VwGH 2001/20/0195

VwGH2001/20/01956.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Köller, Dr. Berger und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Volksfeststraße 32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. August 2000, Zl. St 252- 2/99, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung einer Berufung in einer waffenrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs4 idF 2004/I/010;
AVG §14 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §14 Abs2 Z3 idF 1998/I/158;
AVG §14 Abs5 idF 1998/I/158;
AVG §14 idF 1998/I/158;
AVG §16;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §56 idF 1998/I/158;
AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §73 Abs1 idF 1998/I/158;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §13 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs4 idF 2004/I/010;
AVG §14 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §14 Abs2 Z3 idF 1998/I/158;
AVG §14 Abs5 idF 1998/I/158;
AVG §14 idF 1998/I/158;
AVG §16;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §56 idF 1998/I/158;
AVG §57 Abs1;
AVG §57 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §73 Abs1 idF 1998/I/158;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides, betreffend die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Dezember 1999, wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 15. Jänner 1999 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 WaffG in Verbindung mit § 57 AVG der Besitz von Waffen und Munition verboten. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 18. Jänner 1999 zugestellt. Er enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen den Bescheid "gemäß § 57 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach Zustellung bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land schriftlich Vorstellung erhoben werden" könne.

Der Beschwerdeführer sprach noch am 18. Jänner 1999 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vor, worüber unter der Bezeichnung "Waffenverbot - Vorstellung" als "Gegenstand der Amtshandlung" eine förmliche Niederschrift aufgenommen wurde. In dieser Niederschrift wurde - im Anschluss an die Angaben über Ort, Zeit und Gegenstand der Amtshandlung, die Bezeichnung der Behörde, den Leiter der Amtshandlung und die weiteren Anwesenden sowie einen einleitenden Satz darüber, dass der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 15. Jänner 1999 Vorstellung erhebe - das Ersuchen des Beschwerdeführers, "das Waffenverbot aufzuheben", und sein zur Begründung dafür erstattetes Vorbringen festgehalten. Die Niederschrift trägt die Unterschriften des Leiters der Amtshandlung und des Beschwerdeführers, ein längerer Nachtrag nur die Unterschrift des Beschwerdeführers.

Am 27. Jänner 1999 richtete die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land mit dem Hinweis, der Beschwerdeführer habe gegen das mit Bescheid vom 15. Jänner 1999 erlassene Waffenverbot "Vorstellung erhoben", ein Ermittlungsersuchen an die Gendarmerie. Zugleich verständigte sie den Beschwerdeführer, dass auf Grund der Vorstellung, die er "anlässlich einer Niederschrift bei der hiesigen Behörde am 18. Jänner 1999 erhoben" habe, "nunmehr das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet" werde.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 16. Juli 1999 gab der Beschwerdeführer bekannt, er sei im Strafverfahren betreffend den dem Waffenverbot zugrunde liegenden Vorfall freigesprochen worden und beantrage, "das Verfahren wegen Waffenverbotes einzustellen". In einem weiteren Schriftsatz vom 30. Juli 1999 beantragte er, "das Waffenverbot aufzuheben und das Verfahren einzustellen".

Mit Schreiben vom 20. September 1999 hielt die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land dem Beschwerdeführer das "Ergebnis der Beweisaufnahme" vor. Einleitend wurde unter Bezugnahme auf den Mandatsbescheid erwähnt, der Beschwerdeführer habe "im Zuge einer am 18.1.1999 bei der hiesigen Behörde aufgenommenen Niederschrift gegen diesen Bescheid Vorstellung erhoben".

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1999 verbot die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 WaffG den Besitz von Waffen und Munition. Im Kopf des Bescheides wurde erwähnt, der Beschwerdeführer habe gegen den Mandatsbescheid vom 15. Jänner 1999 "innerhalb offener Frist Vorstellung erhoben".

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Am 8. Februar 2000 fand bei der belangten Behörde die in der Berufung beantragte Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin statt. In einer zweiten, daran anschließenden Niederschrift mit dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wurde diesem zur Kenntnis gebracht, die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid sei "der derzeitigen Aktenlage nach lediglich mündlich eingebracht" worden "und nicht schriftlich".

In einem an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gerichteten Schriftsatz vom selben Tag beantragte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf den Mandatsbescheid vom 15. Jänner 1999 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung gegen den gegenständlichen Bescheid". Diesen Wiedereinsetzungsantrag verband er mit einer schriftlichen Vorstellung, in der er die Einleitung des ordentlichen Verfahrens beantragte. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages führte er aus, der Beschwerdeführer sei beim Zustandekommen der Niederschrift über die Erhebung der Vorstellung nicht anwaltlich vertreten gewesen und hätte daher vom Leiter der Amtshandlung belehrt werden müssen, dass die Vorstellung nur mittels Schriftsatzes einzubringen sei. "Festzuhalten" sei auch, "dass der Mangel bis dato noch keinem Behördenorgan aufgefallen ist" und auch der mit Berufung bekämpfte Bescheid vom 6. Dezember 1999 ausdrücklich davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer rechtzeitig Vorstellung erhoben habe. Dem unvertretenen Beschwerdeführer könne nicht vorgeworfen werden, dass er "die Vorstellung zwar schriftlich zu Protokoll vor der Behörde, aber nicht mittels eines eigenen Schriftsatzes" eingebracht habe. Hieran sei ihm kein Verschulden anzulasten.

