VwGH 2009/15/0030

VwGH2009/15/003029.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der D GmbH in L, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 7. Jänner 2009, Zl. RV/0121‑F/06, miterledigt RV/0195‑F/06, betreffend u.a. Körperschaftsteuer für die Jahre 1997, 2000, 2001 und 2002, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §235
BAO §236
BAO §4
BAO §92
BAO §92 Abs1
B-VG Art18
B-VG Art18 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2010:2009150030.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Das Finanzamt erließ den Feststellungen im Bericht vom 15. Dezember 2003 über das Ergebnis einer die Jahre 1997 bis 1999 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung folgend die mit 16. Dezember 2003 datierten Bescheide über die Körperschaftsteuer 1997, 2000, 2001 und mit Ausfertigungsdatum 4. März 2004 den Körperschaftsteuerbescheid 2002.

2. In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin ‑ soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung ‑ aus, nach der Betriebsprüfung im Jahre 1998 seien an Gewerbesteuer 1993 S 109.846,‑ ‑ sowie an Körperschaftsteuer für die Jahre 1993 bis 1996 insgesamt S 2,631.000,‑ ‑ vorgeschrieben worden. Gegen diese Bescheide habe sie Berufung erhoben. In der Folge sei es zu einer neuerlichen Betriebsprüfung gekommen. Am 22. August 2002 habe der Bund auf Grund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises des Finanzamtes vom 7. August 2002 über den Betrag von € 914.397,57 den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beschwerdeführerin gestellt. Zur Zahlung dieses Betrages sei die Beschwerdeführerin außer Stande gewesen und habe daher Gespräche mit dem Finanzamt aufgenommen. Ein zum 20. Oktober 2002 erstellter Status habe gezeigt, dass die Beschwerdeführerin auf neuer Basis existenzfähig sei, wenn bezüglich der rückständigen Steuern eine Lösung gefunden werden könne. Eine solche Lösung sei in Aussicht gestellt worden. In der Folge sei es dann noch am 17. Jänner 2003 zu einer weiteren Besprechung gekommen und schließlich am 23. Jänner 2003 zu einer schriftlichen Vereinbarung. Diese Vereinbarung sei eine Generalvereinbarung für alle bis zu diesem Zeitpunkt offenen Steuern und Abgaben gewesen. Demnach habe das Finanzamt auf alle Steuern und Abgaben und damit auch auf die Festsetzung neuer Steuern und Abgaben für die Zeit davor verzichtet und diese bis auf einen Betrag von € 110.000,‑ ‑ nachgesehen. Es fehle daher jede Rechtsgrundlage neuerlich Körperschaftsteuern für die Jahre bis einschließlich 2002 festzusetzen.

3. Die in der Berufung genannte Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:

"VEREINBARUNG

abgeschlossen zwischen:

Republik Österreich, Finanzamt ...

einerseits

und

(Beschwerdeführerin) andererseits

wie folgt:

 

1) Auf Grund von Betriebsprüfungen wurden der (Beschwerdeführerin) für die Jahre seit 1993 Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer, Gewerbesteuer, Abzugssteuer von Lizenzzahlungen an beschränkt Steuerpflichtige (gemäß Steuererklärungen), Lohnabgaben sowie Aussetzungszinsen und sonstige Nebengebühren vorgeschrieben. Gegen diese Steuervorschreibungen sind diverse Rechtsmittel anhängig, die noch nicht erledigt sind.

2) Hiemit wird vereinbart, dass die (Beschwerdeführerin) an das Finanzamt ... einen Betrag von € 110.000,‑ ‑ (in Worten: einhundertzehntausend) in 60 gleichen Monatsraten á € 1.833,33, beginnend mit dem Monat März 2003, bis jeweils 15. eines jeden Monats bezahlt.

Hiemit sind alle Forderungen des Finanzamtes ... an Steuern und Lohnabgaben abgegolten und werden daher keine weitergehenden Ansprüche mehr gegen die (Beschwerdeführerin) und deren Geschäftsführung geltend gemacht.

3) Zur Sicherstellung der Bezahlung der 60 Monatsraten erbringt die (Beschwerdeführerin) die Garantie eines österreichischen Bankinstitutes, mit welcher sich dieses unwiderruflich verpflichtet, die monatlich fällig werdenden Raten bis zu einem Gesamtbetrag von € 110.000,‑ ‑ an das Finanzamt ... zu bezahlen, wenn und soweit die (Beschwerdeführerin) allfällige Monatsraten nicht fristgerecht bezahlen sollte.

4) Zur formellen Erledigung der anhängigen Verfahren wird folgendes festgelegt:

Die (Beschwerdeführerin) zieht die von ihr erhobenen Berufungen und sonstigen Anträge zurück. Das Finanzamt ... löscht sogleich nach Vorliegen der vorangeführten Bankgarantie alle Forderungen an Steuern und Lohnabgaben bis auf den Betrag von € 110.000,00, der in 5 Jahresraten zu je € 22.000,00 zur Zahlung vorgeschrieben wird, und zwar ohne Verrechnung von Zinsen.

Das Finanzamt ... informiert sogleich nach Vorliegen der Bankgarantie das Landesgericht, dass der gegen die (Beschwerdeführerin) eingebrachte Antrag auf Eröffnung des Konkurses im Hinblick auf diese Vereinbarung zurückgezogen wird.

