VwGH 97/12/0291

VwGH97/12/029124.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des Mag. Dr. M in V, vertreten durch Dr. Walter Riedl u.a., Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 4. Juli 1997, Zl. 413.610/18-2.2/97, betreffend Nichtanrechnung eines Karenzurlaubes, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §75 Abs3 idF 1990/447;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberstleutnant des Intendanzdienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Militärkommando B, bei dem er seit Beendigung seines Karenzurlaubes als Leiter des Intendanzdienstes verwendet wird.

Mit Schreiben vom 9. September 1994 ersuchte der Beschwerdeführer nach Beendigung seines rechtswissenschaftlichen Studiums und einer verwaltungsjuristischen Verwendung um einen Karenzurlaub im gesamten Jahr 1995, weil "die Rechtspraktikantentätigkeit für mich persönlich eine wertvolle Fortbildung für eine weitere Tätigkeit im Bundesdienst" darstellt und die "Voraussetzungen für eine Verwendung in verschiedenen mit der Wahrnehmung von speziell juristischen Aufgaben betrauten Abteilungen in unserem Ressort" schafft.

Dieser Antrag wurde vom Militärkommando B unterstützt und die Abdeckung des seinerzeitigen Aufgabenbereiches des Beschwerdeführers als gesichert bezeichnet. Seitens des Korpskommandos I wurde kein dienstlicher Einwand erhoben, aber bemerkt, daß eine dienstliche Notwendigkeit der Rechtspraktikantentätigkeit des Beschwerdeführers bei Gericht nicht gegeben sei und die internen Ausbildungsmöglichkeiten für den Beschwerdeführer ausreichend seien.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1994 gewährte die belangte Behörde den Karenzurlaub für den beantragten Zeitraum zur Absolvierung der Rechtspraktikantentätigkeit bei Gericht. Zur Begründung wurde lediglich angegeben, es seien keine dagegenstehenden zwingenden dienstlichen Interessen geltend gemacht worden.

Nach Wiederantritt seines Dienstes beantragte der Beschwerdeführer mit 4. Jänner 1996 die Anrechnung seines Karenzurlaubes nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 (in der Fassung vor der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61/1997 = aF).

Die belangte Behörde beantragte daraufhin mit Schreiben vom 22. April 1996 beim BKA die nach § 75 Abs. 3 aF erforderliche Zustimmung des BKA und des BMF, weil die während der Absolvierung der Rechtspraktikantenzeit durch den Beschwerdeführer gewonnenen Erfahrungen für eine nach Beendigung des Karenzurlaubes im Interesse des Bundes gelegene erfolgreiche Verwendung dienlich seien.

Das BKA stimmte im Einvernehmen mit dem BMF im Sinne des § 75 Abs. 3 aF der Nachsicht der Folgen des Karenzurlaubes nicht zu. Maßgebend hiefür war im wesentlichen die Ansicht, daß dem Beschwerdeführer ohnehin eine im Interesse des Dienstgebers Bund gelegene "erfolgreiche Verwendung" durch interne Ausbildungen ermöglicht werde. Ein (überwiegendes) öffentliches Interesse könne durch Absolvierung einer Rechtspraktikantentätigkeit aus dem Zusammenhang der dienstrechtlichen Vorschriften nicht ermittelt werden (wird näher ausgeführt).

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 1996 wurde über den Antrag des Beschwerdeführers abschlägig entschieden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die unter Zl. 96/12/0311 beim Verwaltungsgerichtshof protokollierte Beschwerde.

Nach Eröffnung des Vorverfahrens wurde dieser angefochtene Bescheid mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Dezember 1996 gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde daraufhin mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1997 eingestellt.

Nach ergänzenden Erhebungen und Einräumung des Parteiengehörs sowie Erhebung der Säumnisbeschwerde durch den Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof (protokolliert unter Zl. 97/12/0131) erging der nunmehr angefochtene Bescheid mit folgendem Spruch (- was zur Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens mit Beschluß vom 17. September 1997 führte -):

"Ihr Antrag vom 4. Jänner 1996 auf Erlassung einer Verfügung, daß die Zeit des Ihnen mit Bescheid des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 20. Dezember 1994, GZ 523.182/22-2.2/94, für die Zeit vom 1. Jänner 1995 bis 31. Dezember 1995 gewährten Karenzurlaubes gemäß § 75 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979, BGBl. Nr. 333, für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen berücksichtigt werde, wird gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 abgewiesen."

