VwGH 2007/04/0222

VwGH2007/04/022221.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde der X GmbH in Y, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Oktober 2007, Zl. M63/05812/2007, betreffend Untersagung der Gewerbeausübung und Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §366 Abs1 Z1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1;
GewO 1994 §94 Z5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §366 Abs1 Z1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1;
GewO 1994 §94 Z5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Formular vom 14. März 2007 erstattete die beschwerdeführende Partei, eine juristische Person, die Anmeldung des Gewerbes "Baumeister" für einen näher genannten Standort und zeigte gleichzeitig die Bestellung des Ing. S. zum Geschäftsführer für die Ausübung des genannten Gewerbes an.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 340 Abs. 3 iVm § 95 Abs. 1 und § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 fest, dass die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes "Baumeister" bei der beschwerdeführenden Partei nicht vorlägen, und untersagte die Ausübung dieses Gewerbes. Weiters wurde die Genehmigung der Bestellung des Ing. S. zum Geschäftsführer für die Ausübung des genannten Gewerbes versagt.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, dass Herr R.K. handelsrechtlicher Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei sei. Dieser sei einerseits mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 30. Dezember 2005 rechtskräftig wegen unbefugter Ausübung des Gewerbes Baumeister gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 bestraft worden. Andererseits sei Herr R.K. mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 5. Oktober 2006 rechtskräftig wegen der illegalen Beschäftigung von zwei Ausländern gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) bestraft worden. Die genannten Übertretungen des R.K. seien als schwerwiegende Verstöße iSd § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 anzusehen. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer übe der genannte R.K. maßgebenden Einfluss auf die beschwerdeführende Partei aus, sodass die gemäß § 95 Abs. 1 GewO 1994 erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Daher sei spruchgemäß das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anmeldung des genannten Gewerbes festzustellen und dessen Ausübung zu untersagen gewesen. Daraus folge, dass auch eine Genehmigung der Bestellung des Ing. S. zum (gewerberechtlichen) Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf das Gewerbe "Baumeister" zu versagen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die GewO 1994 in der hier maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 161/2006 lautet auszugsweise:

"§ 13.

(7) Die Abs. 1 bis 3, 5 und 6 sind auf andere Rechtsträger als natürliche Personen sinngemäß anzuwenden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3, 5 und 6 auf eine natürliche Person zutreffen, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht.

§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

3. der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt oder

… Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. IX Abs. 1 Z 3 EGVG).

II. Hauptstück

Bestimmungen für einzelne Gewerbe

1. Reglementierte Gewerbe

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

5. Baumeister, Brunnenmeister

Überprüfung der Zuverlässigkeit

§ 95. (1) Bei den im § 94 Z 5, 10, 16, 18, 25, 32, 36, 56, 62, 65, 75, 80 und 82 angeführten Gewerben ist von der Behörde zu überprüfen, ob der Bewerber oder, falls sich eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft um die Gewerbeberechtigung bewirbt, die im § 13 Abs. 7 genannten Personen die für die Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit (§ 87 Abs. 1 Z 3) besitzen. Mit der Gewerbeausübung darf der Anmelder erst mit der Rechtskraft des Bescheides gemäß § 340 beginnen.

(2) Bei den im Abs. 1 angeführten Gewerben ist die Bestellung eines Geschäftsführers oder eines Filialgeschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes genehmigungspflichtig. Die Genehmigung ist auf Ansuchen des Gewerbeinhabers zu erteilen, wenn die im § 39 Abs. 2 bzw. § 47 Abs. 2 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind.

§ 340. (1) Auf Grund der Anmeldung des Gewerbes (§ 339 Abs. 1) hat die Behörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes vor und hat die Anmeldung nicht ein in Abs. 2 genanntes Gewerbe zum Gegenstand, so hat die Behörde den Anmelder längstens binnen drei Monaten in das Gewerberegister einzutragen und durch Übermittlung eines Auszugs aus dem Gewerberegister von der Eintragung zu verständigen. Als Tag der Gewerbeanmeldung gilt jener Tag, an welchem alle erforderlichen Nachweise (§ 339 Abs. 3) bei der Behörde eingelangt sind und die allenfalls erforderliche Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19 rechtswirksam erfolgt ist.

(2) Hat die Anmeldung ein im § 95 genanntes Gewerbe oder das Rauchfangkehrergewerbe (§ 94 Z 55) zum Gegenstand, so hat die Behörde über das Ergebnis ihrer Feststellungen längstens binnen drei Monaten einen Bescheid zu erlassen. Erwächst der Bescheid, mit dem festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 vorliegen, in Rechtskraft, so hat die Behörde den Anmelder umgehend in das Gewerberegister einzutragen.

(3) Liegen die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen nicht vor, so hat die Behörde - unbeschadet eines Verfahrens nach § 366 Abs. 1 Z 1 - dies mit Bescheid festzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu untersagen."

Die beschwerdeführende Partei bringt in ihren Beschwerdegründen vor, der "Beschwerdeführer" sei im Besitz einer Entsendebewilligung für ausländische Arbeiter, der "Berufungswerber" habe die Bestrafung wegen Übertretung des AuslBG angefochten, eine diesbezügliche Entscheidung seitens des unabhängigen Verwaltungssenates stehe noch aus. Die belangte Behörde habe daher aktenwidrig angenommen, dass "der Beschwerdeführer" rechtskräftig wegen illegaler Ausländerbeschäftigung bestraft worden sei.

