VwGH 95/12/0333

VwGH95/12/033324.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Roland Resch, Rechtsanwalt in Wien VI, Morizgasse 9/5, gegen den Bescheid der Rentenkommission der Bundeshauptstadt Wien vom 4. Oktober 1995, Zl. MA 2/123/89, betreffend Dienstunfall (Wegunfall), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §175 impl;
MeldeG 1991 §1;
UFG Wr 1967 §1;
UFG Wr 1967 §2 Z10;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1997:1995120333.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Facharbeiter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.

Am 7. April 1989 erlitt der Beschwerdeführer mit seinem Motorrad am Weg zu seiner Dienststelle bei der Kreuzung Gumpendorferstraße/Stiegengasse einen Verkehrsunfall.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 1989 sprach der Magistrat der Stadt Wien diesbezüglich wie folgt ab:

I.

 

"Der Magistrat der Stadt Wien stellt gemäß § 7 Abs. 6 des Unfallfürsorgegesetzes 1967 (UFG. 1967) fest, daß es sich bei dem von Ihnen am 07.04.1989 um ca. 6 Uhr dadurch erlittenen Unfall, daß Sie im Bereich der Kreuzung Wien 6., Stiegengasse / Gumpendorferstraße in einen Verkehrsunfall verwickelt waren, nicht um einen Dienstunfall im Sinne des § 2 Z. 10 UFG. 1967 gehandelt hat.

 

II.

 

Weiters wird festgestellt, daß Ihnen eine Versehrtenrente gem. § 6 UFG 1967 nicht gebührt. Ein Versehrtengeld gemäß § 16 UFG 1967 wird Ihnen nicht zuerkannt."

 

Zur Begründung wurde nach Wiedergabe der Rechtslage im wesentlichen weiter ausgeführt, zufolge der vom Beschwerdeführer unterfertigten Unfallanzeige vom 24. Mai 1989 sowie auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, daß der Beschwerdeführer am 7. April 1989 um ca. 6.00 Uhr "von einem Pkw-Lenker mit Ihrem Motorrad" gerammt worden sei. Nach der Unfallanzeige sei er zu diesem Zeitpunkt zu seiner Dienststelle, Wien I, Objekt Stadtpark, unterwegs gewesen, wobei er diesen Weg von der Anschrift Wien XV, Reichsapfelgasse 3, aus angetreten habe. Bei dem Ausgangspunkt des Weges habe es sich nach seiner Angabe um die Anschrift seiner Verlobten, nicht aber um seine ständige Wohnung gehandelt. Es sei daher davon auszugehen, daß bei seinem Aufenthalt in Wien XV weniger Wohnzwecke im Vordergrund gestanden seien, als die Absicht, seine Verlobte zu besuchen. Derartige Besuchsfahrten zur Braut, auch wenn sie

z. B. allwöchentlich vorgenommen würden, seien nicht vom Versicherungsschutz umfaßt (Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Wien vom 24. Juli 1958, Zl. 12 R 189/58).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen vorbrachte, daß er die Wohnung seiner Verlobten ständig, jedenfalls aber im gleichen Maße nütze, wie die Wohnung seiner Mutter in Wien XX, von der die Behörde ausgegangen sei.

Nach Durchführung eines eingehenden Ermittlungsverfahrens erging der angefochtene Bescheid, mit dem die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt wurde.

Zur Begründung wird zuerst der Sachverhalt, dann die erstinstanzliche Entscheidung, die Berufung und der § 2 Z. 10 UFG 1967 wiedergegeben und dann weiter ausgeführt, die Behörde erster Instanz sei in ihrem Bescheid davon ausgegangen, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Unfalles auf dem Weg von der Wohnung seiner Verlobten zu seiner Dienststelle befunden habe und diese Wohnung nicht die ständige Wohnung des Beschwerdeführers gewesen sei. Das auf Grund des Berufungsvorbringens durchgeführte Ermittlungsverfahren zur Klärung der Frage, ob die Wohnung in Wien XV zum Unfallszeitpunkt als ständiger Aufenthaltsort des Beschwerdeführers anzusehen sei, habe folgendes ergeben:

Der Beschwerdeführer habe der Dienstbehörde auf Grund seiner Meldepflicht gemäß § 35 Abs. 2 Z. 4 DO 1994 als Wohnsitz ausschließlich die Anschrift in Wien XX, Nordwestbahnstraße 93-95/2/1/3 (im folgenden Wien XX), gemeldet. Auf dem Aufnahmebogen des Unfallkrankenhauses Meidling über seine Aufnahme am 7. April 1989 sei ebenso wie auf der Verkehrsunfallanzeige die Anschrift in Wien XX angeführt. Im Schriftsatz des Beschwerdeführers an das Strafbezirksgericht Wien vom 17. Juli 1989 über die Vollmachtsvorlage und den Privatbeteiligtenanschluß sei ebenfalls die Anschrift Wien XX angegeben. Der erstinstanzliche Bescheid sei an diese Adresse gerichtet und nach Hinterlegung vom Beschwerdeführer beim Postamt 1200 übernommen worden. Eine Anfrage an das Zentralmeldeamt vom 12. Februar 1990 habe ergeben, daß der Beschwerdeführer seit 16. Februar 1984 ausschließlich an der Anschrift in Wien XX polizeilich gemeldet sei. Im Rahmen des Parteiengehörs sei der Beschwerdeführer in einem an die Anschrift in Wien XX gerichteten Schreiben eingeladen worden, in der Mag. Abt. 2 vorzusprechen. Dieses Schreiben sei vom Beschwerdeführer am 1. März 1990 an der Anschrift in Wien XX eigenhändig übernommen worden.

