VwGH 2006/03/0099

VwGH2006/03/009917.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Gemeindeverbands "P" in B, vertreten durch Piccolruaz & Müller, Anwaltspartnerschaft in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Vorarlberg vom 26. April 2006, Zl UVS-419-003/K1-2005, betreffend Konzessionserteilung nach dem KflG (mitbeteiligte Partei: Ö GmbH in W, vertreten durch Dr. Norbert Wess, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20/2), zu Recht erkannt:

Normen

31996L0026 Kraftverkehrsunternehmer-RL Art1 Abs2;
ABGB §26;
AVG §9;
EURallg;
GdG Vlbg 1985 §17 Abs1;
GdG Vlbg 1985 §2 Abs2;
GdG Vlbg 1985 §71 Abs1;
GdG Vlbg 1985 §93 Abs1;
KflG 1999 §1 Abs2 Z1;
KflG 1999 §1 Abs2 Z2;
KflG 1999 §1;
KflG 1999 §15 Abs1;
KflG 1999 §22 Abs1;
KflG 1999 §22 Abs2;
KflG 1999 §22 Abs3;
KflG 1999 §3 Abs1;
KflG 1999 §7 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1.1. Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Vorarlberg vom 23. November 2005 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß §§ 3 Abs 1, 7 Abs 1 und 15 Abs 1 des Kraftfahrliniengesetzes, BGBl I Nr 203/1999 (KflG), die Konzession zum Betrieb der Kraftfahrlinie "B und G" mit näher genannten Teilstrecken bis zum 10. November 2015 erteilt (Spruchpunkte I und III), die Benennung des G. G. zum Betriebsleiter gemäß § 10 Abs 5 KflG genehmigt (Spruchpunkt II), und gemäß § 18 KflG für die Aufnahme des Betriebs eine Frist bis 31. Mai 2006 festgesetzt (Spruchpunkt IV).

1.2. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen Folgendes aus: Der beschwerdeführende Gemeindeverband habe entsprechend seiner Satzung die Aufgabe, im Gebiet der verbandsangehörigen Gemeinden das Angebot im öffentlichen Personennahverkehr unter anderem durch Abschluss und Durchführung von Verträgen mit Verkehrsunternehmen zur Erbringung von Verkehrsleistungen und Beteiligung an Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbundeinrichtungen zu verbessern. Die Vereinbarung über die Bildung des Gemeindeverbands sei aufsichtsbehördlich genehmigt worden. Auch wenn § 22 Abs 1 KflG vorsehe, dass der Konzessionsinhaber den Betrieb selbst zu führen habe, könne er doch gemäß § 22 Abs 3 KflG andere Personenkraftverkehrsunternehmen mit den zum Betrieb der Kraftfahrlinie erforderlichen Fahrten beauftragen.

Die mitbeteiligte Partei habe geltend gemacht, bei Erteilung der Konzession an die beschwerdeführende Partei sei eine weitere zweckmäßige und wirtschaftliche Befriedigung des in Betracht kommenden Verkehrsbedürfnisses nicht mehr gewährleistet, weil sie selbst auf den beantragten Teilstrecken seit vielen Jahren einen Kraftfahrlinienverkehr betreibe. Bei Stattgebung des Antrages entstünde ihr ein beträchtlicher Einnahmensausfall, der die wirtschaftliche Betriebsführung der betroffenen Linien in Frage stelle. Dem stehe aber entgegen, dass schon der derzeitige Betrieb nicht eigenwirtschaftlich geführt werden könne und nur durch beträchtliche Zuschüsse der betroffenen Gemeinden, Gemeindeverbände und des Verkehrsverbundes Vorarlberg aufrecht zu erhalten sei. Der mitbeteiligten Partei entstehe durch den Betrieb der Kraftfahrlinie kein finanzielles Risiko, weil hiefür beträchtliche öffentliche Zuschüsse erbracht würden.

Die von § 7 Abs 1 KflG geforderten Konzessionsvoraussetzungen seien gegeben.

2.1. Mit dem nun angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde auf Grund der gegen den erstinstanzlichen Bescheid von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit §§ 1 und 3 Abs 1 KflG den Antrag der beschwerdeführenden Partei zurück.