Zur Begründung wird nach eingehender Darstellung des Verfahrensablaufes das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wiedergegeben. Es werden im Folgenden die Aufgaben des rechtskundigen Offiziers des Militärkommandos B und die Arbeitsplatzbeschreibung des Beschwerdeführers auf insgesamt 14 Seiten dargestellt. Demnach umfaßt die Arbeitsplatzbeschreibung des Beschwerdeführers im wesentlichen Umfang auch juristische Aufgaben. Unter der Überschrift: "4. Persönliche Anforderungen:" wird ausgeführt:

"Um die Aufgaben des Ltr IntAbt fachgerecht und effizient erfüllen zu können, ist als Grundvoraussetzung eine abgeschlossene Offiziersausbildung, ein Universitätsstudium und der Intendanzkurs unbedingt erforderlich.

Eine darüberhinausgehende Verwendung bei einem Anwalt und die Gerichtspraxis ist prinzipiell von großer Bedeutung, da der juristische Bereich in besonderem Maße dadurch gekennzeichnet ist, daß sich die konkrete Berufsausübung stets nur auf einen sehr engen Rechtsausschnitt bezieht. Ein weiteres Spektrum der Rechtsanwendung kann ein Jurist somit gewöhnlich nur dadurch kennenlernen, daß er auch außerhalb seiner eigenen Berufslaufbahn Erfahrung sammelt.

Für die österreichische Rechtsordnung ist entsprechend der europäischen rechtsstaatlichen Tradition die Trennung aber auch das Ineinandergreifen von Justiz und Verwaltung wesentlich.

Das gegenseitige Verständnis zwischen diesen beiden Sektoren punkto grundsätzlicher Haltung und Betrachtungsweise, Herangehen an die Probleme, ist von großer Bedeutung für das optimale Funktionieren des Staatsapparates. Daß daher ein Verwaltungsbeamter auch die gerichtliche Seite der Rechtsanwendung kennenlernt ist wünschenswert und vorteilhaft."

In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides wird die Stellungnahme des Beschwerdeführers im Parteiengehör wiedergegeben, in der der Beschwerdeführer die Bedeutung seiner Tätigkeit bei Gericht und bei einem Anwalt für seine gegenwärtige berufliche Tätigkeit darzustellen versucht und auf Aufforderungen des Beamtenstaatssekretärs verweist, die Beamten sollten sich auch externer Fortbildung unterziehen.

Es folgt dann eine Darstellung der im "Curriculum für den Intendanzkurs" unter dem Abschnitt "Rechtslehre" enthaltenen Lehrinhalte (wird näher ausgeführt).

Dazu habe der Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, daß die Ausbildungsziele tatsächlich nur teilweise vermittelt würden. Die Lehrstoffvermittlung sei vielmehr zum großen Teil lediglich die Wiederholung des an der Universität bereits vermittelten theoretischen Wissens; die Vorträge seien teilweise unzureichend und unprofessionell sowie ohne Praxisbezug (wird näher ausgeführt). Der Beschwerdeführer sei daher um seine Weiterbildung im Interesse des Dienstes unter Inkaufnahme von finanziellen Einbußen bemüht gewesen.

Nach Wiedergabe des § 75 Abs. 3 BDG 1979 führt die belangte Behörde dann in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag auf Karenzurlaub vom 9. September 1994 ausgeführt, daß die Rechtspraktikantentätigkeit für ihn persönlich eine wertvolle Fortbildung für eine weitere Tätigkeit im Bundesdienst darstelle. Schon aus dieser Formulierung seines Antrages gehe hervor, daß für ihn private Interessen an diesem Karenzurlaub im Vordergrund gestanden seien. Der Karenzurlaub sei in weiterer Folge im beantragten Ausmaß gewährt worden, weil keine zwingenden dienstlichen Interessen dagegen gestanden seien. Das dem Beschwerdeführer vorgesetzte Korpskommando I habe jedoch zum damaligen Zeitpunkt bereits die Ansicht vertreten, daß die dienstlichen Notwendigkeiten der Rechtspraktikantentätigkeit bei Gericht nicht gegebenen seien und die internen Ausbildungsvorgaben und Möglichkeiten für eine Verwendung als Intendanzoffizier ausreichend seien. Dieser Meinung habe sich die belangte Behörde angeschlossen. Wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, würden umfangreiche Lehrinhalte zum Themenbereich Rechtslehre am Intendanzkurs angeboten. Insgesamt gebe es dazu

