VwGH 2003/06/0025

VwGH2003/06/002522.1.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Mag. Dr. G in W, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien 1, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Ständigen Ausschusses der Österreichischen Notariatskammer vom 16. Dezember 2002 (ohne Zahl, ergangen im Verfahren GZ OS 1/96), betreffend Ordnungsstrafe (die belangte Behörde ist im Beschwerdeverfahren durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien 1, Gonzagagasse 15, vertreten), zu Recht erkannt:

Normen

NO 1871 §155 Abs2;
NO 1871 §158 Abs5;
NO 1871 §164 Abs2;
NO 1871 §168 Abs2;
NO 1871 §168 Abs3;
StPO §68 Abs2;
NO 1871 §155 Abs2;
NO 1871 §158 Abs5;
NO 1871 §164 Abs2;
NO 1871 §168 Abs2;
NO 1871 §168 Abs3;
StPO §68 Abs2;

 

Spruch:

Der Punkt 4.) des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Österreichische Notariatskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist öffentlicher Notar im Bereich der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland.

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 12. November 2001, Zl. 99/10/0123, zu entnehmen.

Daraus ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zunächst wegen der auch hier relevanten Tatvorwürfe disziplinär verfolgt, aber auf Grund seiner Berufung mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 22. September 1995 von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen wurde, weil kein Disziplinarvergehen vorliege. Ob der Beschwerdeführer durch sein inkriminiertes Verhalten eine Ordnungswidrigkeit begangen habe, sei von der zuständigen Notariatskammer zu beurteilen.

Im Anschluss daran wurde ein solches Ordnungsstrafverfahren eingeleitet.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung (§165 NO) erging der (erstinstanzliche) Beschluss der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. September 1996, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, er habe

"in den Jahren 1990 - 1992 grob fahrlässig

a) in den gemäß den Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch Notare vom 5.7.1984 (Wagner, NO3, 553 ff) der Notariatskammer übergebenen statistischen Ausweise die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen nicht vollständig bekannt gegeben,

b) im genannten Zeitraum die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen entgegen den gemäß § 140a Abs. 2 Z. 8 NO erlassenen Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 18.5.1977 (Wagner, NO3, 521 ff) nicht durch Vergabe von Beurkundungsregisterzahlen für jede Amtshandlung erfasst,

c) die sich aus seiner Amtsführungspflicht unmittelbar ergebende Obliegenheit zur Beaufsichtigung seiner Angestellten, die mit der Führung des Beurkundungsregisters und Erstellung des statistischen Ausweises beauftragt waren, vernachlässigt."

Der Beschwerdeführer habe hierdurch schuldhaft, und zwar grob fahrlässig, die den Notaren durch die Notariatsordnung auferlegte Pflicht, die Gesetze und alle anderen Rechtsvorschriften unverbrüchlich zu beachten, verletzt, und somit die Ordnungswidrigkeit der Berufspflichtverletzung im Sinne der §§ 155 Abs. 1 Z. 1 und 156 Abs. 2 NO begangen. Gemäß § 158 Abs. 5 NO werde gegen den Beschwerdeführer hiefür die Ordnungsstrafe der schriftlichen Rüge in Verbindung mit einer Geldbuße von S 30.000,--

verhängt.

Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, es stehe unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer in dem gemäß § 82 NO zu führenden Beurkundungsregister unter einer Beurkundungsregisterzahl mehrere Geschäftsfälle, und zwar im Jahre 1990 bei 394 Beurkundungsregisterzahlen jeweils mehrere Beglaubigungen, eingetragen habe. Tatsächlich habe es sich insgesamt um 897 Amtshandlungen gehandelt, sodass 503 Beurkundungsregisterzahlen mehr zu vergeben gewesen wären. Im Jahre 1991 seien bei 404 Beurkundungsregisterzahlen tatsächlich 943 Amtshandlungen eingetragen worden, sodass 539 Beurkundungsregisterzahlen mehr zu vergeben gewesen wären. Im Jahre 1992 seien bei 532 Beurkundungsregisterzahlen insgesamt

