VwGH 89/14/0203

VwGH89/14/020321.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der RB in F, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 4. August 1989, Zl. 11/30-4/89, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung der Zuerkennung von Mietzinsbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §116;
EStG 1972 §106a;
EStG §107;
MRG §37 Abs3 Z12;
ZPO §266;
ZPO §267;
BAO §116;
EStG 1972 §106a;
EStG §107;
MRG §37 Abs3 Z12;
ZPO §266;
ZPO §267;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes, mit dem der Beschwerdeführerin Mietzinsbeihilfe nach § 107 EStG 1988 zuerkannt worden war, gemäß § 299 Abs. 1 lit. b BAO mit der Begründung auf, es sei offenkundig, daß in dem im Gerichtsbeschluß festgesetzten Gesamterfordernis für das betreffende Haus neben den Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten auch umfangreiche Aufwendungen für nützliche Verbesserungsarbeiten im Sinne des § 4 MRG enthalten seien. Das Finanzamt habe es unterlassen, die auf die Verbesserungsarbeiten entfallenden Beträge aus dem Verfahren auszuscheiden. Dies wäre im gegenständlichen Fall jedoch notwendig gewesen, weil das Verfahren nach § 18 MRG nur die Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, nicht aber auch die Aufwendungen für Verbesserungsarbeiten im Sinne des § 4 MRG umfasse. Das vom Bezirksgericht abgewickelte Verfahren habe aber nur eine Mietzinserhöhung nach § 18 MRG zum Gegenstand gehabt, nicht aber, wie das Finanzamt zu Unrecht angenommen habe, auch ein Verfahren nach § 18b MRG. Damit habe das Finanzamt in seinem Bescheid den zugrundeliegenden Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt, weshalb der zitierte Aufhebungsgrund vorliege. Außerdem begründete die belangte Behörde, warum sie von ihrem Ermessen im Sinne der Aufhebung Gebrauch gemacht habe.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, daß der Bescheid des Finanzamtes nicht aufgehoben werde. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 107 Abs. 1 EStG 1988 werden auf Antrag des unbeschränkt steuerpflichtigen Hauptmieters Erhöhungen des Hauptmietzinses als außergewöhnliche Belastung (§ 34) berücksichtigt, wenn sie seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Erhöhungen des Hauptmietzinses sind gemäß § 107 Abs. 3 lit. b EStG 1988 u.a. Erhöhungen auf mehr als 4,50 S je Quadratmeter der Nutzfläche auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichtes (einer Gemeinde) nach §§ 18, 18a, 18b, 19 Mietrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/81. Die Belastung wird gemäß § 107 Abs. 4 EStG 1988 durch Zahlung eines monatlichen Betrages abgegolten.

Vorstehender gesetzlicher Tatbestand stellt auf die Erhöhung des Hauptmietzinses (§ 107 Abs. 1 EStG 1988) durch rechtskräftige Entscheidung des Gerichtes (§ 107 Abs. 3 EStG 1988) ab, nicht jedoch darauf, daß die rechtlichen Voraussetzungen für die Erhöhung des Hauptmietzinses vorlagen. Der Verwaltungsgerichtshof stimmt daher der zur diesbezüglich vergleichbaren Vorgängerbestimmung (§ 106a EStG 1972) vom Bundesministerium für Finanzen in AÖFV Nr. 63/1982 unter II/A/1 mitgeteilten Rechtsansicht zu, daß die Entscheidung des Gerichtes (der Gemeinde) für die Abgabenbehörde bindend und diese daher nicht berechtigt ist, das Vorliegen einer Mietzinserhöhung als Vorfrage gemäß § 116 BAO zu beurteilen.

Gerade die gegenteilige Rechtsansicht vertrat jedoch die belangte Behörde in dem einzigen gebrauchten Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides, weil sie beanstandete, daß das Finanzamt in einem wesentlichen Punkt den Sachverhalt unrichtig festgestellt habe, nämlich in dem, daß das Bezirksgericht auch für nützliche Verbesserungsarbeiten im Sinne des § 4 MRG die Mietzinserhöhung nach § 18 MRG und nicht nach § 18b MRG - auch eine Erhöhung nach dieser Gesetzesstelle wäre im übrigen eine solche gemäß § 107 Abs. 3 lit. b EStG 1988 - bewilligt habe. Selbst wenn dem Beschluß des Bezirksgerichtes dieser Fehler anhaften sollte, müßte die Abgabenbehörde von dieser rechtskräftigen, wenn auch fehlerhaften, Entscheidung des Gerichtes ausgehen, weil der Gesetzgeber auf die Entscheidung des Gerichtes abgestellt hat, nicht jedoch auf den Erhöhungstatbestand des Gesetzes. Dieser ist daher nicht Vorfrage im Sinne des § 116 BAO.

