Normen
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
ElWOG 1998 §20 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2001:2001050029.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 18. August 2000 hat die Energie AG OÖ namens der Beschwerdeführerin den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung gemäß § 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 1 ElWOG gestellt, dass die Beschwerdeführerin durch die Verweigerung des Netzzuganges durch die mitbeteiligte Partei im gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewährung des Netzzuganges verletzt worden sei. Die belangte Behörde hat das Verwaltungsverfahren eingeleitet und im September 2000 eine mündliche Verhandlung abgehalten. Über den Antrag wurde nicht innerhalb der im § 20 Abs. 2 ElWOG vorgesehenen Frist von einem Monat entschieden, vielmehr wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid das Verfahren gemäß § 38 AVG ausgesetzt. Dies mit der Begründung, die mitbeteiligte Partei habe mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2000 der belangten Behörde mitgeteilt, dass sie bei der Oberösterreichischen Landesregierung als Elektrizitätsbehörde einen Antrag betreffend die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin nicht zum Kreis der Netzzugangsberechtigten gehöre, eingebracht habe. Aus der im § 20 Abs. 2 ElWOG normierten Sonderregelung hinsichtlich der Entscheidungspflicht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit müsse gefolgert werden, dass Verfahren über Netzzugangsverweigerung besonders rasch zu entscheiden seien, weshalb die belangte Behörde in der Regel diese Verfahren zur Vorfragenbeurteilung auch dann nicht aussetze, wenn ein diesbezügliches Verfahren bereits bei der zuständigen Behörde anhängig sei. Im Beschwerdefall erscheine auf Grund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren ihren Sitz in Oberösterreich habe und auch die von ihr gepachtete Anlage in Oberösterreich gelegen sei, eine Zuständigkeit der Oberösterreichischen Landesregierung zur Beurteilung der Hauptfrage, ob im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin Betreiberin einer Eigenanlage ist, gegeben. Da davon auszugehen sei, dass die Oberösterreichische Landesregierung als die für die Beurteilung der Vorfrage als Hauptfrage zuständige Behörde ihrer Entscheidung eine andere Rechtsansicht als der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu Grunde lege, sei das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung der Oberösterreichischen Landesregierung auszusetzen gewesen, zumal die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 6. Juli 2000 die Ansicht vertreten habe, dass der Begriff Eigenerzeuger nach dem oberösterreichischen Landesrecht auf den Begriff des Eigentums beschränkt sei und nicht den eher schwer abzugrenzenden Bereich der Innehabung (der sog. "Verfügungsmacht") umfasse.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, dass die belangte Behörde das Verfahren betreffend Verweigerung des Netzzuganges nicht gemäß § 38 AVG aussetzt, sondern die Frage, ob die Beschwerdeführerin zum Kreis der Netzzugangsberechtigten gehöre, selbst innerhalb der einmonatigen Frist des § 20 Abs. 2 ElWOG beurteilen müsste.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzustellen, dass der angefochtene Bescheid einen verfahrensrechtlichen Bescheid darstellt, der selbständig bekämpfbar ist (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 249 unter E 23 zu § 38 AVG referierte hg. Judikatur). An dieser Beurteilung vermag auch der an Stelle der Rechtsmittelbelehrung erfolgte Hinweis im angefochtenen Bescheid, "gegen diese prozessleitende Verfügung ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig", nichts zu ändern.
Die gegenständliche Beschwerde ist daher zulässig.
§ 38 AVG lautet wie folgt:
"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."
Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 20 Abs. 2 ElWOG, BGBl. I 1998/143, hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über Antrag desjenigen, der behauptet, durch die Verweigerung des Netzzuganges in seinem gesetzlich eingeräumten Recht auf Gewährung des Netzzuganges verletzt worden zu sein, innerhalb eines Monats festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Verweigerung eines Netzzuganges gemäß Abs. 1 vorliegen. Der Netzbetreiber hat das Vorliegen der Verweigerungstatbestände (Abs. 1) nachzuweisen.