1.226 Amtshandlungen eingetragen worden. Tatsächlich wären 694 Beurkundungsregisterzahlen mehr zu vergeben gewesen. Durch diese Führung des Beurkundungsregisters sei es zu einer unrichtigen Wiedergabe des statistischen Ausweises über die Tätigkeit der Notare, und zwar in seinem Punkt 2 dahin gehend, dass sowohl die Gesamtzahl der in das Beurkundungsregister eingetragenen Amtshandlungen tatsächlich höher und damit auch die Anzahl der Beglaubigungen von Unterschriften auf eigenen Urkunden unrichtig wiedergegeben worden sei. Die statistischen Ausweise seien von den Angestellten des Beschwerdeführers erstellt worden, ohne von ihm vor deren Unterfertigung überprüft worden zu sein. Ein Notar begehe gemäß § 155 Abs. 1 Z. 1 und § 156 Abs. 2 NO eine Ordnungswidrigkeit, wenn er schuldhaft eine Berufspflicht verletze. Zu den Berufspflichten des Notars zähle auch die ordnungsgemäße Führung der Beurkundungsregister und der statistischen Ausweise. Die Zusammenfassung mehrerer Beurkundungen im Beurkundungsregister unter einer einzigen Geschäftszahl sei, wie auch der Oberste Gerichtshof ausgeführt habe, unzulässig. Jede Notariatsurkunde, sohin jeder Legalisierungsvermerk auf einer Urkunde bilde ein eigenes, abgeschlossenes Ganzes, zu welchem die dieser Notariatsurkunde zugeordnete Geschäftszahl gehöre. In den statistischen Ausweisen seien im Sinne der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer über die Erstattung statistischer Ausweise durch die Notare vom 5. Juli 1984 die vorgenommenen Amtshandlungen, nicht die Geschäftszahlen einzutragen; es seien in dem statistischen Ausweis jene Zahlen einzusetzen, die sich aus den Eintragungen im allgemeinen Geschäftsregister und dem besonderen Geschäftsregister, dem Beurkundungsregister, ergäben. Durch die Nichtüberprüfung der von seinen Angestellten vorgelegten statistischen Ausweise habe der Beschwerdeführer die sich ihm aus seiner Amtsführungspflicht unmittelbar ergebende Obliegenheit zur Beaufsichtigung der Mitarbeiter vernachlässigt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Beschluss (Bescheid) der belangten Behörde vom 16. April 1997 (Anmerkung: das war der im vorangegangenen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, Zl. 99/10/0123, angefochtene Bescheid) wurde der Berufung hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe teilweise Folge gegeben, der Tatvorwurf aus diesem Anlass allerdings neu gefasst. Es heißt dann weiter, der Beschwerdeführer habe dadurch (durch die näher umschriebenen, als erwiesen angenommenen Taten bzw. Unterlassungen) schuldhaft, und zwar grob fahrlässig, die den Notaren durch die Notariatsordnung auferlegte Pflicht, die Gesetze und alle Rechtsvorschriften unverbrüchlich zu beachten, verletzt und somit die Ordnungswidrigkeit der Berufspflichtverletzung im Sinne der §§ 155 Abs. 1 Z. 1 und 156 Abs. 2 NO begangen. Gemäß § 158 Abs. 5 NO werde gegen den Beschwerdeführer hiefür die Ordnungsstrafe der schriftlichen Rüge verhängt. Gemäß § 184 Abs. 2 NO in Verbindung mit § 380 ff StPO habe er die Kosten des Ordnungsstrafverfahrens zu ersetzen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 10. März 1999, B 1478/97, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Mit dem eingangs genannten Erkenntnis vom 12. November 2001, Zl. 99/10/0123, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 16. April 1997 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben (unrichtige Zusammensetzung). Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis ua. weiters aus, auch ohne Bedachtnahme auf die erwähnte (von der Behörde erster Instanz herangezogene) Richtlinie erweise sich die vom Beschwerdeführer bei der Führung des Beurkundungsregisters gepflogene Vorgangsweise als Verstoß gegen die Notariatsordnung, weil sich bereits aus § 47 Abs. 1 NO klar ergebe, dass die Zusammenfassung mehrerer Beurkundungen unter einer einzigen Geschäftszahl unzulässig sei, vielmehr jede Notariatsurkunde mit einer auf sie bezogenen Geschäftszahl bezeichnet werden müsse. Es sei daher auch unzulässig, mehrere Beurkundungen unter einer einzigen Geschäftszahl in das Beurkundungsregister nach § 82 Abs. 1 NO in der zur Tatzeit geltenden Fassung einzutragen.

Im fortgesetzten Verfahren vor der belangten Behörde erstattete der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 25. Februar 2002 ein ergänzendes Vorbringen.

Mit Beschluss vom 17. April 2002 verfügte die belangte Behörde gemäß § 168 Abs. 3 letzter Satz NO die Rückstellung der Akten an die Behörde erster Instanz, mit dem Auftrag, ergänzende Erhebungen zu tätigen, und zwar

a) Bekanntgabe des beruflichen Werdeganges des Beschwerdeführers als Kandidat, beginnend mit seinem Eintritt in das Notariat bis zu seiner Ernennung zum öffentlichen Notar,

b) Überprüfung der Beurkundungsregisterzahlen der als Ausbildungsnotare angeführten Notare Dr. K, Dr. Li sowie "weiterer Kollegen" und allfälliger selbständiger Substitutionen in jenem Zeitraum, in welchem der Beschwerdeführer als Notariatskandidat bei den angeführten Kollegen und allenfalls weiteren Kollegen beschäftigt oder selbständig tätig gewesen sei, daraufhin, ob die von ihm als selbständiger Notar geübte Praxis der Zusammenfassung mehrerer Beurkundungsvorgänge unter einer Geschäftszahl auch bei seinen Dienstgebern bzw. im Falle der selbständigen Substitution in dieser Form praktiziert worden sei.

Dies wurde damit begründet, im Zuge der Überprüfung des Sachverhaltes und der Tatsachenfeststellungen, die durch die Behörde erster Instanz vorgenommen worden seien, habe sich ergeben, dass die durchgehende Behauptung des Beschwerdeführers, er habe von seinem Ausbildungsnotar die inkriminierte Verhaltensweise gelernt, nicht hinreichend überprüft worden sei. Aus dem vorbereiteten Schriftsatz des Beschwerdeführers (Anmerkung: gemeint ist offenbar jener vom 25. Februar 2002) habe sich ergeben, dass dieser zumindest bei drei Notaren, nämlich Dr. L, Dr. K und Dr. Li in Ausbildung gestanden sei. Zur Überprüfung der subjektiven Tatseite sei daher eine weitere Beweiserhebung erforderlich.

Hierauf wurde mit Beschluss der Behörde erster Instanz vom 10. September 2002 Mag. B zum Untersuchungskommissär zwecks Durchführung der aufgetragenen Erhebungen bestellt.

