VwGH 2005/14/0039

VwGH2005/14/003915.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des F A in T, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 2. März 2005, GZ. RV/0136-L/04, betreffend Einkommensteuer 1999 bis 2001, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;
BAO §115 Abs1;
EStG §16 Abs1;
EStG §20 Abs1 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 1999 bis 2001 beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 28.800 S für Familienheimfahrten an seinen Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina, wo seine Ehefrau für die Zeit seiner nichtselbständigen Beschäftigung in Österreich seine Landwirtschaft bewirtschaften müsse. Ein Zuzug seiner Ehefrau nach Österreich sei tatsächlich und rechtlich nicht möglich, weil dem Beschwerdeführer bis 2001 lediglich eine so genannte "Schlafstelle" in Österreich zur Verfügung gestanden sei, sodass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für seine Ehefrau schon im Grunde des § 8 Abs. 5 des Fremdengesetzes (FrG) nicht möglich gewesen wäre.

Gegen die Einkommensteuerbescheide für 1999 bis 2001, mit denen die geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten nicht berücksichtigt wurden, erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er unter Vorlage seiner Reisepässe darauf hinwies, dass ihm erst am 13. März 2001 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung in Österreich erteilt worden sei. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre die Beantragung einer Niederlassungsbewilligung für seine Ehefrau überhaupt "sinnvoll" gewesen. Da die Erteilung von Niederlassungsbewilligungen zum Zwecke der Familienzusammenführung laut Auskunft der zuständigen Bezirkshauptmannschaft durchschnittlich zumindest zwei bis drei Jahre ab Antragstellung dauere, wäre ein Nachzug der Ehefrau an den österreichischen Beschäftigungsort in den Streitjahren 1999 bis 2001 somit gar nicht möglich gewesen, sodass der Berufung schon aus diesem Grund stattzugeben sei.

Das Finanzamt erließ abweisende Berufungsvorentscheidungen, die sie damit begründete, dass der Beschwerdeführer seit 1972 in Österreich beschäftigt sei und er Unterlagen über die von der Ehefrau bewirtschaftete Landwirtschaft trotz entsprechender Aufforderung des Finanzamtes nicht beigebracht habe. Auch wenn die Erlangung einer Zuzugsbewilligung für Angehörige von "Drittstaaten" durch die diesbezügliche Gesetzeslage erschwert werde, sei ein Zuzug nicht unmöglich oder unzumutbar. Der Beschwerdeführer habe keine Vorkehrungen für einen Zuzug seiner Ehefrau getroffen, sodass anzunehmen sei, dass er aus privaten Erwägungen von vornherein nicht die Absicht gehabt habe, den Familienwohnsitz nach Österreich zu verlegen. Auch wenn der Beschwerdeführer seit April 1988 nur ein Firmenquartier am Arbeitsplatz benütze und sein Arbeitgeber einer solchen Nutzung betriebseigener Quartiere den Vorzug gäbe, hätte der Beschwerdeführer dennoch die Möglichkeit gehabt, für sich und seine Ehefrau einen angemessenen Familienwohnsitz in Österreich zu schaffen.