Selbst wenn man zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei davon ausgeht, sie behaupte mit dem genannten Vorbringen, ihr handelsrechtlicher Geschäftsführer R.K. sei im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig wegen illegaler Ausländerbeschäftigung bestraft gewesen, so ist dieses Vorbringen nicht zielführend:

Zutreffend weist nämlich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hin, dass die Erhebung einer Berufung gegen die Bestrafung des R.K. wegen Übertretung des AuslBG im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht wurde, sondern in der Beschwerde erstmals vorgebracht wird. Die Aktenlage zeigt, dass der beschwerdeführenden Partei zunächst mit Schreiben vom 30. Mai 2007 ein Verwaltungsstrafauszug der Magistratsabteilung 63 (in dem auch die in Rede stehende rechtskräftige Bestrafung nach dem AuslBG aufscheint) übermittelt wurde. Daraufhin hat die beschwerdeführende Partei in ihrer Stellungnahme vom 16. Juli 2007 (im Übrigen gleichlautend wie in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid) zwei Verwaltungsübertretungen des handelsrechtlichen Geschäftsführers R.K. ausdrücklich als "richtig" zugestanden. Der nunmehrige Einwand in der Beschwerde, gegen die genannte Bestrafung nach dem AuslBG sei Berufung erhoben worden, stellt daher eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 VwGG) dar. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde auf der Sachverhaltsebene von zwei rechtskräftigen Bestrafungen des handelsrechtlichen Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei (einerseits wegen einer Übertretung der GewO 1994 und andererseits wegen zwei Übertretungen des AuslBG) ausgegangen ist.

Die Beschwerde meint weiters, es habe sich dabei lediglich um "geringfügige Verwaltungsübertretungen" gehandelt, aus denen eine Unzuverlässigkeit im Gewerberecht nicht abzuleiten sei. Mit diesem Vorbringen wendet sich die beschwerdeführende Partei gegen die Beurteilung der belangten Behörde, es handle sich bei den genannten Verwaltungsübertretungen um schwerwiegende Verstöße iSd § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Entscheidend ist somit, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, Zl. 2011/04/0036, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 14. April 2011, Zl. 2009/04/0307 und Zl. 2011/04/0025).

Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um eine Vielzahl von Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften, sondern um zwei nach der Aktenlage am 28. März 2006 begangene Übertretungen des AuslBG (Straferkenntnis vom 5. Oktober 2006) sowie um eine nach der Aktenlage am 14. September 2005 begangene unbefugte Ausübung des Baumeistergewerbes (Straferkenntnis vom 30. Dezember 2005). Ob es sich dabei um "schwerwiegende Verstöße" im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 handelt, ist aber auch hier danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen.

Was Verstöße gegen das Verbot der Beschäftigung von nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz hiezu nicht berechtigten Arbeitnehmern betrifft, so handelt es sich entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei um eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm, deren Einhaltung zu den in § 87 Abs. 1 GewO 1994 ausdrücklich genannten bei der Gewerbeausübung zu beachtenden Schutzinteressen ("Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung") zählt. Dass der Einhaltung dieser Norm vom Gesetzgeber ein sehr großes Gewicht beigemessen wird, ergibt sich schon aus den für diesbezügliche Übertretungen im § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG vorgesehenen relativ hohen (Mindest‑)Strafdrohungen (vgl. aus mehreren das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl. 2008/04/0070). Gleiches gilt für die unbefugte Ausübung des Baumeistergewerbes (vgl. neben dem letztzitierten Erkenntnis etwa auch das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/04/0137, in dem auf die möglichen Gefahren für Leben und Gesundheit bei unbefugter Ausübung des Baumeistergewerbes hingewiesen wurde). Damit ergibt sich im Sinne der einleitend zitierten Judikatur zunächst, dass die "Art der verletzten Schutzinteressen" für ein Vorliegen schwerwiegender Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 spricht. Offen ist damit aber noch, ob im konkreten Fall auch unter dem Gesichtspunkt der "Schwere" der Verletzung dieser Schutzinteressen von der Erfüllung des letztgenannten Tatbestandes auszugehen ist. Dies ist nach den rechtskräftigen Straferkenntnissen zu beurteilen, an die die belangte Behörde gebunden war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung eine schwere Verletzung der hier in Rede stehenden Schutzinteressen in solchen Fällen angenommen, in denen die Verstöße gegen das AuslBG trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 2008, Zl. 2008/04/0135), in denen neben der unbefugten Ausübung des Baumeistergewerbes über einen längeren Zeitraum zusätzlich mehrere Verstöße gegen das AuslBG an unterschiedlichen Tagen begangen wurden (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2008/04/0070) bzw. in denen neben einer wiederholten Übertretung des AuslBG auch ein Gewerbe "langjährig" ohne gewerberechtlichen Geschäftsführer betrieben wurde (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2007/04/0137).

Davon zu unterscheiden ist der vorliegende Fall, in dem nicht nur die beiden Übertretungen des AuslBG, sondern auch die unbefugte Ausübung des Gewerbes nach den rechtskräftigen Straferkenntnissen jeweils an einem (einzigen) Tag begangen wurden. Die dadurch bewirkte Verletzung der Schutzinteressen erreicht daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht jene Schwere, die für die Erfüllung des Entziehungstatbestandes des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 erforderlich ist.

Da der angefochtene Bescheid aber von der Erfüllung des letztgenannten Tatbestandes ausgeht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Dezember 2011

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