Auch die Möglichkeit, in Mietzinserhöhungsverfahren Tatsachen im Sinne der §§ 266, 267 ZPO zuzugestehen (§ 37 Abs. 3 Z. 12 MRG), führt zu keiner anderen Auslegung des § 107 Abs. 1 und 3 EStG 1988. Die erwähnte Verfahrensrechtslage war dem Gesetzgeber des EStG 1988 nämlich bekannt, er hat ihre Folgen daher durch die Abstellung auf die rechtskräftige Entscheidung des Gerichtes in Kauf genommen. Die von der belangten Behörde geäußerte Furcht vor der durch ein Tatsachengeständnis ermöglichten Kollusion durch die Parteien des Mietzinserhöhungsverfahrens zum Nachteil des Fiskus ist im übrigen nicht begründet. Das Zugeständnis kann sich nämlich nur auf Tatsachen, nicht aber auf die rechtliche Beurteilung erstrecken. Es ist aber eine Frage rechtlicher Beurteilung, ob beabsichtigte Arbeiten der Erhaltung oder der Verbesserung dienen. Selbst im Tatsachenbereich bindet aber ein Geständnis etwa dort nicht, wo das Gegenteil allgemein bekannt ist, dem Gericht im Laufe seiner Tätigkeit bekannt geworden ist oder wo die Unrichtigkeit der betreffenden Behauptung bereits auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse erwiesen ist (Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechtes, Rz. 851). Schließlich durfte der Gesetzgeber des EStG 1988 auch von dem typischen Fall ausgehen, daß Hauptmieter in der Regel nicht unwahre Tatsachengeständnisse zu ihrem eigenen Nachteil ablegen. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher darin, daß der Gesetzgeber im § 107 Abs. 3 EStG 1988 - entsprechend der Vorgängerbestimmung des § 106a EStG 1972 - auf die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung abgestellt hat, auch keine unsachliche Differenzierung erblicken.

Da der angefochtene Bescheid allein auf der von der belangten Behörde vertretenen unrichtigen Rechtsansicht beruht und außerdem nicht feststeht, daß die Aufhebung aus einem anderen Grund zulässig war, verletzt der angefochtene Bescheid das subjektive Recht der Beschwerdeführerin auf Bestand des Bescheides des Finanzamtes.

Was die belangte Behörde über die Begründung des angefochtenen Bescheides hinaus zu dessen (weiterer) Begründung in der Gegenschrift vorgetragen hat, sind durchwegs neue Tatsachen, die den angefochtenen Bescheid schon deshalb nicht zu stützen vermögen, weil zu ihnen vor der Verwaltungsbehörde der Beschwerdeführerin Gehör nicht gewährt wurde (vgl. Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., Seite 607). Die betreffenden Tatsachen sind nämlich weder bei der Abgabenbehörde offenkundig, noch infolge einer gesetzlichen Vermutung keines Beweises bedürftig gewesen.

Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie wird jedoch auf folgendes hingewiesen:

Sollte die Beschwerdeführerin die Wohnung tatsächlich erst gemietet haben, nachdem die Mietzinserhöhung erfolgt war (hiefür spräche die im Verwaltungsakt liegende Mietvertragsurkunde und die Ausfertigung des Beschlusses des Bezirksgerichtes über die Erhöhung des Hauptmietzinses), so fehlte es schon am Tatbestandsmerkmal der Erhöhung des Hauptmietzinses des unbeschränkt steuerpflichtigen Hauptmieters im Sinne des § 107 Abs. 1 EStG 1988. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, daß als außergewöhnliche Belastung nur die Erhöhung des Hauptmietzinses eines Hauptmieters in Betracht kommt, nicht jedoch die Anmietung einer Wohnung, deren Hauptmietzins schon früher erhöht war. Deshalb ordnet das Gesetz in § 107 Abs. 9 Z. 1 an, daß dem Antrag als Unterlage auch eine Bescheinigung anzuschließen ist, aus der hervorgehen soll, daß der Antragsteller in den dem Gericht (Gemeinde) vorliegenden Unterlagen als Hauptmieter angeführt ist.

Sollte die Behauptung in der Gegenschrift daher richtig sein, daß die Beschwerdeführerin eine Wohnung angemietet hat, für die der Mietzins bereits erhöht war, sie also nicht als Hauptmieter von einer Mietzinserhöhung betroffen wurde, so könnte die belangte Behörde nach Aufklärung dieses entscheidungswesentlichen Sachverhaltes in einem gesetzmäßigen Verfahren, unter Berücksichtigung des § 302 Abs. 1 BAO und auf Grund gesetzmäßiger Ermessensübung den Bescheid des Finanzamtes gemäß § 299 Abs. 2 BAO aufheben.

Ob ein anderer (und ehemals einziger) Mieter durch das Zugeständnis von Tatsachen im gerichtlichen Mietzinserhöhungsverfahren mit dem Vermieter zusammengespielt hat, ist daher auch in diesem Fall ohne Bedeutung für die Beurteilung des Anspruches der Beschwerdeführerin auf Mietzinsbeihilfe. Daß der steuerpflichtige Hauptmieter ein Zusammenspiel mit dem Vermieter im Mietzinserhöhungsverfahren getrieben und solcherart eine unrichtige Entscheidung des Gerichtes herbeigeführt habe, hat die belangte Behörde nicht festgestellt und behauptet es auch in der Gegenschrift nicht. Auf die Frage, ob in einem solchen Fall gemäß § 22 Abs. 2 oder § 23 Abs. 1 BAO die rechtskräftige Mietzinserhöhungsentscheidung hinsichtlich des betreffenden Hauptmieters steuerlich unbeachtlich wäre, braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Da der angefochtene Bescheid der Beschwerde nur in einfacher Ausfertigung anzuschließen war (§ 28 Abs. 5 VwGG), konnte auch nur für eine Ausfertigung Stempelgebührenersatz zuerkannt werden.

Wien, am 21. Dezember 1989

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