VwGH 93/10/0136

VwGH93/10/013627.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der C in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 24. Mai 1993, Zl. 1-235/93/E2, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1
AVG §66 Abs4
VStG §44a lita
VStG §44a Z1
VStG §44a Z1 implizit
VStG §9 Abs1
VStG §9 Abs2
VStG §9 Abs3
VStG §9 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1995:1993100136.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der BH Feldkirch vom 12. Jänner 1993 wurde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie sei „als Filialleiterin des XY-Verbrauchermarktes L-Center in F“, dafür verantwortlich, daß am 2. Mai 1992 um 10.30 Uhr im SB-Gemüseregal des obigen Lebensmittelgeschäftes zwei Packungen Paprika zu je einem Kilo zum Verkauf feilgehalten wurden, obwohl die Paprika teilweise Faulstellen aufweisen, ohne daß dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht war“.

In ihrer gegen das Straferkenntnis erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin u.a. geltend, der Spruch entspreche nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG.

Im Berufungsverfahren hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine vom 12. Dezember 1989 datierte Urkunde vor, wonach die Beschwerdeführerin unter näherer Umschreibung des sachlichen Verantwortungsbereiches von der „XY“-Gesellschaft m.b.H. & Co zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG für „den Bereich XY-Verbrauchermärkte in der Filiale F“ bestellt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe einer Änderung des Spruches. Im neuformulierten Spruch wird die Beschwerdeführerin als „gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortliche Beauftragte für den XY-Verbrauchermarkt in F (L-Center)“ bezeichnet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvosrchriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß in der Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z. 1 VStG u.a. zum Ausdruck kommen, worauf sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschuldigten gründet, das heißt, ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung, als der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit strafrechtlich Verantwortliche nach § 9 VStG oder etwa als durch die Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zum Verantwortlichen bestimmter begangen hat. Wird ein Täter als verantwortliches Organ einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG bestraft, so erfordert es § 44a Z. 1 VStG, daß im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, derzufolge der Täter zur Vertretung nach außen berufen ist, eindeutig angeführt wird (vgl. das Erkenntnis vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0148, und die dort angeführte Vorjudikatur). Wird die in Rede stehende Verwaltungsübertretung einem verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 bis 4 VStG angelastet, so erfordert es § 44a Z. 1 VStG, daß im Spruch einerseits auf die Stellung als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 bis 4 VStG eindeutig hingewiesen werde; ebenso ist die zweifelsfreie Bezeichnung der juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, in deren Geschäftsbetrieb die Pflichtverletzung erfolgte, die der Beschuldigte infolge seiner Bestellung zum verantworlichen Beauftragten zu verantworten hat, erforderlich. Aus § 44a Z. 1 VStG ergibt sich, daß der Spruch eines Straferkenntnisses alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zu umfassen hat. Zu jenen Merkmalen, auf Grund deren der Beschuldigte die strafrechtliche Verantwortung zu tragen hat, gehört der Umstand seiner Bestellung als verantwortlicher Beauftragter durch jene juristische Person oder Personengemeinschaft oder Rechtspersönlichkeit, bei deren Tätigkeit der strafbare Tatbestand verwirklicht wurde.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides entspricht den dargelegten Anforderungen nicht. Es wird zwar klargestellt, daß sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin auf deren Stellung als verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG gründet. Es fehlt jedoch eine zweifelsfreie Bezeichnung der juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, in deren Geschäftsbetrieb die Verwaltungsübertretung begangen wurde. Bei der Bezeichnung „XY-Verbrauchermarkt in F (L-Center)“ handelt es sich erkennbar lediglich um eine mit einer Ortsangabe ergänzte Geschäfts- bzw. Etablissementbezeichnung, mit der offenbar auf einen räumlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens Bezug genommen wird, für den die Beschwerdeführerin zur verantwortlichen Beauftragten bestellt wurde. Hingegen handelt es sich nicht um die zweifelsfreie Bezeichnung der - nach Ausweis des aktenkundigen Zustimmungsnachweises - in Rede stehenden Personengesellschaft des Handelsrechtes, die die Beschwerdeführerin zur verantwortlichen Beauftragten bestellte. Die Anführung der Geschäftsbezeichnung, mag aus dieser auch der Tatort und der räumliche Verantwortungsbereich des Beschuldigten hervorgehen, kann die Bezeichnung des Unternehmens, in dessen Betrieb die Pflichtverletzung begangen wurde, nicht ersetzen; denn die Geschäftsbezeichnung läßt weder erkennen, welches Unternehmen den Beschuldigten zum verantwortlichen Beauftragten bestellte, noch, daß die Pflichtverletzung im Geschäftsbetrieb dieses Unternehmens begangen wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Es erübrigte sich daher ein Eingehen auf die Beschwerdegründe, die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Hinblick auf das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung geltend machen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994

Wien, am 27. November 1995

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