Dieser führte in seinem Bericht vom 30. September 2002 aus, nach Einsichtnahme in die entsprechenden Unterlagen bei der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland sei der berufliche Werdegang des Beschwerdeführers gegeben wie folgt: Vom Eintritt in das Notariat per 19. Jänner 1966 bis zum 31. Mai 1970 bei Dr. K (im Sprengel des LG Eisenstadt), vom 1. bis 30. Juni 1970 bei Dr. Li (Wien), vom 1. Juli bis 16. August 1970 wieder bei Dr. K, vom 17. August 1970 bis 31. Dezember 1972 wieder bei Dr. Li, vom 1. Jänner 1973 bis 5. März 1975 bei Dr. L (im Sprengel des LG Wiener Neustadt), vom 6. März 1975 bis 30. Oktober 1975 Notarsubstitut in X (ebenfalls Notar Dr. L), sowie im Anschluss daran vom 1. November 1975 bis 1. September 1977 sowie vom 17. September 1977 bis 20. August 1984 wiederum bei Notar Dr. L (anschließend Ernennung zum öffentlichen Notar).

Was die Überprüfung der Beurkundungsregisterzahlen der Ausbildungsnotare daraufhin, ob die vom Beschwerdeführer als selbständiger Notar geübte Praxis der Zusammenfassung mehrerer Beurkundungsfälle und einer Geschäftszahl auch bei seinen Dienstgebern geübt worden sei, betreffe, so sei festzustellen:

Wie sich aus den zuvor wiedergegebenen Verwendungszeiten ergebe, sei der Beschwerdeführer im überwiegenden Maße, nämlich von Anfang 1973 bis Ende August 1984 bei Dr. L als Notariatskandidat tätig gewesen. Die Einsicht beim Notariatsarchiv des LG Wiener Neustadt habe die Untersuchung folgender Register umfasst (aufgelistet werden die Register 11 bis 32 beginnend mit der Zl. 2674/72 und endend mit der Zl. 604/85). Darüber hinaus habe er die vorhandenen Vermerkblätter ebenfalls einer Überprüfung unterzogen. Insgesamt seien einige wenige "Doppelbeurkundungen" (im Original unter Anführungszeichen) (das heiße, dass eine Beglaubigungszahl mit der Beifügung "A" zweimal verwendet werde) vorgefunden worden (es folgen vier Beispiele). Ein Hinweis auf die Zusammenfassung mehrerer Beurkundungsvorgänge unter einer Geschäftszahl habe sich nicht ergeben.

Des Weiteren habe er im Hinblick auf die Substitution des Beschwerdeführers in X die diesbezüglichen Beurkundungsregister im fraglichen Zeitraum durchgesehen und auch hier keinen wie immer gearteten Hinweis darauf gefunden, dass mehrere Beurkundungsvorgänge unter einer Geschäftszahl zusammengefasst worden seien.

Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer während seiner Tätigkeit als Notariatskandidat bei Dr. L sowie während seiner Substitution für Dr. L in X die von ihm behauptete Praxis der Zusammenfassung mehrerer Beurkundungsvorgänge unter einer Geschäftszahl nicht geübt habe.

Es sei daher davon auszugehen, dass weitere "äußerst zeitintensive Untersuchungen" beim LG Eisenstadt und beim LG für ZRS Wien im Hinblick auf die zuvor angeführten Ermittlungen ausbleiben könnten.

Dieser Bericht wurde dem Beschwerdeführer (zu Handen des Beschwerdevertreters) zur Stellungnahme binnen 14 Tagen zur Kenntnis gebracht (zugestellt am 24. Oktober 2002). Mit Eingabe vom 31. Oktober 2002 brachte der Beschwerdeführer vor, der Untersuchungskommissär Mag. B habe (gemäß seinem Bericht vom 30. September 2002) keine Hinweise über mehrere Beurkundungsvorgänge unter einer Geschäftszahl gefunden und nun die Schlussfolgerung gezogen, dass weitere äußerst zeitintensive Untersuchungen beim LG Eisenstadt und beim LG für ZRS Wien unterbleiben könnten. Da das Vorbringen des Beschwerdeführers (auch) auf eigener Wahrnehmung beruhe, sei er offenbar genötigt, diese zeitaufwändigen Erhebungen selbst zu tätigen bzw. in Auftrag zu geben. Dass hiefür ein entsprechender Zeitaufwand erforderlich sei, sei aktenkundig (Hinweis auf die Äußerung des Untersuchungskommissärs Mag. B). Er ersuche daher höflich um Fristerstreckung und stelle den Antrag, ihm die Äußerungsfrist bis 20. Jänner 2003 zu erstrecken. Auf Ausfertigung eines stattgebenden Beschlusses werde verzichtet. Vorsorglich erkläre er schon jetzt, dass er seine Vernehmung beantrage.

Hierauf hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Beschluss (Bescheid) vom 16. Dezember 2002

1. den Antrag des Beschwerdeführers, eine mündliche Berufungsverhandlung anzusetzen, gemäß § 168 Abs. 2 erster Satz NO abgewiesen,

2. seine Anträge auf Fristerstreckung und weitere Beweisaufnahme gemäß § 168 Abs. 2 und 3 NO abgewiesen,

3. seiner Berufung gegen die Punkte lit. a und c des bekämpften erstinstanzlichen Beschlusses stattgegeben, "hinsichtlich lit. c) zufolge eingetretener Verjährung", und hinsichtlich dieser Tatbestände freigesprochen, und

4. ausgesprochen, dass im Übrigen der Berufung, soweit sie wegen des Ausspruches über die Schuld und den Kostenersatz erhoben worden sei, als unbegründet abgewiesen werde. Soweit die Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe erfolgt sei, sei ihr durch Herabsetzung der verhängten Ordnungsstrafe teilweise Folge zu geben, weil ein materieller Schaden nicht entstanden sei.

Der bekämpfte erstinstanzliche Beschluss (Bescheid) werde somit abgeändert wie folgt:

Der Beschwerdeführer sei schuldig. Er habe in den Jahren 1990 - 1992 über die von ihm oder seinem Substituten im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen "vorsätzlich im Beurkundungsregister (§ 82 Abs. 1 NO) verminderte Anfallszahlen angeführt" und damit gegen die Bestimmungen des § 47 Abs. 1 NO iVm § 82 Abs. 1 NO verstoßen.