Mit Bescheid vom 24. Mai 2000 wies die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land den Wiedereinsetzungsantrag ab. Diese Entscheidung gründete sich darauf, dass das Erfordernis der schriftlichen Einbringung der Vorstellung aus der Rechtsmittelbelehrung des Mandatsbescheides eindeutig hervorgegangen sei. Dem Beschwerdeführer sei (gemeint offenbar: nach der Aufnahme der Niederschrift am Tag der Zustellung des Mandatsbescheides) "noch die gesamte 14-tägige Frist für die schriftliche Einbringung der Vorstellung, Kontaktierung eines Rechtsanwaltes etc. zur Verfügung gestanden". Auf Grund seiner Berufstätigkeit als Polizeibeamter, der "ständig mit Rechtsvorschriften zu tun" habe, könne er in diesen Dingen nicht als Durchschnittsmensch bzw. "gänzlich" Rechtsunkundiger angesehen werden. Auf Grund der Rechtsmittelbelehrung im Mandatsbescheid habe "auch kein rechtlicher Anlass zu einer weiteren diesbezüglichen Belehrung gem. § 13a AVG" bestanden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

In Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 AVG keine Folge. In Spruchpunkt II. wies sie die Berufung gegen den Bescheid vom 6. Dezember 1999 als unzulässig zurück.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verfassungsgerichthof, die er mit einem Eventualantrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof sowie - für den Abtretungsfall - mit dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides verband.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde - nach deren Ablehnung und Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Februar 2001, B 1786/00-6, sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG verstärkten Senat erwogen:

1. Die Bestätigung der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides - anders als in der des erstinstanzlichen - nicht darauf gestützt, dass den Beschwerdeführer ein der Wiedereinsetzung entgegen stehendes Verschulden an der Fristversäumung treffe. Ausgehend davon, dass die Vorstellung als Rechtsmittel gemäß § 13 Abs. 2 AVG schriftlich einzubringen und ein zu Protokoll gegebenes Rechtsmittel mangels Schriftlichkeit keinem Verbesserungsverfahren gemäß § 13 Abs. 3 AVG zugänglich sei, sodass die Vorstellung des Beschwerdeführers "richtigerweise zurückzuweisen gewesen" wäre, vertritt die belangte Behörde vielmehr die Ansicht, der Beschwerdeführer habe "keine Frist versäumt, sondern ein unzulässiges Rechtsmittel eingebracht. Schon aus diesem Grund scheidet nach Auffassung der Berufungsbehörde der Rechtsbehelf einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus". Der Beschwerdeführer führe "nicht an, dass die unterlassene Rechtsbelehrung zur Versäumung der Rechtsmittelfrist geführt habe, sondern lediglich, dass diese Unterlassung zur Einbringung eines den Formvorschriften nicht entsprechenden Rechtsmittels geführt habe".

Diesem Begründungsduktus hält der Beschwerdeführer - in dem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Teil seiner Ausführungen unter dem Gesichtspunkt der Willkür, aber insofern erfolglos - entgegen, sein Wiedereinsetzungsantrag habe sich "natürlich" darauf bezogen, dass er ausgehend von der Rechtsansicht der belangten Behörde, die in der Niederschrift festgehaltene Vorstellung sei unzulässig gewesen, die rechtzeitige Einbringung des "ordnungsgemäßen Rechtsmittels", nämlich der schriftlichen Vorstellung, versäumt habe. Es sei "selbstverständlich", dass die Wiedereinsetzung der Behebung solcher Versäumnisse diene.

Diese Ausführungen stehen in Bezug auf die von der belangten Behörde bestrittene Voraussetzung, dass die Erstattung bloß mündlichen Vorbringens innerhalb der Frist für ein schriftliches Anbringen als Versäumung dieser Frist zu deuten ist, im Einklang mit der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0098). Wäre mit der belangten Behörde davon auszugehen, die niederschriftlich aufgenommene Vorstellung sei mangels "Schriftlichkeit" unzulässig gewesen, so hätte es an der Voraussetzung einer Fristversäumung infolge des Irrtums hierüber daher nicht gefehlt.

Auf Alternativerwägungen - etwa im Sinne der erstinstanzlichen Begründung für die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages - hat sich die belangte Behörde nicht eingelassen. Es ist daher nur der Vollständigkeit halber zunächst festzuhalten, dass auch ein Rechtsirrtum - hier über die Bedeutung der Niederschrift im Verhältnis zu dem in der Rechtsmittelbelehrung erwähnten Erfordernis, die Vorstellung "schriftlich" zu erheben - einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund bilden kann (vgl. dazu unter Hinweis auf die diesbezügliche Unvollständigkeit der Judikaturdarstellung bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 114 ff zu § 71 AVG, zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 2003, Zl. 2001/03/0183, und die dort angeführte, auf dem Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A, beruhende Vorjudikatur). Die erstinstanzliche Behörde hat dies auch nicht ausdrücklich in Abrede gestellt.

