VwGH 2004/13/0126

VwGH2004/13/01269.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der B AG in W, vertreten durch Exinger GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Renngasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Wien, vom 15. Juli 2004, Zl. RV/1913-W/03, betreffend die Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer für den Zeitraum vom 1. Jänner 1992 bis 31. März 1994, zu Recht erkannt.

Normen

BAO §224 Abs1;
BAO §289 Abs2;
EStG §82;
BAO §224 Abs1;
BAO §289 Abs2;
EStG §82;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen und

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 2003, 2000/13/0028, verwiesen, mit dem der in derselben Angelegenheit ergangene Bescheid der damals belangten Behörde vom 14. Dezember 1999, Zl. RV/393-16/13/99, soweit darin über Lohnsteuer abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde.

Die Aufhebung des Vorbescheides erfolgte deshalb, weil er nur gegenüber der beschwerdeführenden AG und nicht auch gegenüber dem der Berufung beigetretenen Dienstnehmer (dessen Berufungsbeitritt auch nicht als unzulässig zurückgewiesen worden war) erlassen worden war.

Dem Rechtsstreit lagen die Feststellungen einer Lohnsteuerprüfung zu Grunde, in deren Ergebnis die Beschwerdeführerin für den Streitzeitraum betreffende lohnabhängige Abgaben in Anspruch genommen wurde, und zwar u.a. gemäß § 82 EStG 1988 als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der von Arbeitslöhnen zu entrichtenden Lohnsteuer, nämlich für Fehlberechnungen in Höhe von insgesamt 729.787 S. Die Fehlberechnungen betrafen verschiedene Dienstnehmer und waren nur insoweit strittig, als Lohnbestandteile des ehemaligen Vorstandsmitgliedes Dr. Kurt L. angesprochen waren.

Wie dem Vorerkenntnis zu entnehmen ist, ging es dabei zum einen um die Versteuerung eines Sachbezuges (Nachforderungsbetrag von 42.000 S), zum anderen darum, nach welcher Bestimmung der Dr. Kurt L. anlässlich seines Ausscheidens aus dem Unternehmen gewährte Betrag in Höhe von 2,3 Mio. S zu versteuern ist. Zum letzteren Punkt vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Zahlung (nur) im Ausmaß von 6/12 der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate als freiwillige Abfertigung gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 hätte versteuert werden dürfen, während auf den übersteigenden Betrag der so genannte Belastungsprozentsatz anzuwenden sei. Das Finanzamt schloss sich in seinem Bescheid vom 6. März 1995 zunächst dieser Ansicht an und kam solcherart zu einem diesbezüglichen Nachforderungsbetrag an Lohnsteuer in Höhe von

497.104 S, der im gesamten Nachforderungsbetrag von 729.787 Eingang fand.

In der Berufungsvorentscheidung vom 23. November 1995 änderte das Finanzamt seine rechtliche Beurteilung insofern, als es zur Auffassung gelangte, dass der Betrag in Höhe von 2,3 Mio. S zur Gänze mit dem Belastungsprozentsatz gemäß § 67 Abs. 8 EStG 1988 zu versteuern sei, was zu einer Erhöhung des diesbezüglichen Nachforderungsbetrages um 378.506 S führte. Daraus resultierte eine entsprechende Erhöhung des gesamten Nachforderungsbetrages wegen Fehlberechnungen der Lohnsteuer für den Zeitraum der Monate Jänner 1992 bis März 1994 von 729.787 S auf 1,108.293 S.

Sowohl im Vorbescheid vom 14. Dezember 1999 als auch im nunmehr angefochtenen Bescheid schloss sich die Abgabenbehörde zweiter Instanz der in der Berufungsvorentscheidung vertretenen Rechtsansicht an und sprach aus, dass die Fehlberechnungen an Lohnsteuer des Streitzeitraumes, für welche die Beschwerdeführerin hafte, insgesamt 1,108.293 S betragen.

Die vorliegende Beschwerde wendet sich ausschließlich gegen die im Wege der Berufungsentscheidung vorgenommene Erhöhung des Haftungsbetrages. Das Finanzamt habe im erstinstanzlichen Bescheid lediglich eine Haftung in Höhe von 729.787 S "ausgesprochen", indem die belangte Behörde die Haftung auf 1,108.293 S ausgedehnt habe, sei sie über die Sache des erstinstanzlichen Bescheides hinausgegangen. Die Beschwerdeführerin sei insofern erstmalig zur Haftung herangezogen worden. Mangels Identität der Sache habe die belangte Behörde eine Entscheidung getroffen, zu der nur die Abgabenbehörde erster Instanz zuständig gewesen wäre, sodass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Die Änderungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz schließt auch die Berechtigung ein, den Bescheid erster Instanz zu Ungunsten des Berufungswerbers abzuändern (so genannte Verböserung). Die Änderung darf jedoch nicht zu einer Entscheidung führen, die nicht "Sache" (also Gegenstand des Verfahrens) vor der Abgabenbehörde erster Instanz war (vgl. die bei Ritz, Bundesabgabenordnung2, § 289, Tz. 2-5, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. April 1997, 94/15/0218, in einem vergleichbaren Beschwerdefall ausgeführt hat, wird bei einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht wird, die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin zur Haftung für Lohnsteuer ebenso wie zuvor das Finanzamt im erstinstanzlichen Haftungsbescheid auf den Haftungstatbestand des § 82 EStG 1988 gestützt, wonach der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer haftet. Die Frage, wie viel an Lohnsteuer die (Rechtsvorgängerin der) Beschwerdeführerin gemäß § 82 EStG 1988 in Ansehung der strittigen Lohnzahlung einzubehalten und abzuführen hatte, war bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und daher "die Sache", über die die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu entscheiden hatte.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. April 1997 ausgesprochen hat, umfasst die Änderungsbefugnis nach § 289 Abs. 2 BAO selbst solche Fehler in der Lohnsteuerberechnung, welche vom Finanzamt nicht aufgegriffene Sachverhalte betreffen. Entscheidend ist lediglich, dass die Berufungsbehörde den Arbeitgeber für Lohnsteuerschuldigkeiten derselben Arbeitnehmer und für dieselben Zeiträume wie zuvor das Finanzamt mittels erstinstanzlichen Haftungsbescheides heranzieht. Das von der Beschwerdeführerin für ihren Rechtsstandpunkt herangezogene Erkenntnis vom 19. Dezember 2002, 2001/15/0029, ist nicht einschlägig, weil es einen anderen Haftungstatbestand, nämlich die Ausfallshaftung nach § 9 BAO, zum Gegenstand hatte.

Das sich ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Unzuständigkeit der belangten Behörde gegen die im angefochtenen Bescheid erfolgte Besteuerung der strittigen Lohnzahlung mit dem Belastungsprozentsatz wendende Beschwerdevorbringen ist demnach nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, 9. Februar 2005

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