Der Beschwerdeführer habe hiedurch schuldhaft die den Notaren durch die Notariatsordnung auferlegte Pflicht, die Gesetze und alle anderen Rechtsvorschriften unverbrüchlich zu beachten, vorsätzlich verletzt und somit die Ordnungswidrigkeit der Berufspflichtverletzung im Sinne der §§ 155 Abs. 1 Z 1 und 156 Abs. 2 NO begangen.

Gemäß § 158 Abs. 5 NO werde über den Beschwerdeführer hiefür die Ordnungsstrafe der schriftlichen Rüge in Verbindung mit einer Geldbusse von EUR 1.500,-- verhängt.

Der Beschwerdeführer habe gemäß § 184 Abs. 2 NO iVm den §§ 380 ff StPO die Kosten des Ordnungsstrafverfahrens zu ersetzen.

Begründend heißt es hiezu, die belangte Behörde verweise auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses, die hier nicht wörtlich wiederholt werden müsse. Darüber hinaus habe sich im Verfahren weiters ergeben:

Der Beschwerdeführer habe zunächst im Rahmen des vorangegangenen Disziplinarverfahrens nur Dr. L als seinen Ausbildungsnotar bezeichnet, bei welchem er auch überwiegend (ca. elf Jahre) als Kandidat, davon die letzten neun Jahre vor seiner Ernennung zum öffentlichen Notar, beschäftigt gewesen sei. Erst im Zuge des Disziplinarverfahrens seien weitere Notare genannt worden, in deren Ausbildung er gestanden habe. Aus den Erhebungen des Untersuchungskommissärs Mag. B gehe hervor, dass er als Kandidat etwa 4 1/2 Jahre bei Dr. K als Anfänger in seinen ersten Berufsjahren, weiters bei Dr. Li in Wien kurzfristig 7 1/2 Monate und weiters als selbständiger Substitut in X ca. 7 Monate verbracht habe. Er habe daher seine überwiegende Ausbildung im Notariat Dr. L erhalten. Der Untersuchungskommissär habe festgestellt, dass bei diesem Notar eine "derartige, wie vom Beschuldigten geübte Praxis nicht vorkam".

Die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, er habe bei diesem Notar (Dr. L) die inkriminierte Vorgangsweise erlernt und daher quasi übernommen, sei durch das Ergebnis der Untersuchung widerlegt und stelle sich daher als reine Schutzbehauptung dar. Es bedürfe daher keinerlei weiterer Erhebungen bei anderen Notaren, umso mehr als der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei Dr. Li und bei Dr. L diese Praxis nicht erlernt habe können.

Im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die von der erstinstanzlichen Behörde bezogene Richtlinie sei nicht gehörig kundgemacht, sei dies ohne Belang, weil "aus dem Erkenntnis des OGH aber auch des VwGH ersichtlich" sei, dass im Zusammenhang mit den gesetzlichen Bestimmungen der zur Tatzeit in Kraft stehenden Notariatsordnung, insbesondere § 47 Abs. 1, § 79 Abs. 5, § 82 und § 112 leg. cit., bereits auf Grund dieser Vorschriften das Handeln des Beschuldigten nicht gesetzeskonform gewesen sei. Der Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen erweise sich im Lichte "der Entscheidungen des VerfGH in dieser Angelegenheit" als nicht tragfähig.

Die gegen den Beschwerdeführer in erster Instanz verhängte Ordnungsstrafe beruhe eben nicht auf der nicht kundgemachten und daher rechtlich irrelevanten Richtlinie, sondern unmittelbar auf den Bestimmungen der Notariatsordnung.

Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Beschwerdeführer die von ihm geübte Praxis bei Dr. K erlernt haben sollte, so hätte er hinreichend Gelegenheit gehabt, bei den beiden weiteren Notaren (Dr. Li und Dr. L) die richtige Art der Registrierung zu erlernen.

Die belangte Behörde führe keine mündliche Verhandlung durch, weil eine solche im Gesetz nicht vorgesehen sei (§ 168 Abs. 2 NO).

Eine Vernehmung des Beschuldigten vor Fällung der Berufungsentscheidung sei zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen (Hinweis auf Wagner/Knechtel, NO5, Rz 4 zu § 168), sei aber nur dann geboten, wenn die Berufungsbehörde dies zur Klarstellung des Sachverhaltes für notwendig erachte. Dies sei im Beschwerdefall nicht gegeben. Gleiches gelte für das Begehren auf Fristerstreckung selbst. Nur dann, wenn die Berufungsbehörde eine Verfahrensergänzung beim LG Eisenstadt und beim LG für ZRS Wien für notwendig erachte, wäre diese zu bewilligen gewesen. Dies sehe die Berufungsbehörde für nicht erforderlich, weil durch den Untersuchungskommissär "ausführliche Erhebungen über die relevanten Fakten vorgenommen" worden seien. Die Anträge des Beschwerdeführers dienten nur einer weiteren Verschleppung der Angelegenheit. Zusammenfassend werde festgestellt, dass die Sachlage hinreichend geklärt erscheine.

Das Begehren des Beschwerdeführers, ihm Gelegenheit zur mündlichen Darstellung seines Standpunktes vor der Berufungsbehörde zu geben, sei im Gesetz nicht gedeckt und auch nicht erforderlich, weil der Sachverhalt eindeutig klargestellt sei.

