VwGH 2006/21/0218

VwGH2006/21/021828.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, Rosengasse 55, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 7. Juli 2006, Zl. 314.839/2- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 2. Dezember 1982 geborene Beschwerdeführer, ein aus dem Kosovo stammender serbischer Staatsangehöriger, der insgesamt sieben Geschwister hat, lebt seit dem Jahr 1994 in der Bundesrepublik Deutschland. Dort wurde er mit Urteil des Amtsgerichtes Ludwigsburg vom 29. April 2003 wegen des Verbrechens der Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer bedingt nachgesehenen viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Er habe sich hiernach am 21. Februar 2002 in Ludwigsburg-Eglosheim als Mittäter (Lenker eines Pkws Audi 80) an der Übergabe von rund 100 g Heroin an eine verdeckt ermittelnde Polizeibeamtin beteiligt. Das genannte Gericht führte aus, der Beschwerdeführer sei zur Tatzeit Heranwachsender gewesen. Auf Grund seiner bisherigen Entwicklung sei festzustellen, dass er ein relativ eigenständiges Leben (Berufstätigkeit als Kellner mit monatlichen Nettoeinkünften von rund EUR 1.000,--) führe. Man könne bei ihm daher nicht mehr davon ausgehen, dass er noch einem unter 18- jährigen gleichzustellen sei, weshalb auf ihn das Erwachsenenstrafrecht Anwendung zu finden habe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 7. Juli 2006 wies die belangte Behörde den am 10. März 2005 gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erst-Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbständig" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm § 11 Abs. 4 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Begründend stützte sie sich auf das genannte Urteil des Amtsgerichtes Ludwigsburg vom 29. April 2003. Hieraus folge ein keinesfalls geringer Unrechtsgehalt der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat. Der vorliegende Erstantrag (der Beschwerdeführer habe noch nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung für die Republik Österreich verfügt) sei daher abzuweisen, weil der Aufenthalt öffentlichen Interessen widerstreite (§ 11 Abs. 2 Z. 1 NAG), nämlich die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde (§ 11 Abs. 4 Z. 1 NAG).

Bei Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK sei zu berücksichtigen, "dass durch den Aufenthalt (der) Familienangehörigen (Vater, Bruder) unabsprechbare familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestehen". Die privaten und familiären Interessen hätten jedoch zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung möglicher weiterer strafbarer Handlungen zurückzustehen. Das gesetzte Delikt zeige deutlich, dass der Beschwerdeführer ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen auch deren Gesundheitsgefährdung aus Gewinnsucht in Kauf zu nehmen bereit sei. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei daher zu verweigern.

 

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, aus seinem Geburtsdatum (2. Dezember 1982) und dem Datum der von ihm begangenen Straftat (21. Februar 2002) ergebe sich, dass er im Tatzeitpunkt "im Sinne der einschlägigen österreichischen Strafrechtsbestimmungen noch jugendlicher Straftäter war".

Dies trifft jedoch nicht zu, weil gemäß § 1 Z. 2 JGG als Jugendlicher nur anzusehen ist, wer noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat. Darüber hinaus ist auf die wiedergegebene Begründung des Amtsgerichtes Ludwigsburg zu verweisen, das auf den Beschwerdeführer bereits das Erwachsenenstrafrecht angewendet hatte.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, die einzelne von ihm begangene Straftat rechtfertige nicht die Prognose einer schädlichen Neigung. Für eine "Gewinnsucht" lägen keine Verfahrens- oder Beweisergebnisse vor, ebenso wenig für die Bereitschaft, die Gesundheitsgefährdung von Mitmenschen in Kauf zu nehmen.

Dem ist insoweit beizupflichten, als das Verfahren keinen Anhaltspunkt für einen vom Beschwerdeführer aus seiner Straftat konkret erzielten Vermögensvorteil erbracht hat. Dagegen ist eine in Kauf genommene Gefährdung der Gesundheit von Mitmenschen mit einer Beteiligung an der Weitergabe von 100 g Heroin zwangsläufig verbunden, sodass im Ergebnis die Gewichtung des vom Beschwerdeführer begangenen Fehlverhaltens durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden ist. Die geringe Höhe der verhängten Freiheitsstrafe und die bedingte Strafnachsicht ändern daran - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - nichts (siehe etwa die zur ähnlichen Rechtslage des § 10 Abs. 2 Z. 3 des - bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen - Fremdengesetzes 1997 - FrG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 4. Februar 2000, Zl. 99/19/0075, und vom 21. Dezember 2001, Zl. 2001/19/0013, jeweils mwN).

Auch wenn dem Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland am 24. April 2006 - wie die Beschwerde geltend macht - ein Aufenthaltstitel erteilt wurde, kann dies für die belangte Behörde, die die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 4 Z. 1 NAG eigenständig unter dem Blickwinkel auf das österreichische Bundesgebiet bezogener niederlassungsrechtlicher Überlegungen zu beurteilen hat, entgegen der in der Beschwerde im Ergebnis vertretenen Ansicht keine bindende Wirkung entfalten.

Bei der Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe "sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde" im § 11 Abs. 4 Z. 1 NAG (vgl. dazu etwa das zur - inhaltlich insoweit ähnlichen - früheren Rechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom 13. März 2002, Zl. 2002/12/0033, mwN) ist eine das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Bedenkt man die hohe mit einer Weitergabe von Heroin in großer Menge verbundene Gefährdung insbesondere für die Gesundheit dritter Personen, kann der Beurteilung der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde (§ 11 Abs. 4 Z. 1 NAG) und ihm daher der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG nicht erteilt werden dürfe, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Unter Berücksichtigung der Schwere des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Fehlverhaltens und der daraus folgenden aufrechten Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist auch ein Eingriff in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers - zumal er bereits erwachsen ist und mit seinen Angehörigen in erster Linie geschäftlich zusammenzuarbeiten beabsichtigt - im Interesse der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch gerechtfertigt.

Die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an eine selbständige Schlüsselkraft mussten im Hinblick darauf nicht näher geprüft werden, sodass die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen ins Leere gehen.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 28. Februar 2008

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