2.2. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

2.2.1. Die beschwerdeführende Partei habe vorgebracht, die beantragte Konzession im eigenen Namen betreiben zu wollen, jedoch keine eigenen Fahrzeuge zu haben; sie wolle diese vielmehr (samt Chauffeur) von Subunternehmen mieten. Die genannten Kraftfahrlinien würden daher, so die belangte Behörde, "mit Subunternehmen betrieben werden". Damit stehe fest, dass die beschwerdeführende Partei "nicht als Personenkraftverkehrsunternehmer" im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 KflG angesehen werden könne. Gemäß § 22 Abs 1 KflG habe der Konzessionsinhaber den Betrieb nämlich grundsätzlich selbst zu führen, also den Verkehr im eigenen Namen, unter eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung zu betreiben. Berechtigungsinhaber und Betreiber einer Kraftfahrlinie sollten also im Regelfall ident sein. Damit sei es nicht vereinbar, eine Kraftfahrlinienkonzession an einen Bewerber zu erteilen, wenn von vornherein feststehe, dass er diese im Wesentlichen, "nämlich hinsichtlich der faktischen Betreibung der Kraftfahrlinie", gar nicht selbst ausüben wolle. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien daher nur Personenkraftverkehrsunternehmer zur Stellung eines Antrags gemäß § 2 KflG berechtigt. Da es sich beim antragstellenden Gemeindeverband nicht um einen solchen Personenkraftverkehrsunternehmer handelt, sei der Antrag mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

2.2.2. Dazu komme, dass der Betrieb einer Kraftfahrlinie durch eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband nicht den Grundsätzen des § 71 Abs 1 des Vorarlberger Gemeindegesetzes (GG) entspreche. Danach dürfe eine Gemeinde eine wirtschaftliche Unternehmung nur dann betreiben, wenn dies den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspreche. Diesen Grundsätzen entspreche der Betrieb einer wirtschaftlichen Unternehmung durch eine Gemeinde insbesondere dann nicht, wenn der Zweck des Unternehmens in gleicher Weise durch einen anderen erfüllt werden könne, was im Beschwerdefall zutreffe.

Schließlich gehöre es nicht zu den satzungsgemäßen Aufgaben der beschwerdeführenden Partei, eine Kraftfahrlinie zu betreiben. Auch daraus resultiere, dass sie nicht zur Antragstellung legitimiert sei.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei zurückgewiesen, weil nach Auffassung der belangten Behörde der beschwerdeführenden Partei die Antragslegitimation fehle. Da diese die Konzession zwar im eigenen Namen betreiben wolle, aber keine eigenen Fahrzeuge habe, sondern diese samt Chauffeur mieten wolle, könne sie nicht als Personenverkehrsunternehmen im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 KflG angesehen werden. Sie sei aber auch deshalb nicht zur Antragstellung legitimiert, weil es nicht zu ihren statutengemäßen Aufgaben gehöre, eine Kraftfahrlinie zu betreiben, dies vielmehr vor dem Hintergrund des § 71 GG unzulässig sei.

1.2. Dagegen wendet die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen ein, dass für die Qualifikation als Personenverkehrsunternehmen Eigentum an den Betriebsmitteln nicht erforderlich sei. Gemeinden und Gemeindeverbände seien nach dem Gemeindegesetz zum Betrieb von Privatwirtschaftsunternehmen, daher auch einer Kraftfahrlinie, berechtigt. Der Betrieb einer Kraftfahrlinie sei auch dem statutenmäßigen Zweck der beschwerdeführenden Partei, der Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, zu unterstellen. Die beschwerdeführende Partei als juristische Person sei aber ohnehin unabhängig von der Reichweite ihrer Statuten rechtsfähig.

2. 1. Zu diesem Vorbringen ist zunächst klarzustellen, dass gemäß § 9 AVG die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen ist, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist. Partei- und Prozessfähigkeit richtet sich somit primär nach den Verwaltungsvorschriften, in Ermangelung solcher sind subsidiär die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts maßgebend.

2.2. Gemäß § 2 Abs 2 des Vorarlberger Gemeindegesetz, LGBl Nr 40/1985 idF LGBl Nr 20/2004 (GG), ist die Gemeinde ein selbständiger Wirtschaftskörper und hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen und wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben.

Gemäß § 17 Abs 1 GG umfasst der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde u.a. die in § 2 Abs 2 angeführten Angelegenheiten.

Gemäß § 93 Abs 1 GG können sich Gemeinden zur Besorgung einzelner Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches durch Vereinbarung zu Gemeindeverbänden zusammenschließen. Eine solche Vereinbarung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung wirkt insofern konstitutiv (vgl das hg Erkenntnis vom 28. September 1993, Zl 92/12/0109).

Das Gemeindegesetz schränkt die Rechtsfähigkeit von Gemeindeverbänden also nicht ein; Gemeindeverbände genießen (anders als etwa Universitäten nach dem UOG 1993 oder die Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem WEG 2002) nicht Teil-, sondern Vollrechtsfähigkeit. Daran ändert § 71 Abs 1 GG nichts:

Nach dieser Bestimmung darf die Gemeinde eine wirtschaftliche Unternehmung nur betreiben, wenn dies den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspricht, was nach dem Gesetz insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn der Zweck der Unternehmung in gleicher Weise durch einen anderen erfüllt wird oder voraussichtlich erfüllt werden kann. Die Übereinstimmung mit dieser Bestimmung ist von der Aufsichtsbehörde zu prüfen. Hat diese aber die Bildung des Gemeindeverbands genehmigt, ist er - ohne Beschränkung seiner Rechtsfähigkeit auf einzelne Angelegenheiten - rechtsfähig.

