VwGH 93/07/0023

VwGH93/07/002316.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des J in R, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. Dezember 1992, Zl. VwSen-200018/8/Kl/Rd, betreffend Übertretung des Futtermittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FuttermittelG §10 Abs1;
FuttermittelG §10 Abs2;
FuttermittelG §7 Abs2;
FuttermittelG;
FuttermittelV §8 Abs2;
FuttermittelV §8;
FuttermittelV Anl Teil1 Z3;
FuttermittelV Anl Teil1 Z6;
FuttermittelV Anl Teil2 Spalte4;
FuttermittelV;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VStG §9 Abs1;
FuttermittelG §10 Abs1;
FuttermittelG §10 Abs2;
FuttermittelG §7 Abs2;
FuttermittelG;
FuttermittelV §8 Abs2;
FuttermittelV §8;
FuttermittelV Anl Teil1 Z3;
FuttermittelV Anl Teil1 Z6;
FuttermittelV Anl Teil2 Spalte4;
FuttermittelV;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VStG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer und zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma S. GesmbH & Co. KG, wie anläßlich einer am 4. Oktober 1991 im Betrieb N.S. von der Bundesanstalt für Agrarbiologie durchgeführten Futtermittelkontrolle festgestellt worden sei, das Truthühnermastfutter I, Verwendungszweck 01.13, mit der Bezeichnung "Putenmastfutter" Reg. Nr.: A 11.169, am 20. September 1991 an den kontrollierten Betrieb ausgeliefert (18 Säcke a 30 kg) und dadurch in Verkehr gebracht, wobei ein Gehalt des Coccidiose-Abwehrstoffes Amprolium+8 Ethopabat von 50mg/kg festgestellt und somit der gesetzlich vorgeschriebene Gehalt von 125 mg/kg verbotenerweise um 60 % unterschritten worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach den §§ 7 Abs. 2 und 10 Abs. 1 und 2 des Futtermittelgesetzes, BGBl. Nr. 97/1952 (FMG) iVm § 8 Abs. 2 und Anlage, Teil I, Allgemeine Bestimmungen, Z. 3 und 6 und Teil II, Besondere Bestimmungen, Verwendungszweck 01.13 Spalte 4 der Futtermittelverordnung 1976, BGBl. Nr. 28/1977 (FMVO) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die in Spalte 4 des Teiles II der FMVO genannten Zusatzstoffe dürften nach oben hin nicht überschritten werden (§ 8 Abs. 2 FMVO und Spalte 4 des Teiles II der Anlage). Daraus ergäbe sich, daß grundsätzlich eine Abweichung nach unten gestattet sei. Die FMVO gestatte bei Coccidiose-Abwehrstoffen Abweichungen nach unten bis zu 20 % vom angegebenen Gehalt (§ 8 Abs. 2 FMVO). Im Widerspruch dazu stehe die Formulierung in der Spalte IV des Teiles II der Anlage zur FMVO, wonach die mit einem Sternchen bezeichneten Werte weder über- noch unterschritten werden dürften. Dieser Widerspruch könne nur durch eine eindeutige Regelung seitens des Verordnungsgebers geklärt werden. Die FMVO sei infolge der aufgezeigten Widersprüchlichkeit gesetzwidrig.

§ 15 Abs. 1 FMG erklärt Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zu Verwaltungsübertretungen.

Nach § 7 Abs. 2 FMG dürfen die in das Register nach § 6 Abs. 1 leg. cit. eingetragenen Futtermittel nur in der im Register festgehaltenen chemischen und physikalischen Beschaffenheit (lit. a) und mit einer der Eintragung in das Register entsprechenden Handelsbezeichnung und - soweit dies vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft durch Verordnung vorgeschrieben wird - mit der Angabe des Verwendungszweckes, der Herkunft, der verarbeiteten Rohstoffe und ihres Mischungsverhältnisses, der Art und des Zeitpunktes der Herstellung sowie des Gehaltes an wertbestimmenden Bestandteilen (lit. b) gewerbsmäßig veräußert, feilgeboten oder sonst in Verkehr gebracht werden.

Bei dem verfahrensgegenständlichen "Putenmastfutter" handelt es sich um ein in das Register eingetragenes Futtermittel mit dem Verwendungszweck Truthühnermastfutter I nach Pos. 01.13 des Teiles II der Anlage zur FMVO.

Der Coccidiose-Abwehrstoff Amprolium+8 Ethopabat scheint im Teil II der Anlage zur FMVO bei Pos. 01.13 unter Spalte 4 als Zusatzstoff auf. Nach Z. 3 des Teiles I der Anlage sind die bei der Herstellung einer Mischung - um eine solche handelt es sich bei dem verfahrensgegenständlichen "Putenmastfutter" - verwendeten Coccidiose-Abwehrstoffe der Art und der verwendeten Menge nach in der Benennung anzugeben.

