VwGH 93/06/0053

VwGH93/06/005324.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayer, über die Beschwerde des JK und der EK in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Jänner 1993, Zl. 03-10 K 85-93/2, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. Zurückweisung eines Antrages auf Entschädigung nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1;
ROG Stmk 1974 §34 Abs5;
VwRallg;
AVG §71 Abs1;
ROG Stmk 1974 §34 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind auf Grund des Kaufvertrages vom 17. Juli 1973/17. Juni 1974 je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 568, KG R, mit dem Grundstück 303/4. Ihren ständigen ordentlichen Wohnsitz haben sie in S, wo sich auch ständig aufhalten.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde B vom 27. Juli 1979 wurde das genannte Grundstück als Bauplatz gewidmet; diese Widmungsbewilligung besteht nach wie vor aufrecht. Mit Bescheid vom 20. August 1979 wurde für ein Bauvorhaben eine Baubewilligung erteilt (diese wurde offensichtlich nicht konsumiert). Anläßlich eines Heimaturlaubes wurde den Beschwerdeführern mit Schreiben des Marktgemeindeamtes vom 9. Juli 1991 mitgeteilt, daß die Erteilung einer Baubewilligung auf Grund der Ausweisung als Freiland unzulässig sei. Davon haben die Beschwerdeführer "am 15. Juli 1992" Kenntnis erlangt.

Der Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde, mit der das genannte Grundstück als Freiland gewidmet wurde, wurde mit Bescheid der Stmk. Landesregierung vom 9. Dezember 1981 genehmigt und trat auf Grund der Kundmachung vom 16. Dezember 1981 am 2. Jänner 1982 in Kraft.

Daraufhin beantragten die Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist nach § 34 Abs. 2 lit. b des Stmk. Raumordnungsgesetzes (ROG) zur Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches, da die Beschwerdeführer von der Kundmachung keine Kenntnis gehabt hätten und sie auch kein Verschulden an der Fristversäumung treffe.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1992 gab die Bezirkshauptmannschaft dem Wiedereinsetzungsantrag keine Folge und wies den Antrag auf Entschädigung gemäß § 34 ROG als verspätet zurück; da es sich dabei um eine materielle Frist handle, sei die Wiedereinsetzung nicht möglich.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet ab. Auch sie stützte sich darauf, daß sich aus § 71 Abs. 1 Z. 1 des AVG 1991 ergebe, daß es sich um ein anhängiges Verfahren handeln müsse, während dessen Verlauf etwaige Fristen ohne Verschulden oder ohne Versehen nicht eingehalten werden konnten. Es müsse sich daher um ein konkretes Verfahren handeln, um eine formellrechtliche Fristversäumnis zu erzeugen. Es sei aktenkundig, daß mit Bescheid vom 9. Dezember 1981 der Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde genehmigt worden sei; er sei auf Grund der Kundmachung vom 16. Dezember 1981 mit 2. Jänner 1982 in Kraft getreten. Dieser Flächenwidmungsplan sei jedoch in der Folge im Rahmen der ersten Revision zum Flächenwidmungsplan durch einen anderen ersetzt worden, der mit Bescheid vom 1. Februar 1988 genehmigt worden sei; dieser sei seit 1. März 1988 rechtswirksam. Sowohl der erste wie der zweite Flächenwidmungsplan seien ordnungsgemäß an der Amtstafel kundgemacht worden und damit für jedermann rechtswirksam. Der Umstand, daß sich die Beschwerdeführer in Südafrika dauernd aufhielten, hätte sie dazu bewegen müssen, eine zur Vertretung geeignete Person in Österreich namhaft zu machen, um ihre Interessen bezüglich des Grundstücks vertreten zu lassen. Der Anspruch auf Geltendmachung eines Entschädigungsantrages sei daher auf Grund der geschilderten Rechtslage untergegangen. Darüber hinaus verwies die belangte Behörde auf eine Vollmacht der Beschwerdeführer an K.K. die ausgereicht hätte, Entschädigungsanträge bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde innerhalb der gesetzlich normierten Frist von einem Jahr, also bis 2. Jänner 1983, zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde; die Beschwerdeführer sehen sich in dem Recht verletzt, zur Beseitigung ihres Rechtsnachteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der First zur Erhebung eines Entschädigungsantrages gewürdigt zu erhalten und in weiterer Folge eine materielle Entscheidung über diesen Antrag zu erhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder ein nur minderen Grad des Versehens trifft. Aus diesem Zusammenhang und der Versäumung der First oder mündlicher Verhandlung ergibt sich, daß sich diese Vorschrift nur auf VERFAHRENSRECHTLICHE Fristen bezieht, deren Ablauf die Möglichkeit beendet, in einem Verwaltungsverfahren eine Verfahrenshandlung zu setzen, sowie eine Berufung zu erheben oder einen Antrag zu verbessern (vgl. z.B. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, S. 722), also nicht für die Frist zur Geltendmachung eines materiellen Anspruches oder Antrages (vgl. auch die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, als Nr. 1a bis 1c zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 Abs. 1 AVG). Es kann in diesem Zusammenhang durchaus dahingestellt bleiben, ob es auch verfahrensrechtliche Fristen geben kann, die vor Einleitung eines Verfahrens liegen; unbestreitbar kann die Wiedereinsetzung auf materiell-rechtliche Fristen - von gesetzlich besonders geregelten Fällen abgesehen - nicht angewendet werden.

Nun normiert § 34 Abs. 5 des Stmk. Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 in der Fassung zuletzt LGBl. Nr. 41/1991, (ROG), daß mangels einer gütlichen Einigung zwischen Gemeinde und Grundeigentümer über das Ausmaß der Entschädigung der Antrag auf Entschädigung "BEI SONSTIGEM ANSPRUCHSVERLUST" vom Grundeigentümer innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des den Anspruch begründenden Flächenwidmungsplanes einzubringen ist. Daraus ergibt sich eindeutig, daß es sich nicht um eine verfahrensrechtliche Frist, sondern vielmehr um eine materiell-rechtliche Frist, und zwar um eine Ausschlußfrist zur Geltendmachung des Anspruches handelt.

Nur ergänzend sei bemerkt, daß die Ansicht, daß das Verfahren auf Erlassung eines Flächenwidmungsplanes mit dem möglichen anschließenden Entschädigungsverfahren eine Einheit bildet, nicht nachvollzogen werden kann. Abgesehen, daß das Inkrafttreten des Flächenwidmungsplans auf Grund der Kundmachung keine Verfahrenshandlung zur Setzung eines individuell-konkreten Rechtsakts, sondern im Rahmen der Erlassung einer Verordnung darstellt, ist die Anknüpfung an ein bestimmtes Ereignis als Beginn einer Frist keinerlei Anlaß, daraus eine Einheit mit diesem Ereignis abzuleiten.

Da die Verwaltungsbehörden zu Recht erkannt haben, daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens einer verfahrensrechtlichen Frist von vornherein ausgeschlossen ist, war auf die weitergehenden Begründungen nicht mehr einzugehen. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem Vorbringen der Beschwerde, daß durch den angefochtenen Bescheid Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt wurden, sodaß gemäß § 35 Abs. 1 VwGG die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen war.

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