VwGH 96/01/1233

VwGH96/01/123329.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des GG, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Oktober 1996, schriftliche Ausfertigung vom 13. November 1996, Zl. UVS-02/V/12/00024/95, betreffend Richtlinienverletzung gemäß § 89 Abs. 4 Sicherheitspolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Normen

SPG 1991 §31 Abs2 Z5;
SPG 1991 §89 Abs2;
SPG 1991 §89 Abs4;
SPG RichtlinienV 1993 §5 Abs1;
SPG RichtlinienV 1993;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. Oktober 1996, schriftlich ausgefertigt mit Datum 13. November 1996, wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde wegen Verletzung des § 5 Abs. 1 der gemäß § 31 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) ergangenen Richtlinien-Verordnung, BGBl. Nr. 266/1993 (RLV), gemäß § 89 Abs. 4 SPG in Verbindung mit § 67c Abs. 4 AVG als unbegründet ab und verpflichtete gleichzeitig den Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG in Verbindung mit § 89 Abs. 5 SPG zum Ersatz von Aufwendungen im Ausmaß von S 6.865,--.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer machte in einer an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde geltend, er habe am 4. Oktober 1995 im Rahmen einer von Sicherheitswacheorganen durchgeführten Durchsuchung eines näher angeführten Gastlokales von einem Sicherheitswacheorgan auf die Frage, was hier vorgehe, die Antwort erhalten: "Machen Sie was Sie wollen. Das ist alles uninteressant!"

In der Folge habe ihn der Sicherheitswachebeamte zum Verlassen des Lokales aufgefordert. Der Beschwerdeführer sei der Aufforderung nicht nachgekommen. Das einschreitende Sicherheitswacheorgan RevInsp. W. habe im Zuge des Gesprächs eine abfällige Handbewegung gemacht und sarkastisch gelächelt. Durch dieses seine verächtliche Haltung zum Ausdruck bringende Verhalten habe dieser Sicherheitswachebeamte den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt und den Beschwerdeführer gedemütigt.

Die Bundespolizeidirektion Wien erstattete zu der ihr von der belangten Behörde übermittelten Beschwerde mit Erledigung vom 19. Jänner 1996 gemäß § 89 Abs. 2 SPG eine Sachverhaltsmitteilung, in der sie die Ansicht vertrat, der Beamte habe versucht, die Amtshandlung sachlich und korrekt durchzuführen.