Bei seiner Einvernahme am 6. März 1990 habe der Beschwerdeführer angegeben, daß es sich bei der Wohnung in Wien XX um eine 100 m2 große Eigentumswohnung handle, welche seit etwa fünf Jahren seiner Mutter gehöre. Die Wohnung würde von seiner Mutter und deren Lebensgefährten bewohnt. Er habe diese Wohnung als seinen Hauptwohnsitz gemeldet, habe diese Wohnung jedoch seit 1 1/2 Jahren nicht mehr bewohnt und seither an der Anschrift in Wien XV bei seiner Freundin gelebt. Bei der Wohnung seiner Freundin handle es sich um einen Einzelraum mit Bad, WC, Dusche und Kochnische in der Größe von ca. 30 bis 35 m2, welche im Eigentum des Kuratoriums Wiener Jugendheime stehe. Der Beschwerdeführer besuche genauso wie seine Freundin ein Gymnasium für Berufstätige in Wien XV, Henriettenplatz. Die tägliche Schulzeit dauere von 17.50 bis 21.00 Uhr. Schon aus diesem Grund komme ihm der Wohnsitz an der Anschrift in Wien XV entgegen. Seine Wäsche verwahre er in der Wohnung seiner Freundin, bringe sie aber seiner Mutter an der Anschrift in Wien XX zum Waschen. Die Wohnung in Wien XV sei mit Einrichtungsgegenständen ausgestattet, welche überwiegend dem genannten Kuratorium gehörten. Seine Freundin und er besäßen einige wenige gemeinsame Einrichtungsgegenstände, wie z. B. einen Fernsehapparat. Geschirr und Bettwäsche befänden sich teils in seinem, teils im Eigentum seiner Freundin.

Der am 7. März 1990 als Zeuge vernommene Heimleiter des Jugendwohnheimes in Wien XV habe ausgesagt, daß ihm nicht bekannt sei, daß bei der Freundin des Beschwerdeführers auf top Nr. 109 der Beschwerdeführer gewohnt habe. Dies würde auch gegen die Heimordnung verstoßen. Es sei aber möglich, daß der Beschwerdeführer hin und wieder zu Besuch gekommen sei. Ihm persönlich sei dies aber nicht bekannt, er höre den Namen des Beschwerdeführers zum ersten Mal. Es gäbe keinen fixen Portier und das Heimtelefon würde von einem größeren Kundenkreis von etwa 10 bis 15 Personen betreut. Auch im Sekretariat des Heimes sei der Beschwerdeführer nicht bekannt.

Die am 8. März 1990 als Zeugin einvernommene Hausbesorgerin des Wohnhauses in Wien XX habe angegeben, daß der Beschwerdeführer ihrer Meinung nach an der Anschrift in Wien XX wohnhaft sei, weil sie ihn des öfteren bei verschiedenen Gelegenheiten im Haus wahrgenommen habe. Sie habe ihn jedoch nie mit Gepäck - beispielsweise mit Wäschesäcken - gesehen.

Die Freundin des Beschwerdeführers habe bei ihrer Einvernahme am 30. März 1990 angegeben, daß der Beschwerdeführer in der Nacht vom 6. auf den 7. April 1989 bei ihr übernachtet habe. Am Unfalltage habe er sie mit seinem Motorrad zuerst bei ihrer Arbeitsstätte, der Firma Billa in Wien XV, Ecke Rustengasse/Mariahilferstraße, abgesetzt und sei dann anschließend zu seiner Dienststelle weitergefahren. Sie selbst habe über die Wohnung an der Anschrift in Wien XV einen Bestandvertrag mit dem Kuratorium Wiener Jugendheime abgeschlossen. Ein solcher Vertrag zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kuratorium bestehe jedoch nicht. Ihre Wohnung bestehe aus einem Wohnschlafraum, einem Duschraum, einem WC und einer Kombination Vorraum/Kochnische. Diese Wohnung sei bereits mit einem Bett, einem Kasten, einem Schreibtisch und einem Bücherregal eingerichtet zur Verfügung gestellt worden. Der Beschwerdeführer und seine Freundin besäßen gemeinsam einen Fernsehapparat und ein Miniaturbackrohr. Der Beschwerdeführer habe die Wäsche, die er bei ihr verwahre, nach Hause zu seiner Mutter zum Waschen gebracht, weil in ihrer Wohnung keine Gelegenheit zum Wäschewaschen vorhanden sei. Sie glaube, daß es auf Grund des Bestandvertrages verboten sei, einen Freund bei sich wohnen zu lassen. Weiters habe sie angegeben, daß der Beschwerdeführer, mit dem sie gemeinsam eine Abendschule besuche, nach der Schule fast immer bei ihr schlafe, an den Wochenenden aber nie. Der Beschwerdeführer verfüge in Wien XX in der Wohnung seiner Mutter über ein eigenes vollmöbliertes Zimmer.