Was den nach § 71 Abs. 1 Z 1 AVG für die Bewilligung der Wiedereinsetzung maßgeblichen Verschuldensgrad anlangt (vgl. dazu - im Zusammenhang mit einem Rechtsirrtum - etwa das hg. Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0559), so ist anzumerken, dass der erstinstanzliche Bescheid den Gesetzestext in der Fassung vor dem 1. Jänner 1991, also ohne die seither geltende Regelung für den "minderen Grad des Versehens", wiedergibt. In Bezug auf den bei Beachtung der Gesetzeslage erforderlichen Vorwurf eines darüber hinaus gehenden Verschuldens hätten sich schon aus dem Umstand, dass die beteiligten Behörden selbst die Vorstellung des Beschwerdeführers - unter wiederholter ausdrücklicher Erwähnung ihrer Erhebung im Rahmen einer Niederschrift - bis nach der Zeugenvernehmung im Berufungsverfahren als wirksam betrachteten, besondere Begründungsbedürfnisse ergeben. Der Hinweis auf die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers hätte hiefür allein nicht ausreichen können.

2. Der vorliegende Fall erfordert aber die Überprüfung der Prämisse, die niederschriftlich festgehaltene Vorstellung des Beschwerdeführers sei mangels "Schriftlichkeit" kein zulässiges Rechtsmittel gewesen.

2.1. § 13 AVG wurde durch die insoweit gemäß § 82 Abs. 6 AVG mit 1. Jänner 1999 in Kraft getretene Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 zur Gänze neu gefasst. Die ersten Absätze der Bestimmung lauten in dieser für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung wie folgt:

"§ 13. (1) Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen können, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich oder telephonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auch telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.

(2) Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen."

§ 13 Abs. 2 AVG ist seither nicht verändert worden. § 13 Abs. 1 AVG wurde durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 neu gefasst, wobei statt der im Ministerialentwurf u.a. vorgesehenen Schriftlichkeitsfiktion ("Einem schriftlichen Anbringen ist unabhängig von der technischen Einbringungsform jedes Anbringen gleichzuhalten, dessen Inhalt im Original oder zumindest in Kopie zum Akt genommen werden kann") eine Mündlichkeitsfiktion ("Einem mündlichen Anbringen ist unabhängig von der technischen Einbringungsform jedes Anbringen gleichzuhalten, dessen Inhalt nicht zumindest in Kopie zum Akt genommen werden kann") Gesetz wurde. Diese Rechtslage, nach der es auf die "Kopierbarkeit" des Anbringens anzukommen scheint, ist im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden.

2.2. Schon das AVG 1925 enthielt in § 13 Abs. 1 zweiter Satz eine dem heutigen § 13 Abs. 2 AVG - mit hier nicht wesentlichen Abweichungen im Detail - gleichlautende Bestimmung. Sowohl in der Regierungsvorlage (116 BlgNR 2. GP 4) als auch im Bericht des Verfassungsausschusses (360 BlgNR 2. GP 11) wurde dazu ausgeführt, das Gesetz halte an der im amtswegigen Verwaltungsverfahren (nach dem Bericht des Verfassungsausschusses: im Allgemeinen)

"unvermeidlichen Formlosigkeit von Parteianbringen ... fest",

versuche "aber dennoch den Behörden durch die Vorschrift über die Schriftlichkeit von Rechtsmitteln eine Entlastung zu gewähren".

Den historischen Hintergrund dazu bildete der durch Art. III Abs. 2 Z 8 EGVG aufgehobene § 79 der Amtsinstruktion für die politischen Bezirksämter vom 17. März 1855, RGBl. Nr. 52 ("Persönlich beim Amte erscheinende Parteien sind in der Regel nicht zur schriftlichen Anbringung ihrer Anliegen zu verhalten ..."). Nach Tezner (Das österreichische Administrativverfahren (1922) 3 und 135) war es durch diese Bestimmung "in das wohl sozialen Rücksichten unterliegende Ermessen der Behörde gestellt, wann und von wem sie schriftliches

Anbringen verlangen will ... Entsprechend der fürsorglichen

Funktion der Verwaltung können Parteianträge, von entgegenstehenden Bestimmungen abgesehen, auch mündlich zu Protokoll gegeben werden". Das bei Tezner (a.a.O. 3 und 5) erwähnte Gegenbeispiel (VwSlg 6227/A/1908) betraf die Unwirksamkeit rein mündlicher Absprachen im Fall eines gesetzlichen Schriftlichkeitsgebotes.

In einer Fragebeantwortung des Bundeskanzleramtes vom 19. Juli 1929 (FB VII 55, im Wesentlichen wiedergegeben bei Walter/Thienel a.a.O. 326 f) wurde die Auffassung vertreten, niederschriftlich aufgenommene Anbringen seien "immer als mündliche anzusehen". Wo das Gesetz - wie insbesondere für Rechtsmittel - die schriftliche oder telegraphische Einbringung vorschreibe, müssten "daher niederschriftlich aufgenommene (protokollarische) Anbringen als unzulässig zurückgewiesen werden. Um Irreführungen zu vermeiden, ist die schriftliche Aufnahme (Protokollierung) derartiger Anbringen von den Behörden unter entsprechender Belehrung der Parteien abzulehnen."

Dem gegenüber vertrat der Bundesgerichtshof in dem auf Grund des Beschlusses eines verstärkten Senates, Zl. 11/1-Pr/1938, ergangenen Erkenntnis vom 25. Februar 1938, BGHSlg 1812/A, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien die Meinung, es sei "zweifellos" erkennbar, dass die rechtliche Tragweite der Vorschrift sich in der damit beabsichtigten Entlastung der Behörden erschöpfe. Diese sollten "der Verpflichtung zur Aufnahme insbesondere mündlicher Berufungen überhoben werden". Werde dessen ungeachtet ein Rechtsmittel zu Protokoll genommen, so sei es aber rechtswirksam.