In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz verwies der Beschwerdeführer auf sein bisheriges Vorbringen und erklärte das Fehlen von Unterlagen über den landwirtschaftlichen Besitz mit den Kriegsereignissen in den 90er Jahren, welche zu einer Zerstörung der Katasterämter geführt hätten. Weiters verwies er auf einen näher angeführten Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 26. Juni 2003, aus dem hervorgehe, dass die Aufwendungen für Familienheimfahrten unabhängig davon als Werbungskosten zu berücksichtigen seien, ob ein Firmenquartier freiwillig oder über Auftrag des Arbeitgebers benützt werde und die Ehefrau am Familienwohnsitz berufstätig sei oder nicht. Auf Grund des vorgetragenen Sachverhaltes sei eine Verlegung des Familienwohnsitzes aus Bosnien-Herzegowina und ein Zuzug der Ehefrau nach Österreich nicht zumutbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über die Berufungen des Beschwerdeführers ab und versagte dabei den Aufwendungen für die Familienheimfahrten die Anerkennung als Werbungskosten. Zur Begründung wird ausgeführt, dass es der Beschwerdeführer unterlassen habe, durch "private Unterlagen" und Vorlage der Steuerbescheide seiner Ehefrau nachzuweisen, dass die Ehefrau Einkünfte aus der Bewirtschaftung der Landwirtschaft erzielt habe. Aus der vorgelegten Bescheinigung vom 13. Juli 2001 des Bürgermeisters der Heimatgemeinde des Beschwerdeführers gehe lediglich hervor, dass er eine "Familienlandwirtschaft" in seiner Heimatgemeinde besitze. Es werde weder die Größe des Besitzes erwähnt, noch, welche Kulturen angebaut und welche Erträge aus der Landwirtschaft erzielt werden. Aus der Bescheinigung sei auch keineswegs zu ersehen, seit wann der Beschwerdeführer die Landwirtschaft überhaupt besitze, sodass es möglich wäre, dass die Bestätigung lediglich den am 13. Juli 2001 gegebenen Besitzstand wiedergebe und der Beschwerdeführer in den Streitjahren 1999 und 2000 die Landwirtschaft noch gar nicht besessen habe. Auch werde nur der Umstand der Bewirtschaftung bestätigt. Aus dem Umstand einer Bewirtschaftung könne aber nicht zwangsläufig auf die Erzielung von Erträgen aus der Liegenschaft geschlossen werden. Gerade im landwirtschaftlichen Bereich sei die Ertragserzielung von der Bodengüte, der Größe der Landwirtschaft, den klimatischen Bedingungen und Ähnlichem abhängig, sodass es durchaus vorkommen könne, dass Erträge nur in geringem Ausmaß oder gar nicht erzielt werden. Zudem könne eine Bewirtschaftung auch nur zu dem Zweck stattfinden, eine drohende Versteppung der Landschaft zu vermeiden. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Unterlagen vorgelegt, denen entnommen werden könnte, dass die aus der Landwirtschaft erzielten Erträge nicht bloß ein untergeordnetes Ausmaß aufwiesen. Auch erübrige sich "ein Erörtern der Möglichkeiten des Zuzugs der Gattin im Wege der Familienzusammenführung, da die Begründung der Berufung ja die Tätigkeit der Gattin des Bw's. in Bosnien" gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegen nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. August 2004, 2000/13/0083).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof ist die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist die Abgabenbehörde nicht verpflichtet, die behauptete Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung unter Gesichtspunkten zu prüfen, die der Abgabepflichtige trotz gebotener Gelegenheit nicht vorgetragen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, 2003/13/0154).

Die belangte Behörde hat die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Bewirtschaftung einer Landwirtschaft in Bosnien-Herzegowina durch die Ehefrau des Beschwerdeführers geprüft. Ob der Ehefrau ein Zuzug nach Österreich möglich sei, müsse - so die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - nicht erörtert werden, weil der Beschwerdeführer seine Berufung nur mit "der Tätigkeit der Gattin" in Bosnien begründet habe.

Diese Feststellung der belangten Behörde ist aktenwidrig. Der Beschwerdeführer hat in seinen Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 vorgebracht, dass ihm erst am 13. März 2001 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erteilt worden sei und ein "Nachzug der Ehefrau an den Beschäftigungsort" für davor liegende Zeiträume vor dem Hintergrund der üblichen Verwaltungsabläufe nicht zu erwarten gewesen wäre, sodass schon deshalb eine Wohnsitzverlegung in den Streitjahren nicht zumutbar gewesen sei. Damit hat der Beschwerdeführer Umstände vorgetragen, von denen nicht gesagt werden kann, dass sie für die Beurteilung, ob eine Wohnsitzverlegung an den Beschäftigungsort zumutbar ist, unerheblich sind. Warum eine Verlegung des Familienwohnsitzes unter Zurücklassung der eigenen Landwirtschaft dem Beschwerdeführer auch dann zumutbar sein sollte, wenn er am Beschäftigungsort selbst nur über eine (nach den Beschwerdeausführungen auf jeweils zwei Jahre) befristete Niederlassungsbewilligung verfügt, ist nicht einsichtig. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, ob die Landwirtschaft dem Beschwerdeführer oder seiner Ehefrau als weitere Einkunftsquelle gedient hat.

Da sich der angefochtene Bescheid aus den angeführten Gründen als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. November 2005

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