VwGH 97/21/0183

VwGH97/21/018327.2.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 6. August 1972 geborenen AL in B, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Oktober 1996, Zl. UVS-5/500/6-1996, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs6;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
ZustG §7;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs6;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
ZustG §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Am 24. April 1995 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer, einem Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung ein Straferkenntnis verkündet, er halte sich seit dem 8. Februar 1995 im Bundesgebiet auf, ohne im Besitz eines Reisepasses und einer Aufenthaltsberechtigung zu sein, und habe dadurch eine Übertretung nach § 2 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, begangen, weshalb über ihn eine Strafe in der Höhe von S 3.000,--, im Fall der Nichteinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Tagen, verhängt sowie gemäß § 64 VStG Verfahrenskosten in der Höhe von S 300,-- auferlegt würden. Der Beschwerdeführer verweigerte die Unterschrift auf der Strafverhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 1995 teilte Roland H. der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung mit, ihm sei eine an den Beschwerdeführer gerichtete Mahnung über einen Strafbetrag von S 3.300,-- betreffend angebliche Übertretungen des Fremdengesetzes zur Kenntnis gebracht worden. Diese Schuld bestehe jedoch nicht, weil der Beschwerdeführer noch niemals wegen einer derartigen Übertretung rechtskräftig bestraft worden sei. Roland H. sei nämlich seit dem 26. Jänner 1995 in fremdenpolizeilichen Angelegenheiten bevollmächtigter Vertreter des Beschwerdeführers und darüber hinaus befugt, ihn vor allen österreichischen Gerichten und Behörden zu vertreten. Seine Vollmacht sei am 26. Jänner 1995 der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vorgelegt worden und sei seitdem im fremdenpolizeilichen Akt des Beschwerdeführers kundig. Ihm sei weder von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung ein Bescheid über eine Bestrafung zugestellt, noch ein solches Verfahren unter ordnungsgemäßer Miteinbeziehung seiner Vertreterschaft durchgeführt worden.

Am 27. Oktober 1995 nahm Helga T. bei der Bundespolizeidirektion Salzburg-Umgebung Akteneinsicht und legte die Kopie einer zu Gunsten Roland H. vom Beschwerdeführer unterfertigten Vollmacht mit im Wesentlichen folgendem Wortlaut vor:

"Hiermit bestätige ich, dass ich Herrn R. H. ... uneingeschränkte Vollmacht erteile, mich vor allen österreichischen Gerichten und Behörden zu vertreten, insbesondere in asylrechtlichen und fremdenpolizeilichen Angelegenheiten. Diese Vollmacht beinhaltet auch eine Zustellvollmacht und kann im Verhinderungsfall auf eine Person seines Vertrauens übertragen werden, ebenso wie sie den Inhaber dazu ermächtigt, allenfalls in meinem Namen einen Rechtsanwalt beizuziehen."

Helga T. legte weiters eine von Roland H. unterfertigte Substitutionsvollmacht vor. Sie fertigte Kopien aus dem Verwaltungsakt an, welche sie dem Roland H. übermittelte.

Mit Schreiben vom 8. November 1995 erhob Roland H. namens des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 24. April 1995, welches Roland H. als ausgewiesenen Vertreter erst im Zuge einer Einsichtnahme in den Verwaltungsakt bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung durch eine Vollmachtssubstituentin am 25. Oktober 1995 rechtsgültig zugestellt worden sei, das Rechtsmittel einer - in der Sache näher begründeten - Berufung.

Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung führte in einem an den mit der Berufung befassten Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg (belangte Behörde) gerichteten Schreiben vom 24. April 1996 aus, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 24. April 1995 das Vorhandensein einer derartigen Vollmacht der Behörde nicht bekannt gewesen sei. Die vom 25. Jänner 1995 datierte Vollmacht sei erst am 15. Oktober 1995, gemeinsam mit dem Schreiben des Roland H., der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung in Kopie übermittelt worden.

Der damit von der belangten Behörde befasste Roland H. führte dieser gegenüber mit Schreiben vom 24. Mai 1996 aus, dass er hingegen seit dem 24. April 1995 der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung aktenkundigermaßen als Vertreter des Beschwerdeführers bekannt sei. Dies könne auch einem in Kopie beigelegtem, an ihn gerichteten Schreiben der Helga T. entnommen werden, die auf seine Veranlassung hin Akteneinsicht in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung genommen habe und in diesem Schreiben bestätige, dass ein etwa 120 Blatt umfassendes "Paket" - gemeint sei der Akt der Bundespolizeidirektion Eisenstadt -, in welchem sich seine Vollmacht befinde, seit dem 24. April 1995 beim Sachbearbeiter bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung aufliege. Die Vollmacht sei daher der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung am 24. April 1995 bekannt gewesen.

Mit diesem Schreiben befasste die belangte Behörde neuerlich die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, die mit Schreiben vom 25. Juni 1996 ausführte, beim Schreiben der Helga T. handle es sich um eine Fehlinformation, vor dem 27. Oktober 1995 hätten die Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung von den Vollmachten keine Kenntnis gehabt.

Mit dieser Stellungnahme wurde seitens der belangten Behörde neuerlich Roland H. befasst, der mit Schreiben vom 7. August 1996 auf seine Stellungnahme vom 24. Mai 1996 verwies und die zeugenschaftliche Einvernahme der Helga T. und entsprechende Nachforschungen bei der Bundespolizeidirektion Eisenstadt sowie allenfalls beim Nachforschungsdienst der Post hinsichtlich des Einlangens der Eisenstädter Fremdenpolizeiakte beantragte, aus der seine Bevollmächtigung ersichtlich sei. Er habe vom Strafreferat der Bundespolizeidirektion Eisenstadt bereits mehrfach die telefonische Mitteilung erhalten, dass ein Einspruch gegen ein Strafverfügung nicht behandelt werden könne, weil der bezughabende Fremdenakt "seit April 1995" in Salzburg sei.