Der in der Fragebeantwortung vom 19. Juli 1929 - auf die im Erkenntnis selbst nicht eingegangen wurde - vertretene Standpunkt wurde in den Beratungen als "wohl zu formalistisch" bezeichnet, und es wurde ihm u.a. die Rechtsprechung zum gesetzlichen Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages entgegen gehalten; im Zusammenhang mit diesem Erfordernis hatte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 7. Juni 1929, VwSlg 15.707/A, den im Bericht des Verfassungsausschusses zu § 13 AVG erwähnten "Grundsatz der Formlosigkeit von Parteivorbringen" ins Treffen geführt und daraus ein Argument gegen eine zu strenge Auslegung von Anforderungen an ein Anbringen abgeleitet.

Erwähnt wurde in den Beratungen auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 17. Dezember 1937, ZBl. 1938/85, die ein von einem Hilfsrichter als amtlichem Vertreter einer armen Partei - statt der Einbringung eines Schriftsatzes - aufgenommenes Protokoll als wirksame Berufung wertete.

2.3. Die Ansicht des Bundesgerichtshofes wurde zum AVG 1950 - unter ausdrücklicher Ablehnung der Fragebeantwortung, soweit in dieser von der Zurückweisung niederschriftlich aufgenommener Rechtsmittel die Rede gewesen war - auch von Hellbling (Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I (1953) 148 f (zu § 13 AVG), 331 (für die Vorstellung) und 384 (für die Berufung)) vertreten. Wenn die Vorschrift eine Überlastung der Behörde hintanhalten solle, so könne sich aus ihr nicht die Befugnis zur Zurückweisung der Berufung ergeben, nachdem die das Anbringen aufnehmende Behörde die Belastung auf sich genommen habe.

Im Erkenntnis vom 21. Februar 1955, Slg. Nr. 3657/A, vertrat der Verwaltungsgerichtshof - gestützt auf den Beschluss eines verstärkten Senates vom selben Tag, Zl. 3/15-Pr/1954 - zur damaligen, in Bezug auf die Schriftform die Anordnung in § 13 AVG wiederholenden Fassung des § 63 Abs. 5 AVG (und damit implizit auch für § 13 AVG) das Gegenteil. Eine Berufung, die der vorgeschriebenen Form (schriftlich oder telegraphisch) ermangle, sei nach § 66 Abs. 4 erster Satz AVG als unzulässig zurückzuweisen. Durch eine Niederschrift werde "keineswegs" die vorgeschriebene schriftliche oder telegraphische Form der Einbringung "ersetzt". Es handle sich "um keine 'Schrift' der Partei, auch wenn sie gemäß § 14 Abs. 3 AVG von der Partei durch ihre Unterschrift bestätigt ist. Eine Niederschrift dient vielmehr nach § 14 Abs. 1 AVG ausschließlich dazu, mündliche Anbringen festzuhalten".

Diese Ausführungen wurden zum AVG 1950 in vier Erkenntnissen vom 22. April 1985, Zl. 85/15/0052, vom 30. September 1986, Slg. Nr. 12.248/A (mit ablehnender Besprechung von Arnold in AnwBl. 1987, 668), vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0143, und vom 29. Jänner 1991, Zl. 90/04/0256, bekräftigt.

2.4. Auch zum AVG (1991) vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 wurde an diese Judikatur angeknüpft. Dies geschah zum Teil in der Form eines bloßen obiter dictums (vgl. das Erkenntnis vom 22. März 1995, Zl. 94/03/0303) oder ohne Bezugnahme auf eine schriftliche Dokumentation des mündlichen Anbringens (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0098). In zwei Fällen ging es um Niederschriften im Zuge anderer Amtshandlungen (vgl. den Beschluss vom 6. Mai 1996, Zl. 95/10/0032, betreffend die Abgabe einer - allerdings nach einem Naturschutzgesetz und nicht nach § 13 AVG - an die Schriftform gebundenen Erklärung in einer mündlichen Verhandlung; zu einer im Zusammenhang mit einer Bescheidausfolgung protokollierten Erklärung, ohne Bezugnahme auf Vorjudikatur, das Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 94/18/0804). Verwandte Fragen stellten sich auch im Zusammenhang mit einem Antrag auf Erteilung einer Lenkerberechtigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 1993, Zl. 93/11/0054, das sich auf eine Diskussion der hier erörterten Judikatur gründete). Zuletzt wurde zu einer vom Berufungswerber und von einem Amtsorgan unterfertigten "Notiz" über eine Berufung die Ansicht vertreten, die Behörde hätte die "vermeintliche

Berufung ... als unzulässig zurückweisen müssen" (Erkenntnis vom

20. Februar 1997, Zl. 96/06/0110).

Die Frage, ob bei Untunlichkeit eines mündlichen Anbringens im Sinne des § 13 Abs. 1 erster Satz AVG eine dessen ungeachtet erfolgte Protokollierung "diesen Mangel saniert hätte", wurde im Erkenntnis vom 22. Juli 1999, Zl. 99/12/0061, mangels Vorliegens einer Niederschrift ausdrücklich offen gelassen.

