtigt. Erst nachträglich - in Folge der Pensionsreform 2002/03 - ist die Unzulässigkeit der steuerlichen Absetzung dieser Zahlungen als Sonderausgaben eingetreten. Damit stellt die durch die Gesetzesänderung bedingte teilweise Rückzahlung der Beiträge - nach der Rechtslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2009 - bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation ein Ereignis iSd § 295a BAO dar.

Soweit der Beschwerdeführer abschließend rügt, bei verfassungskonformer Interpretation müsse auch auf "rückerstattete Prämien für öffentlich-rechtliche Weiterversicherungen die Nachversteuerungsregelung des § 18 Abs. 4 und 5 EStG Anwendung finden" (Nachversteuerungssatz von 30%), ist ihm gleichfalls nicht zu folgen. Durch die Änderung der seinerzeitigen Bescheide wird der Beschwerdeführer so gestellt wie ein Steuerpflichtiger, der von vornherein entsprechend geringere Beiträge in die gesetzliche Pensionsversicherung geleistet hat. Die (teilweise) Rückerstattung der Beiträge hat die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers um den Betrag der Rückerstattung erhöht. Dass die Rückerstattung erst Jahre nach der seinerzeitigen Entrichtung erfolgt ist, begründet keine unsachliche steuerliche Behandlung des Beschwerdeführers, weil auch die Maßnahme nach § 295a BAO tatbestandsgemäß erst nach erfolgter Rückerstattung (somit nach Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen im hier strittigen Umfang) gesetzt werden kann. Ob § 18 Abs. 5 EStG 1988, der für bestimmte Fälle eine Nachversteuerung wegen geänderter Verhältnisse zu einem pauschalen Steuersatz von 30% vorsieht, verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, kann dahingestellt bleiben, weil die Bestimmung im Beschwerdefall nicht präjudiziell ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 7. Juli 2011

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