VwGH 95/11/0117

VwGH95/11/011726.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des D in L, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Februar 1995, Zl. VerkR-391.689/1-1995/Vie, betreffend Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
KFG 1967 §64 Abs6;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In einer bei der Bundespolizeidirektion Linz am 1. Juni 1994 eingelagten Eingabe stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm aufgrund seiner rumänischen Lenkerberechtigung eine österreichische Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B zu erteilen. In einer beigelegten Erklärung gab er an, mit zwei näher bezeichneten, für seine Ehefrau zugelassenen Kraftfahrzeugen im Jahr vor der Antragstellung ca. 50.000 km zurückgelegt zu haben ("Fahrten nach Budapest, Szeged, Temesvar"). Die als Zeugin namhaft gemachte Ehefrau des Beschwerdeführers bestätigte bei ihrer Vernehmung vom 11. August 1994 vor der Erstbehörde, daß der Beschwerdeführer in den Monaten Juni, August, Oktober, November und Dezember 1993 sowie Jänner, Februar, April, Mai, Juli und August 1994 im Ausland (Rumänien, Ungarn) mit auf sie zugelassenen Kraftfahrzeugen gefahren sei und dabei insgesamt ca. 42.000 km zurückgelegt habe.

Mit Eingabe vom 5. Oktober 1994 legte der Beschwerdeführer der Erstbehörde eine "Eidesstattliche Erklärung" (ohne Datum) seines Sohnes vor, in der dieser bestätigte, daß der Beschwerdeführer in der Zeit von Juni 1993 "bis heute" monatlich ein- bis dreimal im Ausland (Rumänien, Ungarn, Tschechien) einen näher bezeichneten Pkw gelenkt habe. Er sei mindestens zehnmal in Rumänien (Temesvar) gewesen. Unter einem legte der Beschwerdeführer Kopien seines Reisepasses mit zahlreichen Grenzkontrollstempeln vor und bemerkte dazu, daß nicht bei jedem Grenzübertritt ein entsprechender Vermerk in den Reisepaß eingetragen worden sei.

Der in der Folge als Zeuge vernommene Sohn des Beschwerdeführers gab vor der Erstbehörde am 27. Oktober 1994 an, er könne zwar keine genauen Zeitpunkte angeben, doch sei sein Vater im Jahr vor der Antragstellung jeden Monat ein bis dreimal ins Ausland (Rumänien, Ungarn, Tschechien) gefahren; dabei habe er regelmäßig Pkw"s der Mutter (des Zeugen) gelenkt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 ist Besitzern einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung auf Antrag insoweit ohne Ermittlungsverfahren eine Lenkerberechtigung mit dem gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, als auf Grund der Vorschriften des Staates, in dem die ausländische Lenkerberechtigung erteilt wurde, bei der Erteilung einer Lenkerberechtigung auf Grund einer österreichischen Lenkerberechtigung von der Feststellung der im Abs. 2 angeführten Voraussetzungen abzusehen ist. Diesem Antrag darf nur stattgegeben werden, wenn der Antragsteller seit länger als 6 Monaten seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat und glaubhaft macht, daß er auf Grund der im Ausland erteilten Lenkerberechtigung seit mindestens einem Jahr Kraftfahrzeuge der Gruppe gelenkt hat, für die die Lenkerberechtigung erteilt wurde, und wenn bei ihm keine Bedenken hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit (§ 66), der geistigen und körperlichen Eignung und der fachlichen Befähigung bestehen. Das Erfordernis der glaubhaft zu machenden Fahrpraxis entfällt bei Antragstellern, deren Lenkerberechtigung in einem der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erteilt worden ist.

Die belangte Behörde ging - unbestritten - davon aus, daß der Beschwerdeführer seit 1990 seinen ordentlichen Wohnsitz (nunmehr Hauptwohnsitz) in Österreich habe. In dem für die Entscheidung maßgeblichen Jahr vor der Antragstellung habe er in Österreich Kraftfahrzeuge erlaubter Weise nicht mehr lenken können; eine allfällige inländische Fahrpraxis sei daher nicht anrechenbar. Eine ausreichende ausländische Fahrpraxis in diesem Jahr sei nicht erwiesen. Im angefochtenen Bescheid heißt es dazu, die belangte Behörde sei "unter Zugrundelegung der vorliegenden widersprüchlichen Zeugenaussagen einerseits und der vorliegenden Stempelvermerke im Reisepaß (des Beschwerdeführers) andererseits" zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer nicht über die erforderliche, im Ausland absolvierte Fahrpraxis verfüge. Weitere Nachweise habe er nicht vorgelegt.

Diese Begründung vermag einer nachprüfenden Kontrolle nicht standzuhalten.

Aus ihr ist zunächst nicht hinreichend klar zu entnehmen, ob die belangte Behörde den Nachweis einer ausreichenden ausländischen Fahrpraxis als nicht erbracht angesehen hat, weil sie die (das Vorbringen im Antrag im wesentlichen bestätigenden) Angaben der Zeugen schlechthin als unglaubwürdig erachtet hat, oder aber weil sie ihnen nur zum Teil Glauben geschenkt und damit ein Lenken von Kraftfahrzeugen durch den Beschwerdeführer im Ausland in einem wesentlich geringeren (insgesamt nicht ausreichenden) Ausmaß als behauptet angesehen hat, und - sollte letzteres zutreffen - von welchem als erwiesen angenommenen Ausmaß des Lenkens im Ausland sie diesfalls ausgegangen ist.

Sollte die Begründung als gänzliche Verneinung der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu verstehen sein, vermag die dafür gegebene Begründung ("widersprüchliche Zeugenaussagen") nicht zu überzeugen. Die - vorhin wiedergegebenen - Zeugenaussagen decken sich zwar nicht voll, sie widersprechen aber einander offenkundig nicht in wesentlichen Punkten. Davon abgesehen würde selbst der eine oder andere Widerspruch nicht ohne weiteres dazu berechtigen, allein deshalb die Aussagen beider Zeugen zur Gänze als unglaubwürdig abzutun. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß Zeugen über - wie hier - zum Teil bereits länger zurückliegende Vorfälle unterschiedliche Angaben machen.

Ohne nähere Ausführungen ist weiters nicht nachvollziehbar, welche Erwägungen die belangte Behörde dazu bewogen haben, "unter Zugrundelegung der vorliegenden Stempelvermerke im Reisepaß" des Beschwerdeführers eine ausreichende ausländische Fahrpraxis zu verneinen. Die zahlreichen Grenzkontrollvermerke im Reisepaß sind ein Indiz für die Richtigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Fahrpraxis im Ausland in der relevanten Zeit (vgl. das einen ähnlich gelagerten, von der belangten Behörde entschiedenen Fall betreffende hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 94/11/0348).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zum einen geltend gemachte Umsatzsteuer (diese ist in dem in der genannten Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten) und zum anderen Stempelgebühren (sie sind nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß zu ersetzen, das sind hier S 360,-- für die Beschwerdeausfertigungen, S 120,-- für die Vollmacht und S 60,-- für eine Kopie des angefochtenen Bescheides).

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