Auch der Umstand, dass bei vorangegangenen Revisionen eine Beanstandung der geübten Praxis nicht erfolgt sei, sei kein Schuldausschließungsgrund. Selbst dann, wenn es wahr wäre, dass bei den übrigen Ausbildungsnotaren des Beschwerdeführers diese unzulässige Praxis überhaupt geübt worden wäre, sei doch darauf zu verweisen, dass er die überwiegende Kandidatenzeit bei Dr. L sowie bei Dr. Li verbracht habe, die entgegen seiner Behauptung keinesfalls die inkriminierte Verhaltensweise an den Tag gelegt hätten. Eine diesbezügliche Äußerung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seiner selbständigen Substitution beim Notariat in X fehle. Daraus ergebe sich aber, dass er in seiner überwiegenden Ausbildungszeit die gesetzeskonforme Art und Weise der Registrierung nicht nur erlernt, sondern als Dauersubstitut der Notare Dr. L und Dr. Li auch selbst geübt habe. Eine derartige Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen könne auch nicht den Angestellten des Notars zur Last gelegt werden, weil diese nur auf Anordnung des Notars von einer unter dem Amtsvorgänger geübten gesetzeskonformen Art der Registrierung abweichen würden. Im Übrigen sei der erhobene Vorwurf der mangelnden Beaufsichtigung gemäß lit. c des erstinstanzlichen Erkenntnisses aufzuheben, weil Verjährung eingetreten sei.

Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bewusst und vorsätzlich gehandelt habe, in der Absicht gegenüber der zuständigen Notariatskammer seinen Geschäftsumfang zu verschleiern. Er habe hiemit gegen die Bestimmungen des § 8 des Bundesstatistikgesetzes ebenso verstoßen wie gegen die Bestimmungen des § 47 und des § 82 Abs. 1 NO in der Fassung der Novelle 1993/692.

Der Oberste Gerichtshof als letzte Instanz im Disziplinarverfahren habe das Verhalten des Beschwerdeführers als bloße Ordnungswidrigkeit qualifiziert, weil keine gerichtlich strafbare Handlung vorgelegen sei und die Verletzung der Berufspflicht keinen oder nur einen unbedeutenden Schaden nach sich zu ziehen geeignet gewesen sei. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine eindeutige Verletzung der Berufspflichten gemäß § 155 Abs. 1 Z 1 NO durch Nichtbeachtung der gesetzlichen Bestimmungen dar.

Die Verhängung der Strafe einer schriftlichen Rüge in Verbindung mit einer Geldbusse von EUR 1.500,-- erscheine angemessen. Der Kostenersatz gründe sich auf die gesetzlichen Bestimmungen der § 184 Abs. 2 NO iVm §§ 380 ff StPO.

Gegen die Punkte 1.), 2.) und 4.) dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (Punkt 3. bleibt ausdrücklich unbekämpft).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beaufsichtigung und Disziplinarbehandlung der Notare ist im X. Hauptstück der Notariatsordnung (NO), BGBl. Nr. 75/1871, geregelt, welches die §§ 153 bis 185 umfasst und seiner jetzigen Fassung im Wesentlichen auf der Novelle BGBl. Nr. 651/1982 beruht.

Nach § 155 Abs. 2 NO sind Standespflichtverletzungen entweder Disziplinarvergehen, die vom Oberlandesgericht als Disziplinargericht mit Disziplinarstrafe zu ahnden sind, oder Ordnungswidrigkeiten, die von der Notariatskammer mit Ordnungsstrafe zu ahnden sind.

Nach § 158 Abs. 5 NO sind Ordnungswidrigkeiten mit einer der folgenden Ordnungsstrafen zu ahnden:

  1. 1. Mahnung an die Pflichten des Standes,
  2. 2. schriftliche Rüge,
  3. 3. schriftliche Rüge in Verbindung mit einer Geldbusse bis

    S 100.000,-- , nunmehr (gemäß BGBl. I Nr. 98/2001, Art. 68 Z 5) EUR 7.200,--.

    § 164 NO lautet auszugsweise:

"§ 164. (1) Von der Mitwirkung an Verhandlungen und Beschlussfassungen der Notariatskammer und des Ständigen Ausschusses sind ausgeschlossen:

1. ein Mitglied, bei dem ein in § 127 Abs. 3 genannter Grund vorliegt,

2. ein Mitglied, das als Zeuge vernommen werden soll, es sei denn, dass es sich um Wahrnehmungen anlässlich seiner Tätigkeit als Mitglied der Notariatskammer oder des Ständigen Ausschusses handelt, und

3. der Untersuchungskommissär.

(2) Sind Gründe vorhanden, die geeignet sind, die Unbefangenheit des Untersuchungskommissärs, eines Mitglieds der Notariatskammer oder eines Mitglieds des Ständigen Ausschusses in Zweifel zu ziehen, so kann der Beschuldigte einen Ablehnungsantrag stellen. Der Beschuldigte hat darüber hinaus das Recht, von den Mitgliedern der Notariatskammer eines auch ohne Angabe von Gründen abzulehnen.

(3) Über das Vorliegen von Befangenheitsgründen nach Abs. 2 entscheidet die Notariatskammer hinsichtlich ihrer Mitglieder und des Untersuchungskommissärs, der Ständige Ausschuss hinsichtlich seiner Mitglieder.

(...)"

Gemäß § 167 Abs. 1 NO steht dem Beschuldigten gegen den Beschluss der Notariatskammer, der einen Schuldspruch enthält, das Rechtsmittel der Berufung an den Ständigen Ausschuss zu.

§ 168 NO lautet:

"§ 168. (1) Die Berufung ist vom Präsidenten der Österreichischen Notariatskammer nach Maßgabe einer jährlich im Vorhinein festzulegenden Reihenfolge einem Mitglied des Ständigen Ausschusses als Berichterstatter zuzuteilen.

(2) Der Ständige Ausschuss entscheidet über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss. Er entscheidet in der Regel in der Sache selbst und hat in diesem Fall bei seiner Entscheidung von den dem angefochtenen Beschluss zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen auszugehen. Er kann die Berufung als unbegründet abweisen oder den angefochtenen Beschluss, jedoch nicht zum Nachteil des Beschuldigten, abändern.