Über den daraufhin vom Beschwerdeführer gestellten Antrag, festzustellen, dass § 5 Abs. 1 der RLV verletzt worden sei, führte die belangte Behörde am 14. Juni 1996 und am 10. Oktober 1996 eine mündliche Verhandlung durch. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass es - entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers - am 4. Oktober 1995 im Rahmen der angeführten Durchsuchung zu keinen Vorgängen gekommen sei, die eine Verletzung des § 5 der RLV dargestellt hätten. Insbesondere die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten wegweisenden oder abwehrenden Handbewegungen des bei dieser Durchsuchung einschreitenden RevInsp. W. - soferne diese überhaupt in der vom Beschwerdeführer beschriebenen Form erfolgt sein sollten - könnten nicht als geeignet angesehen werden, irgendeine Voreingenommenheit zu dokumentieren. Das von der belangten Behörde durchgeführte Verfahren habe ergeben, dass das vom Beschwerdeführer behauptete sarkastische Lächeln dieses Sicherheitswacheorgans zwar den subjektiven Empfindungen des Beschwerdeführers und der von ihm namhaft gemachten Zeugen entspreche, dass diese Angaben aber nicht geeignet gewesen seien, objektiv eine Voreingenommenheit dieses Sicherheitswacheorgans zu belegen.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer geltend, der angefochtenen Bescheid lasse es offen, ob das Sicherheitswacheorgan tatsächlich das vom Beschwerdeführer gerügte Verhalten gesetzt habe. Wohl führe die belangte Behörde zutreffend aus, dass es bei Anwendung des § 5 RLV nicht auf eine tatsächlich gegebene Voreingenommenheit eines Verwaltungsorganes, sondern auf die Vermeidung des Anscheines einer solchen ankomme, doch reduziere die belangte Behörde in der Bescheidbegründung ihre Argumentation auf die Frage des Vorliegens von Voreingenommenheit. Demgegenüber seien aber Sicherheitswacheorgane verpflichtet, jeden Schein der Voreingenommenheit zu vermeiden. Entgegen den Bescheidausführungen stelle § 5 Abs. 1 RLV auf das Vorliegen einer subjektiven Empfindung, nämlich des Eindrucks von Voreingenommenheit ab. Es überrasche nicht, dass die als Zeugen einvernommenen Sicherheitswacheorgane angegeben hätten, bei ihnen sei nicht der Eindruck der Voreingenommenheit des angeführten Sicherheitswacheorgans entstanden; entscheidend sei, dass sämtliche nicht dem Polizeiapparat zugehörigen Zeugen angegeben hätten, bei ihnen habe das Verhalten von RevInsp. W., welcher die Amtshandlung mit einer abfälligen Handbewegung, verbunden mit einem sarkastischen Gesichtsausdruck bzw. einem sarkastischen Lächeln "von oben herab triumphierend und mit offensichtlicher Freude am Eingriff in Personenrechte" durchgeführt und hiebei junge erwachsene Ausländer "geduzt sowie Fragen nach dem Warum schroff abgewürgt" habe, den Eindruck von Voreingenommenheit gegenüber dem Beschwerdeführer erweckt. RevInsp. W. sei bereits mehrfach bei von den Betroffenen als diskriminierend empfundenen Amtshandlungen gegen homosexuelle Bürger aufgefallen. Beim Beschwerdeführer und den von der belangten Behörde einvernommenen Zeugen T. und A. habe das von RevInsp. W. dem Beschwerdeführer gegenüber gesetzte Verhalten den Eindruck einer - auf die zumindest auf Seiten des Sicherheitswacheorgans bestehende Vermutung der sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers zurückzuführenden - Diskriminierung gemacht. Die von RevInsp. W. gesetzten Handlungen seien daher auch geeignet gewesen, als Diskriminierung auf Grund der sexuellen Orientierung empfunden zu werden.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 89 SPG, BGBl. Nr. 566/1991, haben folgenden Wortlaut:

"§ 89 (1) Insoweit mit einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, hat der unabhängige Verwaltungssenat sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten.

(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat (Abs. 1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, dass ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkte als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.

...

(4) Jeder, dem gemäß Abs. 2 mitgeteilt wurde, dass die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs. 2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.

(5) Im Verfahren gemäß Abs. 2 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind die §§ 67c bis 67g und 79 a AVG sowie § 88 Abs. 5 dieses Bundesgesetzes anzuwenden. Der unabhängige Verwaltungssenat entscheidet durch eines seiner Mitglieder."

§ 5 Abs. 1 der RLV lautet:

"Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der politischen Auffassung oder der sexuellen Orientierung empfunden zu werden."

In den Erläuterungen zum Vorentwurf zu einer Richtlinienverordnung des Bundesministers für Inneres vom 20. Jänner 1993, Zl. 76012/64-IV/11/93/D, findet sich hiezu die Aussage, dass die in § 5 Abs. 1 getroffene Regelung so wie § 31 Abs. 2 Z 5 SPG davon ausgehe, dass Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Unvoreingenommenheit nicht eigens angeordnet werden müsse, da sich das Sachlichkeitsgebot bereits aus ihrer Stellung als öffentlich Bedienstete ergebe. Es komme aber darauf an, dass der Beamte nicht bloß unvoreingenommen sei, sondern auch den Schein der Voreingenommenheit vermeide. Ob er letztlich mit seinem Bemühen beim Betroffenen Erfolg habe, liege nur insoweit in seiner Verantwortung, als er eine Handlung gesetzt habe, die objektiv auf Voreingenommenheit hinweise; ob der Beamte tatsächlich voreingenommen war, sei nicht maßgeblich.

