VwGH 2004/16/0265

VwGH2004/16/026523.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Zollamtes Feldkirch in Feldkirch gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom 28. Oktober 2004, Zl. ZRV/0068-Z2L/04, betreffend Eingangsabgaben (mitbeteiligte Partei: R AG in N, Fürstentum Liechtenstein), zu Recht erkannt:

Normen

21987A0813(01) Gemeinsames Versandverfahren idF 22001D011202;
22001D0112(02) Nov-21987A0813(01) Anl1 Art114 Abs1;
22001D0112(02) Nov-21987A0813(01) Anl1 Art114 Abs2;
22001D0112(02) Nov-21987A0813(01) Anl1 Art116 Abs1;
21987A0813(01) Gemeinsames Versandverfahren idF 22001D011202;
22001D0112(02) Nov-21987A0813(01) Anl1 Art114 Abs1;
22001D0112(02) Nov-21987A0813(01) Anl1 Art114 Abs2;
22001D0112(02) Nov-21987A0813(01) Anl1 Art116 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Am 20. Februar 2003 meldete die mitbeteiligte Partei beim Schweizer Zollamt Schaanwald mit T1 als Hauptverpflichtete im Auftrag eines Schweizer Unternehmens eine Palette Folien zum externen Versandverfahren mit Bestimmungsstelle Southampton (Großbritannien) an. Als Ende der Gestellungsfrist wurde der 7. März 2003 festgesetzt.

Am 18. Juli 2003 leitete die Abgangsstelle ein Suchverfahren ein.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2003 teilte die Schweizer Zollverwaltung dem beschwerdeführenden Zollamt mit, dass das Versandverfahren unerledigt geblieben sei und die Bestimmungsstelle mitgeteilt habe, dass über den Verbleib der Sendung nichts in Erfahrung gebracht werden könne und dass nicht genügend Beweismittel vorlägen, um den Erhalt der Ware in Großbritannien zu belegen. Es dürfte somit als Ort der Entstehung der Zollschuld Österreich in Frage kommen, weil der Eingang in das Gebiet der Gemeinschaft am 20. Februar 2003 beim Zollamt Tisis erfolgt sei.

In der Folge setzte das beschwerdeführende Zollamt die mitbeteiligte Partei davon in Kenntnis und forderte sie auf, innerhalb von drei Monaten entweder den Nachweis der ordnungsgemäßen Erledigung des Versandverfahrens oder Unterlagen über die dem Versandschein zu Grunde liegende Ware zu erbringen.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 teilte die mitbeteiligte Partei dem beschwerdeführenden Zollamt mit, sie habe den Empfänger der Waren kontaktiert, sehe allerdings wenig Chancen, den geforderten Nachweis erbringen zu können.

Mit Bescheid vom 10. November 2003 setzte das beschwerdeführende Zollamt gegenüber der mitbeteiligten Partei gemäß Art. 203 Abs. 1 Zollkodex (ZK) iVm §§ 2 und 108 ZollR-DG die Eingangsabgabenschuld in Höhe von insgesamt EUR 486,38 fest und schrieb überdies gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung von EUR 17,53 vor.

Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Berufung und begründete dies damit, ihr Auftraggeber habe mitgeteilt, dass das Versandverfahren in Großbritannien erledigt worden sei. Entsprechende Unterlagen würden nachgereicht.

Mit Schreiben vom 7. Jänner 2004 übermittelte die mitbeteiligte Partei Unterlagen als Bestätigung für eine in Großbritannien erfolgte Einfuhrverzollung und ersuchte überdies um Erstattung bzw. Rückvergütung der von ihr bezahlten Abgaben.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 27. April 2004 wies das beschwerdeführende Zollamt die Berufung als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, die in Art. 450a ZK-DVO genannte Frist von zehn Monaten habe am 22. Dezember 2003 geendet. Das beschwerdeführende Zollamt sei schon vor Ablauf dieser Frist für die Abgabenerhebung zuständig gewesen, weil ein Abwarten im Hinblick auf die 11. Begründungserwägung zur VO (EG) Nr. 2787/2000 und der Verpflichtung zur unverzüglichen buchmäßigen Erfassung gemäß Art. 217 ff ZK "völlig abwegig" erschiene. Der EuGH habe mit Urteil vom 23. Februar 2000, Rs. C-310/98 und C-406/98, entschieden, dass der Ausgleichsmechanismus gemäß dem nunmehrigen Art. 450b ZK-DVO selbst dann zur Anwendung gelange, wenn die Zollbehörden die Nachweise für den Ort der Entstehung der Zollschuld zu Unrecht für ungenügend erachtet hätten. Da jedoch die Zollbehörde des Mitgliedstaats, in dem der Tatbestand - anscheinend - eingetreten sei, das gemäß Art. 450b Abs. 1 ZK-DVO vorgesehene Ersuchsschreiben innerhalb der Dreimonatsfrist nicht beantwortet hätte, könnten die anderen Abgaben als Zölle nicht erstattet werden.