(3) Findet der Ständige Ausschuss, dass das Verfahren der Notariatskammer mangelhaft war, besonders weil die Notariatskammer nicht ordnungsgemäß besetzt war (§§ 136, 164), weil der Sachverhalt nicht erschöpfend aufgeklärt oder dem Beschuldigten nicht ausreichend Gehör gegeben wurde oder weil der angefochtene Beschluss nicht hinreichend begründet ist, oder ergeben sich Bedenken gegen die dem angefochtenen Beschluss zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen, so hat der Ständige Ausschuss den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Notariatskammer zurückzuverweisen. Statt der Zurückverweisung kann der Ständige Ausschuss in der Sache selbst entscheiden, wenn dies nach seinem Ermessen geeignet erscheint, die Erledigung zu beschleunigen oder einen erheblichen Kostenaufwand zu vermeiden. Zu diesem Zweck kann der Ständige Ausschuss erforderlichenfalls das Verfahren ergänzen oder der Notariatskammer eine solche Ergänzung auftragen.

(4) Die Notariatskammer ist bei der weiteren Behandlung der Sache an die im Aufhebungsbeschluss des Ständigen Ausschusses enthaltene rechtliche Beurteilung gebunden.

(5) Beschlüsse des Ständigen Ausschusses im Verfahren wegen Standespflichtverletzungen unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg."

Die Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde erblickt der Beschwerdeführer darin, dass der Vorsitzende bereits Mitglied des Ständigen Ausschusses in der Besetzung gewesen sei, welche erstmals mit dem Beschluss vom 16. April 1997 über die Berufung entschieden habe. Er sei demnach im Sinne des § 68 Abs. 2 zweiter Satz StPO von der nunmehrigen Beschlussfassung ausgeschlossen gewesen (wird näher ausgeführt).

Diese Auffassung trifft nicht zu. Die Notariatsordnung enthält keine Bestimmung, wonach § 68 Abs. 2 Satz 2 StPO im Ordnungsstrafverfahren anzuwenden wäre. Aus dem zum Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt, BGBl. Nr. 474/1990) ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Februar 1997, B 2874/96, VfSlg. 14731, auf welches sich der Beschwerdeführer beruft, ist für ihn nichts zu gewinnen. Nach § 77 Abs. 3 DSt sind im Übrigen (nämlich abgesehen von den in Abs. 1 und Abs. 2 geregelten Fällen) die Bestimmungen der Strafprozessordnung im Disziplinarverfahren auch insoweit sinngemäß anzuwenden, als sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt und die Anwendung der Bestimmungen der Strafprozessordnung mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens vereinbar ist. Nun ist es zwar richtig, dass die Bestimmung des § 68 Abs. 2 zweiter Satz StPO (wonach dann, wenn eine Hauptverhandlung infolge einer Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde wiederholt werden muss, von der neuen Hauptverhandlung die Richter ausgeschlossen sind, die an der ersten teilgenommen haben) jedenfalls im Prinzip mit den Grundsätzen und Eigenheiten eines Disziplinarverfahrens vereinbar ist. Das bedeutet aber nicht, dass schon deshalb - ohne entsprechende Anordnung des Gesetzgebers - diese Bestimmung auch im Ordnungsstrafverfahren nach der Notariatsordnung sinngemäß anzuwenden wäre. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich dabei nämlich nicht um eine "fundamentale Rechtsschutzeinrichtung" also nicht um einen tragenden Rechtsgrundsatz, welcher auch ohne entsprechende Anordnung des Gesetzgebers zu beachten wäre. Dass ein Disziplinarverfahren gewisse Ähnlichkeiten mit einem gerichtlichen Strafverfahren hat, vermag daran nichts zu ändern und bedeutet nicht, dass in allen Disziplinarverfahren allein deshalb die StPO sinngemäß anzuwenden wäre. So ist beispielsweise im Disziplinarverfahren nach dem BDG 1979, BGBl. Nr. 333, gemäß seinem § 105 grundsätzlich (mit hier nicht interessierenden Ausnahmen) das AVG anzuwenden.

Der Beschwerdeführer hatte bereits in seiner Beschwerde gegen den Berufungsbescheid vom 16. April 1997 vorgebracht (Seite 44 ff der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof), ihm sei in Bezug auf die Berufungsbehörde das gesetzliche Ablehnungsrecht gemäß § 164 Abs. 2 letzter Satz NO nicht wirksam eingeräumt worden, weil ihm keine Liste der Mitglieder des Ständigen Ausschusses (zum Zweck der allfälligen Ausübung des Ablehnungsrechtes) zur Verfügung gestellt worden sei. Auch im nunmehrigen Beschwerdeverfahren bringt er (abermals) vor, ihm sei "das gesetzlich zustehende Ablehnungsrecht des § 164 Abs. 2 letzter Satz NO nicht wirksam eingeräumt" worden. Dieser Umstand stelle aber einen absolut wirkenden Verfahrensmangel dar.

Mit diesem Vorbringen ist nichts zu gewinnen. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, dass sich dieses Ablehnungsrecht nur auf die Mitglieder der Notariatskammer und nicht auch auf die Mitglieder des Ständigen Ausschusses als Berufungsbehörde bezieht. Eine Befangenheit von Mitgliedern des Ständigen Ausschusses hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.

