VwGH 2009/21/0091

VwGH2009/21/009122.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der S, vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 41/9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 12. Februar 2009, Zl. 318.523/5-III/4/08, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs4;
B-VG Art140 Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §73 Abs1;
NAG 2005 §73 Abs2;
NAG 2005 §73 Abs3;
NAG 2005 §73;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs4;
B-VG Art140 Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
NAG 2005 §72 Abs1;
NAG 2005 §73 Abs1;
NAG 2005 §73 Abs2;
NAG 2005 §73 Abs3;
NAG 2005 §73;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die aus dem Kosovo stammende, damals neunjährige Beschwerdeführerin reiste im Mai 1999 mit ihren Eltern und Geschwistern legal nach Österreich ein. In der Folge gestellte Asylanträge wurden rechtskräftig negativ erledigt.

Mit dem von ihren Rechtsvertretern verfassten, an die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (BH) gerichteten Schriftsatz vom 17. März 2008 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, die Behörde möge ihr "die Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen, in eventu die Aufenthaltsbewilligung als Schülerin gem. § 63 NAG erteilen."

Den Eventualantrag wies die BH mit Bescheid vom 10. Juni 2008 ab und der dagegen erhobenen Berufung gab die Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom 2. September 2008 keine Folge (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/21/0561).

Den hier gegenständlichen Hauptantrag wies die BH gemäß § 73 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG mit Bescheid vom 15. Oktober 2008 zurück.

Die dagegen erhobene Berufung wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. Februar 2009 "gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 72 ff NAG" ab. Die damit vorgenommene Bestätigung der von der Erstbehörde vorgenommenen Antragszurückweisung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen in Anknüpfung an den wiedergegebenen Inhalt des § 72 Abs. 1 NAG und des § 73 NAG damit, dass die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur von Amts wegen möglich sei. Die Amtswegigkeit des Verfahrens habe zur Folge, dass förmliche Anträge eines Fremden auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen nicht zulässig seien. Dieser Grundsatz werde nur im (hier nicht gegebenen) Fall des § 73 Abs. 4 NAG für den Bereich der Familienzusammenführung teilweise durchbrochen. Die Tatsache, dass ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig gewesen sei, ändere - so die belangte Behörde abschließend - nichts daran, dass "von der derzeitigen Gesetzeslage auszugehen" sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:

In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, dass die belangte Behörde dem Spruch des angefochtenen Bescheides zufolge die Berufung gegen den "Bescheid (der) Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 10.6.2008 Zahl MIS3-F-08272" abgewiesen habe. Über diese Berufung (gegen den erstinstanzlichen, den Eventualantrag abweisenden Bescheid) habe die belangte Behörde aber bereits mit Bescheid vom 2. September 2009 rechtskräftig entschieden. Es sei nicht zulässig über dasselbe Rechtsmittel zweimal zu entscheiden.

Dem ist zu entgegnen, dass nach dem gesamten Inhalt des angefochtenen Bescheides überhaupt kein Zweifel bestehen kann, dass damit über die Berufung gegen den zur selben Geschäftszahl erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 15. Oktober 2008, mit dem der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zurückgewiesen worden war, abgesprochen wurde. Bei der unrichtigen Anführung des Datums "10.6.2008" an Stelle von "15.10.2008" handelt es sich nur um einen offenkundigen, gemäß § 62 Abs. 4 AVG der Berichtigung zugänglichen Schreibfehler. Der Bescheidspruch war daher - auch in Ermangelung eines Berichtigungsbescheides - berichtigend dahingehend auszulegen, dass damit die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Oktober 2008 erledigt wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2007, Zl. 2007/12/0019, mwN).

In der Sache ist vorauszuschicken, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der im Zeitpunkt seiner Erlassung geltenden Rechtslage zu überprüfen hat.