300 Unterrichtseinheiten. Das Ausmaß dieser Unterrichtseinheiten sei vom Beschwerdeführer im Parteiengehör nicht angezweifelt worden. Er habe zwar in seiner Stellungnahme angegeben, daß er der Meinung sei, daß die entsprechenden Lehrinhalte in unzureichender und unprofessioneller Form vorgetragen und weiters kein Bezug zur Praxis hergestellt werde; dieser Praxisbezug könne nur durch entsprechende Ausbildungsgänge, die er während seines Karenzurlaubes absolviert habe, abgedeckt werden. Das subjektive Empfinden des Beschwerdeführers über die Qualität der Ausbildung am Intendanzkurs werde von der belangten Behörde bedauert, könne jedoch nichts daran ändern, daß diese Ausbildung für die erfolgreiche Verwendung als Offizier des Intendanzdienstes von seiten der Dienstbehörde als ausreichend betrachtet werde. Das vorliegende "Curriculum" und dessen praktische Umsetzung während des Kurses seien nach Ansicht der belangten Behörde ausreichend für eine erfolgreiche Aufgabenerfüllung auf dem Arbeitsplatz. Wäre dies nach Ansicht der belangten Behörde nicht der Fall, müßte das Absolvieren einer Gerichtspraxis von Dienstes wegen angeordnet werden. Das vorliegende "Curriculum" sei am 20. August 1996 verfügt worden. Es sei nicht anzunehmen und sei auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden, daß die in diesem Ausbildungserlaß für die erfolgreiche Arbeitsplatzerfüllung gewonnenen Erfahrungen von mehr als 40 Jahren im Rechtskundigen Dienst des Österreichischen Bundesheeres nicht berücksichtigt worden seien. Im Österreichischen Bundesheer stellten die Offiziere des Intendanzdienstes mit juristischer Ausbildung, die Gerichtsjahre und Anwaltspraxis nicht aufzuweisen hätten, die überwiegende Mehrheit dar. Trotz dieser Tatsache leisteten diese Offiziere ihren Dienst zur vollen Zufriedenheit des Dienstgebers. Abweichende Angaben über die Qualität der Offiziere des Intendanzdienstes im Österreichischen Bundesheer habe der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen nicht angegeben; es finde sich dafür auch kein Ansatzpunkt in den Ermittlungsergebnissen.

Die belangte Behörde sei daher der Ansicht, daß dienstliche Interessen an der Gewährung des Karenzurlaubes an den Beschwerdeführer nicht gegeben gewesen seien. Es könne zwar zutreffen, daß die im Karenzjahr gewonnenen Erfahrungen das juristische Wissen des Beschwerdeführers erweitert hätten, die dabei gewonnenen Erkenntnisse seien jedoch für die Aufgabenerfüllung auf dem Arbeitsplatz eines Intendanzoffiziers deshalb nicht erforderlich, weil - wie bereits ausgeführt - die internen Ausbildungsmöglichkeiten die Anforderungen auf dem jeweiligen Arbeitsplatz abdeckten.

In der vom Militärkommando B. vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung seien als Anforderungen die Offiziersausbildung, ein Universitätsstudium und der Intendanzkurs angeführt. Den weiteren Ausführungen, daß eine Verwendung bei einem Anwalt und eine Gerichtspraxis notwendig wären, könne seitens der belangten Behörde nicht gefolgt werden. Wenn als Anforderung nicht einmal ein rechtswissenschaftliches Studium erforderlich sei, ein wirtschaftswissenschaftliches Studium ebenso als ausreichende Anforderung bestehe, könne eine zusätzliche Praxis in rechtsanwendenden Berufen nicht als Erfordernis für diesen Arbeitsplatz angesehen werden. Eine erhebliche Anzahl von Intendanzoffizieren in den Militärkommanden habe ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert und überschreite den zu erwartenden Arbeitserfolg durch besondere Leistungen in erheblichem Ausmaß. Dies sei nur möglich, weil die internen Ausbildungsgänge die entsprechende Qualität aufwiesen.