Die Mutter des Beschwerdeführers habe bei ihrer Einvernahme am 14. Jänner 1991 als Zeugin angegeben, daß sie die Angaben ihres Sohnes voll bestätigen könne. Zur Zeugenaussage der Hausbesorgerin habe sie gemeint, daß diese ihren Sohn nicht kenne und ihn vermutlich mit ihrem Lebensgefährten verwechsle. Weiters habe sie angegeben, daß ihr Sohn in ihrer Wohnung in Wien XX über ein eingerichtetes Kabinett in der Größe von ca. 11 m2 verfüge.

Der als Zeuge vernommene Ehegatte der Hausbesorgerin habe am 21. Jänner 1991 unter Angabe einer Personenbeschreibung ausgesagt, daß seine Gattin den Beschwerdeführer sehr wohl kenne und ihn mit niemandem verwechsle.

In einer weiteren Zeugenaussage am 8. Mai 1991 habe die Hausbesorgerin ihre früheren Angaben vollinhaltlich aufrecht erhalten und durch eine Personenbeschreibung ergänzt.

Ein vom Beschwerdeführer namentlich genannter namhaft gemachter Zeuge habe bei seiner Einvernahme am 22. März 1991 ausgesagt, daß er einige Zeit lang in der Maturaschule dieselbe Klasse wie der Beschwerdeführer besucht habe, selbst jedoch nie in dem genannten Heim in Wien XV gewohnt habe. Anläßlich seiner etwa 30 Besuche in der Zeit vom Beginn des Jahres 1989 bis ca. Mitte 1990 habe er aber die Wohnung in Wien XV kennengelernt. Es handle sich um ein ca. 20 m2 großes Objekt, welches aus einem Zimmer mit integriertem Bad und integrierter Küche und einer Schlafgelegenheit (ausklappbares Sofa) bestehe. Der Beschwerdeführer habe dort gewohnt und über die nötigen persönlichen Utensilien verfügt.

Ein weiterer vom Beschwerdeführer namhaft gemachter Zeuge habe bei seiner Einvernahme am 23. März 1995 hiezu angegeben, daß er als Betreuer im Jugendheim an der Anschrift in Wien XV tätig sei und sich nur mehr undeutlich an die Freundin des Beschwerdeführers erinnere. Sie habe damals einen Freund gehabt, wobei es sich dabei um den Beschwerdeführer gehandelt haben dürfte. Er wisse, daß dieser einige Male zu Besuch gewesen sei, könne aber nicht bestätigen, daß der Beschwerdeführer im Jugendheim gewohnt habe. Weiters weise er darauf hin, daß dem Beschwerdeführer das Wohnen im gegenständlichen Jugendheim untersagt gewesen sei.

Der Lebensgefährte der Mutter des Beschwerdeführers habe bei seiner Einvernahme am 8. Mai 1995 angegeben, daß er zum Unfallszeitpunkt in Tirol gearbeitet habe und nur zirka alle neun bis zehn Tage nach Wien gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe damals eine griechische Freundin gehabt, welche in einem Jugendwohnheim gewohnt habe. Der Beschwerdeführer habe die meiste Zeit bei seiner Freundin verbracht und habe sich damals auf die Matura - so wie seine Freundin - vorbereitet. Der Beschwerdeführer und seine Freundin hätten im Jugendheim gemeinsam gelernt und dort auch die meisten Nächte verbracht. Er habe auch die meisten Habseligkeiten, wie Computer, Lernsachen, Sommer- und Winterbekleidung, dort untergebracht gehabt. Der Beschwerdeführer sei nur hin und wieder mit der schmutzigen Wäsche zu seiner Mutter gekommen oder wenn er zum Essen eingeladen worden sei. Der Zeuge habe weiters angegeben, daß er mit dem Beschwerdeführer nur selten zusammengetroffen sei, weil sowohl er selbst als auch der Beschwerdeführer nur selten in der Wohnung in Wien XX anwesend gewesen seien. Der Beschwerdeführer sei im Jugendheim nicht angemeldet gewesen, weil sein Verbleib dort nicht erlaubt gewesen sei. Sein Aufenthalt sei aber vom Verwalter geduldet worden. Der Beschwerdeführer habe seine griechische Freundin schon ein halbes bzw. ein dreiviertel Jahr vor dem Unfallszeitpunkt kennengelernt und auch seit dieser Zeit bei ihr gewohnt.

