VwGH 2003/11/0157

VwGH2003/11/015729.1.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Mag. Maximilian Gutschreiter, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Hauptplatz 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. Juni 2002, Zl. FA13B-39- 1639/01-5, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §1 Abs3;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §26 Abs2;
FSG 1997 §26 Abs8;
FSG 1997 §37 Abs1;
FSG 1997 §37 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs3 Z7 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FSG 1997 §1 Abs3;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §26 Abs2;
FSG 1997 §26 Abs8;
FSG 1997 §37 Abs1;
FSG 1997 §37 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs3 Z7 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers "auf die Dauer von 3 Monaten gerechnet ab Ende der mit Bescheid vom 24.4.2001 verhängten Entzugsdauer, das ist der 4.9.2001 bis 4.12.2001 entzogen" wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In Erledigung der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 24. April 2001 entzog die Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag mit Bescheid vom 4. Oktober 2001 dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Gruppen A, B, C, E, F und G auf die Dauer von vier Monaten, gerechnet vom Tag der Zustellung des Mandatsbescheides (3. Mai 2001), bis einschließlich 3. September 2001 (als Rechtsgrundlagen waren §§ 24 Abs. 1 Z. 1, 25 Abs. 3, 7 Abs. 1 und 3 Z. 1 und Abs. 5 und 29 Abs. 7 des Führerscheingesetzes-FSG angegeben). Unter einem wurde gemäß § 26 Abs. 8 und § 24 Abs. 3 FSG angeordnet, dass sich der Beschwerdeführer einer Nachschulung zu unterziehen habe. Darüber hinaus wurde gemäß § 26 Abs. 8 und 24 Abs. 4 FSG angeordnet, dass der Beschwerdeführer ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen habe. Schließlich wurde dem Beschwerdeführer - insoweit über den Mandatsbescheid vom 24. April 2001 hinausgehend - gemäß §§ 24 Abs. 1 Z. 1, 25 Abs. 1 und 3 und 7 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 7 lit. a FSG die Lenkberechtigung "auf die Dauer von 3 Monaten gerechnet ab Ende der mit Bescheid vom 24.4.2001 verhängten Entzugsdauer, das ist der 4.9.2001 bis 4.12.2001 entzogen". Die Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag legte diesem Bescheid zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 21. April 2001 um 3.45 Uhr einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Pkw im Gemeindegebiet von K. gelenkt habe, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe sich trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht um 3.45 Uhr in K. geweigert, den Alkoholgehalt der Atemluft mit einem Alkoholmessgerät untersuchen zu lassen. Eine vorläufige Abnahme des Führerscheins habe nicht stattgefunden. Überdies sei über den Beschwerdeführer mit noch nicht rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 4. Oktober 2001 gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 4 Z. 1 FSG bestraft worden.

Im Verwaltungsakt erliegt eine Kopie des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenats für die Steiermark (im Folgenden: UVS) vom 22. April 2002, UVS 30.6-114/2001-8, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, er habe am 4. Mai 2001 in der Zeit von 10.45 Uhr bis 11.00 Uhr auf näher bezeichneten Straßen einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Pkw gelenkt, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten Lenkberechtigung der betreffenden Klasse oder Unterklasse gewesen sei, weil ihm diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 24. April 2001 auf die Dauer von vier Monaten entzogen worden sei. Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Übertretung des § 37 Abs. 1 und Abs. 4 Z. 1 FSG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 FSG begangen.