2.5. Im hg. Erkenntnis vom 27. November 2003, Zl. 2002/06/0052, wurde zu einem von der Partei mitunterfertigten Aktenvermerk über ein Rechtsmittel - ohne ausdrückliche Bezugnahme auf Vorjudikatur - ausgeführt:

"Ohne die Frage eindeutig beantworten zu müssen, ob es sich bei diesem Vermerk um eine (allerdings den Erfordernissen des § 15 AVG nicht entsprechende) 'Niederschrift' im Sinne dieser Bestimmung oder einen 'Aktenvermerk' im Sinne des § 16 AVG handelt, macht diese Beurkundung den mündlich erklärten 'Einspruch' der Beschwerdeführerin nicht zu einer schriftlichen Eingabe an die Behörde. Damit lag aber kein schriftliches Rechtsmittel vor, das die Behörde zu einem Handeln im Sinne der Verfahrensgesetze hätte veranlassen müssen. Auch eine Verbesserung im Sinne des § 13 AVG wäre unzulässig gewesen, weil sich diese Bestimmung nur auf schriftliche Eingaben der Parteien bezieht. Damit erweist sich aber bereits die Zurückweisung dieses 'Einspruchs' als nicht rechtswidrig."

Dieses Erkenntnis erging zu § 13 Abs. 2 AVG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 und ist daher als "bisherige Rechtsprechung" im Sinne des § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG anzusehen.

2.6. Für den Bereich des Zivilprozesses vertrat Pollak (System2 (1931) 580) die Auffassung, die Aufnahme eines Rechtsmittels zu Gerichtsprotokoll solle in den Fällen, in denen das Gesetz "diese Schriftform" nicht gestatte, abgelehnt werden; für eine Zurückweisung vorschriftswidrig protokollierter Rechtsmittel oder die Erteilung eines Verbesserungsauftrages sei aber "kein zureichender Grund zu finden". Der Oberste Gerichtshof ist dem gefolgt (vgl. die Entscheidung vom 1. Oktober 1952, JBl. 1953, 187, und die ablehnende Anmerkung von Novak zu einer gegenteiligen Entscheidung des OLG Wien in JBl. 1956, 454; in weiterer Folge die Entscheidungen vom 9. September 1986, 5 Ob 318, 319/86, vom 13. Dezember 1989, AnwBl. 1991, 857, vom 22. Mai 1991, EvBl. 1991/140, und vom 23. Februar 1994, 3 Ob 180/93; der gegenteilige Standpunkt in den Beschlüssen vom 15. September 1966, SZ 39/148, und vom 30. August 1990, 8 Ob 629/90, wurde in jeweils späteren Entscheidungen ausdrücklich abgelehnt). In einer zustimmenden Anmerkung (AnwBl. 1991, 858) zu einer dieser Entscheidungen betonte Graff den Gegensatz zu der vom Verwaltungsgerichtshof "sogar noch 1989" gebilligten Rechtsmeinung des verstärkten Senates von 1955.

3. An dieser Rechtsmeinung, die - soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung - im Ergebnis auch dem zur Rechtslage nach der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ergangenen Erkenntnis vom 27. November 2003, Zl. 2002/06/0052, zugrunde liegt, ist nicht festzuhalten.

3.1. Mündliche Anbringen können - wo das Gesetz sie vorsieht -

auch wirksam sein, wenn sie nicht schriftlich festgehalten wurden (vgl. zu mündlichen Berufungen im Verwaltungsstrafverfahren das hg. Erkenntnis vom 15. März 1961, Slg. Nr. 5522/A, und darauf verweisend VfSlg 9289/1981; anders in einem ähnlichen Fall das hg. Erkenntnis vom 22. März 1995, Zl. 94/03/0056, wobei aber von einer bloßen Absichtserklärung in Bezug auf ein mündliches Anbringen ausgegangen wurde). Dies gilt - entgegen den hg. Erkenntnissen vom 12. Juni 1963, Zl. 28/62, vom 27. November 1963, Zl. 59/62, und vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/02/0150 - auch bei ausdrücklicher Weigerung der Behörde, das Vorgebrachte zu protokollieren. Die Niederschrift (oder der Aktenvermerk) ist nur ein Beweismittel (vgl. Hellbling a. a.O. 154 und 157).

Erforderlichenfalls - in der Regel also jedenfalls dann, wenn sie einer bescheidmäßigen Erledigung bedürfen - sind mündliche Anbringen aber in einer Niederschrift festzuhalten (§ 14 Abs. 1 erster Satz AVG). Die Niederschrift ist vom Leiter der Amtshandlung zu unterschreiben (§ 14 Abs. 2 Z 3 AVG i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004) und von den beigezogenen Personen in der Regel "durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen" (§ 14 Abs. 5 AVG). Auch dies dient Beweiszwecken (vgl. Hellbling a.a.O. 154). Es soll nicht das Anbringen auf einem Schriftstück ein zweites Mal "eingebracht", sondern das mündliche Anbringen für das weitere Verfahren und für die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof dokumentiert werden (vgl. zu dem zuletzt genannten Aspekt schon Tezner a.a.O. 134).

Der Dokumentation des Anbringens im Zuge einer besonderen Amtshandlung, bei der Amtsorgan und Partei zusammenwirken, bedarf es nicht, wenn das Anbringen schon schriftlich eingebracht wird. Die damit verbundene Entlastung der Behörde ist der in den Materialien ausdrücklich genannte und - soweit erkennbar - einzige Zweck der hier auszulegenden Vorschrift, nach der

u. a. Rechtsmittel schriftlich einzubringen sind.

Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Behörden - anders als im Verwaltungsstrafverfahren und in sonstigen Fällen, in denen es mündliche Rechtsmittel gibt - nicht dazu verpflichtet sind, durch die Aufnahme einer Niederschrift an der schriftlichen Fixierung des Anbringens mitzuwirken. Um diesen Zweck zu erreichen, muss weiters angenommen werden, dass über ein bloß mündliches Anbringen in diesen Fällen nicht zu entscheiden ist. Bedürfte es einer bescheidmäßigen Erledigung (im Sinne einer Zurückweisung), so würde dies nach § 14 Abs. 1 erster Satz AVG die Aufnahme einer Niederschrift erfordern.

3.2. Was zu gelten hat, wenn sich die Behörde in den von § 13 Abs. 2 AVG erfassten Fällen - ohne dazu verpflichtet zu sein - der Aufnahme einer Niederschrift unterzieht, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es fehlt, wie schon in der Beratung des Bundesgerichtshofes angemerkt wurde, "an einer Norm, dass eine solche Berufung unbeachtlich sei". Das Gesetz sieht auch nicht ausdrücklich vor, dass das protokollierte Rechtsmittel zwar nicht unbeachtlich, aber - bezogen auf die Berufung - im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG "unzulässig" und daher zurückzuweisen sei.

3.2.1. Geht man davon aus, dass es für die Folgen des Verstoßes gegen eine Formvorschrift - mangels ausdrücklicher Regelung - auf den Zweck der Vorschrift ankommt, so führt dies zu dem vom Bundesgerichtshof erzielten und von Hellbling gutgeheißenen Ergebnis:

Mit der Protokollierung des mündlichen Anbringens ist dieses - in der Regel besser als in der schriftlichen Eingabe einer unvertretenen Partei - für das weitere Verfahren festgehalten. Seine schriftliche Wiederholung, etwa unter Verwendung einer Kopie der Niederschrift oder in einem inhaltsgleichen Schriftsatz, wäre zur Dokumentation des Vorbringens überflüssig und könnte zur Erreichung des Gesetzeszweckes, der Behörde die Niederschrift zu ersparen, nichts mehr beitragen. Die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass für die schriftliche Wiederholung eines schon schriftlich festgehaltenen Anbringens nach Ablauf der Rechtsmittelfrist auch die Wiedereinsetzung beantragt und dieser Antrag - in aller Regel positiv - erledigt werden müsste, liefe dem Gesetzeszweck einer Entlastung der Behörden klar zuwider.

§ 13 Abs. 2 AVG regelt somit, dass für die schriftliche Dokumentation des bescheidmäßig zu erledigenden Anbringens u. a. bei Rechtsmitteln die Partei selbst zu sorgen hat. Soll die Behörde daran nicht durch die Aufnahme einer Niederschrift mitwirken müssen, so muss mündliches Anbringen in diesen Fällen - wie dargestellt - unbeachtlich sein. Auf schriftlichem Anbringen aber auch noch zu beharren, wenn die Behörde schon eine Niederschrift aufgenommen hat, fände im Zweck der Vorschrift keine Deckung mehr. Der Verstoß der Partei gegen das Gebot des § 13 Abs. 2 AVG muss durch das Verhalten der Behörde in einem solchen Fall sanktionslos werden (vgl. etwa auch die Annahme der Folgenlosigkeit von Verstößen gegen das Verbot, in der Verhandlung schriftliche Erklärungen abzugeben, sofern der Verhandlungsleiter die Erklärung dem Protokoll angeschlossen hat, in den hg. Erkenntnissen vom 5. Oktober 1976, Zl. 281/76, Rechtssatz in Slg. Nr. 9141/A, und vom 19. August 1993, Zl. 91/06/0031).

3.2.2. Die Gegenmeinung führt zur nutzlosen Vernichtung und allenfalls Wiederholung ganzer Verfahren und ist nach dem bereits Gesagten auch insoweit problematisch, als eine Pflicht der Behörde zur Zurückweisung des Rechtsmittels angenommen wird (vgl. in diesem Sinn die Fragebeantwortung vom 19. Juli 1929, das Erkenntnis vom 21. Februar 1955, Slg. Nr. 3657/A, und den Großteil der Folgeerkenntnisse). Sollte eine solche Pflicht schon vor der Aufnahme einer Niederschrift über das mündliche Rechtsmittel bestehen, so würde dies - wie schon erwähnt - gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz AVG die schriftliche Dokumentation des wesentlichen Inhalts des Anbringens und somit genau das erfordern, was der Behörde erspart bleiben soll. Sollte sich die Pflicht zur Zurückweisung aber erst daraus ergeben, dass die Behörde das Anbringen - ohne dazu verpflichtet zu sein - schriftlich festgehalten hat, so würde dies bedeuten, dass nicht das Anbringen der Partei, sondern dessen Behandlung durch die Behörde die Entscheidungspflicht entstehen ließe. Unerfindlich bliebe auch, warum dann nicht in der Sache selbst entschieden werden sollte.