Der Beschwerdeführer erblickt die Verletzung des § 5 der RLV in einer im Gespräch mit ihm vorgenommenen abfälligen Handbewegung und einem hiebei zur Schau gestellten sarkastischen Lächeln des RevInsp. W. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem die Vornahme einer Grenzkontrolle betreffenden Erkenntnis vom 24. Juni 1998, Zl. 98/01/0084, sinngemäß ausgesprochen hat, übersteigt ein in einem als aggressiv, unfreundlich, rüpelhaft, herrisch, streitsüchtig oder provokant empfundenen Tonfall ausgesprochener Befehl eines Organs der öffentlichen Aufsicht - abgesehen von der Schwierigkeit, ein solches Empfinden mit objektiven Maßstäben zu werten - zwar den im Zusammenhang mit der Erteilung einer zu befolgenden Anordnung üblichen zwischenmenschlichen Umgangston. Ein solches Verhalten ist aber noch nicht so gravierend, dass hieraus eine Verletzung der Richtlinie gemäß § 5 RLV resultieren würde. Ähnlich wie in dem diesem Erkenntnis zu Grunde gelegenen Fall kann auch im Beschwerdefall nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Beschwerdeführer als abfällig empfundene Handbewegung bzw. das als sarkastisch gewertete Lächeln des einschreitenden Sicherheitswachebeamten geeignet gewesen wäre, den Eindruck von Voreingenommenheit in objektiv nachvollziehbarer Form zu erwecken.

Was den Vorwurf anbelangt, das Verhalten von RevInsp. W. habe den Eindruck einer Diskriminierung infolge vermuteter sexueller Orientierung erweckt, bringt der Beschwerdeführer keine Umstände vor, die geeignet wären, aus der Warte eines objektiven Beobachters in dieser Richtung gedeutet zu werden. So lässt weder das vom Beschwerdeführer gerügte sarkastische Lächeln noch die wegwerfende Handbewegung einen Zusammenhang mit allenfalls vermuteter sexueller Orientierung erkennen. Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers, RevInsp. W. sei bereits mehrfach bei Amtshandlungen gegen homosexuelle Bürger durch von diesen als diskriminierend empfundenes Verhalten aufgefallen, zutreffen sollte, könnte daraus allein nicht abgeleitet werden, dass das anlässlich des gegenständlichen Vorfalls gegenüber dem Beschwerdeführer gesetzte Verhalten dieses Sicherheitswacheorgans als aus diesen Gründen diskriminierend zu werten sei.

Soweit der Beschwerdeführer auch geltend macht, der genannte Sicherheitswachebeamte sei von oben herab triumphierend und mit offensichtlicher Freude am Eingriff in Personenrechte eingeschritten, wobei er junge erwachsene Ausländer geduzt und Fragen nach dem Warum schroff "abgewürgt" habe, bringt er damit kein Verhalten des Sicherheitswacheorgans vor, das eine Verletzung seiner Rechte hätte bewirken können. Eine Beschwerde gemäß § 89 SPG kann nur von Menschen erhoben werden, die behaupten, beim Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 SPG erlassene Richtlinie verletzt worden. Diese Betroffenheit ist nach dem Kreis der Menschen zu bestimmen, deren Interessen von der jeweils in Frage stehenden Richtlinie geschützt werden. In Bezug auf die Frage der Verletzung von § 5 Abs. 1 RLV ist jeder "betroffen", der zum Adressaten einer Amtshandlung wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. November 1999, Zl. 96/01/0582, mit weiteren Nachweisen). Die vom Beschwerdeführer insoweit gerügte Amtshandlung richtete sich aber im oben dargestellten Umfang nicht gegen ihn, sondern gegen andere Personen, sodass dem Beschwerdeführer die Geltendmachung der seiner Ansicht nach hiebei erfolgten Richtlinienverletzung nicht zukam.

Die sich sohin insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Juni 2000

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