Die Bestimmung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 sei eine Ermessensbestimmung. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung des Karenzurlaubes bestehe nicht. Die belangte Behörde sei der Meinung, daß die internen Ausbildungsgänge ausreichend seien, um die Aufgabenerfüllung auf den Arbeitsplätzen des Intendanzdienstes sicherzustellen. Zu diesem Zweck sei das entsprechende "Curriculum" zusammengestellt und der Intendanzkurs durchgeführt worden. Das subjektive Empfinden des Beschwerdeführers, daß die angebotene Ausbildung nicht ausreichend sei, könne nichts daran ändern. Es müsse dem Dienstgeber überlassen bleiben zu beurteilen, welche Ausbildung er für ausreichend halte, um sicherzustellen, daß seine Bediensteten die an sie gestellten Anforderungen erfüllten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß die von ihm erworbene Praxis der juristischen Weiterbildung dienlich sei, werde nicht bestritten. Wesentlich sei jedoch, inwieweit diese Kenntnisse für die Verwendung auf dem Arbeitsplatz notwendig seien. Nachdem dies von der belangten Behörde dahingehend beurteilt worden sei, daß die internen Ausbildungsgänge für die Aufgabenerfüllung ausreichend seien, sei der vom Beschwerdeführer in Anspruch genommene Karenzurlaub als überwiegend im privaten Interesse gelegen zu beurteilen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 75 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 (Abs. 3 in der Fassung der BDG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 447), lautet auszugsweise:

"(1) Dem Beamten kann auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

(2) Die Zeit des Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

(3) Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen verfügen, daß die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht in vollem Umfang eintreten."

Die 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, regelt die Berücksichtigung des Karenzurlaubes für zeitabhängige Rechte im § 75 a (Art. I Z. 20 der genannten Novelle) völlig neu. Dieses Bundesgesetzblatt ist am 30. Juni 1997 ausgegeben worden. Gemäß § 278 Abs. 25 Z. 7 BDG 1979 in der Fassung der 1. BDG-Novelle 1997 ist die Neuregelung des § 75 a am 1. Juli 1997 in Kraft getreten.

Der angefochtene Bescheid ist mit 4. Juli 1997 datiert und nimmt auf die mit der 1. BDG-Novelle 1997 erfolgte Neuregelung keinen Bezug.

Zunächst ist zu klären, welche Rechtslage im Beschwerdefall anzuwenden war. Da die Gewährung des Karenzurlaubes im Beschwerdefall mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1994 erfolgte, ist die Übergangsbestimmung des § 241 a BDG 1979 in der Fassung der 1. BDG-Novelle 1997 im Beschwerdefall maßgebend, nach der auf Karenzurlaube, die gemäß § 75 BDG 1979 in der bis zum Ablauf des 30. Juni 1997 geltenden Fassung gewährt worden sind, § 75 in dieser Fassung weiter anzuwenden ist. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall gegeben, sodaß die belangte Behörde rechtlich zutreffend von der Anwendung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF ausgegangen ist.

§ 75 Abs. 3 BDG 1979 aF sieht eine im freien Ermessen liegende Entscheidung der obersten Dienstbehörde vor, wobei - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/12/0178, mit ausführlicher Begründung dargelegt hat - der Gesetzgeber der Behörde Ermessen nur betreffend das Ausmaß der Nachsicht eingeräumt hat. Die Ermessensübung ist allerdings an zwei - in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende - Voraussetzungen geknüpft, nämlich

 

  1. 1. daß für die Gewährung des Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend (überwiegend) sind und
  2. 2. berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsichtsgewährung vorliegen (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 6. Juni 1990, Zl. 89/12/0183).

 

Fehlt auch nur eine dieser beiden Tatbestandsvoraussetzungen, ist die Nachsicht von den Rechtsfolgen nach § 75 Abs. 2 BDG 1979 aF nicht zu gewähren. Anders gewendet: Nur wenn beide genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, kann es überhaupt zu einer (rechtlich zulässigen) Ermessensübung kommen.