Nach § 10 Abs. 1 FMG werden die näheren Bestimmungen über Güte und Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, die Art der Benennung (§ 7) sowie über das Erfordernis von Angaben des Verwendungszweckes, der Herkunft, der Art und des Zeitpunktes der Herstellung, der verarbeiteten Rohstoffe und des Gehaltes an wertbestimmenden Bestandteilen, insbesondere inwieweit Protein und Fett getrennt anzugeben sind, sowie über die Spielräume, innerhalb welcher die Angaben über die wertbestimmenden Bestandteile noch als richtig gelten, durch Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft erlassen.

§ 10 Abs. 2 leg. cit. bestimmt, daß sofern für Futtermittel Anordnungen der im Abs. 1 genannten Art festgelegt sind, sie nur dann feilgeboten, veräußert oder sonst in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie diesen Anordnungen entsprechen.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß im Futtermittelregister sowie im konkreten Beipackzettel ein garantierter Gehalt an Amprolium+8 Ethopabat von 125 mg/kg angegeben wurden. Bei der Probenuntersuchung wurde ein Gehalt von 50 mg/kg festgestellt.

Daß es sich bei dem erwähnten Zusatzstoff um einen wertbestimmenden Bestandteil handelt, ergibt sich eindeutig aus § 39 Abs. 2 I Z. 1 lit. d FMVO, wonach im Register unter Anweisung einer Registernummer die vom Anzeiger gemäß Spalte 2 und bei Verwendung von Zusatzstoffen auch gemäß Spalte 4 des Teiles II der Anlage garantierten wertbestimmenden Bestandteile einzutragen sind. Daraus geht hervor, daß der Verordnungsgeber auch die Stoffe in Spalte 4 des Teiles II der Anlage zur FMVO als wertbestimmende Bestandteile betrachtet, und zwar, da die Spalte 4 diesbezüglich nicht differenziert, alle dort genannten Stoffe, soferne es sich um vom Anzeiger "garantierte" handelt, worunter solche zu verstehen sind, die bei der Anmeldung zum Register angegeben werden. Auch aus § 8 FMVO ergibt sich die Einstufung von Stoffen der Spalte 4 der Anlage als wertbestimmende Bestandteile, da im Absatz 2 auch ausdrücklich auf die Stoffe der Spalte 4 Bezug genommen wird.

Für Amprolium+8 Ethopabat ist in der Anlage zur FMVO ein Wert von 125 mg/kg festgesetzt, der, wie sich aus der Kennzeichnung mit einem Sternchen ergibt, weder über- noch unterschritten werden darf. Daran ändert auch § 8 FMVO nichts. Nach dessen Absatz 1 gelten die Angaben über den Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen noch als richtig und die vorgeschriebenen Gehaltszahlen noch als erfüllt, wenn der festgestellte Gehalt nach der wertvermindernden Seite hin nicht mehr abweicht, als in den nachstehenden Bestimmungen angegeben. Nach § 8 Abs. 2 leg. cit. gelten für Mischungen gemäß § 4 FMG - dazu zählt das verfahrensgegenständliche Produkt - die Bestimmungen des Abs. 1 mit der Maßgabe, daß die in Spalte 2 des Teiles II der Anlage jeweils vorgeschriebene Mindestgehalte nicht unterschritten und die dort jeweils vorgeschriebenen Höchstwerte nicht überschritten werden dürfen. Mit der Maßgabe, daß die in Spalte 4 des Teiles II der Anlage erlaubten Höchstwerte nicht überschritten werden, sind bei den nachstehend angeführten Bestandteilen Abweichungen in folgendem Ausmaß zulässig: Leistungsförderer: 20 % des angegebenen Gehaltes; Coccidiose-Abwehrstoffe: 20 % des angegebenen Gehaltes. § 8 Abs. 2 FMVO verwendet den Terminus "Höchstwerte". Dieser Ausdruck bezeichnet in Spalte 4 der Anlage jene Mengenangabe, die nicht überschritten werden darf; dagegen spricht Spalte 4 bei den mit einem Sternchen versehenen Mengenangaben davon, daß diese weder über- noch unterschritten werden dürfen. Der Ausdruck Höchstwert bezieht sich daher nur auf solche Mengenangaben, die lediglich nach oben hin nicht überschritten werden dürfen; bei diesen darf nach § 8 Abs. 2 letzter Satz FMVO nach unten abgewichen werden. Auf die mit Sternchen versehenen Mengenangaben bezieht sich hingegen § 8 Abs. 2 letzter Satz FMVO nicht; von diesen darf weder nach oben noch nach unten abgewichen werden.