Die Regelung des § 38 AVG findet nach dem Eingang ihres ersten Satzes nur Anwendung, "sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen". Diese Regelung ist entgegen den Beschwerdeausführungen so auszulegen, dass die Behörde nur dort keine Vorfragenbeurteilung selbst vornehmen darf, wo das Gesetz ausdrücklich besondere Zuständigkeitsregeln normiert (vgl. dazu z. B. § 138 Abs. 1 ABGB Vermutung der Ehelichkeit des Kindes kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt werden, § 11 EisbG zur Klärung bestimmter Vorfragen ist die Entscheidung des Bundesministers einzuholen; weitere Beispiele siehe bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band 1, 2. Auflage, Anmerkung 5 auf S. 504). Diese Bestimmung ist aber nicht so zu verstehen, dass dort, wo der Materiengesetzgeber eine kurze Entscheidungsfrist festgesetzt hat, die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG schon auf Grund des Einganges des ersten Satzes dieser Bestimmung unzulässig wäre. Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt:
Im Beschwerdefall ist zwar ein Verfahren bei der Oberösterreichischen Landesregierung anhängig, die Oberösterreichische Landesregierung ist auch örtlich zuständig, über das bei ihr anhängig gemachte Verfahren zu entscheiden, weil die Beschwerdeführerin ihren Sitz und die von ihr gepachtete Energieerzeugungsanlage in Oberösterreich hat. Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG hinsichtlich des hier zu beurteilenden Problemkreises handelt. Selbst wenn dies der Fall wäre, stünde es in einem derartigen Fall im Ermessen der Behörde, das Verfahren zu unterbrechen oder die Vorfrage selbst zu beurteilen. Im Rahmen der Ermessensausübung wird dabei insbesondere der Aspekt der Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis einerseits und andererseits der Aspekt möglichst richtiger und einheitlicher Entscheidung zu berücksichtigen sein (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts7, Rz 310, sowie die dort zitierte Judikatur und Literatur).
Das Gesetz regelt nun nicht im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen kann, die Behörde ist aber deswegen nicht völlig ungebunden. Es kann ihre diesbezügliche Entscheidung durchaus auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2, 1. Band, S. 522, E 107) und zwar in der Richtung, ob sie diese Entscheidung im Sinne des Gesetzes getroffen hat (Art. 130 Abs. 2 B-VG).
Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt Rechtswidrigkeit dann nicht vor, soweit die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überlässt, die Behörde aber von diesem freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
Der Sinn des § 20 Abs. 2 ElWOG liegt, wie aus dieser Verfassungsbestimmung klar hervorgeht, darin, dass das Verfahren sehr rasch durchgeführt wird und innerhalb einer Frist von einem Monat eine behördliche Entscheidung ergeht. Im Sinn dieses Gesetzes kann es daher nicht liegen, wenn der zur Entscheidung berufene Bundesminister, der an die Entscheidungsfrist des § 20 Abs. 2 ElWOG gebunden ist, das Verfahren gemäß § 38 AVG aussetzt und zuwartet, bis eine Behörde, die ihrerseits nicht dem Zwang unterliegt, binnen Monatsfrist zu entscheiden, ihre Entscheidung erlässt, zumal es im Belieben jedes Netzbetreibers liegt, bei der jeweils örtlich zuständigen Landesregierung einen Feststellungsantrag einzubringen, ob der Netzzugangswerber zum Kreis der Netzzugangsberechtigten gehört oder nicht. In jedem Fall könnte somit der Netzbetreiber verhindern, dass die in der Verfassungsbestimmung des § 20 Abs. 2 ElWOG festgesetzte Frist von einem Monat eingehalten wird. Da dies nicht im Sinne der zitierten Bestimmung des ElWOG liegt, hat die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Mai 2001
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