§ 72 Abs. 1 NAG und § 73 Abs. 1 bis 3 NAG lauteten (in der hier maßgeblichen Stammfassung vor den Änderungen mit der am 1. April 2009 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) samt Überschrift wie folgt:

"Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen

§ 72. (1) Die Behörde kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (§ 11 Abs. 1), ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes (§ 11 Abs. 1 Z 1 und 2), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe liegen insbesondere vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt ist. Drittstaatsangehörigen, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konflikts verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltsbewilligung nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens jedoch für drei Monate, erteilt werden.

Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen

§ 73. (1) Die Behörde kann Drittstaatsangehörigen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' oder eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilen. Die Bestimmungen über die Quotenpflicht finden keine Anwendung.

(2) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Fremde die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat und

2. im Fall einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt.

(3) Aus humanitären Gründen kann von Amts wegen eine 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit' erteilt werden, wenn der Fremde die Integrationsvereinbarung (§ 14) erfüllt hat."

Als rechtliche Grundlage kommt für den mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug zurückgewiesenen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin als Schülerin keiner unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, nur § 73 Abs. 3 (iVm § 73 Abs. 1 und § 72 Abs. 1) NAG in Betracht. Davon ausgehend war es - entgegen der Meinung in der Beschwerde - im vorliegenden Fall unschädlich, dass im angefochtenen Bescheid als Rechtsgrundlage nur ganz allgemein die "§§ 72 ff NAG" angeführt waren.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aus der gesetzlichen Anordnung, wonach eine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen nach § 73 Abs. 3 NAG lediglich von Amts wegen erteilt werden kann, zu folgern, dass die Stellung eines förmlichen Antrages nicht zulässig und ein entsprechender Antrag mit Bescheid zurückzuweisen ist. Ein auf die inhaltlichen Voraussetzungen einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen bezogenes Vorbringen - wie es unter anderem auch in der vorliegenden Beschwerde vorgetragen wird - ist daher nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des einen solchen Antrag zurückweisenden Bescheides aufzuzeigen (vgl. das Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2007/21/0131, mwN).

Auch der Verfassungsgerichtshof legte § 73 Abs. 3 NAG dahin aus, dass diese Bestimmung bei der Erteilung humanitärer Niederlassungsbewilligungen lediglich ein Tätigwerden der Behörden von Amts wegen vorsehe und keine Antragstellung des in seinen Rechten betroffenen Einzelnen zulasse. Da der Verfassungsgerichtshof jedoch aus rechtsstaatlichen Gründen im Hinblick auf einen möglichen Grundrechtseingriff die Einräumung eines dem Einzelnen zukommenden Antragsrechtes für geboten erachtete, hob er mit Erkenntnis vom 27. Juni 2008, G 246, 247/07 u.a., auch im § 73 Abs. 3 NAG die Wortfolge "von Amts wegen" als verfassungswidrig auf. Unter einem sprach er gestützt auf Art. 140 Abs. 5 letzter Satz B-VG aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. März 2009 in Kraft trete. In einem solchen Fall ist die "aufgehobene" Bestimmung auf alle Sachverhalte, die sich vor oder nach der Kundmachung der Aufhebung bis zum Fristablauf ereignet haben, weiterhin anzuwenden; ausgenommen ist nur der Anlassfall (vgl. Mayer, B-VG4, Anm. V.3. zu Art. 140).

Die gegenteilige, allerdings nicht weiter begründete Auffassung in der Beschwerde, die belangte Behörde habe sich auf als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmungen gestützt und daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Aufhebungen erst mit Ablauf des 31. März 2009 in Kraft getreten seien, trifft daher nicht zu. Vielmehr kann der im Ergebnis von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, dass die genannte Bestimmung auch im vorliegenden Fall uneingeschränkt weiter anzuwenden gewesen sei, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden (vgl. zum Ganzen auch das Erkenntnis vom 14. Mai 2009, Zl. 2009/22/0102, sowie die Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zl. 2008/21/0583, und Zlen. 2008/21/0591 bis 0594). Demzufolge entspricht die vorgenommene Antragszurückweisung der von der belangten Behörde anzuwendenden Rechtslage.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Dezember 2009

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