Sämtliche Erhebungen und Zeugenaussagen seien dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden.

Der Beschwerdeführer habe lediglich zur Zeugenaussage des von ihm namhaft gemachten Betreuers vorgebracht, daß der Zeuge wegen des langen Zeitraumes seit dem gegenständlichen Unfall nicht mehr in der Lage gewesen sei, präzise Angaben zu machen. Überdies seien wichtige Fragen, wie z.B. Anwesenheit, Beobachtungsmöglichkeiten, Besuchskontrollen udgl., nicht angeschnitten worden. Überdies sei die Frage, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Jugendheim erlaubt gewesen sei, für die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ohne Bedeutung. Zu den anderen Ermittlungsergebnissen habe der Beschwerdeführer keine Stellungnahme abgegeben.

Die belangte Behörde führt dann in der Begründung des angefochtenen Bescheides dazu rechtlich folgendes aus:

Aus den maßgebenden Bestimmungen lasse sich ableiten, daß der jeweilige End- bzw. Ausgangspunkt einer Fahrt vom bzw. zum Betrieb (Dienststelle) den Anforderungen eines ständigen Aufenthaltes genügen müsse. Als solcher Ort sei jeder Ort zu bezeichnen, der (noch) als ein Mittelpunkt der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers angesehen werden könne, weil er durch kürzere oder längere Zeit hindurch, dem Zusammenleben der Familie, der Wirtschaftsgründung (sprich: Essen, Schlafen, Reinigung und Instandhaltung der Kleidung, Aufbewahrung der persönlichen Habe) sowie der Besorgung sonstiger, in der Wohnung erforderlicher Haushaltsverrichtungen diene. Als weitere Indizien kämen, neben Art und Ausstattung der Wohnräume, regelmäßige und häufige Fahrten vom Ort der Tätigkeit zu dieser Heimstatt ebenso in Betracht wie der Umstand, daß dort zumindest ein Teil der für den Versicherten wesentlichen, persönlichen und/oder wirtschaftlichen Entscheidungen getroffen werde. Mitbestimmend für die Frage, wo jemand seinen Lebensmittelpunkt habe, seien aber wohl auch dort bestehende persönliche Beziehungen und soziale Kontakte zu Verwandten, Freunden oder Bekannten. Die Qualität dieser Merkmale mache deutlich, daß der Begriff "ständiger Aufenthaltsort" nicht fest umschrieben werden könne, sondern vielmehr als Typusbegriff anzusehen sei. Mit anderen Worten: Um eine Behausung als Lebensmittelpunkt qualifizieren zu können, müßten nicht notwendigerweise alle in Betracht kommenden Kennzeichen desselben vorliegen. Es entsprächen diesem Terminus durchaus auch Sachverhalte, "bei denen das eine oder andere Merkmal fehlt, das eine oder andere Merkmal nur geringfügig ausgeprägt ist, andere wieder in besonders prägnanter Weise zum Ausdruck kommen". So sei beispielsweise der Versicherte nicht gezwungen, ausnahmslos alle Wohnfunktionen an ein und demselben Ort wahrzunehmen, um solcherart einen ständigen Aufenthalt zu begründen. Ebensowenig müsse er tagtäglich an ein und denselben Platz zurückkehren, um zu bewirken, daß der Weg von dort oder dorthin unter Versicherungsschutz stehe. Umgekehrt reiche es jedoch nicht aus, wenn er sich nur "ab und zu" an einem Ort befinde, etwa um daselbst zu nächtigen. Der Begriff "Wohnung" sei nach tatsächlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, wobei der Ort als Wohnung angesehen werden müsse, an dem ein Versicherter überwiegend verköstigt werde, schlafe, seine Wäsche und Kleidung verwahre, reinigen und instandhalten lasse. Lediglich dann, wenn der Versicherte durch objektive Umstände an der Benutzung seiner Wohnung verhindert sei, würden auch die Wege zwischen seiner Arbeitsstätte und seinem Ausweichquartier geschützt. Wenn daher ein Versicherter bloß ab und zu bei seiner Freundin nächtige, ohne dort eine Wohnung im vorstehenden Sinn zu haben, dann sei die Fahrt von diesem Ort zum Betrieb dem eigenwirtschaftlichen und nicht dem von der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten Bereich zuzurechnen (Hinweis auf ein Urteil des OLG Wien vom 22. Juli 1981, SVSlg. XVII, 27.194).

Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, daß diese Erwägungen auch auf das Unfallfürsorgegesetz 1967 zutreffen.