Der Beschwerdeführer erachtet sich unter anderem dadurch für beschwert, dass der angefochtene Beschluss zwar nach Verfahrensergänzung, aber ohne mündliche Verhandlung erging. Insbesondere wäre er, ebenso wie im Fall einer Fortsetzung des Verfahrens infolge Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz vom Untersuchungskommissär zu vernehmen gewesen, zumal er in seinem Schriftsatz vom 31. Oktober 2000 seine Einvernahme verlangt habe. Soweit der Beschwerdeführer damit den Punkt 1. des angefochtenen Bescheides bekämpft, kommt dem keine Berechtigung zu. Nach § 168 Abs. 2 erster Satz NO entscheidet die belangte Behörde über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen hat die Berufungsbehörde bei einer Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens grundsätzlich den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen. § 168 Abs. 3 zweiter Satz NO räumt der Berufungsbehörde aber auch die Möglichkeit ein, unter den dort genannten Voraussetzungen in der Sache selbst zu entscheiden und gemäß dem vierten Satz dieses Absatzes erforderlichenfalls das Verfahren selbst zu ergänzen oder der Behörde erster Instanz eine solche Ergänzung aufzutragen. Im Falle der Verfahrensergänzung durch die Berufungsbehörde oder über deren Auftrag ist allerdings die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (so wie in erster Instanz) durch die Berufungsbehörde nicht vorgesehen; es bleibt demnach auch in solchen Fällen bei der Anordnung des § 168 Abs. 2 erster Satz NO, dass über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden ist. Punkt 1. des angefochtenen Bescheides ist daher nicht rechtswidrig, wenngleich dieser Abspruch richtigerweise nicht in den Spruch des angefochtenen Bescheides aufzunehmen gewesen wäre, weil es sich dem Wesen nach um eine verfahrensleitende Anordnung handelt. Dass dies dennoch erfolgte, verletzt den Beschwerdeführer nicht in Rechten (was insofern gleichermaßen für den Spruchpunkt 2. gilt - siehe weiter unten).

Gemäß § 168 Abs. 2 letzter Satz NO kann die Berufungsbehörde den angefochtenen erstinstanzlichen Beschluss abändern, jedoch nicht zum Nachteil des Beschuldigten.

Im Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer fahrlässige Begehung vorgeworfen. Im Spruchpunkt 4. des angefochtenen Beschlusses hingegen wird dem Beschwerdeführer in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung vorsätzliche Begehung vorgeworfen. Weshalb dadurch die erstinstanzliche Entscheidung nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers abgeändert worden sein sollte, ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Schon damit belastete die belangte Behörde den Spruchpunkt 4. des angefochtenen Bescheides mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit im Grund des § 168 Abs. 2 dritter Satz NO. Das Verbot der reformatio in peius beinhaltet nämlich nicht nur das Verbot der Verhängung einer höheren Strafe, sondern auch jenes der Erhebung eines schwereren Vorwurfs als im Bescheid der unteren Instanz. Damit kann der Umstand auf sich beruhen (Begründungsmangel), dass die belangte Behörde nicht näher begründet hat, weshalb sie abweichend von der Beurteilung der Behörde erster Instanz (welche zu ihrer Entscheidung nach einer mündlichen Verhandlung gekommen ist, an welcher der Beschwerdeführer teilgenommen hat, womit sie sich von ihm einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte) nunmehr vorsätzliche Begehung annimmt.

Kern der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe ist, dass er die entsprechenden Amtshandlungen nicht durch Vergabe von Beurkundungsregisterzahlen für jede Amtshandlung erfasst habe. Diese Vorgangsweise war, wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Vor-Erkenntnis dargelegt hat, rechtswidrig (Verstoß gegen § 47 Abs. 1 NO iVm § 82 Abs. 1 NO). Das Vorbringen des Beschwerdeführers gibt keinen Anlass, von dieser Beurteilung abzugehen. Auf die Frage, ob sich ein solches Verbot überdies aus den von den Behörden bezogenen Richtlinien ergäbe, kommt es im Beschwerdefall nicht an, weil die belangte Behörde diese Richtlinien (ohnedies) nicht angewendet hat.

Mit dem erstinstanzlichen Beschluss vom 2. September 1996 wurde dem Beschwerdeführer (unter anderem) vorgeworfen, er habe die im Laufe eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen (...) nicht durch Vergabe von Beurkundungsregisterzahlen für jede Amtshandlung erfasst. In Abänderung dieses erstinstanzlichen Ausspruches wird dem Beschwerdeführer mit dem Spruchpunkt 4. des angefochtenen Beschlusses vorgeworfen, er habe "... über die (...) im Lauf eines Jahres vorgenommenen notariellen Amtshandlungen (...) im Beurkundungsregister (§ 82 Abs. 1 NO) verminderte Anfallszahlen angeführt". Der Grund für die entsprechende Umformulierung ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen, insbesondere nicht die sachverhaltsmäßige Identität des Vorwurfes, gegen das Gebot der Vergabe von Beurkundungsregisterzahlen für jede Amtshandlung verstoßen zu haben einerseits, und andererseits, im Register "verminderte Anfallszahl angeführt" zu haben. Wenn nämlich im Beurkundungsregister ohnedies alle Geschäftsfälle erfasst sind, wenngleich (rechtswidrig) mehrere unter der selben Zahl, ließe sich die Anzahl der Geschäftsfälle insgesamt "ohnedies" abzählen. Der Vorwurf "verminderter Anfallszahlen" passt eher für statistische Ausweise und dergleichen, vom Vorwurf einer dementsprechend unrichtigen Meldung wurde der Beschwerdeführer aber freigesprochen. Diese Unklarheit belastet den Spruchpunkt 4. des angefochtenen Bescheides überdies mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen "des § 8 des Bundesstatistikgesetzes" verstoßen. Im Hinblick auf die zeitliche Lagerung des Falles ist wohl § 8 des Bundesstatistikgesetzes 1965, BGBl. Nr. 91, gemeint (diese Bestimmung in der Fassung BGBl. Nr. 448/90; das Bundesstatistikgesetz 1965 wurde durch das Bundesstatistikgesetz 2000, BGBl. I Nr. 163/1999, abgelöst). Nach dieser Bestimmung sind natürliche und juristische Personen sowie die Personengesellschaften des Handelsrechtes verpflichtet, über die bei statistischen Erhebungen gestellten Fragen Auskünfte zu erteilen, was in diesem Paragraphen näher geregelt wird. Weshalb diese Bestimmung im Beschwerdefall relevant sein soll, hat die belangte Behörde aber nicht begründet. Sollte dies aber dahin zu verstehen sein, dass dem Beschwerdeführer mit der Abänderung des erstinstanzlichen Spruchteiles - ungeachtet des zugleich erfolgten Freispruches - inhaltlich unrichtige statistische Meldungen vorgeworfen werden, wäre dieser Vorwurf im Hinblick auf den Freispruch rechtswidrig.

