Normen
BAO §20;
BAO §299 Abs1;
BAO §303 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
BAO §20;
BAO §299 Abs1;
BAO §303 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 19. April 2004 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, ihr die Hälfte der Vorsteuern für Geschäftsessen für die Jahre 1999 bis 2002 mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach die Vorsteuer zur Gänze und nicht nur zur Hälfte abzugsfähig sei, "rückzuerstatten".
Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 15. Juli 2004 ab. Es führte aus, der Antrag sei als solcher auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 in Verbindung mit § 302 Abs. 2 lit. c BAO zu verstehen und rechtzeitig. Es sei auch unstrittig, dass die umsatzsteuerliche Regelung, wonach der Vorsteuerabzug bei Bewirtungskosten nur zur Hälfte zustehe, gemeinschaftsrechtswidrig sei. Die Aufhebung gemäß § 299 BAO sei jedoch eine Ermessensentscheidung. Im vorliegenden Fall lehne das Finanzamt eine Aufhebung in Ausübung des Ermessens gemäß § 20 BAO wegen Geringfügigkeit der Rechtswidrigkeit und daraus abgeleiteter unwesentlicher Folgen ab. Die Differenzbeträge von EUR 961,84 (1999), EUR 1.302,72 (2000), EUR 1.309,69 (2001) und EUR 1.117,09 (2002) entsprächen nur 0,36 (1999), 0,22 (2000), 0,19 (2001) und 0,14 (2002) v.H. der Vorsteuern laut Bescheiden und nur 0,16 (1999), 0,08 (2000), 0,07 (2001) und 0,04 (2002) v.H. der Zahllast laut Bescheiden. Die mit dem Aufhebungsbescheid zu verbindenden neuen Abgabenbescheide würden von den bisherigen daher nur geringfügig abweichen, sodass der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit im Sinne von Verwaltungsökonomie gegen die Aufhebung spreche.
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid machte die Beschwerdeführerin u.a. geltend, der Gesamtbetrag von EUR 4.691,34 entspreche 2,57 v.H. des im Jahr 2002 erzielten Jahresüberschusses von EUR 182.895,33.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte aus, es sei unstrittig, dass die betreffenden Umsatzsteuerbescheide sich infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nachträglich als nicht rechtmäßig erwiesen hätten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe eine Aufhebung gemäß § 299 BAO aber zu unterbleiben, wenn sich aus ihr nur eine geringfügige Änderung ergeben würde. Dabei müsse sowohl die absolute als auch die relative Komponente berücksichtigt werden. Im Verhältnis zu den übrigen Vorsteuerbeträgen seien die nachträglich geltend gemachten Vorsteuerbeträge minimal (jeweils wesentlich unter 1 v.H.). Dem Hinweis auf das Verhältnis zum Überschuss des Jahres 2002 sei entgegen zu halten, dass es für die Beurteilung der relativen Geringfügigkeit auf das Verhältnis zu den bisherigen Umsatzsteuerbescheiden ankomme. Ob ein Betrag in absoluter Hinsicht als geringfügig einzustufen sei, könne nur an der allgemeinen Realität des Lebens gemessen werden. Die gebotene Betrachtung der realen Lebensverhältnisse (der gesellschaftlichen und ökonomischen Gegebenheiten in ihrer Gesamtheit) führe die belangte Behörde zu der Überzeugung, dass die betreffenden Vorsteuerbeträge auch in absoluter Hinsicht als geringfügig zu beurteilen seien, sodass die mit den Aufhebungsbescheiden zu verbindenden Umsatzsteuerbescheide im Spruch nur geringfügig von den bisherigen abweichen würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Frage, ob dem gemäß § 20 BAO auszuübenden Ermessen unterliegende Eingriffe in die Rechtskraft unter dem Gesichtspunkt der Geringfügigkeit des hervorgekommenen Änderungsbedarfes zu unterbleiben haben, stellt sich auch bei der amtswegigen Wiederaufnahme von Verfahren. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt dazu die Ansicht, das Gewicht eines Wiederaufnahmsgrundes, der sich auf mehrere Jahre auswirke, sei in der Regel nicht je Verfahren, sondern in seiner Gesamtheit zu beurteilen (vgl. die Nachweise bei Ritz, BAO3, § 303 Tz 41; zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 4. März 2009, Zl. 2006/15/0079) und steuerliche Auswirkungen in der Höhe von EUR 1.010,15 seien nicht geringfügig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 2009, Zl. 2006/15/0257). Auch die Auswirkungen der rechtswidrigen Beurteilung, deren Beseitigung die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall unter einem fristgerecht beantragt hat, müssen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in ihrer Gesamtheit beurteilt werden. Der demnach maßgebliche Betrag von EUR 4.691,34 ist nicht geringfügig.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 24. Februar 2010
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