3.2.3. Die zuvor zitierten Ausführungen in dem Erkenntnis vom 27. November 2003, Zl. 2002/06/0052, wären auch im Sinne der Verneinung einer Entscheidungspflicht deutbar. Der in diesem Erkenntnis behandelte Fall zeigt aber eine andere Schwierigkeit auf:

Schon in der Beratung des Bundesgerichtshofes wurde der Fragebeantwortung entgegen gehalten, es sei unbefriedigend, zwischen einer "in der Form eines Protokolls niedergelegten" und einer vom Amtsorgan aufgesetzten, aber bloß von der Partei unterschriebenen und als schriftliches Anbringen wirksamen Berufung zu unterscheiden. Tatsächlich kann es darauf, dass ein Schriftstück nicht schon in die Amtsräume mitgebracht wurde, sondern erst dort und im Anschluss an ein mündliches Vorbringen entstanden ist, für die Wirksamkeit als schriftliches Anbringen wohl ebenso wenig ankommen wie darauf, wer den Text geschrieben hat. Auch Feinheiten der sprachlichen Gestaltung - wie etwa das Vorhandensein eines Rahmentextes über die Vorsprache der Partei - würden für sich genommen nicht den Ausschlag geben, wenn das Schriftstück den Willen der Partei erkennen lässt (vgl. die schon erwähnte Rechtsprechung zum Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages). Der dem gegenüber in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in den Vordergrund gerückte Hinweis, die jeweils zu beurteilenden Schriftstücke seien keine schriftlichen Anbringen im Sinne des § 13 Abs. 2 AVG, gründete sich zunächst darauf, dass eine Niederschrift gemäß § 14 AVG die gesetzlich vorgesehene Form der Dokumentation mündlichen Anbringens sei.

Im Fall des Erkenntnisses vom 30. September 1986, Slg. Nr. 12.248/A, wurde in der Beschwerde eingewendet, es liege nicht wirklich eine "Niederschrift" vor und der Beamte habe nur auf dem für Niederschriften vorgesehenen Formular bei der Verfassung der Berufung geholfen. Der Verwaltungsgerichtshof begegnete dem nicht mit einer näheren Prüfung der Voraussetzungen des § 14 AVG, sondern nur mit einem Hinweis auf den Einleitungssatz des Schriftstücks. Im Erkenntnis vom 20. Februar 1997, Zl. 96/06/0110, ging es um eine formlose Notiz im Akt, von der nicht feststand, wer sie geschrieben hatte, und die "offensichtlich von einem Amtsorgan und dem einschreitenden Vertreter" der Berufungswerberin unterzeichnet war. Schließlich war im Fall des erwähnten Erkenntnisses vom 27. November 2003, Zl. 2002/06/0052, auf dem Originalbescheid im Akt ein Vermerk angebracht, wonach die Partei vorgesprochen habe und "Einspruch" erhebe. Dieser Vermerk trug die Unterschriften des Sachbearbeiters und der Beschwerdeführerin.

Zieht man in Betracht, dass die Unterfertigung von Aktenvermerken durch Parteien in § 16 Abs. 2 AVG nicht vorgesehen ist und die persönliche Überreichung von Bescheidausfertigungen mit darauf angebrachten Vermerken - jeweils in Zusammenhängen, in denen die mündliche Einbringung gemäß § 51 Abs. 3 VStG vom Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages befreit hätte - wiederholt als (bloß) schriftliches Rechtsmittel gewertet wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1994, Zl. 93/03/0014, und vom 22. März 1995, Zl. 94/03/0056), so scheint in den zuvor erwähnten - von der Interessenlage her umgekehrten - Fällen vor allem die Unterschrift des Amtsorgans zu der für die Partei jeweils nachteiligen Annahme eines bloß mündlichen Anbringens geführt zu haben.

Auch die daraus resultierenden Abgrenzungsfragen sprechen dagegen, für die Wirksamkeit des Rechtsmittels in den Fällen, in denen sein Inhalt in der Form einer von der Partei unterfertigten Urkunde vorliegt, darauf abzustellen, ob es sich um eine zu mündlichem Vorbringen hinzutretende "Schrift der Partei" oder nur um eine schriftliche Dokumentation ihres mündlichen Anbringens handelt.

Eine Abgrenzung nach diesem Kriterium erschiene - nach allen erkennbaren Intentionen des Gesetzgebers - für die hier anzuwendende Rechtslage auch in Bezug auf die Möglichkeit eines Vorgehens gemäß § 13 Abs. 3 AVG bei allfälligen Inhaltsmängeln eines protokollierten Anbringens als verfehlt. Aus der mit der früheren Beschränkung auf "Formgebrechen" zu erklärenden Bezugnahme des Gesetzes auf Mängel "schriftlicher" Anbringen ist nicht abzuleiten, dass für protokollierte mündliche Anbringen - sei es in Fällen wie den hier erörterten oder dort, wo mündliche Anbringen vorgesehen sind - das Gegenteil des in § 13 Abs. 3 AVG Normierten zu gelten habe und die Behebung von Inhaltsmängeln protokollierter Anbringen nicht zu veranlassen sei (vgl. bereits den Exkurs zu diesem Thema bei Fuss, Welche Mängel eines schriftlichen Anbringens sind verbesserungsfähig? ZfV 2000, 225 (237 f)).

3.2.4. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 51 Abs. 3 VStG und in späteren Gesetzen (vgl. etwa Arnold in der zitierten Entscheidungsbesprechung) mündliche Rechtsmittel zugelassen hat, ergibt sich angesichts des erörterten Gesetzeszwecks kein Argument für die Unbeachtlichkeit entgegen § 13 Abs. 2 AVG niederschriftlich aufgenommenen Rechtsmittel. Der wesentliche Unterschied, der durch die hier vertretene Auslegung nicht berührt wird, besteht im Fehlen der Pflicht zur Aufnahme einer Niederschrift und - als Voraussetzung dafür - in der Unbeachtlichkeit des nicht schriftlich fixierten Anbringens (vgl. gegen zu weit reichende Umkehrschlüsse aus den Vorschriften über protokollarische Rechtsmittel auch den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 23. Februar 1994, 3 Ob 180/93).