Die mitbeteiligte Partei erhob Beschwerde, in welcher sie ausführte, die Schweizer Zollbehörde habe ihr mit Schreiben vom 15. Jänner 2004 mitgeteilt, dass das Versandverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen worden sei und daher als erledigt betrachtet werden könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerde Folge gegeben und die Berufungsvorentscheidung aufgehoben.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Schweizer Zollverwaltung habe ihr Unterlagen übermittelt, aus denen ersichtlich sei, dass die Bestimmungsstelle in Großbritannien der Abgangsstelle in der Schweiz im Rahmen des Suchverfahrens mitgeteilt habe, dass das Versandverfahren ordnungsgemäß beendet worden sei. Damit stehe fest, dass im Versandverfahren keine Zuwiderhandlung begangen worden und keine Zollschuld entstanden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Art. 114 und 116 der Anlage I des Übereinkommens vom 20. Mai 1987 über ein gemeinsames Versandverfahren idF des Beschlusses Nr. 1/2000 des Gemischten Ausschusses EG-EFTA "Gemeinsames Versandverfahren" (in der Folge Übereinkommen) lauten:

"TITEL IV

Schuld und Abgabenerhebung

Entstehen der Schuld

Artikel 114

(1) Eine Schuld im Sinne des Artikels 3 Buchstabe l entsteht,

wenn

a) Waren dem gemeinsamen Versandverfahren entzogen

werden;

oder

b) Waren zwar nicht entzogen werden, jedoch eine der

Pflichten nicht erfüllt wird, die sich aus der Inanspruchnahme des

gemeinsamen Versandverfahrens ergeben oder eine der

Voraussetzungen für die Überführung einer Ware in das gemeinsame

Versandverfahren nicht erfüllt ist.

Eine Schuld entsteht jedoch nicht durch Unregelmäßigkeiten,

die sich auf den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens nicht

wirklich ausgewirkt haben, sofern

i) es sich nicht um den Versuch handelt, die Waren dem

gemeinsamen Versandverfahren zu entziehen,

ii) keine grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt;

iii) nachträglich alle notwendigen Förmlichkeiten

erfüllt werden, um die Situation der Waren zu bereinigen.

Die Vertragsparteien können bestimmen, in welchen Fällen Unterabsatz 2 Anwendung finden kann.

(2) Die Schuld entsteht:

a) in dem Zeitpunkt, in dem die Waren dem gemeinsamen

Versandverfahren entzogen werden

oder

b) entweder in dem Zeitpunkt, in dem die Pflicht,

deren Nichterfüllung die Schuld entstehen lässt, nicht mehr erfüllt wird, oder in dem Zeitpunkt, in dem die Waren in das Versandverfahren überführt wurden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine der Voraussetzungen für die Überführung in das Verfahren tatsächlich nicht erfüllt war.

(...)

Bestimmung des Ortes der Entstehung der Schuld

Artikel 116

(1) Die Schuld entsteht:

a) an dem Ort, an dem der Sachverhalt eingetreten ist,

der die Schuld entstehen lässt;

b) oder, falls dieser Ort nicht bestimmt werden kann,

an dem Ort, an dem die Zollbehörden feststellen, dass sich die

Ware in einer Lage befindet, die eine Schuld hat entstehen lassen;

c) oder, falls dieser Ort nach Ablauf von zehn Monaten

nach Annahme der Versandanmeldung nicht gemäß den Buchstaben a) oder b) bestimmt werden kann, in dem Land, zu dem die letzte Durchgangszollstelle beim Eingang gehört, bei der ein Grenzübergangsschein abgegeben wurde oder, sofern ein solcher nicht vorliegt, in dem Land, zu dem die Abgangsstelle gehört.

(...)"

Nach den Feststellungen der belangten Behörde und dem Beschwerdevorbringen wurde der Nachweis über die Erhebung der in Rede stehenden Eingangsabgaben durch die britische Zollverwaltung erbracht.

Unstrittig ist, dass der Nachweis über die Beendigung des Versandverfahrens durch die britische Zollverwaltung erst im Jänner 2004 vorgelegt wurde.

Das beschwerdeführende Zollamt geht aber selbst davon aus, dass die Verzollung in Großbritannien am 17. Dezember 2003, somit vor Ablauf der Frist gemäß Art. 116 Abs. 1 lit. c des genannten Übereinkommens von 10 Monaten nach Annahme der Versandanmeldung (somit am 20. Dezember 2003) erfolgt ist. Damit ist aber die Voraussetzung für das Entstehen der Schuld im Inland gemäß Art. 116 Abs. 1 lit. c des Übereinkommens nicht erfüllt, sodass sich schon deswegen die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 23. November 2006

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