Die Beweiswürdigung habe - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - letztlich folgendes ergeben:

Nach Würdigung der vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer sowohl an der Anschrift in Wien XX als auch an der Anschrift in Wien XV eine gewisse Zeit seines Lebens verbracht und dort jeweils bestimmten, für die Beantwortung der gegenständlichen Rechtsfrage relevanten Lebensbetätigungen nachgegangen sei. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen gewesen, daß der Beschwerdeführer an der Anschrift in Wien XV wiederholt genächtigt und die mit einer Nächtigung üblicherweise verbundenen Lebensverrichtungen versehen habe. Keinesfalls könne jedoch das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er bereits eineinhalb Jahre vor dem Unfallszeitpunkt ausschließlich an der Anschrift in Wien XV gelebt habe, auf Grund der Aussagen seiner Freundin, des Heimleiters und des Betreuers als wahr angenommen werden. Es sei unwahrscheinlich, daß jemand, der angeblich regelmäßig bis zu fünf Nächte je Woche in einem Heim zubringe, einem Heimleiter über längere Zeit vollkommen unbekannt bleibe. Die Freundin des Beschwerdeführers habe als Zeugin unter Wahrheitspflicht lediglich angegeben, daß der Beschwerdeführer an den Wochenenden nie, an anderen Tagen fast immer bei ihr genächtigt habe. Einen ständigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Wien XV habe sie aber nicht bestätigen können. Die beiden Zeugen hätten somit das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht nur nicht bestätigt, sondern es müsse vielmehr aus der Aussage der Freundin des Beschwerdeführers, wonach dieser nicht ständig, sondern lediglich tage- bzw. nächteweise bei ihr zugebracht habe, der Schluß gezogen werden, daß die Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig seien. Für diese Würdigung spreche vor allem, daß es der Beschwerdeführer unterlassen habe, sich an der Anschrift in Wien XV polizeilich zu melden, der Dienstbehörde die Adresse in Wien XV mitzuteilen, im Unfallkrankenhaus die als Wohnsitz in Wien XX angegebene Adresse zu korrigieren und in einem Schriftsatz an das Strafbezirksgericht Wien die Anschrift in Wien XV anzuführen. Es sei unschlüssig, daß eine Person eine Adresse mehrmals und einen längeren Zeitraum hindurch verschweige bzw. eine Adresse angebe, an der sie nicht erreichbar wäre. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, daß im erstinstanzlichen Verfahren die postalische Erreichbarkeit des Beschwerdeführers an der Anschrift in Wien XX gewährleistet gewesen sei. Es sei daraus der Schluß zu ziehen, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in Wien XV gelebt, eine nachträgliche Schutzbehauptung darstelle, um einen Anspruch nach dem UFG 1967 zu begründen.

In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich die belangte Behörde mit den weiteren Zeugenaussagen auseinander und gelangt dann zur zusammenfassenden Feststellung, daß der Beschwerdeführer an der Anschrift in Wien XV wohl wiederholt, so wie auch in der Nacht vor dem Unfall, genächtigt habe, daß seine Lebensbetätigungen aber dort insgesamt gesehen zeitlich und sachlich nur einen zu kleinen Anteil an der Summe aller von einem Menschen üblicherweise ausgehenden Lebensverrichtungen darstellten, um diese Anschrift noch als Mittelpunkt der Lebensführung des Beschwerdeführers im Sinne des UFG 1967 ansehen zu können. Auf Grund der vorstehenden Erwägungen sei vielmehr davon auszugehen, daß die Anschrift des Beschwerdeführers in Wien XV nicht sein ständiger Aufenthaltsort gewesen sei und somit der Weg von Wien XV nach Wien I, Objekt Stadtpark, nicht vom "Versicherungsschutz" umfaßt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuerkennung einer Versehrtenrente gemäß § 6 UFG 1967 sowie eines Versehrtengeldes gemäß § 16 UFG 1967 verletzt, weil die belangte Behörde das Vorliegen eines Dienstunfalles nach § 2 Z. 10 UFG 1967 verneinte.