Auf dieses Begehren ging die belangte Behörde nicht mehr ein, vielmehr erließ sie den angefochtenen Bescheid vom 21. Oktober 1996, mit dem sie die Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet eingebracht zurückwies. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das angefochtene Straferkenntnis am 24. April 1996 (gemeint: 24. April 1995) erlassen worden sei und in der Strafverhandlungsschrift vom gleichen Tag beurkundet worden sei. Eine schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses sei vom Beschuldigten nicht verlangt worden. Dementsprechend habe daher die Berufungsfrist zwei Wochen nach der Verkündung mit Ablauf des 8. Mai 1995 geendet, die erst am 8. November 1995 eingebrachte Berufung sei daher verspätet. Es möge schon möglich sein, dass eine Vollmacht etwa in einem anderen Akt vorhanden gewesen sei bzw. für ein anderes Verfahren bestanden habe; auch könne jemand in einer Vollmacht zur Vertretung in mehreren bestimmten Verfahren bevollmächtigt werden. Voraussetzung für die Heranziehung einer Vollmacht sei aber jedenfalls, dass sie der jeweiligen Behörde zur Kenntnis gebracht werde. Ein konkreter Nachweis über eine vorliegende Vollmacht sei im betreffenden Verfahren aber zum Zeitpunkt des 24. April 1995 weder ersichtlich noch nachweisbar. Daher sei die Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und von diesem mit Beschluss vom 25. Februar 1997, B 4907/96, abgelehnte und sodann mit Beschluss vom 21. März 1997, B 4907/96, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein namhaft gemachter Vertreter darf bei der Verkündung eines mündlichen Bescheides - sofern die Partei sich nicht ungeachtet des vorliegenden Vollmachtsverhältnisses mit der Verkündung ihr gegenüber einverstanden erklärt - nicht übergangen werden. Ein Bescheid kann in einem solchen Fall nicht rechtswirksam gegenüber der Partei mündlich verkündet werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 1982, VwSlg. 10.920/A, und vom 13. November 1996, Zl. 96/03/0126, mwN). Im Beschwerdefall ist nicht davon auszugehen, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 24. April 1995 im Fall eines bereits an diesem Tage gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung aufrechten Vollmachtsverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und Roland H. durch die bloße Übermittlung einer Kopie der entsprechenden Strafverhandlungsschrift, in welcher die mündliche Verkündung des Bescheides beurkundet ist, durch Helga T. an den Vertreter des Beschwerdeführers erlassen wurde. Die schriftliche Erlassung eines Bescheides gemäß § 62 Abs. 1 AVG setzt nämlich voraus, dass die schriftliche Ausfertigung des Bescheides an einen von der Behörde bestimmten Empfänger zugestellt wird; die Kenntnisnahme kann nicht mit der Erlassung des Bescheides gleichgesetzt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. Mai 1970, 561/69, Slg. Nr. 7790/A, und vom 7. Mai 1985,

84/12/0186, Slg. Nr. 11.762/A, oder vom 29. August 1996, Zl. 95/06/0128).

Zwar wäre somit - auch im Fall des aufrechten Bestehens einer Bevollmächtigung am 24. April 1995 - die Berufung des Beschwerdeführers mangels Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz an seinen Vertreter zurückzuweisen gewesen; diesfalls mit der Begründung, dass ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden könnte, gar nicht existiert. Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers hingegen "als verspätet eingebracht" zurückgewiesen und in der Begründung damit im Zusammenhang die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass am 24. April 1995 gegen den Beschwerdeführer sehr wohl ein Straferkenntnis erlassen wurde, das rechtskräftig geworden ist. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid ist daher ungeachtet des Umstandes möglich, dass auch bei Zutreffen der Beschwerdebehauptungen seine Berufung - diesfalls, weil sie sich gegen einen nicht existenten Bescheid richtet - zurückzuweisen gewesen wäre.

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde ausreichende Ermittlungen insoferne angestellt hat, ob die Vollmacht des Beschwerdeführers für Roland H. der Behörde erster Instanz zum Zeitpunkt der Verkündung ihres Bescheides vorlag. Hinsichtlich der Formulierung der Vollmacht, des Verfahrenszusammenhanges des gegen den Beschwerdeführer in Salzburg geführten Verwaltungsstrafverfahrens einerseits und des ihn betreffenden fremdenpolizeilichen Verfahrens vor der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt anderseits sowie hinsichtlich des Fehlens einer ausdrücklichen Erklärung dahingehend, dass die im ersteren erklärte Vollmacht auch in letzterem gelten solle, gleicht der vorliegende Sachverhalt nämlich jenem, der dem mit dem hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1998, Zl. 97/21/0341, entschiedenen Beschwerdefall zu Grunde lag, sodass auf die Begründung dieses Erkenntnisses gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Aus den dort angeführten Gründen musste die belangte Behörde auch im vorliegenden Fall nicht die Wirksamkeit der vom Beschwerdeführer in einem anderen Verfahren erklärten Vollmacht annehmen und war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; von der belangten Behörde wurde kein Kostenbegehren gestellt.

Wien, am 27. Februar 2001

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