Der Einwand des Beschwerdeführers, es liege kein verdorbenes oder minderwertiges bzw. ungeeignetes Futtermittel vor und es habe auch keinerlei Übervorteilungsabsicht gegenüber Kunden bestanden, geht ins Leere, da ihm ein solcher Vorwurf im angefochtenen Bescheid nicht gemacht wurde.

Der Beschwerdeführer meint weiters, es gehe nicht an, ihm als Gewerbetreibenden die richtige Auslegung der widersprüchlichen gesetzlichen Bestimmungen aufzubürden. Es liege daher ein entschuldbarer Rechtsirrtum seinerseits vor.

Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß die Auslegung des LMG und der LMVO für einen juristischen Laien mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich bei der zuständigen Behörde oder bei der gesetzlichen beruflichen Vertretung über den Inhalt dieser Normwerke zu informieren. Ein Schuldausschließungsgrund liegt daher nicht vor.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, er habe sich im Verwaltungsstrafverfahren dahin verantwortet, daß er stichprobenartig Überwachungen durchführe und bei diesen Gelegenheiten das Personal auf die besondere Wichtigkeit und Bedeutung des Mischvorganges hinweise. In der Berufung habe er das Kontrollsystem dahin präzisiert, daß durchschnittlich zweimal wöchentlich die Bediensteten kontrolliert würden, wobei die Bediensteten seit 5 bis 8 Jahren diese Tätigkeit ausführten und der Beschwerdeführer bei diesen Kontrollen die Tätigkeiten der Mischer genau verfolge und sie darauf hinweise, daß ein genaues Wiegen vom Gesetzgeber gefordert werde. Er habe auch angegeben, daß der jeweilige Mischer den "Grundpremix" zu unterfertigen habe, damit bei allfälligen Beanstandungen der Verursacher festgestellt und entsprechend gemaßregelt werden könne. Bezüglich der Coccidiosestoffe erfolge jeweils ein gesonderter Auftrag an den Mischer; die stichprobenartigen Überprüfungen der Coccidiose-Bestandteilbeimischung seien naturgemäß wesentlich seltener, weil solche Mischungen eben nicht ständig, sondern nur ausnahmsweise durchgeführt würden. Im Falle beruflicher oder urlaubsbedingter Abwesenheit werde diese Kontroll- und Überwachungsfunktion vom Bruder des Beschwerdeführers übernommen.

Zum Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr. Es handelt sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt. Dies bedeutet, daß es dem Beschwerdeführer oblag, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren erklärt, die festgestellte Unterschreitung des Gehaltes an Amprolium+8 Ethopabat sei offensichtlich darauf zurückzuführen, daß der Mischer sich bei der Herstellung des Produktes in der Menge vergriffen habe, indem er statt eines halben Kilos nur ein viertel Kilo dieses Abwehrstoffes pro Tonne Futtermischung genommen habe. Mit seinem Vorbringen bezüglich der Kontrolle des Personals hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dazu hätte es einer entsprechend präzisen und detaillierten Darstellung der Aufbau- und Ablauforganisation der Produktion im Betrieb des Beschwerdeführers und insbesondere der Einbindung des Personals in den Produktionsprozeß und einer darauf bezogenen anschaulichen Schilderung der Kontrollmaßnahmen bedurft. Nur eine solche Darstellung ließe verläßliche Schlüsse darüber zu, ob die Kontrolle des Personals in der vom Beschwerdeführer beschriebenen Art ausreichte, um Fehler des Personals zu verhindern und ob nicht vielmehr eine produktbezogene Qualitätskontrolle erforderlich gewesen wäre. Ob stichprobenartige Kontrollen Fehler, die nicht auf einem bewußten Fehlverhalten beruhen, hintanzuhalten vermögen, muß bezweifelt werden; dies insbesondere dann, wenn der betriebliche Produktionsprozeß nicht so gestaltet ist, daß er dazu beiträgt, die Wahrscheinlichkeit solcher Fehler auf ein Minimum abzusenken.

Schließlich bemängelt der Beschwerdeführer die Strafbemessung. Es handle sich um schwierige Mischungen, er sei unbescholten, was den Schluß zulasse, daß derartige Übertretungen normalerweise bei der von ihm geführten Firma nicht vorkämen und es sei kein Schaden für die Gesundheit von Mensch oder Tier zu erwarten; es seien daher die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG erfüllt.

Nach § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann dem Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG kommt nur dann in Betracht, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten unrechts- und schuldgehalterheblich zurückbleibt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 817 angeführte Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen liegen im Beschwerdefall nicht vor. Die Anwendung des § 21 VStG kam daher nicht in Betracht.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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