Normen
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs2;
EGVG Art2 Abs2 litB Z31;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2010:2007060004.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 22. Juli 2002 war dem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Alterspension keine Folge gegeben worden. Seine dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde war mit dem hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2004, Zl. 2002/06/0140, als unbegründet abgewiesen worden. Dem Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Juli 2006 auf Wiederaufnahme des mit dem vorgenannten Erkenntnis vom 17. Februar 2004 abgeschlossenen Verfahrens wurde mit dem hg. Beschluss vom 5. Juli 2007, Zl. 2006/06/0169, nicht stattgegeben.
Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 19. Juli 2006 gab der Ausschuss der Österreichischen Rechtsanwaltskammer dem Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Juni 2006 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 22. Juli 2002 abgeschlossenen Verfahrens zur Gewährung einer Alterspension nicht Folge.
In ihrer Begründung gab die belangte Behörde zunächst das Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag wieder und führte sodann in rechtlicher Hinsicht aus, als Behörde der Selbstverwaltung der Rechtanwälte habe sie das AVG zwar nicht anzuwenden, gleichwohl jedoch nach ständiger Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens allgemein und im Besonderen auch den Grundsatz der Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn (u.a.) neue Tatsachen hervorkommen, die die Partei ohne Verschulden nicht geltend machen habe können. Untrennbarer Bestandteil dieses Grundsatzes sei auch die Wahrung der für die Erhebung des Wiederaufnahmeantrages relevanten Fristen. Dieses Gebot resultiere aus dem Ausnahmecharakter der Wiederaufnahme eines Verfahrens und finde in den gesetzlichen Anordnungen (des AVG) über die bloß befristete Möglichkeit zur Wiederaufnahme eines behördlichen Verfahrens ihren Niederschlag. Angesichts dessen erweise sich der vom Beschwerdeführer am 18. Juni 2006 - und damit mehr als drei Jahre nach Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides - erhobene Wiederaufnahmeantrag im Hinblick auf die (objektive) Frist für die Erhebung eines solchen Antrages von drei Jahren (vgl. § 69 Abs. 2 AVG) als verspätet. Im Übrigen liege auch ein tauglicher Wiederaufnahmegrund nicht vor (wird näher ausgeführt).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 28. November 2006, B 1583/06-3, ihre Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wiederholt sein bereits im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen, das vorgelegte Rechtsgutachten der Arbeiterkammer Oberösterreich stelle einen Wiederaufnahmetatbestand dar. Die darin zitierte Judikatur des EuGH sei ihm weder zugänglich noch bekannt gewesen und habe im bisherigen Verfahren keine Berücksichtigung gefunden. Die Ausführungen in dem zur hg. Zl. 2006/06/0169 protokollierten Wiederaufnahmeantrag würden der vorliegenden Beschwerde vollinhaltlich zugrunde gelegt, insbesondere würden die dort gestellten Anträge wiederholt (es folgen Ausführungen, aus welchen Gründen es gesetz- und verfassungswidrig sei, dem Beschwerdeführer die Pensionsleistung zu verweigern).
Zutreffend hat die belangte Behörde dargelegt, dass das gemäß Art. II Abs. 2 lit. B Z. 31 EGVG (u.a.) von Organen gesetzlicher beruflicher Vertretungen, wie die belangte Behörde ist, zu führende "behördliche Verfahren" von der Anwendung des AVG ausgenommen ist. Dies bedeutet aber nicht, dass auch jene allgemeinen Grundsätze, die sich schon aus dem Wesen des Rechtsstaates ergeben, in diesen behördlichen Verfahren nicht beachtet werden müssen.
Der Grundsatz, dass die Bestimmungen des AVG immer dann sinngemäß anzuwenden sind, wenn nicht das Gesetz ausdrücklich etwas anderes bestimmt, kommt zum Tragen, wenn es um allgemeine, für jedes rechtsstaatliche Verfahren gültige Rechtsgrundsätze geht. Zu diesen Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zählt (auch) die Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn neue Tatsachen hervorkommen, die die Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend machen konnte (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), S. 40, E 16 zu Art. II EGVG, und die dort angeführte Rechtsprechung).
Hatte die belangte Behörde demnach die Bestimmung des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG als allgemeinen Rechtsgrundsatz anzuwenden, kann auch die in Abs. 2 dieser Bestimmung normierte Befristung der Wiederaufnahme als ein solcher qualifiziert werden.
Dem angefochtenen Bescheid liegt diesbezüglich die - mit den vorgelegten Verwaltungsakten in Einklang stehende - Ansicht zugrunde, der Beschwerdeführer habe den verfahrensgegenständlichen Antrag mehr als drei Jahre nach Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides und damit verspätet erhoben: Die Zustellung des Bescheides vom 22. Juli 2002 an den Beschwerdeführer erfolgte nämlich am 25. Juli 2002, der Antrag auf Wiederaufnahme wurde am 18. Juni 2006 gestellt.
Wird die (im vorliegenden Fall: objektive) Antragsfrist nicht eingehalten, ist der Antrag auf Wiederaufnahme zurückzuweisen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 72). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch darauf, dass es keine Rolle spielt, wann der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde gegen einen letztinstanzlichen Bescheid im wiederaufzunehmenden Verfahren abweist, was im Beschwerdefall, wie eingangs dargestellt, mit dem hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2004 erfolgte (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 65).
Dadurch, dass die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers nicht zurückwies, sondern ihm nicht Folge gab, verletzte sie den Beschwerdeführer nicht in Rechten.
Soweit der Beschwerdeführer, der auf die schon von der belangten Behörde angenommene Verfristung nicht eingeht, das zur Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erstattete Vorbringen auch zum nunmehrigen Beschwerdevorbringen erhebt, genügt es, auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Beschluss vom 5. Juli 2007, Zl. 2006/06/0169, gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG zu verweisen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 23. Juni 2010
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