Als Begründung bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe auf Grund des Beweisverfahrens vermeint, daß er in Wien XV wohl wiederholt, so auch in der Nacht vor dem Unfall, genächtigt habe, daß seine Lebensbetätigungen dort aber insgesamt gesehen zeitlich und sachlich nur einen kleinen Anteil an der Summe aller von einem Menschen üblicherweise ausgehenden Lebensverrichtungen dargestellt hätten und diese Anschrift auch nicht als Mittelpunkt der privaten Lebensführung im Sinne des UFG 1967 angesehen werden könne. Diese Ansicht habe die belangte Behörde insbesondere darauf gestützt, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, in Wien XV gelebt zu haben, eine Schutzbehauptung sei. Vor allem im Hinblick darauf, daß er an der Adresse in Wien XV nicht polizeilich gemeldet gewesen sei, werde offenbar daraus der Schluß abgeleitet, er hätte dort nicht gewohnt. Wenn weiters die Aussagen der Freundin des Beschwerdeführers, des Heimleiters und des Betreuers zur Begründung der Ablehnung herangezogen würden, so seien diese Aussagen entweder falsch interpretiert oder unrichtig gewürdigt worden. Zutreffend sei, daß der Heimleiter und der Betreuer die Angaben des Beschwerdeführers nicht bestätigt hätten. Der Betreuer sei aber sechs Jahre () nach dem Vorfall befragt worden und habe erwartungsgemäß keine zweckdienlichen Angaben machen können. Der Heimleiter habe lediglich attestiert, daß ihm nicht bekannt gewesen sei, daß der Beschwerdeführer bei seiner Freundin gewohnt habe. Die Tatsache des Nichtwissens der beiden Zeugen stelle aber jedenfalls keinen Beweis für diesen Umstand dar. Die aus der Aussage der Freundin des Beschwerdeführers von der belangten Behörde abgeleitete Feststellung, daß der Beschwerdeführer nicht ständig, sondern lediglich tage- bzw. nächteweise bei ihr übernachtet habe, sei in jeder Hinsicht unrichtig. Gerade diese Zeugin habe nämlich eindeutig bestätigt, daß sie den Beschwerdeführer bei ihr wohnen ließ. Von einem lediglich tage- bzw. nächteweisen Übernachten könne keine Rede sein. Lediglich die vom Beschwerdeführer in der Wohnung im 15. Bezirk verwahrte Wäsche sei - da keine Gelegenheit zum Waschen gegeben war - nach den Angaben dieser Zeugin zur Mutter des Beschwerdeführers zum Waschen gegeben worden. Außer der Freundin des Beschwerdeführers hätten die sonstigen anderen Zeugen unmißverständlich den Standpunkt des Beschwerdeführers, die Wohnung in Wien XV sei zum Unfallszeitpunkt der Mittelpunkt der privaten Lebensführung des Beschwerdeführers gewesen, bestätigt.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Unfall des Beschwerdeführers am 7. April 1989 am Weg zu seiner Arbeitsstätte als Dienstunfall im Sinne des § 2 Z. 10 UFG 1967 zu werten ist oder nicht.

Die für den Beschwerdefall maßgebende Regelung des § 2 "Begriffsbestimmungen" der Z. 10 des Unfallfürsorgegesetzes 1967, LGBl. Nr. 8/1969, lautet wie folgt:

 

"10. D i e n s t u n f a l l : ein Unfall, der sich ereignet

  1. a) im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis;
  2. b) auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg zum oder vom Ort der Dienstverrichtung;
  3. c) auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg von oder nach dem ständigen Aufenthaltsort, wenn der Beamte wegen der Entfernung seines ständigen Aufenthaltsortes vom Ort der Dienstverrichtung an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat; ..."

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15. April 1985, Zl. 84/12/0151, zu dieser Regelung des UFG 1967 zum Ausdruck gebracht, daß sie im wesentlichen dem § 175 ASVG entspricht und damit die Rechtsprechung und Lehre zum Begriffsumfang des Arbeitsunfalles auch auf den Dienstunfall im Sinne des UFG 1967 anzuwenden ist.

Zum Unfallversicherungsschutz am Arbeitsweg führt Tomandl in seinem System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes unter Tz. 2.3.2 aus:

 

"Versichert nach § 175 Abs. 2 Z. 1 ASVG sind Unfälle auf Wegen "zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte", sofern sie mit der Erwerbstätigkeit zusammenhängen. Grund dieses Schutzes ist der Umstand, daß es der Versicherte nicht vermeiden kann, sich den Weggefahren auszusetzen, will er seiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Begriff "Weg" ist nicht als Wegstrecke zu verstehen, sondern als Tätigkeitsbegriff: als Fortbewegung auf ein bestimmtes Ziel. Unter Umständen können auch vorbereitende Tätigkeiten geschützt sein, wenn sie nämlich zur Durchführung des Weges erforderlich sind und nicht vorhergesehen werden.

Der eine Endpunkt des geschützten Weges ist die Arbeits(Ausbildungs)stätte, der andere wird im Gesetz nicht erwähnt. In der Regel wird er die ständige Wohnung des Versicherten sein, wobei die Grenze grundsätzlich an der Außenfront des Wohnhauses verläuft. Als Ausgangspunkt des Weges zur Arbeit kommt auch jeder beliebige Ort in Betracht, wenn der Versicherte außerplanmäßig zur Arbeit gerufen wird. Für Unfälle innerhalb der Wohnung haftet die Unfallversicherung nicht, unter Umständen aber für Unfälle innerhalb des Hauses, wenn sich in diesem sowohl die Wohnung als auch die Arbeitsstätte befindet.