Ausgehend vom § 75 Abs. 1 BDG 1979, nach dem ein Karenzurlaub antragsbedürftig ist, zeigt sich bereits daraus, daß in der Regel auch ein gewisses persönliches Interesse des Karenzurlaubswerbers gegeben sein wird. Dieses persönliche Interesse darf aber nicht die wesentliche Voraussetzung für die Entscheidung der Dienstbehörde, nämlich für die Gewährung des Karenzurlaubes, sein.

Bei der Prüfung der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF ist zunächst anhand des Bescheides, mit dem dem Beschwerdeführer Karenzurlaub gewährt wurde, zu prüfen, ob für dessen Genehmigung private Gründe des Beamten im Vordergrund standen. Da der diesbezügliche Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1994 keinerlei Feststellungen darüber enthält, welche Gründe hiefür maßgebend waren, ist auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung des Karenzurlaubes sowie sonstige Unterlagen, die diesem Verfahren zugrunde lagen, zurückzugreifen (vgl. dazu auch beispielsweise das Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 94/12/0104).

Der Antrag des Beschwerdeführers zeigt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes klar, daß vom Beschwerdeführer als Grund eine bessere Ausbildung für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben angegeben wurde. Damit werden zweifellos Gesichtspunkte angesprochen, die deutlich über die private Interessenslage des Beschwerdeführers hinausgehen, wobei weiters zu bedenken ist, daß die Gerichtspraxis (Rechtspraktikantenzeit) nach § 12 Abs. 2 Z. 4 lit. b GG 1956 bei Festsetzung des Vorrückungsstichtages zur Gänze zu berücksichtigen ist.

Die zustimmungsberechtigten mitbefaßten Behörden (Bundeskanzler und Bundesminister für Finanzen), deren Auffassung sich die belangte Behörde schließlich angeschlossen hat, gehen aber im Ergebnis von der Rechtsauffassung aus, daß die erste Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF das Vorliegen eines dienstlichen Interesses verlangt. Dem ist vorweg unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1998, Zl. 98/12/0172, mit weiteren Judikaturhinweisen, entgegenzuhalten, daß die genannten zustimmungsberechtigten Behörden und mit ihnen die belangte Behörde von einem zu engen Begriff des "öffentlichen Interesses" ausgehen. Abgesehen davon, ob nicht unter "andere als private Interessen" auch andere als die der Behörde vorschwebenden öffentlichen Interessen zu verstehen sind, umfaßt der Begriff "öffentliches Interesse" jedenfalls mehr als das rein arbeitsplatzbezogen gesehene und zur Wertung von den Behörden herangezogene dienstliche Interesse an der Besorgung des vom Beschwerdeführer jetzt innegehabten Arbeitsplatzes. Es ist vielmehr nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein unzutreffend, ein öffentliches Interesse an einer über die vom Dienstgeber institutionalisierte Grundausbildung hinausgehenden weiteren Ausbildung mit dem Hinweis auf die bestehende Grundausbildung abzutun. Wäre dies zutreffend, so könnten wohl auch die im § 23 BDG 1979 gesetzlich verankerten sonstigen Ausbildungsmaßnahmen wie auch sonstige externe Ausbildungsmaßnahmen des Bundes nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein. Im übrigen zeigt - selbst ausgehend von dem zu engen Verständnis der Behörden hinsichtlich des öffentlichen Interesses - bereits eine Gegenüberstellung der Aufgaben des Beschwerdeführers und der dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben in seiner Praktikantenzeit vermittelten Kenntnisse deren dienstliche Verwertbarkeit. Für ein rein persönliches Interesse des Beschwerdeführers an der Erwerbung dieser Kenntnisse (z. B. als Vorbereitung einer Berufstätigkeit außerhalb des Bundesdienstes oder einer Nebenbeschäftigung) bietet das vorliegende Verfahren keine Anzeichen. Im gegebenen sachlichen Zusammenhang folgt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ein dienstliches Interesse auch aus dem Umstand, daß die Gerichtspraxis (Rechtspraktikantenzeit) gemäß § 12 Abs. 2 Z. 4 lit. b GG 1956 bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages voll zu berücksichtigen ist.

Im übrigen wird auf das vergleichbare Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1990, Zl. 89/12/0183, hingewiesen.

Da die belangte Behörde, wie vorher dargelegt worden ist, von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. März 1999

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