VwGH 90/13/0281

VwGH90/13/02819.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde des S in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat X, vom 27. September 1990, Zl. 6/4 - 4290/88 - 02, betreffend Umsatzsteuer 1984 und 1985, Einkommensteuer 1979, 1984 und 1985, Gewerbesteuer 1985 und Verspätungszuschläge hinsichtlich Einkommensteuer 1979, Umsatz- und Einkommensteuer 1984 und 1985

Normen

BAO §116 Abs1;
StGB §164 Abs1 Z2;
VwRallg;
BAO §116 Abs1;
StGB §164 Abs1 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

1) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den angefochtenen Bescheid im Umfang eines Abspruches über die Einkommensteuer 1979 und den Verspätungszuschlag betreffend Einkommensteuer 1979 wendet, zurückgewiesen;

2) zu Recht erkannt:

im übrigen, somit hinsichtlich des Abspruches über Umsatz- und Einkommensteuer 1984 und 1985, Gewerbesteuer 1985 und Verspätungszuschläge betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1984 und 1985, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 12. November 1986 wegen des Verbrechens der Hehlerei verurteilt. Er war für schuldig befunden worden, in den Jahren 1983 bis 1985 vier Kompressoren und ein Schweißaggregat, welche unbekannte Täter durch Verbrechen bzw. durch Vergehen gegen fremdes Vermögen erlangt hatten, jeweils durch Vermittlung des Verkaufes, der Bewerkstelligung der Übergabe an den Käufer und der Vornahme des Inkassos des Kaufpreises verhandelt zu haben. Einen weiteren Kompressor hatte er an sich gebracht und verheimlicht, indem er das Gerät in das Anwesen eines Mitangeklagten transportiert und dort verwahrt hatte. Im Rahmen der Beweiswürdigung war das Gericht im wesentlichen den Angaben des geständigen Beschwerdeführers und dieses Mitangeklagten gefolgt. Feststellungen über den Tathergang der Diebstahlshandlungen und über die Täter konnten mit der im Strafverfahren gebotenen Sicherheit nicht getroffen werden.

Im Zuge einer gemäß § 99 FinStrG durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung vertrat das Prüfungsorgan die Auffassung, der Beschwerdeführer hätte nicht, wie in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung behauptet, die Geräte von einer unbekannten Person erhalten und deren Veräußerung gegen Provision vermittelt, sondern trage für die "Beschaffung" der Maschinen allein "die Verantwortung" und habe auch den Kaufpreis zur Gänze vereinnahmt.

Das Finanzamt folgte diesen Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

In seiner Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die Sachverhaltsannahmen des Finanzamtes, indem er darlegte, daß weder in der Anklageschrift noch im Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt zum Ausdruck komme, er selbst habe die Maschinen gekauft oder gestohlen und weiterveräußert. Bei Einsicht in den Strafakt hätte der Prüfer feststellen können, daß dem Beschwerdeführer während des gesamten gerichtlichen Strafverfahrens nur Vermittlungstätigkeiten zur Last gelegt worden seien, weshalb ihm eine Provision von jeweils höchstens S 5.000,-- für die Geschäftsvermittlungen zugerechnet werden könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und wies sie im übrigen als unbegründet ab. Gestützt auf das Ergebnis des vom Landesgericht Eisenstadt durchgeführten Ermittlungsverfahrens komme sie zu dem Schluß, der Beschwerdeführer habe jene Geräte, die durch ihn zum Verkauf gelangt seien, keineswegs von einem Unbekannten, dessen Namen er trotz mehrfacher persönlicher Kontakte nicht nennen konnte, übernommen und den erzielten Kaufpreis gegen Provision an diesen weitergegeben. Vielmehr hätte er die gesamte entgeltliche Leistung für eigene Rechung vereinnahmt. Weil nun der Beschwerdeführer auch nicht imstande gewesen sei, die Höhe der Einstandspreise bekanntzugeben, könne ein Abzug dieser Beträge gemäß § 162 Abs. 2 BAO nicht erfolgen. Im Hinblick auf seine wiederholte Betätigung, die unbestrittene Gewinnerzielungsabsicht sowie seine Bereitschaft, mit verschiedenen Personen in Geschäftsbeziehung zu treten, liege eine gewerbliche Tätigkeit und nicht, wie der Beschwerdeführer vermeine, eine gelegentliche Vermittlung im Sinne des § 29 Z. 3 EStG 1972 vor. Als Verkaufspreis und somit als Einnahmen seien die vom Landesgericht E. ermittelten Beträge zum Ansatz zu bringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Beschwerde betreffend Einkommensteuer 1979 und die Festsetzung eines Verspätungszuschlages betreffend Einkommensteuer 1979

Die vom Finanzamt Eisenstadt erlassenen Bescheide betreffend Einkommensteuer 1979 sowie Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1979 wurden von der belangten Behörde im Sinne des gestellten Berufungsbegehrens ersatzlos aufgehoben. Der Beschwerdeführer konnte daher insoweit durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiv-öffentlichen Recht nicht verletzt sein; es enthält der Beschwerdeschriftsatz auch keine in diese Richtung weisende Behauptung.