Verfügt der Versicherte über mehrere Wohnstätten oder nimmt er die verschiedenen Wohnungsfunktionen (Schlafen, Essen, Wohnen ect.) an unterschiedlichen Orten in Anspruch, treten in der Judikatur Unsicherheiten auf. Zu Unrecht nahm das OLG Wien an, die Textstelle in § 175 Abs. 2 Z. 1 ASVG, wonach der Weg zum ständigen Aufenthaltsort geschützt bleibt, wenn der Versicherte wegen der Entfernung dieses ständigen Aufenthaltsortes von der Arbeitsstätte auf dieser oder in deren Nähe eine weitere Unterkunft habe, weise auf die gesetzgeberische Absicht zur Einengung des Schutzes des Arbeitsweges hin, weshalb in den übrigen Fällen geteilter Wohnungsfunktionen grundsätzlich nur der Weg zu einem Wohnort geschützt sei. Tatsächlich wollte der Gesetzgeber damals nur eine Klarstellung vornehmen.

Die österreichische Rechtsprechung hat in einigen Fällen dislozierter Wohnungsfunktionen zu Recht den Versicherungsschutz bejaht, so etwa bei der ständigen Zweitwohnung oder bei einem Ausweichquartier wegen vorübergehender Unbenützbarkeit der Wohnung. ...

Der Schutz der Unfallversicherung greift nur ein, wenn der Weg angetreten wird, um entweder die versicherte Tätigkeit auszuüben oder eine Wohnungsfunktion in Anspruch zu nehmen."

 

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 30. März 1993, 10 Ob S 60/93, sehr eingehend mit der in Frage stehenden Problematik auseinandergesetzt und führt in seiner rechtlichen Wertung (vgl. SSV 1993, Nr. 36, S. 161) u.a. aus:

 

"Im Sinne der in SSV-NF 6/144 dargestellten österreichischen Lehre und Rechtsprechung müssen allerdings objektive Gründe vorliegen, die den Versicherten veranlassen, seine Wohnfunktionen an einem anderen Ort als der "ständigen" Wohnung auszuüben."

 

Auch wenn die in diesem Fall seinerzeit vom OGH getroffene Entscheidung ihre Hauptbegründung in dem wesentlich längeren Arbeitsweg und unter ungewöhnlichen Verhältnissen (kein Firmenbus am Samstag) gefunden hatte, so zeigt doch auch dieser Beschluß, daß der Schutz für den Weg zur Arbeitsstätte nicht bloß dann gegeben ist, wenn er immer gleichmäßig von einem bestimmten Punkt, nämlich der ständigen Wohnung aus, angetreten wird.

Mehrfach hat der OGH in diesem Zusammenhang auch zum Ausdruck gebracht, daß die ständige Wohnung des Versicherten nur dann dessen ständiger Aufenthalt ist, wenn sich der Versicherte dort tatsächlich ständig aufhält (SSV-NF 38/1988, 98/1995).

Im vorliegenden Beschwerdefall ging die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides rechtlich gesehen unter Heranziehung der Judikatur zum § 175 Abs. 2 Z. 1 ASVG primär nicht von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Insbesondere das von der belangten Behörde zitierte Urteil des OLG Wien vom 22. Juli 1981, SVSlg. XVII, 27.194, erscheint für den Beschwerdefall von nicht unwesentlicher Bedeutung. In diesem wurde der Anspruch des Versicherten deshalb verneint, weil der Versicherte bloß ab und zu bei seiner Freundin nächtigte, ohne dort eine Wohnung zu haben. Als für die Wohnungsfunktion maßgebend wurde bezeichnet, daß der Versicherte dort überwiegend verköstigt wird, schläft, seine Wäsche und Kleidung verwahrt, reinigen und instandhalten läßt.

Vor dem Hintergrund dieser rechtssystematisch bestimmten Ausgangslage zeigen aber die unter der Überschrift "Die Beweiswürdigung ergibt letztlich folgendes:" angestellten Überlegungen der belangten Behörde, daß sie tatsächlich von einer zu engen Betrachtung der Frage des Dienstunfalles, insbesondere in bezug auf den Ausgangspunkt des Weges zur Arbeitsstelle, ausgegangen ist. Die belangte Behörde bezeichnet nämlich primär die Angabe des Beschwerdeführers, er habe bereits 1 1/2 Jahre vor dem Unfallszeitpunkt ausschließlich in Wien XV gelebt, im Hinblick auf die Aussage seiner Freundin, des Heimleiters und des Betreuers als unwahrscheinlich. Die diesbezügliche Aussage der Freundin des Beschwerdeführers lautet aber nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens (vgl. die Niederschrift vom 30. März 1990) nach Darlegungen zum Unfall und zur "Wohnung" in Wien XV wie folgt:

 

"Im gemeinsamen Besitz von mir und Herrn Kropf befindet sich der Fernsehapparat und ein Miniaturbackrohr. Herr Kropf hat die Wäsche, die er bei mir verwahrte, nach Hause zu seiner Mutter zum Waschen gebracht, weil in meiner Wohnung keine Gelegenheit zum Wäschewaschen vorhanden ist.