... am 23. Jänner 2003"

4. Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde die bekämpften Bescheide betreffend Körperschaftsteuern 1997 sowie 2000 bis 2002 ab. In der Begründung führte sie ‑ soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung ‑ aus, dem Berufungsvorbringen, wonach mit der Vereinbarung vom 23. Jänner 2003 das Finanzamt auf alle Steuern und Abgaben und damit auch auf die Festsetzung neuer Steuern für die Zeit bis zum Abschluss der Vereinbarung verzichtet habe, sei wie folgt zu entgegnen: Ein Vergleich über Abgabenansprüche sei grundsätzlich von der Rechtsordnung nicht vorgesehen. Vergleiche zwischen den Organwaltern des Abgabengläubigers und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld stünden im Widerspruch zu dem aus Art. 18 B‑VG abzuleitenden Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und seien daher ohne irgend eine rechtliche Relevanz. Das Gesetz sehe nicht vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Fall einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung zwischen Abgabenschuldner und Abgabengläubiger nicht entstünde oder zum Wegfall gelangte. Einer allfälligen abweichenden Vereinbarung der Behörde mit dem Abgabepflichtigen über nicht vergleichsfähige Abgabenansprüche öffentlich‑rechtlicher Natur komme daher keinerlei abgabenrechtliche Bedeutung zu. Etwaige Zeugeneinvernahmen zu dem in Rede stehenden Vergleichsabschluss seien damit hinfällig. Die strittige Vereinbarung habe im konkreten Fall auch nicht in den angefochtenen Abgabenbescheiden ihren Niederschlag gefunden.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde macht geltend, das Finanzamt habe mit der vorliegenden "Vereinbarung" vom 23. Jänner 2003 bescheidmäßig darüber abgesprochen, dass die strittigen Abgabenansprüche unter gewissen Voraussetzungen erlöschten. Der Bescheid sei zwar fälschlicherweise als Vereinbarung bezeichnet worden, dies ändere jedoch nichts an seiner Rechtsnatur. Die vom Vorstand des Finanzamtes unterfertigte Vereinbarung bringe unzweifelhaft den auf das Erlöschen von Abgabenansprüchen ausgerichteten normativen Gehalt zum Ausdruck und weise sämtliche für die Bescheidqualität unverzichtbaren Merkmale auf. Das Finanzamt habe sich keinerlei Widerruf oder Bedingungen vorbehalten bzw. seien diese vollständig erfüllt worden. Die tatsächlichen Verhältnisse, die für die Erlassung des Bescheides maßgeblich gewesen seien, hätten sich in keiner Weise verändert. Die belangte Behörde habe sohin das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 294 Abs. 1 BAO in Verkennung der Sach‑ und Rechtslage angenommen. Auch habe die belangte Behörde das im Sinne des § 294 BAO zu übende Ermessen unrichtig geübt.

Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass es sich bei der Vereinbarung vom 23. Jänner 2003 nicht um einen Bescheid handle, sei von einem öffentlich‑rechtlichen oder zivilrechtlichen Vertrag auszugehen, der voll aufrecht sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Abgabenschuld einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns sind ‑ entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenverwaltung ‑ ausschließlich durch das Gesetz geregelt. Das Gesetz sieht nicht vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Falle einer gegenteiligen "Vereinbarung" zwischen Abgabenschuldner und Abgabengläubiger nicht entstünde oder zum Wegfall gelangte. Eine Nachsicht des Abgabenanspruches kann im Bereich des Abgabenrechtes nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen, und zwar in Bescheidform erfolgen; dies gilt auch für die Löschung der Abgabe durch Abschreibung im Sinne des § 235 BAO (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 2004, 2002/14/0035).

Ist die Vereinbarung vom 23. Jänner 2003 nicht als bescheidmäßiger Abspruch darüber anzusehen, dass die strittigen Abgabenansprüche erlöschen, wäre es mangels einer gesetzlichen Regelung von vornherein nicht zum Wegfall der Abgabenansprüche gekommen. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Juli 1994, 92/13/0058, zu einem Beschwerdevorbringen betreffend einen vom Finanzamt angenommenen Vergleichsvorschlag ausgesprochen, eine solche Abmachung zwischen den Organwaltern des Abgabengläubigers und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld sei ohne jede abgabenrechtliche Bedeutung. Abmachungen über den Inhalt einer Abgabenschuld stünden ‑ soweit sie nicht im Gesetz ausdrücklich zugelassen seien ‑ im Widerspruch zu dem aus Art. 18 B‑VG abzuleitenden Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Abgabenvorschrift. Solcherart ist auch im vorliegenden Fall nicht von einer Vereinbarung im Sinne eines öffentlich‑rechtlichen Vertrages auszugehen, weil öffentlich‑rechtliche Verträge nur dann zulässig und möglich sind, wenn ‑ was im vorliegenden Fall nicht zutrifft ‑ eine gesetzliche Ermächtigung solches ausdrücklich vorsieht.

Ein Löschungsbescheid muss die konkrete Bezeichnung der Abgaben enthalten. Der in Rede stehenden "Vereinbarung" vom 23. Jänner 2003 kommt die Wirkung eines Löschungsbescheides nicht zu, weil sie schon diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2007, 2007/14/0015).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. April 2010

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