Die Beschwerde war somit in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG aus dem Grunde des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung mit Beschluß zurückzuweisen.

Zur Beschwerde betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1984 und 1985, Gewerbesteuer 1985 und Verspätungszuschläge betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1984 und 1985 Vorweg ist festzuhalten, daß die Parteien des

verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend erklärt haben, durch die in den Verwaltungsakten nicht einliegende Vollmacht sei die Bestellung des Beschwerdevertreters zum Zustellbevollmächtigten im Sinne des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden. Der an den Beschwerdeführer persönlich adressierte angefochtene Bescheid wurde am 15. Oktober 1990 von ihm übernommen und ist dem Beschwerdevertreter den Ausführungen in der Beschwerde zufolge am 24. Oktober 1990 zugekommen. Mit Ausfolgung des Schriftstückes an den Beschwerdevertreter hat daher die Zustellung gemäß § 7 Zustellgesetz rechtliche Wirkungen entfaltet. Die am 29. November 1990 zur Post gegebene Beschwerde erweist sich daher als fristgerecht beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht zuvorderst die Frage in Streit, ob dem Beschwerdeführer aus seinen Tathandlungen der Kaufpreis für die gestohlenen Maschinen oder nur eine Vermittlungsprovision zugeflossen ist. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde in ihrer Lösung dieser Frage Aktenwidrigkeit mit der Begründung vor, daß das Strafurteil entgegen der behördlichen Behauptung gerade nicht einen Verkauf der Maschinen durch den Beschwerdeführer feststelle und der Beschwerdeführer solches im Strafverfahren auch nie gestanden habe. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, den Strafakt beizuschaffen und seinen Inhalt der gebotenen Auseinandersetzung zu unterziehen. Berechtigt ist der eine wie der andere Vorwurf. Dies darzustellen erübrigt sich allerdings deswegen, weil die belangte Behörde ihren Bescheid in diesem Zusammenhang mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, welche jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht.

Es hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich schon wiederholt seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen entfaltet, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt; ein vom bindenen Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zulasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1984, 84/16/0179, 0180, Slg. Nr. 5935/F). Diese Bindung trifft auch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1983, 83/16/0104, 0105, Slg. Nr. 5823/F). Von dieser Anschauung ist der Gerichtshof bislang nicht abgerückt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1985, 83/16/0093, Slg. Nr. 6016/F, vom 19. Februar 1987, 85/16/0055, und vom 13. April 1988, 84/13/0135).

Während die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - anders als in ihrer Gegenschrift - sich durch die von ihr zitierte hg. Judikatur zu dieser Auffassung über die Bindungswirkung des Strafurteiles zunächst noch bekennt, hat sie in weiterer Folge mit dem Inhalt ihres Bescheides gegen die Bindung verstoßen. Das Tatbild des § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB verwirklicht, wer eine Sache, die ein anderer durch eine - im Gesetz näher bestimmte - strafbare Handlung erlangt hat, kauft, zum Pfand nimmt oder sonst an sich bringt, verheimlicht oder verhandelt. Nach dem Spruch der den Beschwerdeführer verurteilenden strafgerichtlichen Entscheidung wurde von ihm hinsichtlich der von der belangten Behörde als verkauft beurteilten Maschinen das Tatbestandsmerkmal des "Verhandelns" durch Vermittlung des Verkaufs, Bewerkstelligung der Übergabe an den Käufer und Vornahme des Inkassos des Kaufpreises (Spruchpunkt I) verwirklicht. Die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die Maschinen verkauft, steht zum Inhalt dieses Urteilsspruches in unauflöslichem Widerspruch. Vermittelte der Beschwerdeführer den Verkauf, dann schloß dies seine von der Behörde unterstellte Position als Verkäufer denknotwendig aus.

Es hat die belangte Behörde durch den ihr unterlaufenen Verstoß gegen die Bindungswirkung des den Beschwerdeführer verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der Bescheid war in diesem Umfang deshalb - unter Einschluß seines als mitangefochten anzusehenden Abspruchs über die Verspätungszuschläge 1984 und 1985 - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991; für Beilagen konnte, soweit sie Inhalt der Verwaltungsakten waren, Stempelgebührenersatz nicht zuerkannt werden.

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