Im Verwaltungsakt erliegt weiters eine Kopie des Bescheides des UVS vom 22. April 2002, UVS 303.6-25/2001-12, UVS 30.6- 107+108/2001-4, mit welchem der Beschwerdeführer u.a. schuldig erkannt wurde, er habe am 21. April 2001 um 3.50 Uhr im Gemeindegebiet K. einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Pkw in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und habe sich nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organs der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet habe werden können, dass er sich beim Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Der Landeshauptmann von Steiermark wies die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag vom 4. Oktober 2001 mit Bescheid vom 26. Juni 2002 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Steiermark aus, in den "konnexen Strafverfahren" der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag lägen nunmehr die rechtskräftigen Entscheidungen des UVS vor, in denen die "entsprechenden Berufungsvorbringen abgewiesen" worden seien. Für die Berufungsbehörde im Entziehungsverfahren folge daraus, dass vom Vorliegen eines Alkoholdeliktes (Verweigerungstatbestand) und einer "Schwarzfahrt" auszugehen sei. Unbestritten geblieben sei auch, dass der Beschwerdeführer ein Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr tatsächlich gelenkt habe. Auf Grund der vorliegenden Bescheide des UVS gehe die Berufungsbehörde in Übereinstimmung mit der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag konform und sei der Auffassung, dass der Beschwerdeführer erst nach Ablauf von vier Monaten bzw. weiteren drei Monaten die Verkehrszuverlässigkeit wieder erreicht haben werde, weshalb sie die verfügte Entziehungszeit als "völlig gerechtfertigt und angemessen" befinde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid" in seinem Recht, ein Kraftfahrzeug, in Verbindung mit der Innehabung eines Führerscheins, zu lenken, verletzt".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides ist das FSG in der Fassung vor dem Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, maßgeblich. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen lauten (auszugsweise):

"Geltungsbereich

§ 1.

...

(3) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt.

... .

...

Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz-SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

7. ein Kraftfahrzeug lenkt

a) ohne gültige Lenkberechtigung,

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

Sonderfälle der Entziehung

§ 26.

...

(2) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.

...

(8) Bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8.

...

Strafbestimmungen, Strafausmaß

§ 37. (1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses

Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen

Anordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung ... .

..."

1.2. § 99 Abs. 1 StVO 1960 lautet (auszugsweise):

"§ 99. Strafbestimmungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist ... zu bestrafen,

...

b) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,

..."

2.1. Unstrittig ist im Beschwerdefall die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 sowie einer Übertretung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 4 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 FSG. An diese rechtskräftigen Bestrafungen war die belangte Behörde entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2000, Zl. 99/11/0376 mwN) gebunden.

2.2. Was die Verweigerung des Alkotests am 21. April 2001 anlangt, so lagen im Falle des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 FSG vor. Die Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde für die Dauer von vier Monaten, beginnend mit der Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag am 3. Mai 2001, kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Was die mit dem angefochtenen Bescheid ebenfalls bestätigten Anordnungen der Erstbehörde, der Beschwerdeführer habe sich einer Nachschulung zu unterziehen und ein amtsärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen, anlangt, so wurde der Beschwerdeführer durch diese mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Aussprüche nicht in dem von ihm ausschließlich geltend gemachten Recht verletzt. Die Beschwerde war demnach auch insofern gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.3. Soweit sie hingegen (erkennbar auch) die Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers ab dem 4. September 2001 für die Dauer von drei Monaten betrifft, ist der Beschwerde Erfolg beschieden.

Im Hinblick auf die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges trotz (durch Mandatsbescheid vorläufig wirksam) entzogener Lenkberechtigung lag zwar eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 7 lit. a FSG vor. Die Erstbehörde hat allerdings hinsichtlich der deswegen ausgesprochenen Entziehung der Lenkberechtigung die aufschiebende Wirkung einer Berufung nicht aberkannt, weshalb die Entziehung ab dem 4. September 2001 auch nicht vorläufig wirksam geworden ist. Zieht man in Betracht, dass das die bestimmte Tatsache begründende Delikt bereits am 4. Mai 2001 begangen wurde, durfte die belangte Behörde, die ihren Bescheid erst am 5. Juli 2002 erließ, nicht mehr von der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers ausgehen. Indem die belangte Behörde die rechtswidrige Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers ab 4. September 2001 durch die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid bestätigte, belastete sie in diesem Umfang ihren eigenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen, soweit er eine Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Zeit ab 4. September 2001 bestätigte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50, VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. Jänner 2004

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