3.2.5. Bedacht zu nehmen ist - unter dem Gesichtspunkt der möglichen Tragweite des erzielten Ergebnisses - schließlich auch auf den sachlichen Zusammenhang mit der Voraussetzung der Tunlichkeit für mündliche Anbringen in § 13 Abs. 1 erster Satz AVG ("soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint"). Diese Voraussetzung ist objektiv formuliert, und ein tunliches mündliches Anbringen (außerhalb des Anwendungsbereiches des § 13 Abs. 2 AVG) ist nach dem zuvor Gesagten auch wirksam, wenn die Behörde die Aufnahme einer Niederschrift unterlässt. Für den umgekehrten Fall eines trotz Untunlichkeit protokollierten Vorbringens scheint die spätere Annahme seiner Unwirksamkeit (oder Unzulässigkeit) mangels Schriftlichkeit aber in der Regel nicht sachgerecht zu sein. Dies gilt zunächst und vor allem dann, wenn die Untunlichkeit darin besteht, dass die Aufnahme einer Niederschrift der Behörde - etwa wegen des ungewöhnlichen Umfangs des Vorbringens - objektiv unzumutbar ist. Diese Fälle lassen sich als gesteigerte Ausprägung der von § 13 Abs. 2 AVG erfassten verstehen und verlangen die gleiche Lösung (vgl. allerdings § 13 Abs. 4 AVG i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004). Liegt der Grund der Untunlichkeit darin, dass die Wirksamkeit bloß mündlicher Erklärungen wegen der weit reichenden Folgen ausgeschlossen werden soll, so wäre aber auch dem mit der hier vertretenen Auffassung Rechnung getragen (vgl. zu diesem Anwendungsbereich das schon zitierte Erkenntnis vom 22. Juli 1999, Zl. 99/12/0061).

3.3. Das Gesagte ändert nichts daran, dass die Behörden - entsprechend dem mit den Einschränkungen der Mündlichkeit verfolgten Gesetzeszweck - nach der hier erörterten Rechtslage nicht gehalten sind, mangels Tunlichkeit gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz AVG oder auf Grund der Anordnung in § 13 Abs. 2 AVG schriftlich einzubringende Anbringen statt dessen niederschriftlich aufzunehmen. Der Gesetzeszweck würde auch verfehlt, wenn die Behörden im Anwendungsbereich der zuletzt genannten Bestimmung etwa auch jede Äußerung der Partei in einer zu anderen Zwecken aufgenommenen Niederschrift darauf hin zu prüfen hätten, ob sie sich als Rechtsmittel gegen eine vorangegangene Entscheidung deuten ließe, oder wenn sie daran gehindert wären, den Versuch einer Partei, ein dem Schriftlichkeitsgebot unterliegendes Anbringen zu Protokoll zu geben, als solchen zu protokollieren oder in einem Aktenvermerk festzuhalten und die schriftliche Aufnahme des Anbringens dessen ungeachtet abzulehnen. Letzteres wird in einem solchen Fall in der Niederschrift oder dem Aktenvermerk Ausdruck finden. Entsteht jedoch ein Schriftstück über das Anbringen selbst, so ist die Beteiligung der Behörde an seinem Zustandekommen kein Grund für die Abstandnahme von seiner inhaltlichen Behandlung.

4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die am 18. Jänner 1999 vom Beschwerdeführer zu Protokoll gegebene Vorstellung wirksam war und die These der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Frist versäumt, im Ergebnis zutrifft. Durch die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wurde der Beschwerdeführer daher nicht in Rechten verletzt.

5. Die Zurückweisung der Berufung gegen den nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens erlassenen Bescheid vom 6. Dezember 1999 in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stützt die belangte Behörde in dessen Begründung auf die von ihr angenommene Rechtskraft des Mandatsbescheides: "Zufolge der Unzulässigkeit einer Berufung gegen einen bereits in Rechtskraft erwachsenen Mandatsbescheid musste Ihre Berufung gegen den dessen ungeachtet erlassenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen werden."

Dieser auch in der Gegenschrift nicht näher erläuterten Begründung ist nicht entnehmbar, von welchen Vorstellungen sich die belangte Behörde in Bezug auf die weitere Geltung des Bescheides vom 6. Dezember 1999 leiten ließ und warum sie diesen Bescheid - ausgehend davon, dass die Vorstellung "richtigerweise zurückzuweisen gewesen wäre" - nicht im Sinne einer Zurückweisung der Vorstellung abänderte. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Thema erübrigt sich jedoch, weil die Ansicht der belangten Behörde, die Vorstellung sei zurückzuweisen gewesen, aus den zuvor dargestellten Erwägungen nicht zutrifft. Der vermeintliche Grund für die Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid vom 6. Dezember 1999 lag daher jedenfalls nicht vor.

6. Der angefochtene Bescheid war somit in Spruchpunkt II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wohingegen die Beschwerde in Bezug auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das auf den Schriftsatzaufwand zu beziehende Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung. Für die entrichtete Gebühr von S 2.500,-- waren EUR 181,68 zuzusprechen. Wien, am 6. Mai 2004

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