2.3. Der durch den Verweis auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts in § 9 AVG anzuwendende § 26 ABGB regelt, dass "erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen genießen". Juristische Personen haben also grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie natürliche Personen, sofern das betreffende Recht nicht seiner Natur nach eine natürliche Person voraussetzt. Eine Begrenzung der Rechtsfähigkeit durch den statutenmäßigen Wirkungsbereich wird abgelehnt (vgl Aicher in Rummel I, 3. Auflage, Rz 24 zu § 26 ABGB; vgl auch Zierl, Zur Rechts- und Parteifähigkeit im allgemeinen Verwaltungsverfahren, ÖSZ 1984, 113).

2.4. Auch das KflG schließt Gemeindeverbände nicht etwa grundsätzlich vom Betrieb eines Kraftfahrlinienunternehmens aus, kann doch gemäß § 1 Abs 2 Z 2 KflG "Unternehmen" u.a. jede juristische Person mit oder ohne Erwerbszweck sein.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist die beschwerdeführende Partei daher auch antragslegitimiert, weshalb über ihren Antrag inhaltlich zu entscheiden ist. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung des Antrages der beschwerdeführenden Partei erweist sich daher als rechtswidrig.

3. Die belangte Behörde irrt auch insofern, als sie vermeint, schon der Umstand, dass die beschwerdeführende Partei beabsichtige, die für den Betrieb der Kraftfahrlinie nötigen Kraftfahrzeuge zu mieten, schließe ihre Qualifikation als Personenkraftverkehrsunternehmen aus.

3.1. Auszugehen ist diesbezüglich von den Begriffsbestimmungen des KflG.

Nach § 1 Abs 2 KflG gilt als Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers die Tätigkeit jedes Unternehmens, das eine der Öffentlichkeit oder bestimmten Benützergruppen angebotene Personenbeförderung gegen Vergütung durch die beförderte Person oder durch Dritte in näher bestimmter Weise ausführt (Z 1), als Unternehmen jede natürliche Person, jede juristische Person mit oder ohne Erwerbszweck, jede Vereinigung oder jeder Zusammenschluss von Personen ohne Rechtspersönlichkeit mit oder ohne Erwerbszweck sowie jedes staatliche Organ, unabhängig davon, ob dieses über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt oder von einer Behörde mit Rechtspersönlichkeit abhängt (Z 2).

3.2. Diese Definition entspricht, wie die Materialien zu § 1 KflG (2047 BlgNR 20.GP, 3) festhalten, Art 1 Abs 2 der Richtlinie 96/26/EG des Rates vom 29. April 1996 über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer, ABl Nr L 124 vom 23. Mai 1996 (RL 96/26/EG ). Diese Richtlinie normiert Mindeststandards betreffend die persönliche Zuverlässigkeit, die finanzielle Leistungsfähigkeit und die fachliche Eignung des Verkehrsunternehmers, trifft aber keine Regelung darüber, dass der Verkehrsunternehmer Eigentümer der Betriebsmittel, etwa der eingesetzten Kraftfahrzeuge, sein müsste. Ein solches Erfordernis kann auch nicht dem KflG entnommen werden.

3.3. Wohl verlangt § 22 Abs 1 KflG, dass der Konzessionsinhaber, abgesehen von den Fällen des Abs 2 und 3, den Betrieb selbst zu führen hat, was bedeutet, dass er den Verkehr im eigenen Namen, unter eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung zu betreiben hat.

Die Materialien (2047 BlgNR 20.GP, 11) halten dazu fest, dass "aus der Bindung der Konzessions- und Genehmigungspflicht des Kraftfahrlinienverkehrs an den Personenverkehrsunternehmer in § 1 ... klar hervor (gehe), dass der Berechtigungsinhaber und der Betreiber der Kraftfahrlinie im Regelfall ident sein sollen". "Konzessionsholdings, die den Betrieb der Kraftfahrlinie vom billigsten Betriebsführer oder Auftragnehmer vornehmen lassen, sind nicht vorgesehen."

3.4. Die Parteien des Beschwerdeverfahrens gehen diesbezüglich übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass ein Personenverkehrsunternehmer entsprechende Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge und das eingesetzte Personal haben muss, um den gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen zu können. Auch dafür ist es aber unerheblich, ob er zivilrechtlicher Eigentümer der eingesetzten Kraftfahrzeuge ist (in diesem Sinne auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 29. Februar 1996, A 3/95).

4. Aus dem Gesagten folgt, dass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Pauschalierungsverordnung für Schriftsatzaufwand einen zusätzlichen Ersatz für Umsatzsteuer und Einheitssatz nicht vorsieht.

Wien, am 17. Dezember 2008

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