Ich glaube, daß der Bestandsvertrag den ich unterfertigte, verbietet, daß ich einen Freund bei mir wohnen lasse, mir wurde seitens des Kuratoriums Wr. Jugendheime erklärt, daß in dem Stockwerk, welches ich bewohne, nicht so strenge Richtlinien herrschen, wie in den Stockwerken, wo Jugendliche einquartiert sind. Ich ließ daher Herrn Kropf bei mir wohnen. Wenn es mein Dienst erlaubte, trafen wir uns manchmal schon vor Schulbeginn (je nach Wetterlage in meiner Wohnung oder irgendwo auswärts). Je nach meinem Dienst (wenn ich erst spät aus hatte) kam es auch vor, daß Herr Kropf zuerst seine Mutter aufsuchte und wir uns dann in der Schule trafen.

Nach der Schule schlief er fast immer bei mir. An den Wochenenden wohnte ich gemeinsam mit ihm meist bei seiner Mutter, manchmal fuhr er mit seiner Mutter ohne meine Begleitung ins Burgenland, wo Frau Kropf ein Haus besitzt, manchmal fuhr ich auch mit ihm aufs Land, in meiner Wohnung im

  1. 15. Bezirk wohnte er an Wochenenden eigentlich nie. Im
  2. 20. Bezirk verfügt Herr Kropf über ein eigenes Zimmer, welches

    voll möbliert ist."

 

Aus dieser Aussage der Freundin des Beschwerdeführers den Schluß zu ziehen, der Beschwerdeführer habe nur "tage- bzw. nächteweise bei ihr übernachtet", grenzt an Aktenwidrigkeit. Was die Bestätigung dieser Annahme der belangten Behörde durch die beiden anderen Zeugen (Heimleiter und Betreuer) betrifft, bezieht die belangte Behörde in ihre Würdigung weder mit ein, daß ein solcher regelmäßiger Aufenthalt des Beschwerdeführers offenbar untersagt war, noch welche Möglichkeiten die Zeugen zur Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse hatten. Die Angaben der Freundin des Beschwerdeführers in Verbindung mit den sonstigen Einvernahmen sind vielmehr dahingehend zu deuten, daß der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Wohnung seiner Freundin in Wien XV hatte. Hielt sich der Beschwerdeführer doch während der Woche nach übereinstimmenden Angaben nahezu regelmäßig dort auf und bewahrte dort auch seine persönlichen Gegenstände auf. Die Angabe, daß der Beschwerdeführer und seine Freundin die Wochenende meist gemeinsam bei der Mutter des Beschwerdeführers verbracht hätten, kann an dieser Wertung der Wohnung in Wien XV als ständiger Aufenthaltsort wohl nichts ändern.

Die polizeiliche Meldung sagt nach der Rechtsprechung über den "wahren Wohnort" nichts Entscheidendes aus (vgl. SS 1959, S. 95). Der Umstand, daß der Beschwerdeführer die Anschrift in Wien XV weder polizeilich noch seiner Dienstbehörde oder im Unfallkrankenhaus oder sonst im behördlichen Verfahren angegeben hat, mag in der konkreten Sachlage, insbesondere in der von der Freundin des Beschwerdeführers aufgezeigten und vom Heimleiter bestätigten Problematik der Unzulässigkeit einer Wohnsitznahme durch den Beschwerdeführer in Wien XV begründet sein. Daraus den Schluß zu ziehen, es habe sich bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in Wien XV gelebt, nur um eine nachträgliche Schutzbehauptung gehandelt, entbehrt vor dem Hintergrund der vorstehenden Überlegungen der notwendigen Schlüssigkeit. Auch die Auseinandersetzung mit den weiteren Zeugenaussagen kann - soweit sie überhaupt für den Verfahrensgegenstand Entscheidendes betreffen - die von der belangten Behörde letztendlich getroffene Feststellung, der Weg von Wien XV zur Dienststelle des Beschwerdeführers in Wien I sei vom UFG-Schutz nicht erfaßt, sachverhaltsmäßig nicht zu stützen. Bei schlüssiger Würdigung der von der belangten Behörde eingeholten Beweise hätte sie vielmehr zur Feststellung kommen müssen, daß der überwiegende Teil der Lebensbetätigungen des Beschwerdeführers, und zwar zeitlich und sachlich, in Verbindung mit dem Aufenthalt in Wien XV bei seiner Freundin gesetzt wurde. Keinesfalls kann sachverhaltsmäßig als erwiesen angenommen werden, daß sich der Beschwerdeführer in Wien XV bloß gelegentlich aufgehalten habe. Im übrigen wäre auch die Problematik einer "ständigen Zweitwohnung", die nicht zum Ausschluß des Schutzes beim Dienstweg führn muß (siehe die vorstehenden allgemeinen Ausführungen bei Tomandl mit Judikaturangabe), mit in die Beurteilung der belangten Behörde einzubeziehen gewesen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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