Weiters heißt es in der Begründung, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten auch gegen die Bestimmungen des § 47 und des § 82 Abs. 1 NO idF der Novelle 1993/692 verstoßen habe. Da der Tatzeitraum aber die Jahre 1990 bis 1992 umfasst, ist der Vorwurf eines Verstoßes gegen Bestimmungen idF einer Novelle aus dem Jahr 1993 unzutreffend.

Die belangte Behörde hat mit Beschluss vom 17. April 2000 ergänzende Erhebungen zur Überprüfung der subjektiven Tatseite angeordnet. Diese Erhebungen wurden gemäß dem Bericht des Untersuchungskommissärs Mag. B vom 30. September 2000 nur teilweise durchgeführt. Über entsprechende Bekanntgabe (zugestellt am 24. Oktober 2002) hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2002 beantragt, ihm die Äußerungsfrist bis 20. Jänner 2003 zu erstrecken, um selbst entsprechende Erhebungen durchführen zu können. Die belangte Behörde hat das Fristerstreckungsersuchen mit dem Punkt 2. des angefochtenen Bescheides wegen Spruchreife abgewiesen, was sie näher begründet hat.

Der Beschwerdeführer bekämpft diese Auffassung der belangten Behörde und gibt in seiner Beschwerde die Stellungnahme zweier Notare je vom 18. Dezember 2002 wieder, wonach die ihm vorgeworfene Vorgangsweise (mehrere inhaltlich zusammenhängende Unterschriftsbeglaubigungen mit einer einzigen Beglaubigungszahl zu versehen) in der Kanzlei des Notars Dr. K (Ausbildungsnotar des Beschwerdeführers) durchaus üblich gewesen sei. Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang auch vor, dass er (nach dem Zusammenhang gemeint: nur) im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides vom 20. Dezember 2002 weitere (ihm nicht erfolglos erscheinende) Erhebungen unterlassen habe.

Daraus ist aber für ihn nichts zu gewinnen. Zwar hat die belangte Behörde die Praxis bei Notar Dr. K (bei welchem der Beschwerdeführer von Jänner 1966 bis Mai 1970 tätig war) nicht ermittelt, sie hat es allerdings für möglich erachtet, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene, rechtswidrige Praxis bei Dr. K erlernt haben könnte, dem aber keine entscheidende Bedeutung zugemessen, weil der Beschwerdeführer hinreichend Gelegenheit gehabt habe, bei seinen weiteren Ausbildungsnotaren die (von ihnen geübte) richtige Art der Registrierung zu erlernen (welche er auch während seiner selbständigen Substitution in X geübt habe).

Diese Auffassung der belangten Behörde kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Es war daher nicht rechtswidrig, von einer weiteren Beweisaufnahme zu dieser Thematik abzusehen. Im Übrigen wäre auch dieser Abspruch nicht in den Spruch des angefochtenen Bescheides aufzunehmen gewesen (auf das zuvor zu Punkt 1. des Spruches Gesagte wird verwiesen).

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, der angefochtene Bescheid verstoße gegen das Verbot der reformatio in peius. Mit der Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 16. April 1997 sei über ihn in Stattgebung seiner Berufung gegen das Strafausmaß bloß die Ordnungsstrafe der schriftlichen Rüge verhängt worden, mit dem nun angefochtenen Bescheid hingegen die Ordnungsstrafe der schriftlichen Rüge in Verbindung mit einer Geldstrafe.

Dem hält die belangte Behörde entgegen, die Berufungsentscheidung vom 16. April 1997 gehöre infolge Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr dem Rechtsbestand an, sodass es auf diese Entscheidung nicht ankomme.

Diese Auffassung ist unzutreffend. Der Umstand, dass der im ersten Rechtsgang ergangene Berufungsbescheid vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, bedeutet nicht, dass es ihn gleichsam "nie gegeben" hätte. Dieses Verbot der reformatio in peius, wie es dem Konzept des § 168 NO zugrunde liegt (siehe dazu Abs. 2 letzter Satz leg. cit.) und wonach ein ausschließlich durch den Bestraften oder zu seinen Gunsten ergriffenes Rechtsmittel niemals zu einer strengeren Bestrafung führen darf (vgl. dazu die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, E 185ff zu § 51 VStG angeführte hg. Judikatur, oder auch Walter / Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Aufl., RZ 933) greift daher auch im Beschwerdefall. Es war demnach der belangten Behörde verwehrt, eine strengere Strafe auszusprechen, als in ihrer Berufungsentscheidung vom 16. April 1997 (vgl. im Übrigen auch die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren II2, E 216 und 219 zu § 51 VStG angeführte hg. Judikatur).

Zusammenfassend war daher die Beschwerde, soweit sie sich gegen Punkt 1. und 2. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen; hingegen war Punkt 4. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben (Punkt 3. bleibt als nicht in Beschwerde gezogen unberührt), ohne dass auf das weitere Vorbringen einzugehen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Jänner 2004

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